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David Bowen „tele-present water“, 2011

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Gross ist die Installation nicht. Sie nimmt vielleicht 1 Kubikmeter Luft und Raum ein. Wie ein Mobile präsentiert sie sich. Oder vielleicht  von unsichtbaren Händen bewegte Puppen. Langsam bewegt sich das obere Raster und genauso langsam durch Fäden miteinander verbunden das Untere. Es ist ein meditativen Hin- und Her. Zu Hören ist nichts.  Allein: dieses Gebilde ist schön anzusehen, besticht durch federleichte Materialien. Alles ist zerbrechlich und dünn, leicht.  Natürlich bleibt der Besucher bei so viel kleinteiliger Fragilität stehen und lässt sich in den Bann des sanften  Aufs und Abs ziehen.

Und das was jeder sofort sieht und fühlt ist auch das was es ist. Eine Boje inmitten des Pazifiks sendet Daten über die Wasserhöhe und Intensität der Bewegung an die National Oceanic and Atmospheric Administration in den USA: Der Wellengang wird auf die Größe der Rauminstallation skaliert, ansonsten bleibt es unverändert.

Als wir die Installation betrachten war der Pazifik ruhig. Langsam bewegt sich die Boje auf und ab, und so wird das Installationskonterfei auch bewegt. Wenn der Wellengang bewegt ist oder sogar Sturm ist, dann springt die Boje auf den Wellenbergen auf und ab und  die Installation wird ein wilder Hexentanz. Gerne würden wir diesen Zustand auch sehen, aber was sollen wir tun? Heute ist der Pazifik ein sanftes Schäfchen.

 

Biennale Venedig 2015: „revolutions“ von Celeste Boursier-Mougenot, Frankreich

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Der Französische Pavillon wird 1912 als fünfter Pavillon eingeweiht. Er steht gegenüber der deutschen Nationalvertretung die 1909 eröffnet wurde. Er wurde von dem Chefingenieur der Architekturabteilung Venedig Fausto Finzi verantwortet. Der Französische Pavillon ist der einzige der noch im Besitz Venedigs ist. Hier stellt der Südfranzose Celeste Boursier-Mougenot sein Werk „revolutions“ vor. Drei Kiefern mit ihren Wurzelballen, zwei vor dem Pavillon, eine Kiefer im Innenraum bewegen sich langsam hin und her.

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Auf dem Erdreich befinden sich 2 Bewegungsmelder. Sie verfolgen die Menge der Besucher im unmittelbaren Umfeld der Bäume. Wenn viel passiert, bewegen sie sich schneller, wenn wenig geschieht dann ist es eine gemäßigte Fortbewegung. Lebende Bäume, die die menschle Nähe suchen. Sie rufen bei ihren langsamen Fahrten einen dunkeln Ton hervor. Einige Wurzeln berühren den Boden und scheinen zu zittern. Vor Aufregung, vor Erwartung, vor Furcht, wissen wir nicht. Es sind Bäume wie aus dem „Herrn der Ringe“. Lebewesen ja das schon immer, aber bewegte Wesen? Das ist hyperreal, das ist Zukunft.

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Die Erdballen sind groß und sehr trocken. Bei näherer Betrachtung fragt man sich, ob sie wohl regelmäßig bewässert werden? Natürlich alles andere wäre unvorstellbar. Denn mit der Bewegung wachst die Empathie. Und wie bewegen sie sich denn? Werden sie angetrieben, haben sie Rollen? Wo befinden sie sich? Der Erdballen hält die Wurzeln, da müssen Räder und Motor noch in den Ballen eingearbeitet sein. Wir legen uns auf den Boden und versuchen einen Blick unter den Rock. Aber es ist schwer erkennbar. Ja es sind Rollen aber wie groß sind sie? Also muss das Handy her. Wir bewegen uns in der Hoffnung, dass der Baum zu uns kommt. Er kommt und fährt über das filmende Telefon.

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Jetzt nur noch den Baum in eine andere Richtung lenken, das Filmgerät aufheben und das Resultat betrachten. Wir werden tief enttäuscht. Der Baum hat gar nicht so viel Wurzelballen wie es erscheint. Er ist ausgehöhlt, nur Raum für einen großes Rad und den Rechner, zur Verarbeitung der Signale. Der Baum wird täglich kämpfen, er wird schwerlich ein freudiges Biennale Dasein haben.

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Screen Shot 2015-06-05 at 15.21.12Der Künstler will die Grenzen zwischen Natur und Technologie ausweiten. Das soll er wohl auch tun aber nicht auf Kosten der Natur. Und wir betrachten seine Bäume genau wie er es von uns will. Sehen sie mehr als Lebewesen, ja als Freunde an. Geben uns Mühe ihnen nicht zu nah zu treten, wollen sie nicht verletzen, wollen dass sie einen Lebensraum haben, hoffen dass sie gegossen werden, dass sie geliebt werden. Aber das werden sie scheinbar nicht. Die Kunst ist dem Macher wichtiger. Das ist enttäuschend. Auch wenn das Artefakt, ja so muss es beschrieben werden, nämlich als totes Ding, eine messerscharfe Vermittungsqualität inne hat.

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Der 54 jährige Boursier-Mougenot wird als Künstler beschrieben der Medien vermischt und die Grenzen der klassischen Kunst durchbricht. Er ist ein Technologie affiner Mann, arbeitet mit Pflanzen, mit Tieren, Instrumenten und Computern. So hat er einen Raum gestaltet in dem kleine Zwergfinken auf liegenden Gitarren herum hüpfen und sie bespielen. Ein eigenartiges Tonsammelsurium entsteht. Diese Installation überzeugt durch Witz und auch genügend Respekt vor den Tieren.

Er studierte Musik, Saxophon und Violine, erkannte aber, dass es für die große Karriere nicht reicht und sattelte um. Leicht geschrieben schwer umgesetzt. Seine Installationen werden oft von Tönen beherrscht, von Macharten, Geräusche zu erzeugen und Musik zu schreiben. Er bleibt seinem Studium treu, aber bei den Bäumen hätte er ruhig ein bisschen mehr auf deren Bedürfnisse achten dürfen. Das nehmen wir ihm übel.

Root Node von Nathan Guo

Die Installation Root Node von Nathan Guo ist eine mit einem spezifischen Boden verankerte Installation. An zwei, in dem jeweiligen Untergrund verankerten Stahlkabel werden Bestandteile von Fernbedienungen  aufgereiht. Der Boden in dem Ausstellungsraum namens Raumschiff auf der Ars Electronica 2014 in Linz war ein mit kleinen Kieseln gefüllter Glascontainer. Immer wenn der Glascontainer, also der, nennen wir es Mutterboden für die Wurzeln alias Drähte, feucht wird, wird die Installation aktiv. Denn durch die Feuchtigkeit werden Impulse an einzelne Platinen geleitet, diese Noldes genannten Impulse produzieren Geräusche, Töne aller Art. Es ist ein Geräuscheteppich, schwer zu beschreiben, aber wollen wir es als undefinierte Tonlandaschft darstellen.

Die Töne werden durch einen Glascontainer- Kopfhörerschutzhelm an das Ohr des Besuchers getragen. Also eine Installation wo die Erde, in diesem Fall Kiesel als Interface funktionieren.  Durch die Niklas Luhmannsche These der strukturellen Verbindung und der Vorstellung dass Kommunikation ein Prozess ist, der durch die Funktionen Information, Botschaft Verständnis entsteht, ist diese Installation eine Metapher für die Rekonstruktion der Konstruktion.  Rekonstruktion technoider Geschichten, Rekonstruktion technischer Gerätschaften.

Die These ist viel philosophischer als das Werk in seiner Erscheinung. Denn eigentlich untersucht der Betrachterblick die Kieselsteine, rätselt über die Drahtwurzeln, betrachtet die auseinander gebauten Fernbedienungen, wie sie an einer Schnur aufgereiht zur Decke streben und sich nur in einigen Fällen als funktionstüchtig erweisen. Diese Platinen sind mit kleinen Batterien ausgestattet, Transfers für die Tonlandschaften. Manches Teile an den Schnüren sind einfache Plastikverschalungen andere eben Mittlerbaussteine im Innern einer Fernbedienung.  Wenn diese Bestandteile genügend untersucht wurden, wendet sich der Betrachter dem Helm zu.  Ein unförmiges und scheinbar sensibles Ding. Bevor man ihn überstülpt kommen die Gedanken an Atemnot und Erstickungsgefahr kurz im Kopf an. Ein eher unbequemes und enges Ding. Dann greift man zur Gießkanne und wässert. Nicht viel,  der Mutterboden, die Kieselsteine sollen ja nur befeuchtet sein. Und jetzt spitzt man die Ohren in der freudigen Erwartung von Tönen. Die kommen auch. Aber die Zusammenhänge bleiben verschleiert. Ob das vorproduziert ist? Natürlich nicht, wir glauben ja dem Arrangement und der nebenstehenden Erklärung, aber ganz ohne Zweifel kommen wir nicht aus.  Also Helm ab, nochmal den prüfenden Blick auf den Aufbau und über Fragen nach Rückkopplung, Responsiveness und Immersion nachdenken.

Fotos von Ursula Drees auf der Ars Electronica in Linz 2014, Location Hauptplatz Raumschiff.

Smiling Buddha von Yi-Ping Hung (TW), imLab@NTU (TW)

Bei dieser interaktiven Installation werden wir lächeln, alle. Sie ist zweiteilig. Der Publikumsbereich besteht aus eine Vielzahl von Monitoren, einer Ausstellungswand. Sie zeigt nicht nur vorproduzierte Gesichter sondern auch die der Teilnehmer.  Immer wieder lächelnde Gesichter. Im Inneren der Installation findet sich ein Stuhl, mit Kamera auf das Gesicht eines sitzenden Besuchers gerichtet und einer weiteren Bildschirmwand. Eine Reihe von animierten Portraits schaut auf den Besucher. Wird dieser zu einem Lächeln verführt richten sich die Gesichter dem Lächeln zu.

Das Konterfei des Besuchers findet sich direkt im mittleren Screen,  später dann auch an anderen Stellen.  Es ist ein Spiel: Wo findet sich mein Portrait in der Menge der Gesichter? Kann ich die Gesichter zu einer Reaktion bringen, vielleicht sogar zu einem Lächeln. Wie ausdauernd muss ich Lächeln damit etwas passiert und vor allem was geschieht wenn sich das Lächeln auf alle Gesichter ausbreitet? Dann ja dann kommt eine, alle Screens überflutende Buddhaskulpur zum Vorschein. Gross und golden. Der Besucher hat seinen Buddha in sich gefunden und mit einem Lächeln die Gesichter angesteckt. Die Ausstellungswand spiegelt das im Aussenraum wieder.

….Die Künstler haben eine Bildverarbeitungs und Analysesoftware zur Gesichtserkennung, Smile Detection entwickelt, dann noch eine Morphingsoftware und die Bestimmung des Aufmerksamkeitsfokus des Besuchers verwendet.

Gesehen auf der Ars Electronica 2014, Linz. Photos und Beitrag von Ursula Drees

 

 

 

Digital Buddha von He-Lin Luo

 

Digital Buddha von He-Lin Luo zitiert Nam June Paiks 1974 entstandenes Werk “ TV-Buddha“. Eine Buddha Skulputur wird als Live Feed auf einen Röhrenfernseher  gesendet. Diese Arbeit beschäftigt sich einerseits mit dem Konflikt: Reproduktion und dingliche Figur, dem Original und seiner Kopie und andrerseits wird die meditative Trance bei einer vertiefenden, ruhigen, bewegungslosen Selbstbetrachtung angesprochen.

Fotografie von TV Buddha, Nam June Paik (1074) entnommen von brittanystanley.com

Digital Buddha zitiert das Werk, jedoch sehen wir einen Buddha, oder besser noch eine durch mathematische Methoden codierte geometrisch- abstrakte kinetische Buddhaskulptur.  Sie dreht sich und dieses Bild wird durch eine Videoschleife auf einen Monitor gespielt. Stellt sich der Betrachter jedoch genau hinter diese Skulptur, wird der Datenstrom gestört. Eine Kamera ist in der Säule, auf dem die Skulptur sitzt, installiert.  Bleibt der Betrachter still, wird er Zeuge, wie die Skulptur sich von Drehung zu Drehung in einen Buddha auf dem Screen verwandelt.

Eine virtuelle Replik wird erzeugt und erst jetzt entschlüsselt sich das Werk.  In diesem Zusammenhang ist das virtuelle Bild das Werk, es ist die Realität, so zumindest denken wir, denn hier erst können wir die Abstraktion entschlüsseln und sehen die Figur.  Welche Wirklichkeit ist die reale? Die Kinetische Skulptur oder das Buddhaabbild?

Von dieser Art stehen noch zwei andere Skulpturen in der Ausstellung auf der Ars Electronica in Linz. Eine zitiert die zwei ehemaligen Tower des World Trage Centers, so wenigstens meine Vermutung, die andere das Microssoft Logo.

Gesehen auf der Ars Electronica 2014, Linz

Fotografien „Digital Buddha“ von Ursula Drees