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Saskia Boddeke und Peter Greenaway: Die Macht der Aufklärung. Walking with Kant

Installation in der Orangerie im Neuen Garten in Potsdam

Diese Installation von Saskia Boddeke und Peter Greenaway widmet sich Emmanuel Kant und der Aufklärung. Das Thema ist alles andere als einfach. Davon spricht die Installation in der Orangerie im Neuen Garten in Potsdam. Die Orangerie ist in der Regel nicht dem Publikum zugänglich.

Es erscheint bemerkenswert, dass dieses Gebäude für eine mediale Installation doch geöffnet wurde. Das mag daran liegen, dass sowohl Peter Greenaway als auch Saskia Boddeke erfahrende Künstler im Bereich der Medien und Inszenierung sind. Saskia Boddeke wurde in den Niederlanden geboren. Sie konzentriert sich auf mediale Inszenierungen entweder im Kunstkontext oder für Theater oder Oper. Sie ist mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Peter Greenaway ist nicht minder bekannt. Seine Filmen wie The Draughtsman’s Contract (1982), A Zed & Two Noughts (1985), The Belly of an Architect (1987), Drowning by Numbers (1988) oder  The Cook, the Thief, His Wife & Her Lover) sind Werke von exquisiter Perfektion. Renaissance und Barockkunst inspiriert sein Werk. Filme führten zu multimedialen Inszenierungen oder VJ Performances. Beide wechseln Formate und arbeiten auf höchstem Anspruch. Eine tolle Kombination also. Das wird auch der Grund sein, warum die Orangerie für ihre Inszenierung geöffnet wurde.

Die Macht der Aufklärung_ Walking with Kant besteht aus einer Abfolge von 5 oder 6 Räumen. Erst wird durch ein schon fast konventionelles Intro die Person Emmanuel Kant nicht gerade erlebbar gemacht, aber doch als Schriftsteller vorgestellt. Die Frage stellt sich sowieso, wer Emmanuel Kant nicht kennt.

Dann geht es in einen langen rechteckigen Raum mit sehr hohen Decken. Wie hoch kann nur geschätzt werden, vielleicht 6 Meter? Die ebenso hohen Fenster sind abgedunkelt und zu Projektionsflächen umgewandelt.

Hier spricht Kant zu uns. Bzw. eine Person, die Kant darstellen kann. Er steht im Regen und rezitiert. Es geht um Krieg, um Macht, um Stärke, Gerechtigkeit, um Staat und Bürger.

Die Symbolsprache, Kant steht im Regen, verweist auf Verschwimmen, Zerbröckeln, sich Auflösen.

Dann geht es weiter zu einem weiteren medialen Höhepunkt. An den Wänden werden Installationen zu Tod, Völkermord, Krieg oder  Eroberung usw. präsentiert, an der Stirnseite des Raum ist eine Projektion. Davor ein Bassin mit einer wässrigen Flüssigkeit und einer Sitzgelegenheit. Dieser in 3 Teile separierte Screen zeigt Konsequenzen, Gedanken und Schmerzen des menschlichen Handelns. Die Bildsprache bedient sich verschiedener Effekte. Im Normalfall wären sie vielleicht kitschig und unangemessen, hier aber gar nicht. Ton, Sprache, Bild Bewegung bilden eine spannende und packende Sprache. Wer da nicht länger sitzen bleibt, der hat es eilig und will die Ausstellung nicht sehen. Wenn die Dinge auseinander brechen, die Katastrophen unumgänglich werden, wird das bis dahin makellose Spiegelbild des Wassers durch erst milden und dann immer stärker werdenden Regen zerstört.

Ein tolles Bild.

Der nächste Raum ist eher ein kleiner kleinen Abstellraum. Dort findet sich das Gewandt des Bischofs. Es sieht eher aus wie die Arbeitskleidung der Putzdienste.

Die Installation endet im Raum des gedeckten Tisches. Komisch nur, dass Teller und Tassen gebrochen sind. Sie liegen zwar an der richtigen Stelle, aber trotzdem: hier sind nur noch gebrochene Scherben zu finden. Nichts ist zu verwenden, aus der Funktion heraus gehoben und unnütz. Zerstört.

Leider dauerte die Ausstellung nur einen Monat. Mitten im Sommer vom 24.8. bis zum 25.9.2024. Das Einsteinforum hat diese Ausstellung zum 300 sten Geburtstag von Emmanuel Kant möglich gemacht. auf der Website gibt es vertiefende Informationen dazu.

Credits:
Artists: Saskia Boddeke, Peter Greenaway

Einstein Forum:
Director: Susan Neiman
Curator: Cilly Kugelmann

Assistant to the artists: Pip Greenaway
Production manager: Marita Ruyter, Nadine Söll
Music composer: Luca D’Alberto
Editor: Elmer Leupen
Video design: Peter Wilms
Sound design: Danny Weijermans
Featuring artworks and prop design by: Manuel Schubbe
Props and technical support: Jesus Trujillo
Calligraphy: Brody Neuenschwander

Management and coordination: Goor Zankl, Franziska Bomski, Dominic Bonfiglio
Accountant: Antonia Angold
Webmaster: Andreas Schulz
Consultant: Benjamin Zachariah
Exhibition planning and realization: KatzKaiser, Tobias Katz, Matthias Förster
Audio visual equipment: Eidotech
Wall design: Liquid Paint, Patrick Gutschmidt
Light design: Victor Kegli, 50 Lux
Electrical installation: Pinz GmbH
Exhibition architecture: Art Department Studio Babelsberg, MaLeWo GbR
Facsimiles: Klünder Buchbinderei, Wiebke Dane
Wall mural: Ulrich Welter, Manufaktur für Wandunikate
Kant letters: Brody Neuenschwander, Vera Roth
Graphic design: Dots & Ducks
Public relations: Artefakt Kulturkonzepte

Film crew for Walking with Kant:
Director: Saskia Boddeke
Lyrics: Peter Greenaway, Pip Greenaway
Assistant to director: Pip Greenaway
Producer: Marita Ruyter

Music composer: Luca D’Alberto
Editor: Elmer Leupen
Calligraphy: Brody Neuenschwander

Director of photography: Ruzbeh Babol
Costume design: Marrit van der Burght
Wigs: Bobby Renooij
Actors: Hendrik Aerts, Pip Greenaway
Dancer: Dunja Jocic

Gaffer: Uwe Kuipers
First AD: Nura Babol
Camera operator:Indy Hamid
Sound: Roberto van Eijden
Props and set: Jesus Trujillo
Set designer: Max Degen
Camera assistant: Ivo Valkenburgh
Best boy: Michiel Hageman
Best boy: Rikke van der Heul
Light assistant: Frits Schreefel
Visagie and costumes on set: Anna de Vriend
Autocue: Eva Mulder
Runner: Lukas Thole
Catering: Lunchidee

Bilder und Videos wurden von der Autorin gemacht.

Beitrag von Ursula Drees

Ex•Libris

Tretet ein in eine Welt, in der die Realität verblasst und Magie zum Leben erwacht…

Ex Libris ist eine interaktive Installation der Hochschule der Medien. Sie wurde Anfang Juli 2024 für 4 Tage dem Publikum vorgestellt. Ex•Libris bedeutet „aus den Büchern“. Ihr taucht in ein Märchen ein und lasst das Alltägliche hinter euch.  Es beginnt in der antiken Bibliothek. Lebende Bücher und sprechende Gemälde erzählen euch die Geschichte von Billy. Er ist eine tollpatschige Figur und fällt aus seinem Buch in eine andere Geschichte. Die Bibliothek und die Bücher kennen Billy und wissen, dass er Unsinn anrichtet.

Ihr öffnet das Buch, in das Billy gefallen ist, und folgt ihm durch ein magisches Portal in einen verwunschenen Wald. Der Wächter des Waldes, Kakubaz, empfängt euch und erklärt die Situation: Ihr sollt Billy und den Wald retten. Das funktioniert, indem ihr das angerichtete Chaos beseitigt. Ihr habt nur bis zum Sonnenaufgang Zeit.

Mit diesem Hinweis  erforscht ihr den Wald.  Vier mechanische und elektrische Aufgaben gilt es zu bewältigen.  Sie sind mit lebensgroßen Bäumen, beweglichen Blumen, leuchtenden Pilzen und einem Brunnen aus Stein verbunden.

Das Produktionsteam hat kreative Wege gefunden und Zeit und Gedanken in die Interaktionen investiert. Zum Beispiel verbirgt sich unter den magischen Pilzen ein dichtes Netz aus Kupferdrähten als kapazitiver Sensor. Kristalle, Kurbeln für Seile und ein erfundenes System zur Bewegung der Blumen werden mit dem 3D-Drucker realisiert. Die Animationen, Lichtstimmungen, Interaktionen und die ausgefuchste Tonebene haben wir selbst erstellt.

Immer wenn ihr eine Aufgabe schafft, wird der lebensgroße Baum im Zentrum des Raumes mit LED-Lichtern belebt und eine Melodie erklingt als Feedback.

Mit handwerklichem Geschick, viel Sorgfalt und Liebe zum Detail wurde die szenografische Ebene der Installation realisiert. Eine Vielzahl von Materialien wurden dafür verwendet. Dazu gehören Papier, Stoffe, Metalle, künstliches Gras, großflächige LED-Wände und echte Pflastersteine. Das detaillierte Sound- und Lichtdesign sowie der Einsatz von Düften ergänzen das Raumgefühl. Es entsteht ein einzigartiges Erlebnis.

Ex Libris – ein magischer Entdeckungsraum, der die Realität vergessen lässt.

Das Team

NameAufgabenStudiengang
Alina HertlingMedientechnik, Licht, SoundAM
Anisa DreshajProduktionsleitung, PRMW
Bella ZieglerProjektmanagement, Sponsoring, Bühne, PRMW
Emma HundProjektmanagement, Produktionsleitung, SponsoringMW
Erjona DanaProjektmanagement, Sponsoring, Finanzen, PRMW
Felicitas MyliusProjektmanagement, PR, Sponsoring, GrafikMW
Ingrid KaubBühne, Regie, MedientechnikAM
Jakob SchmidMedientechnik, Bühne, LichtAM
Julia MüllerRegie, Licht, Medientechnik, GrafikAM
Luca KraußSound, BühneAM
Maria AnselemRegie, Bühne, Dokumentation, BildgestaltungAM
Marie EhrlerProduktionsleitung, PRMW
Marvin KampaBühne, Licht, Bildgestaltung, DokumentationAM
Meg LöfflerRegie, BühneCR
Moritz Stuhlfauthtechnischer AngestellterAM
Nadja WeberLehrbeauftragteAM
Oliver MaurerSponsoring, Finanzen, BühneAM
Philine HeinrichRegie, BühneAM
Sarah HoffmannBühne, BildgestaltungID
Shady HannaProduktionsleitung, Licht, DokumentationAM
Thomas MatulaRegie, Produktionsleitung, Bühne, Medientechnik, GrafikAM
Tim von CollaniLicht, Sound, BildgestaltungAM
Ursula Dreesbetreuende ProfessorinAM
Zoe MüllerRegie, Sound, GrafikAM

Beitrag von Ursula Drees

Alle Bilder, Grafiken oder Fotografien sind von den Teilnehmern dieser Produktion

Ars Electronica: Von japanischen Seelendingen, schwindenden Gletschern, und Luftakrobaten

Am Samstagabend lud das Futurelab ins Deep Space 8k zur großen Leistungsschau ein. Den Auftakt bildete ein recht stilles Projekt von Toyota Coniq Alpha in Zusammenarbeit mit der Shiga Universität und dem Ars Electronica Futurelab. Es ging um Memories for Future, genauer gesagt um die Digitalisierung von Objekten, die den EinwohnerInnen des 230 Seelen Dorfes Azusa Kawachi der Präfektur Shiga in der Nähe von Kyoto am Herzen lagen.

In einem Workshop wurden die EinwohnerInnen von Azusa Kawachi mit der Gaussian Splatting Technologie vertraut gemacht. Zahlreiche TeilnehmerInnen sind dann losgezogen, um das Objekt ihrer Wahl zu scannen. Im Deep Space 8k wurde eine Auswahl der Arbeiten als Video vorgeführt, das die Objekte mit der damit verbundenen Geschichte präsentiert. Die Beteiligung und Aktivierung der lokalen Bevölkerung war sicher das beeindruckendste an diesem Projekt. Ihre bewegenden Geschichten und die damit verbundenen Orte in einer der schönsten und traditionellsten ländlichen Gegenden Japans konnten somit für die Zukunft aufgezeichnet werden. Durch die Verschmelzung von kulturellem Erbe und digitaler Kunst ermöglicht das Projekt den BewohnerInnen, ihre Erzählungen und Identität auf innovative Weise zu bewahren und sichtbar zu machen. Es bietet eine neue Perspektive auf das kulturelle Erbe, indem es traditionelle Werte in die digitale Ära überführt und gleichzeitig eine tiefere Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte fördert.

Screenshots während der Vorführung Im Deep Space 8k, mehr zum Informationen Projekt kann man hier finden: https://ars.electronica.art/futurelab/en/projects-data-art-science-project-2024/

Etwas aufgeregter ging es bei der Preisverleihung der Aktivistengruppe Aggro Climate zu. Provokativ haben sie Künsterlnnen in der Kampagne “Schmilz, schmilz Baby” dazu aufgerufen, Zukunftsentwürfe für die Zeit nach der Gletscherschmelze zu entwerfen. Ganz konkret ging es um die Pasterze, Österreichs größten Gletscher, der allein im letzten Jahr um 203,5 m kleiner geworden ist.

Es blieb einem fast das Lachen im Halse stecken und doch war die mit deftigem österreichischem Humor gespickte Preisverleihung erfrischend originell. Der Preis ging an das Projekt „Schönbrunn x Alpenkitsch“, das die Tonalität der Kampagne munter aufnahm und ein Repräsentationsgebäude für die Mächtigen und Reichen im Post-Gletscherland vorschlug. Dafür gab es eine eisige Trophäe, die vor den ZuschauerInnen langsam dahin schmolz.

Leider ist die Zeit nie ausreichend, dem riesigen Angebot des Ars Electronica Festival gerecht zu werden und sich die Vielfalt der Exponate und Events annähernd zu erschließen. Das mussten selbst die Initiatoren des Ars Electronica Festivals auf der Pressekonferenz eingestehen. Insgesamt 112.000 Besuche wurden in den letzten 5 Tagen gezählt, das Ars Electronica Festival 2024 verzeichnete einen Rekord in diesem Jahr. 1.260 KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, EntwicklerInnen,UnternehmerInnen und AktivistInnen aus 67 Ländern waren in Linz zu Gast und haben zur Ars Electronica 2024 beigetragen. Achzehn Locations wurden bespielt und 498 Veranstaltungen angeboten. Kaum vorzustellen ist der Aufwand hinter den Kulissen, so ein Festival auf die Beine zu stellen.

Christl Baur, Head of Festival, Ars Electronica Festival, Exhibitions & Prix Ars Electronica im Gespräch mit Künstler Jan Zuiderveld während einer Expert Tour im Lentos Kunstmuseum

Nach einer Expertenführung im Lentos hat sich Christl Baur, Head of Festival, Ars Electronica Festival, Exhibitions & Prix Ars Electronica trotz prallen Terminkalenders am Samstag die Zeit genommen, uns einen Behind-The-Scenes Einblick zu geben.1

Es gäbe noch zu viel zu erwähnen, das Campus Programm des Ars Electronica Festivals 2024 beispielsweise, welches mehr als 400 Projekte von über 60 Universitäten und Kunsthochschulen aus 40 Ländern präsentiert.

Oder die zahlreichen Konzerte und Performances. Die Art + Science Ausstellung im JKU MED Campus, das Animation Festival, und vieles mehr.

Ganz Linz schien aus dem Häuschen zu sein in dieser Woche. Am Samstag Abend zählen die Veranstalter ca. 100.000 BesucherInnen bei der Linzer Klangwolke, dem großen Musikspektakel an der Donau. Die Inszenierung „Pioneers 52 Hz“ unter der künstlerischen Leitung von Carlus Padrissa und dem Team der katalanischen Gruppe “La Fura dels Baus” erlebten die ZuschauerInnen eine fesselnde multimediale Show. Mit Musik aus Gustav Holsts Suite “The Planets”, kombiniert mit einem speziell entwickelten Sounddesign, riesigen überdimensionalen Figuren, einer (kontrollierten) Explosion und zauberhafter Luftakrobatik, entstand ein spektakuläres Erlebnis, das die Themen Ozean, Pioniere der Wissenschaft und Weltall auf eindrucksvolle Weise vereinte.

Wer nun sehr bedauert, nicht dabei gewesen zu sein, hat zumindest noch die Möglichkeit, die Linzer Klangwolke 2024 als Übertragung vom ORF anzusehen. 

https://on.orf.at/video/14242055/linzer-klangwolke-2024

Ansonsten kann man den Termin für das nächste Ars Electronica Festival schon mal einplanen. Es wird vom 03.-07.09.2025 stattfinden.

Beitrag und Medien von Prof. Katja Schmid

  1. Christl Baur: Experten erklären. Christl Baur ist die Kuratorin und Leiterin des Ars Electronica Festivals. Sie is interdisziplinäre Forscherin aus der Kunstgeschichte, Kulturmanagement und Naturwissenschaften kommend. „Ihr besonderes Interesse liegt in der Verbindung ästhetischer und sozialer Praktiken, die auf Kollaboration und Experimentieren basieren und soziale, politische und wirtschaftliche Protokolle herausfordern. Ihr Forschungsgebiet erstreckt sich über Themen wie Videokunst, Neue Medientechnologien, Computerkunst, Biotechnologie und Interaktive Kunst, wobei sie an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft arbeitet.“ so die Kulturstiftung des Bundes. ↩︎

Ars Electronica 2024: If You Have Starry Skies in Your Eyes, Rib (JP)

#3 If You Have Starry Skies in Your Eyes, Rib (JP)

Award of Distinction, Prix Ars Electronica, Ausstellung von 13 PreisträgerInnen im Lentos Kunstmuseum

Unter den PreisträgerInnen, die im Lentos Kunstmuseum ausgestellt sind, hat mich eines besonders beeindruckt. Es sind Rib’s Kreationen von Augenprothesen. Ich brauchte einen Moment in der Ausstellung, um zu verstehen, dass die Künstlerin auf einem Auge erblindet ist und eine Prothese trägt. Sie hat diesen Umstand zum Anlass genommen, ihre eigenen Prothesen zu gestalten und selbst herzustellen, nachdem sie sich das entsprechende Verfahren angeeignet hat.

In Japan sind Augenprothesen traditionell so gestaltet, dass sie realen Augen möglichst exakt nachempfunden werden. Dieser rationale Ansatz spiegelt sich in den strengen Normen der japanischen Industrie für Augenprothesen wider, die individuelle Wünsche wie „Ich möchte eine Prothese mit etwas größeren Pupillen, die zu meinen farbigen Kontaktlinsen passen“ oder „Ich hätte gerne eine Prothese mit einer blauen Iris“ nicht berücksichtigen. Offiziell zugelassene Hersteller lehnen solche maßgeschneiderten Prothesen ab.

Gegen diese gesellschaftlichen Vorurteile stellt Rib ihr Kunstwerk in Form einer innovativen, interaktiven Prothese vor. Diese Prothesen, die Rib selbst trägt, haben unterschiedliche Designs, eine davon integriert einen Magnetsensor, ein LED-Licht und eine Batterie, alles umhüllt von medizinischem Acrylharz. Durch die Beleuchtung des Auges mittels des Magnetsensors wird die Prothese zu einem Symbol für Individualität und Selbstdarstellung.

Das Projekt basiert auf Ribs persönlichem Hintergrund und setzt sich gegen die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen ein, die oft als „unsichtbar“ oder „unberührbar“ angesehen werden und die Tendenz haben, sich zu verstecken. Mit diesem leuchtenden, prosthetischen Auge fordert Rib die gängigen Vorstellungen über naturtreue Replikation von Prothetik heraus und bietet Menschen mit Behinderungen mehr Möglichkeiten zur Selbstdarstellung. Ribs Ziel ist es, die Einzigartigkeit und das Potenzial physischer Unterschiede zu zeigen und die Akzeptanz sowie das Verständnis für Vielfalt zu fördern.

https://www.righteyerib.com/work

Beitrag und Medien von Professorin Katja Schmidt.

Ars Electronica 2024: Conversations Beyond the Ordinary – Jan Zuiderveld (NL)

Von sprechenden Maschinen, Teppich-Tastaturen und manipulierten Raum-Zeit-Videos – weitere preisgekrönte Arbeiten aus dem Lentos 

Stellt Euch vor, Automaten und Geräte des täglichen Lebens würden mit Euch sprechen, diskutieren, sich über Euch lustig machen oder ihren Dienst verweigern! Das war die Grundidee von Jan Zuiderveld, der in eine Kaffeemaschine, einen Bürokopierer und eine Mikrowelle generative KI eingebettet hat, um uns zum Nachdenken anzuregen über Machtverhältnisse, Handlungsfähigkeit und Disruption im Alltag. Bei den BesucherInnen ein absolutes Highlight, welches viele zum Schmunzeln gebracht hat. Der bittersüße Nacheffekt ist garantiert, wenn man sich vorstellt, dass auch das eine mögliche Realität sein könnte.

Ein Bürokopierer verweigert die langweilige Kopierarbeit und setzt stattdessen von den BesucherInnen gezeichnete Kopiervorlagen mittels KI in “eigene” Bilder um.

Eine Kaffeemaschine fragt, ob es denn wirklich Kaffee sein soll und ob der Traum vom Kaffee denn nicht zu groß sei.

Eine Mikrowelle wärmt nicht auf, sondern benutzt das hineingelegte Etwas, um eine Konversation zu beginnen, die auch schnell ins Poetische oder Melodramatische abdriften kann.

Nosukaay von Diane Cescutti (FR – Prix Ars Electronica in der Kategorie „Interactive Art +“), ist eine die haptischen Sinne ansprechende Installation, die westafrikanische Webkunst mit moderner Computertechnologie verbindet. Im Mittelpunkt steht ein Manjak-Webstuhl aus Senegal, der als interaktive Tastatur fungiert und es den BesucherInnen ermöglicht, über einen Webteppich als Tastatur durch ein narratives Videospiel zu navigieren. Der Mensch schließt den Stromkreis, in dem er beide Hände benutzt und die Kommunikation mit dem System ermöglicht. Es geht um das Zusammenspiel von traditionellem Handwerk und digitaler Technologie, im Zeitalter des Verlustes handwerklicher Fähigkeiten und Bräuchen. 

Die kleinen Rauten im Webmuster sind für die Auswahl programmiert, die großen Rauten sind die “Enter”-Tasten.

Mit einem recht wissenschaftlichen Ansatz arbeitet Ryu Furusawa für sein experimentelles Video-Kunstwerk Mid Tide #3, das die Wechselwirkungen zwischen Zeit und Raum anhand von Aufnahmen von Meereswellen erforscht.

Meeres-Triptychon, manipuliert in Raum und Zeit

Furusawa macht einen Schnitt durch die Zeit, quasi vertikal durch die Videosequenz. Dadurch entsteht eine nichtlineare Zeit- und verzerrte Objektwahrnehmung, die den Betrachter in eine traumähnliche, verzerrt-hyperreale Welt eintauchen lässt.

Das Kunstwerk zielt darauf ab, die Wiedererkennbarkeit von Objekt und Bewegung zu garantieren, aber deren Raumzeitlichen Zusammenhang zu manipulieren. Damit wird die reale Welt neu geformt, wie auf einer Video-Töpferdrehscheibe.

Medien und Beitrag von Professorin Katja Schmid