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„Two unidentified lovers in a mirror“ von Omar Mismar

Omar Mismar at L’Arsenale, Venice Biennale. Photo: Marco Zorzanello. Courtesy of La Biennale di Venezia.

Omar Mismar lebt und arbeitet derzeit in Paris, er ist gebürtiger Lybier, wurde in Damaskus geboren, verbrachte dort seine Jugend. Die Vielfalt der arabischen Kunstgeschichte, insbesondere die Bedeutung von Mosaiken in der byzantinischen und islamischen Kunst, inspirierte ihn, diese diese Technik zu seinem Medium zu machen. Das ist höchst erstaunlich. Er stellte auf der Biennale in Venedig aus. Seine Arbeiten fanden sich im Arsenale. Zwischen all den medialen Werken, den eher abstrakten Installationen mit und ohne Interaktivität oder Digitalität treten diese klassischen Werke mit grosser Präsenz auf. Zumindest für die Autorin sind diese Artefakte von grosser Kraft.

Mismar geht es um eine Auseinandersetzung mit Identität, Geschichte und Kultur. Seine Werke erinnern und reflektieren die sich verändernde Realität seiner Heimat und der arabischen Welt. Es geht um die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Durch die Mosaikstücke erzählt er Geschichten über kulturelle Kontinuität und die Zerstörung von Erbes. Das Mosaik als Kunstform ist für ihn ein prägnantes Symbol, das sowohl den Zusammenhalt als auch die Spannungen innerhalb von Gesellschaften und Kulturen darstellt. In einer Welt, die zunehmend von Globalisierung und Politik beeinflusst wird, sieht Mismar das Mosaik als ein verbindendes Element. Es ist eine Technik, die die Krisen und Zerstörungen der Gegenwart aufgreift. Diese Arbeiten haben allein durch die Wahld es Materials eine lange Existenz. Eine lange Aussagekraft.

„Two unidentified lovers in a mirror“ wurde 2023 geschaffen.

Die Liebenden im Werk sind „unidentifiziert“ – sie bleiben ohne Namen und ohne spezifische Merkmale. Sie sind anonym, ihre Identität ist unbekannt. Es sind zwei Liebende unabhängig von Kultur, Herkunft oder sozialem Status. ES geht um Intimität, Zuneigung und Verbundenheit. Das wir gezeigt. Nicht mehr nicht weniger. Es ist gleichzeitig anonym, niemand kennt sie, sie stehen für viele. Dennoch werden sie in einm Spiegel gezeigt. Da wo gespiegelt wird, da gibt es die Originale.

Selbstwahrnehmung, Reflexion über das eigene Sein und die Veränderung von Identitäten werden mit dem Spiegelsymbol angesprochen. Erneut. Ist es die Zwiegespaltenheit der Liebenden? Das alles mit einem Mosaik dargestellt. So alt, ehrwürdig, unzerstörbar, voller zusätzlicher Bedeutungsebenen. Gleichzeitig modular. Das Motiv setzt aus vielen kleinen Bruchstücken zu etwas grösseren zusammen.

Wer mehr wissen will, der kann das Interview im IMPULSE Mag lesen.

Beitrag von Ursula Drees

„The Mapping Journey Project“ von Bouchra Khalili

Bouchra Khalili ist eine international anerkannte marokkanische Künstlerin und Filmemacherin, die vor allem für ihre videobasierten Arbeiten und multimedialen Installationen bekannt ist. Sie wurde 1975 in Rabat, Marokko, geboren, lebt und arbeitet heute in Paris. Ihre Werke behandeln Themen wie Migration, Identität, politische Exklusion und die Geschichte der Kolonialisierung. Khalili ist bekannt für ihre künstlerische Auseinandersetzung mit den Erfahrungen von Migranten und Flüchtlingen und ihrer Reflexion über die politischen und sozialen Realitäten der globalen Welt.

Sie studierte an der École nationale supérieure des beaux-arts (ENSBA).

In ihren Filmen erzählt sie Geschichten von Migranten, Exilierten und Minderheitengruppen. Ihre Arbeiten sind geprägt von einer Mischung aus Dokumentation, narrativer Kunst und visueller Poesie. Sie nutzt hauptsächlich Video, Fotografie und Installationen. Ihre Werke beinhalten sowohl fiktionale als auch dokumentarische Elemente und spielen mit der Idee des Erzählens und des Wissens. Ihre Arbeiten reflektieren den Umgang mit Grenzen, sowohl im physischen als auch im metaphorischen Sinn, und stellen die universelle Bedeutung von Erinnerung und Erzählung in den Vordergrund.

Sie ist eine der einflussreichsten Künstlerinnen in Europa. Sie stellte unter anderem im The Solomon R. Guggenheim Museum New York, in der Tate Modern London, im Centre Pompidou Paris, im MACBA Barcelona und auf der Biennale in Venedig aus. Das sind nur eine Ausstellungsorte, die aber, wie wir wissen, auch gleich die renommiertesten sind.

Das Kunstwerk „The Mapping Journey Project“ entstand zwischen 2008 und 2011. Es ist ein multimediales Projekt und setzt sich aus mehreren Videoarbeiten, Fotografien und installativen Elementen zusammen. Es werden Geschichten von Flucht beschrieben. Abenteuerlich, herzzerreissend und wer tiefer fühlt, erschütternd. Das Werk ist eine Art subjektives, interaktives Mapping von Migration anhand einer Kartennachzeichnung. Migranten erzählen ihre Reiseerfahrungen und zeichnen die Route über eine Landkarte nach.

Auf der Biennale in Venedig 2024 wird keine Interaktivität angeboten. In einer grossen Halle des Arsenales sind die Großmonitore in einer Staffelung aufgebaut, davor Sitzbänke, die Zuschauen dürfen zuhören und mit den Erzählungen die Flucht nachvollziehen. Während des Erzählens und Nachzeichnens findet bei den Erzählenden Personen erneutes Erinnern und Erleben statt. Fast wie in einer Therapie. Das Ereignis wird wiederbelebt, es wird vielleicht sogar zurück erobert, denn wer erzählen kann und dem zugehört wird, hat ein Anreicht auf Erfahrungen, auf Erlebnisse und auf Leben. Dieses Recht wird Migranten genommen. Während der Flucht werden sie wie Ware verschifft, in lebensgefährliche Situationen versetzt, sie werden ausgebeutet, sich selbst überlassen und sie verlieren ihr Recht auf Menschsein. Wer erzählt, gewinnt das Recht auf Individualität zurück. Die Karten dürfen deshalb als Symbol für die Rückeroberung verstanden werden. Der Mensch darf wieder selbstbestimmend agieren. Der Mensch gewinnt an Authentizität, die Karten werden verändert, bemalt, bezeichnet und zu Tagebucheintragungen. Es ist ein Akt des Wiederstands gegen Grenzen, Staaten, Politik, Recht und Anerkennung.

„The Mapping Journey Project“ von Bouchra Khalili ist ein Kunstwerk, das Kartografie, Film und Erzählung miteinander vereint und so eine persönliche und globale Geschichte über Migration, Widerstand und die Definition von Grenzen erzählt.

Beitrag von Ursula Drees

NOVA Inc. interaktiver Experience Raum

Drei Tage lang hatten Besucher im Februar die Gelegenheit, die Installation NOVA Inc. an der Hochschule der Medien zu erleben. NOVA Inc. ist eine interaktive Installation, die BesucherInnen in eine Zukunftsvision versetzt. In einer Zeit voller Fake News und Manipulation fordert NOVA Inc. auf, zwischen Wahrheit und Propaganda zu unterscheiden.

Innenraum mit der Künstlichen Intelligenz der Nova Inc. © Studioproduktion Event Media

Die Geschichte ist wie folgt: Die Erde steht kurz vor dem Kollaps, und die fiktive Megakorporation NOVA Inc. verspricht die Rettung: Eine Evakuierung auf den fernen Planeten Luminos B. Die BesucherInnen sind die Crew und befinden sich an Bord des ersten Raumschiffs, das die Erde verlässt.

Live Feeds: Nova Inc. ©Studioproduktion Eventmedia

Die Installation greift den Retro-Futurismus der 70er-Jahre auf. Eine Kommandozentrale mit Blick ins All, LED-Lichter, ein Social-Media-Newsfeed und Live-Übertragungen von der Erde und Luminos B sorgen für Atmosphäre. 24 Lautsprecher erzeugen ein 3D-Sounderlebnis, und Body-Shaker lassen die Vibrationen des Raumschiffs beim Start fühlen. Alles ist handgemacht – von der Kulisse über die Technik bis hin zu den Videos auf den Bildschirmen. Unterschiedlichste Materialien, Techniken und Software kommen zusammen.

Doch ist die Mission wirklich das, was sie zu sein scheint? Während NOVA Inc. eine glorreiche Zukunft auf Luminos B verspricht, sendet der Whistleblower Theodor Messerschmidt geheime Botschaften. Immer wieder wird der Flug unterbrochen und gestört. Zwei Rätsel helfen, seine Hinweise zu entschlüsseln: Ein mysteriöses Fax führt zu einer brisanten Unterhaltung zwischen Messerschmidt und NOVA Inc.-CEO Gideon Musk, und ein versteckter Datenchip enthüllt geheime Pläne des Konzerns – NOVA Inc. will nicht die Menschheit retten, sondern will die Menschen in ihr Verderben schicken. Alles damit die wenigen Superreichen in Luxusvillen die gar nicht so verlorene Erde für sich haben.

Nova Inc. ©Studioproduktion Eventmedia, Fotografie Markus Walter

Es gibt zwei Live Feeds zu sehen. Einer ist von der doch ziemlich zerstörten Erde. Dort lebt es sich scheinbar unbequem zwischen Plastikmüllbergen, verseuchter Luft, Vulkanausbrüchen und einem Klima, das ausser Rand und Bank ist. Der andere Live Feed ist von Luminos B. Da sieht alles ganz anders aus. Wunderbare Wälder, sehr glückliche Tiere und Menschen, eine paradiesische Natur und grosser Frieden herrscht dort. Komisch nur, dass sich diese Live Feeds nach knapp 2 Minuten wiederholen. Sind es jetzt Live Feeds oder Videoschleifen? Sind sie aufgezeichnet, manipuliert, vielleicht gar nicht mal der Realität entsprechend? Da kann man schon genau hinschauen.

Es ist nicht ganz einfach die Wahrheit zu erkennen. Denn es sieht doch alles sehr gut aus. Auch kleine Störungen werden eher ignoriert, vor allem wenn die Künstliche Intelligenz grundsätzlich die reibungslosen Abläufe heraus stellt. Wer soll denn da noch hinterfragen und sagen: „Moment, es ist doch ganz anders. Eigentlich ist der Start, nur mal als Beispiel, holprig über die Bühne gegangen. Warum wird denn das Gegenteil behauptet?“ Da ist es doch einfacher, dem System Glauben zu schenken.

Werden die Hinweise angenommen? Werden sie als Störung empfunden? Am Ende entscheiden die SpielerInnen selber. Werden sie auf den Todesplaneten Luminos B fliegen oder die Kraft haben, das Raumschiff zu wenden und zurück zur Erde zu fliegen?

Eine Produktion der Hochschule der Medien, Studiengang Audiovisuelle Medien von der Studioproduktion Event Media. Alle Fotos gehören der Studioproduktion Event Media.

Beitrag von Ursula Drees

WangSui: Lipid Muse + Cathexis I, II, III. 2024, Biennale Venedig 2024

WangShui: Lipid Muse, 2024. Live-Mehrkanal-Simulation© Foto: Haupt & Binder, Universes in Universe
WangShui wurde 1986 in Dallas geboren, und lebt in New York City, USA.

Auf der Biennale werden zwei Arbeiten gezeigt. Lipid Muse, 2024, Live-Mehrkanal-Simulation und Cathexis I, II, III. 2024, Handgeätztes Aluminium. Man findet diese Arbeiten im Arsenale. Ein ziemlich grosser leerer Ort wird betreten. An den Fensteröffnungen befinden sich die Werke Cathexis, an der Stirnseite Lipid Muse. Es ist eine erholsame Ruhe in diesem Raum. Die Ohren können wieder gespitzt werden, die Augen sehen und der Geist nimmt erneut wahr. Das trotz einer, wie auf jeden Biennale, Eindrucksüberfüllung.

Einfach ist die Entschüsselung nicht, aber das soll es nicht sein. Zuerst besticht nicht nur die Ruhe und Weite des Raums und der Installation, es ist die Mehrkanal Simulation. Ein überdimensioniertes Netz aus LEDs, das wie ein zu langer Vorhang auf dem Boden aufliegt, aber nicht von der Decke hängt. Die LEDs erhellen sich, werden mit Farbakzenten besonders, verdunkeln sich, bewegen sich. Dazu hört man Geräusche. Es ist irgendwie eine Mischung von undefinierbaren Geräuschen und identifizierbaren Stimmen. alles zusammen ergibt eine eher introspektive Soundkulisse. Sie assoziiert eine Art Tonsphäre der Innerlichkeit, des Undefinierbaren, aber trotzdem des Persönlichen, Speziellen, des Denkens und des Fühlens. Diese Ebene wird mit dem Lichtnetz in Einklang gebracht. Und damit ist die Bewegung des Lichtnetzes bedeutungsreich. Sie drückt vielleicht ähnliches aus wie die Tonebene: verflüchtigende Gedanken und Gefühle? Vielleicht von einer Person, vielleicht eine Art Verflechtung von vielen Gefühlen einer Person, vielleicht viele Personen?

Die Installationen und biomorphen Skulpturen des Studios WangShui reflektieren diese Beobachtung. Ihr Werkästhetik ist auf Zeit, Ruhe, auf das Langsame sich Entwickeln von Zuständen ausgerichtet. Es zeigt, wer auf die Website geht, vor allem auf eine allmähliche Entwicklung von Persönlichkeit, von Identität. Diese Aussage ist abstrakt. Ja das stimmt, aber irgendwie erklärt es doch diese Unbestimmtheit, die sich bei der Betrachtung im Inneren verbreitet. Erklärt ziemlich gut, was da passiert.

WangShuis Arbeiten beziehen sich auf urbane Theorie, Feng Shui, Zoologie und alte Mythologien als Grundlage für übernatürliche Erzählungen, die sich eine Welt der Existenz vorstellen, die nicht durch starre Erwartungen an eine feste Identität belastet ist“.

Lipid Muse, 2024, Live-Mehrkanal-Simulation

Cathexis I, II, III. 2024, Handgeätztes Aluminium

WangShui: Cathexis, 2024. Handgeätztes Aluminium© Foto: Haupt & Binder, Universes in Universe

In den Fensteröffnungen befinden sich diese Bilder. In der Dunkelheit sind sie eher schwer zu entschlüsseln. Sie glänzen dunkel, sind detailliert und grossformatig. Sie sind komisch, erinnern an Science Fiction Wesen, ein bisschen an Aliens oder viel zu grosse Amphibien. Ganz ungefährlich erscheinen sie durch die Formsprache und Grösse nicht. Ganz versteckt im Hinterkopf denkt die Autorin an die Odysee, an göttliche Schlangenwesen, an vielleicht Kreaturen aus dem Hades, an das Böse, genauso wie an das erschreckend Aggressive. Eindrücklich in der Farblosigkeit, der Stille und der eher unscheinbaren Darstellung, trotz Grösse.

Arsenale. Internationale Ausstellung Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere, kuratiert von Adriano Pedrosa.

Alle weiteren Bilder sind von der Autorin mit dem Iphone 12 vor Ort gemacht. Beitrag von Ursula Drees

Bubble Mania

Wir gratulieren! Die Studioproduktion Bubble Mania hat bei dem CommAward Talente 2024 SILBER in der Kategorie / EXPERIMENTAL / Space Experimental gewonnen.

Sie wurde obendrein in den Kategorien / AUDIO / Sound Design und SPACE / Exhibition auf die Shortlist gesetzt.

Dieser interaktive Erlebnisraum ist ohne Wenn und Aber dem Spielspass gewidmet. Er fußt auf der Idee, dass frühe Arcade Games der 80iger so schön einfach waren. Die damaligen Spiele waren mit 16 bit, grellen Farben, gepixelten Bildern und Figuren ziemlich rudimentär gemessen an den hochauflösenden Games heute. Die Bildschirme waren tiefschwarz und im Vordergrund busselten die Spielfiguren rum. Pong kennt wohl jeder, Space Invador wohl auch. Controller waren Objekte zum berühren, sie wurden nach vorne und hinten geschoben, gedrückt oder gezogen. Die Art der Bewegung stimmte mit der Reaktion auf dem Bildschirm überein. Selbsterklärend und bedienungsfreundlich. Eine Funktion: fertig.

Ein bisschen Faszination mit dem Vergangenen, mit dem Alten, den Unterschieden und Abgrenzungen kann da schon mal aufkommen. Denn trotz vorsintflutlicher Technik haben sie an Spielspass nichts eingebüsst. Das wurde bei diesem Erlebnisraum auch festgestellt. Die Besucher*innen waren Feuer und Flamme, hatten Freude am Gewinnen und sogar am Verlieren.

Alle Fotografien unterliegen dem ©Studioproduktion Event Media, HdM, Stuttgart.

Beitrag von Ursula Drees