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Ozymandias_Erlebnisraum

Teaser zur interaktiven Rauminstallation für eine Person „Ozymandias“ ©Studioproduktion EventMedia

Ozymandias – Nichts verbleibt. „My name is Ozymandias king of kings. Look on my works, ye Mighty, and despair!“ Die Hybris des Menschlichen liegt im Streben nach Unsterblichkeit. Der Zeit, jedoch, entgeht nichts. Im interaktiven Erlebnisraum Ozymandias erfährt eine Besucherin den Prozess des Zerfalls, der Vergänglichkeit und der Ästhetik des Verbleibenden. Dieser Perspektivwechsel eröffnet Schönheit, wo wir es nicht vermuten. „My name is Ozymandias king of kings.“

Detail aus der interaktiven Rauminstallation für eine Person „Ozymandias“ ©Studioproduktion EventMedia

Normalerweise wird Zerfall als etwas Hässliches angesehen. Aber Auflösung und Verderben eröffnen Ansichten schillernder Schönheit. Die Rückgewinnung durch die Natur wird in Ozymandias inszeniert. Das Reich des Königs aus Stein und Beton verschwindet.

Detail aus der interaktiven Rauminstallation für eine Person „Ozymandias“ ©Studioproduktion EventMedia

Dabei wird die Betrachterin in ein eigenwilliges Erlebnis eingetaucht. Es ist eine multimediale Darbietung unter Zuhilfenahme von Medien und Interaktionsschnittstellen. Die Inszenierung ist komplex und ganzheitlich geplant. Die Besucherin tritt in diese Welt hinein und befindet sich in der Parallelwelt des sinnlichen Erfahrens.

An der Medienight der Hochschule der Medien in Stuttgart zu sehen ist die interaktive Rauminstallation für eine Person „Ozymandias“ ©Studioproduktion EventMedia

Es ist eine interaktive Installation für eine Person. Am Donnerstag, der 4. Februar findet an der Hochschule eine virtuelle Medianight statt. Unter dem Link: hdm-stuttgart.de/medianight. Zum Projekt Ozymandias bitte etwas länger runter scrollen. Es werden unheimlich viele Projekte gezeigt und „O“ ist im Alphabet weit hinten. Deshalb nicht ungeduldig werden. Es kommt.

Das ist das Icon welches zu finden gilt.

Und da kann dieser Erlebnisraum stellvertretend als Videomitschnitt angesehen werden. Das studentische Team erzählt im Nachspann von den Schweirigkeiten und Herausforderungen, die in Coronazeiten plötzlich relevant wurden. Ein guter Blick hinter die Kulissen. Es lohnt.

Beitrag von Ursula Drees

Bjørn Mehlhus: Can You See My Art?

Im Kindl Museum Neukölln Berlin sind einige Exponate des Künstlers Bjørn Mehlhus zu sehen. Das Kindl Museum selbst gibt es noch nicht so lange. Seit 2016 werden in dem Gebäudekomplex der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln wichtige Positionen internationaler Gegenwartskunst gezeigt. Das Ausstellungsprogramm unter der künstlerischen Leitung von Andreas Fiedler umfasst mehrere große Ausstellungen pro Jahr und wird durch Veranstaltungen wie Künstlergespräche, Vorträge und Konzerte ergänzt. Bereits im ersten Jahr zählte der neue Kulturstandort über 30.000 Besucherinnen und Besucher. Hier auszustellen bedeutet in grosszügigen Hallen mit toller Beleuchtung wenn erforderlich sein Werk zu präsentieren.

In der Ausstellung Free Update zeigt der norwegische Künstler Bjørn Melhus Arbeiten aus den letzten Jahren. Melhus beschäftigt sich mit Filmen und Videoinstallationen mit Phänomenen der Medienwirklichkeit. In oft überzeichneten, zum Teil absurd-komischen Kurzfilmen hinterfragt er Motive und allgemeine Strategien der Massenmedien und reflektiert ihren Einfluss auf unsere heutige Gesellschaft. Grundlage seiner Arbeiten sind Audiofragmente aus verschiedenen Kanälen der vorwiegend westlichen Pop- und Kinokultur wie US-amerikanischen Filmen, TV-Sendungen oder YouTube-Videos. Ausgehend von diesen Tonsequenzen entwickelt der Künstler Erzählungen, in denen stereotype Figuren in eigenartige Kontexte versetzt werden. Dabei verkörpert Melhus die unterschiedlichsten und oft höchst bizarren Akteure seiner Filme selbst. Neben Arbeiten wie The Theory of Freedom (2015) und Can You See My Art? (2018) ist in der Ausstellung Bjørn Melhus’ neuester Film Sugar (2019) zu sehen.

Gleich zu Beginn wird „Can You See My Art“, ein Video präsentiert. Auf grellen, sich ständig ändernden Mustern steht eine Person. Sie bewegt sich hin und her, affektiert und übertrieben. So ist auch die Stimme, die Sprache ist nicht synchronisiert. Es wird immer wieder mantrahaft gefragt: „Can You See That? Can You See My Art“. Aufdringlich, kreischend, ohne Unterlass. Und dahinter wechseln die Muster. Mal Wellen, mal Streifen, was der Computer und die Effekte hergeben, immer in grellen Farben. Die Wahrnehmung wird herausgefordert.

Das Szenario ist anstrengend. Die Wiederholungen, Bewegungen und Muster…, alles ist anstrengend. Der Besucher steht vor der Projektion, betrachtet das Treiben, sinniert über die zeitversetzte Sprache, über die Bewegungen und die Aussage. Die Kunst wird gesehen, die Frage ist überflüssig, denn wir sind in einer Kunstausstellung.

Eine Selbstbeweihräucherung, eine Eitelkeit, eine Arroganz. Es spricht ungebrochenerer Narzissmus aus dem Video. Die Botschaft kommt an. Medial vernetzt, überall erreichbar, zu jeder Zeit und an jedem Ort lassen sich Menschen im virtuellen Raum vervielfältigen, legen ihr Dasein offen, beweihräuchern sich mit Selfies, zeigen Food Porn, ihre Katzen und Hunde, ihre Reisen, ihre Mode, alles. Meistens mit Instagram Filtern verschönert oder verunstaltet. Aber immer im Mittelpunkt und auf der Suche nach den 10 Seconds of Fame. Sie fragen sich, ob sie gesehen werden, kontrollieren die Menge der Kommentare, der Likes, der Hits. Ihre Wichtigkeit soll Resonanz aufweisen. Sie tun etwas, sei es noch so trivial, profan und verlangen Aufmerksamkeit. Sie wollen da sein.

Bjørn Mehlhus: Can You See My Art?
Photo mit Handy direkt von der Projektion@udrees

Der Künstler steht vor der Kunst, bewegt sich hin und her, verlässt nie den Mittelpunkt des Bildausschnitts. Die Farbe der Kleidung wechselt und mit dem Kommentar: „It is super impressive. The colors change“ begleitet. Selbst wenn die hintergründigen Farben, zu einem irrelevanten Rauschen degenerieren, verblasst die Person im Vordergrund keineswegs. Die bleibt im Mittelpunkt. Und verbrät die vordergründige Botschaft. „Can You See My Art?

Beitrag von Prof. Ursula Drees

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Museo Atlantico Teil 4: zwei Skulpturen von Jason deCaires -Taylor

Ein 5 minütiger Film, der sich durch Nahaufnahmen den Skulpturen als lebende Mahnmale nähert. Das Werk wurde am 5. Juli 2015 veröffentlicht und zeigt nicht nur Installationen im Museo Atlantico, sondern auch in Grenada, Bahamas und Mexico. Die Bilder wurden mit einer 7D und Sigma Lenses aufgenommen. Es wurde durch Jason deCiares Taylor publiziert.

Jason DeCiares – Taylor’s Skulpturen halten einen Spiegel vor. Er zeigt die Gesellschaft, wie sie ist: in nazistischen Posen und vollständiger Abwesenheit des Bewusstseins. Der Betrachter weiß gar nicht was zuerst gesehen werden soll: die anbahnende Umweltkatastrophe, menschliche Beschränktheit und Selbstverliebtheit, die skulpturale Ausdrucksstärke, die Umgebung. Die Underwater Museen befinden sich an wenig interessanten Stellen im Meer. Der Meeresboden ist dort verkastet, Sand, Wasser, keine Pflanzen, Fische oder andere Meerestiere. Die Skulpturen ziehen die Taucher und Schnorchelgäste weg von den natürlichen Riffen hin zu seinen Figuren. Sie ziehen nicht nur den Menschen an, auf und an den Skulpturen findet sich neues Korallenwachstum.

“But you’ll get coral spawning; it lands on his nose, anchors and starts growing. It’s a bit like our own lives – part of it is what flows in your direction, what nutrients come your way, and part of it is random experience.”[2]

Die Skulpturen in der Fondamente Zittere

Photographie©Jason deCaires Taylor / CACT Lanzarote

In der Fondamente Zittere in Venedig werden zwei Skulpturen gezeigt. Es ist eine Dokumentation: Material, Herstellungsvorgang und Form werden für den Besucher vorstellbar. Die Skulpturen werden aus pH-neutralem Wasserzement- oder Beton gegossen, sind schneeweiß, bieten Unterwasserlebewesen bereits Nischen und Verstecke als Behausung an.

Ein Kind, ob Mädchen oder Junge spielt keine Rolle, hockt mit Armen über den Knien aufgelehnt auf einem mit allerlei kantigen Gegenständen bedeckten Boden. Genau lässt sich nicht sagen, was diese Dinge sein sollen. Es können sowohl Scherben, Holzblocke, Schutt oder alles davon sein. Die andere Skulptur zeigt ein Mädchen mit Schwimmflügeln und Schwimmbrille. Zöpfchen an den Seiten, mit Badehose und Flipflops. Auch sie sitzt auf allen möglichen Gegenständen und jetzt langsam formt sich das Bild. Denn der Sockel wurde anfangs ganz übersehen, er spielt eine Rolle. Es ist vielleicht ein Startblock, aber nein, dazu passen die Gegenstände nicht. Es ist ein Teil eines Landvorsprungs, ein natürlicher Startblock. Es ist ein Modul einer größeren Installation. Die Blöcke werden auf dem Meeresboden aneinander gestellt und zu einem Kreis geformt. Letztendlich bilden die Module einen Kreis mit am Landvorsprung sitzenden Kindern.

Photographie©Jason deCaires Taylor / CACT Lanzarote

Ägypten, Lanzarote, vielleicht sogar Mexico in Cancun, das Australische Great Barrier Reef oder die kleinen oder großen Antillen werden vom Massentourismus im großen Stil erschlossen. Diese Urlaubsreisen sind nicht mehr den oberen 10.000 vorbehalten? Es wird ein Boot gechartert, und in abgelegenen Gegenden wird an Riffen entlang getaucht oder geschnorchelt. Im Roten Meer bei Hughada oder Sharm el Sheikh zum Beispiel entstanden in den letzten Jahrzehnten Hotelstädte, die für den Mittelstand ausgelegt wurden. Dank Easy Jet und anderen Billigfliegern ist es ein Leichtes dort hin zu kommen und ein oder zwei Wochen am Pool oder Meer die Zeit verstreichen zu lassen. Dort kauft man sich Schnorchel und Taucherschlappen, bucht vielleicht eine Bootstour zu schönen Korallen Riffen und genießt die Unterwasserwelt. Die Motorboote ankerten noch vor 10 Jahren direkt am Riff, das ist mittlerweile verboten, oder sie gehen auf Schleppanker. Dort springen die Badenixen ins Waser und paddeln durch die Unterwasserwelt. Heute ist es verboten, die Korallen zu berühren, oder etwas abzubrechen, aber noch vor 20 oder 30 Jahren war das problemlos möglich. Und da wo Touristen sind, da ist auch Müll. Plastiktüten, -Flaschen –Deckel, Dosen usw. mäandern in den bereits abgestorbenen Küstenregionen neben Seegurken auf dem Meeresboden. Da gibt es nichts zu entdecken. In einigen Gegenden treten immer noch die reichen Touristen aus Oligarchenländern oder Staaten, die nichts von Umweltschutz halten, auf Korallenriffe, rauchen ihre Zigaretten und werfen die Stummel ins Wasser.

Photographie©Jason deCaires Taylor / CACT Lanzarote

Was nur geschieht im großen Stil: Wasserverschmutzung durch Industrien, wenn Mineralöle oder Pflanzenschutzmittel, andere Giftstoffe konstant in Wasser abgeführt werden? Der Mensch zerstört systematisch seinen Lebensraum. Der Künstler Jason DeCiares – Taylor adressiert das Vorgehen. Seine Skulpturengruppen zeigen Boatpeople im Schlauchboot auf dem Meeresboden gestrandet, Menschen mit Fotoapparat, die auf alles halten, Menschen mit Handies, die das Drum gar nicht sehen nur noch den Bildschirm, Menschen in Gruppen, die irgendwo hin gehen, nach unten, oben und nach vorne schauen, aber nicht inne halten, Selfie schießende Paare, selbstverliebte Gruppen, die einen Partner umarmen und die davor liegenden Nackten nicht sehen.

[1]Mit der Erwärmung des Meereswassers sondern Korallen spezielle Algen (Zooxanthellae), die in ihrem Gewebe leben ab, die Koralle wird weiß. Dieser Prozess wird Korallenbleiche, Coral Bleaching genannt. Es ist eine Auswirkung des, durch die globale Erderwärmung hervorgerufenen Anstiegs der Temperaturen des Meerwassers. Diese gebleichten Korallen leben noch einige Zeit weiter. Dennoch ist ihr Todesurteil unterschrieben, denn die Algen versorgen die Korallen mit Sauerstoff und Energie. Wird dieses symbiotische Zusammenleben von Alge und Koralle unterbrochen, stirbt die Koralle. Die Korallenbleiche ist ein Anzeigen für den Zusammenbruch der Symbiose. Seit 1980 wird ein weltweites Absterben der Korallenriffe festgestellt.

Meistens betrachtet der Mensch das Meer vom Land aus, schaut auf die Wasseroberfläche und zum Horizont, beobachtet die, in das Wasser eintauchende Sonne. Unter der Wasseroberfläche verändert sich die Lebensperspektive. Wer dort ist, erlebt Schwerlosigkeit, er schaut nach oben in die Helligkeit. Die Welt wird umgedreht. Die Skulpturen Parks erlangen den Status eines Museens, eines Unterwasser Museums eben, sie sind damit Teil eines Kulturellen Ausdrucks. In Granada wurde seine erste große Unterwasserinstallation 2006 versenkt und zu einem geschützten Meerespark ernannt. Sie wird vom National Geographic zu den 25 Weltwundern gezählt. Mal abgesehen davon, dass Fischer auch zu Museumswärtern werden. Sie bringen Touristen zum Museum und achten auf die Erhaltung der neuen Landschaft. Die zusätzliche Geldquelle gibt  ein Gefühl von Verantwortung und von Besitz. Land Art, Arterhaltung, ökologisches Gleichgewicht herstellend, selbstreflektierend. Wie gerne wäre die Autorin Taucherin.

Ursula Drees

Anmerkungen

Susan Smillie schreibt für den theguardian.com und für G2. Ihre Berichte sind in den Kategorien Reise Kunst, und Essen angesiedelt. Ihr Buch „The Last Sea Nomads, Inside the Disappearing World of the Moken“ wurde bei Guardian Shorts verlegt.

Das CACT (los Centros de Arte, Cultura y Turismo del Cabildo de Lanzarote) stellt ein Netzwerk verschiedenster Museen zum Schutz der natürlichen Umwelt und der besonderen Landschaft der Kanaren dar. Das Kunst-, Kultur- und Tourismus Zentrum ist ein lokales öffentliches Unternehmen. Sie verantworten einen unübersehbaren Anteil der wachsenden Wirtschaft der Kanaren dar. Es geht um die Verbreitung und Vermittlung einer nachhaltigen und erhaltenden Entwicklung zum Schutz des durch die durch die UNESCO ernannten einzigartigen Biosphären Reservats.  Das Museo Atlantico fungiert als artifizielles Riff zur Verbesserung und Aufbau der Flora und Fauna des Meeresraumes. Das Museum befindet sich in 12 Meter Tiefe südlich von Lanazarote, den Bahía de Las Colordas. Mit 2.5000 qm avanciert es zur Haupt Attraktion für Taucher und Schnorchler.

ein 3.04 minütlicher Film, durch das Museo Atlantico am 6. Mai 2017 veröffentlicht. Der Film beginnt mit Schwarz WEiss Aufnahmen, illumieniert die Skulputen in der Nacht und endet mit farbigen Eindrücken der Installationen..

https://youtu.be/oip5M3IJ4bI

ein  6.36 minütiger Film  von Jason deCaires Taylor und Mario AC Navarro über das MUSA (Museo Subacuatico de Arte) mit Skulpturen aus CanCus / Isla Mujeres, Mexiko und Grendada, West Indies. Das Werk heißt „Silent Evolution“. Neben der Dokumentation werden Making off Szenen zum Herstellungsprozess eingebunden.

[1] http://bildungsserver.hamburg.de/natuerliche-oekosysteme-nav/3611198/korallenriffe/ am 28.10.2017 „Tropische Korallen leben in Symbiose mit einzelligen Algen, den Zooxanthellen, die auf den Skeletten wachsen und so den Eindruck verleihen, es handle sich insgesamt um Pflanzen. Diese Symbiose kommt beiden Seiten zugute: Die Korallen beziehen durch die Algen Sauerstoff und Energie, die Algen von den Korallen Kohlendioxid, Stickstoff- und Phosphatverbindungen. Korallenriffe sind geologisch gesehen sehr alt und wachsen nur langsam.“ 

[2]Susan Smillie (2016): „Drowned world: welcome to Europe’s first undersea sculpture museum”, The Guardian, UK https://www.theguardian.com/artanddesign/2016/feb/02/drowned-world-europe-first-undersea-sculpture-museum-lanzarote-jason-decaires-taylor am 23.11.2017

Museo Atlantico Teil 3: „Bleached“ von Jason deCaires -Taylor

 

Vier Photographien – Portraits: es sind Nachtaufnahmen mit Blitz, der Hintergrund ist schwarz, die Kontraste scharf. Zwei Abbildungen sind Detailaufnahmen der Skulptur „The Raft of Lampedusa“, eine stellt ein Detail aus „Crossing the Rubincon“ dar und die Vierte ist eine Teilaufnahme aus einer in Mexico befindlichen Gruppe mit dem Titel „The Silent Evolution“.

Abb. 01: Crossing the Rubicon, (Detail), Lanzarote, Spain.  Image © Jason DeCiares – Taylor /CACT Lanzarote

Dieses Bild wurde von einer auf der Biennale in Venedig ausgestellten Fotografie mit dem Handy gemacht. In diesem Blog wird es nur deshalb verwendet, weil kein anderes vergleichbares vom Museo Atlantico gestellt werden konnte und der Künstler auf Reisen war und nicht erreichbar. Dennoch erscheint uns diese Aufnahme trotz der Reflektieren aussagestark. Die Hell und Dunkelkontraste machen das Bild lebendig, der Blick wird auf das Gesicht gelenkt . Die Aufnahme geht nah an das Motiv und die kleinsten Schalentiere und Muscheln lassen sich wunderbar erkennen.

Was hat das Meer mit dem Antlitz gemacht?  Das Gesicht mit geschlossenen Augen, Nasenrücken und Glatze. Der Körper leicht vorgebeugt und unbekleidet. Ist es Mädchen oder ein Junge? Der Blick scheinbar nach Innen gerichtet, ganz für sich, meditierend. Auf der Oberfläche haben sich feine, grüne Algen auf dem Kopf, zwischen Augen und Nasenrücken niedergelassen. So auch auf der Brust und den Schultern. Eine Art Bewuchs von Seepocken (kleine muschelartige Lebewesen) oder Ablagerungen, weiß, als sei Kopf und Körper mit kleinen Würmern befallen ist erkennbar. Sie liegen auf den Augenlidern, den Lippen im Nasenloch. Eine Invasion von Wasserwesen nimmt die Skulptur, den Körper ein.


Abb. 02: Crossing the Rubicon, (Detail), Lanzarote, Spain.  Image © Jason DeCiares – Taylor /CACT Lanzarote
Diese Fotografie wurde vom Museo Atlantico geschickt. aber es handelt sich hier nicht um eine Nachtfotografie, die Farben entwickeln einen lebendigen und saturierten Eindruck. 

Die Aufnahmen versprühen eine eigenartig anziehende und gleichzeitig abschreckende Wirkung. Wie nur sehen diese Skulpturen in den Fotografien aus? Ein Bärtiger wird gezeigt. Ist es Krieger oder Gott der Antike? Die große Nase, wulstige Augenbrauen, der Backen – und Oberlippenbart weisen aus dem Bild, die Aufnahme ist rückgewandt. Die Skulptur scheint zurück zu schauen. Stirn und Kopf sind ohne merklichen Bewuchs oder Befall, im Nacken grüne Algen, sie sehen wir Haare aus. Die Vermutung drängt sich auf, dass diese Skulptur bekleidet zu sein scheint. Verschieden farbige Meeresbewohner bilden eine zweite Oberfläche, werden zu Kleidung. In gleißendem Rot strahlt eine Koralle, dort wo der Bart, die Lippen, das Kinn sind, weiß die Nase, gerade noch die Augenhöhlen und der obere Kopf, Teile der Schultern, der Brust. andere Bereiche, wie der Hinterkopf oder die Schläfen sind bewachsen. Und auf der Brust ein stacheliger Seeigel. Er sitzt hoch auf dem Brustbein. Ist es eine Anlehnung an den [1]„Kopf des blinden Homers“ oder eine Fiktion an einen blinden Seher? Wer wird abgebildet?


Abb. 03: The Silent Evolution, (Detail), Mexiko Image © Jason DeCiares – Taylor /CACT Lanzarote


Abb. 04: The Silent Evolution, (Detail), ;Mexico. Image © Jason DeCiares – Taylor/CACT Lanzarote

Die Photographien strahlen eine eigenartige Faszination für diese Unterwasser Skulpturen aus. Fragen kommen auf. Welche Person soll das sein? Sind es Heroen, mythische Personen, Zitate an die römische oder griechische Antike, an die italienische Renaissance oder sind es Bildnisplastiken vom Menschen unserer Ära? Das lässt sich nicht sagen, aber Assoziationen dieser Art klingen bei der Betrachtung an. Die Übernahme der Natur durch Muschel und Schalentiere, durch Algen und Korallen fesselt die Vorstellung. Ist es eine feindliche Übernahme oder eine freundliche? Stehen sie als Mahnmal dort unten, verborgen für die Augen der Menschen? Bilden sie einen Lebensraum für die durch Menschenhand bedrohten Ozeane?  Werden die Plastiken durch die Ablagerungen zu unkenntlichen Formen? Erobern Meeresbewohner Raum zurück? Wird die menschliche Abbildung und Einmaligkeit verdeckt, werden Ecken und Kanten unscharf und schwammig? Sollen diese Skulpturen im Laufe der Jahre nicht mehr erkennbar sein? Oder werden sie aus toter Starre zu lebenden Abbildern, sollen sie wachsen, sollen sie zu Unterwasserlebewesen werden? Soll erst die Tiefe des Ozeans Leben einhauchen?

Sie kommen als tote Abbilder aus der Überwasserzivilisation und beginnen erneut in der Tiefe zu leben. Im Laufe der Jahre werden sie von Schalentieren und Korallen, von Algen und anderen Ablagerungen eingenommen. Alles Eckige  verschwimmt, geht ineinander über, wird sukzessive übernommen und integriert. Die Gesichter schmilzen, Brustkörbe, mit Krabben übersät, Seeigel bewegen sich langsam an Nacken und Hälsen in das Gesicht, Blasenalgen hängen sich an Schultern oder anderen Gliedmaßen. Die Tiere und Lebewesen formen Taylor’s Skulpturen nach, und hauchen ihnen ein anderes Leben ein. Die Skulpturen werden zu weichen Abstraktionen der Menschen.

Susan Smillie schreibt für den Britischen Guardian, taucht, kennt den Künstler, berichtet in regelmäßigen Abständen über ihn.  Sie besucht die Arbeit The Silent Evolution zwei Jahre nach dem Versenken ein zweites Mal und berichtet von roten Schwämmen, die das Gesicht bedecken und den Anschein von Narbengewebe machen. Es erscheint ihr als wären Gesichtsausdrucke sanfter; Nase, Lippen und Augen stechen hervor. Die Farbe ist strahlend und wirkt belebt. Eine violette Koralle hat sich unter einem Kinn angesiedelt, einige Hummer entdeckt sie am Fuß einer Skulptur. „Dies sind gute Zeichen für die Wiederbelebung eines Korallen Riffs“, schreibt sie.[2]

[1] Homer, Epimenides-Typus. München, Glyptothek

[2] https://www.theguardian.com/artanddesign/2016/feb/02/drowned-world-europe-first-undersea-sculpture-museum-lanzarote-jason-decaires-taylor

+b (orbit) von Michael Saup, Andrea Winter und Andreas Erhart (DE)

dynamic maximum tension“ bedeutet in Deutsch: „dynamische maximale Spannung“. Der Begriff geht auf Buckminster Fuller zurück, er verwendete ihn seit den 1930iger Jahren für verschiedene Erfindungen wie die Dymaxion Weltkarte, -Auto und -Haus.

Die Dymayion Weltkarte stellt die Projektion einer Weltkarte auf ein Polyeder, dessen Oberfläche durch Auffaltung auf unterschiedliche Weise als eine zweidimensionale Weltkarte dargestellt wird, dar.  Bei dieser Art der Weltkartenrepräsentation zeigt sich das alle Kontinente im aufgeklappten Zustand als zusammengehörige Landabschnitte abgebildet werden. Wenn die Karte jedoch als Kugel aufgefaltet wird, ergeben die Abstände der Kontinente zueinander das von den Mercator Darstellungen bekannte Bild.

Das Kunstprojekt +b (ORBIT) zeigt Buckminster Fuller’s Dymaxion Karte, flach ausgelegt, gebaut aus Zuckerstückchen. Sie werden mit einer Aufprojektion bespielt, die alle Atomaren Explosionen seit 1945 zeigt. Die Zuckerstücke sind als 3 Dimensionale Pixel auf der flachen Karte angelegt.

Michael Saup, Andrea Winter und Andreas Erhart (DE) haben Zuckerwürfel als Symbol für Energie gewählt. Zucker wird als Nahrungsmittel verwendet und in Form von Ethanol für Maschinen als Treibstoff eingesetzt. In Zeiten des Krieges ist Zucker in der Regel eines der Lebensmittel, das rationalisiert wird. Die Zuckerfläche bildet eine 3 Dimensionale Karte der Buckminsterfullerschen Dymayion Weltkarte.

Photografien©MvT

An den Kanten werden die jeweiligen Eckdaten der Explosionen abgebildet. Die Koordinaten und das Datum der Explosion. Anfangs erkennt der Besucher die Weltkarte in Zucker in einem großen, dunklen, leeren Raum. Sie ist ca. 40 cm vom Boden auf einer Fläche ausgelegt. Mit der näheren Betrachtung kommt die Neuanordnung der Kontinente auf der Fläche zu Bewusstsein. Die Zuordnung de Kontinente fällt schwer. Wo liegt Europa, Afrika, Amerika, Russland, Indien, Australien, China. Ganz zu schweigen von Ländern, alles erscheint verschoben und eng aneinander gepresst. Diese Kartendarstellung der Erde erscheint neu.

Photografien©MvT

Mit der Erkenntnis dass alle Kontinente zusammengehörig sind, dass sie durch keinen Ozean auf dieser Abbildungsfläche getrennt sind, werden die Lichtwellen bedeutsam. Auch hier dauert es einige Zeit bis die Wahrnehmung eine Zuordnung zu Explosionen macht, dass es Atomare sind oder sein könnten, wird bei einer noch intensiveren Auseinandersetzung möglich, den die Datumsanzeigen stimmen mit den Erinnerungen zu den ersten Atombombenabwürfen überein. Später werden diese Vermutungen durch Nachlesen bestätigt und das Projektionserlebnis bekommt einen tiefen Sinn. Gesehen auf der Ars Electronica 2018 in der PostCity.

Beitrag von Margarete von Trifft (MvT)

Das Projekt wurde co-produiert von der Trans-Media-Akademie Hellerau e.V.