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Biennale Venedig 2015: „Crossing the Tide“ von Vincent J.F. Huang, Tuvalu

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Tuvalu stellt im Arsenale aus. Es ist ein kleines Land, tatsächlich das kleinste auf der Biennale Venedig 2015 mit einem eigenen Beitrag. Und deshalb okkupiert dieses Land nur einen Raum  des Arsenale. Arsenale bedeutet Arbeitsstätte.

Der Wortstamm findet sich im Arabischen. Es beschreibt die Schiffswerft, das Zeughaus, die Flottenbasis der ehemaligen Republik Venedig und wurde 1104 begonnen; über die Jahrhunderte erweitert und vergrößert. Es wird in Dantes Göttlicher Komödie als Ort der emsigen Geschäftigkeit beschrieben, hier manifestierte die Republik Venedig ihre einstige Seemacht. Innerhalb weniger Wochen konnte eine Handelsgaleere in ein Kriegsschiff umgebaut werden. Wer heute abseits der Biennale zum Arsenale geht findet eine ruhige große Fläche mit der Führungsakademie der italienischen Marine und ein Marinemuseum vor. Für die Biennale wird alles für die Kunst freigegeben.

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Im Arsenale werden Länder ohne eigenen Pavillon präsentiert. Und Einzelarbeiten von Künstlern gezeigt. Einen Tag braucht jeder Besucher mindestens für dieses Gelände. Und in dem Fall würde der Kunsttag um 10 Uhr beginnen und um 18 Uhr enden. Und in der Zwischenzeit gäbe es Verschnaufpausen und Momente der Unaufmerksamkeit, denn es ist viel was es hier zu sehen gibt. Das kann wohl keiner an einem Tag vollständig erfassen.

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Zurück zum Beitrag von Tuvalu. Dieser Staat ist etwas größer als der Vatikanstaat und hat etwas mehr als 10.000 Einwohner. Es liegt nördlich von Neuseeland und östlich von Papua-Neuguinea. Eine kleine Insel die vom Untergang bedroht ist. An den höchsten Punkten liegt die Insel, eigentlich mehrere Inseln, nur 5 Meter über dem Meeresspiegel. In absehbarer Zeit wird dieser Staat nicht mehr da sein, die Inseln werden überflutet. Die Folgen des Klimawandels machen sich hier dramatisch bemerkbar. Die Menschen von Tuvalu müssen Asyl in den benachbarten Staaten beantragen, oder aber die Regierung kauft Land in Australien und siedelt dorthin um.

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Und genau damit beschäftigt sich in die Installation. In einer der ehemaligen Fertigungshallen des Arsenal sind mehrere flache Wasserbecken eingelassen. Mehr nicht. In dem Raum ist es schwül, hohe Luftfeuchtigkeit und lichter Nebel bewegt sich dicht über der Oberfläche. Über mehrere schmale Stege geht es durch den Raum. Links Wasserbecken, rechts Wasserbecken. Im Raum vor diesem war es angenehm kühl. Hier schlägt das tropische Klima direkt auf die Haut und Atmung. Mehr braucht es auch nicht, denn die Botschaft ist klar formuliert.

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Der Künstler Huan arbeitet und lebt in London. Seine Arbeiten beschäftigen sich mit Umweltproblemen. Er sieht sich in einer Reihe mit Joseph Beuys und dem Thema der Sozialen Skulptur. Er will Anliegen und Notstände in die Kunst bringen, das macht er durch teils mobile und interaktive Installationen, alle benötigen die Mithilfe des Besuchers. Hier im Arsenal ist es nur wenig was zu tun ist. Denn wir müssen nur den Titel lesen, das Land und durch die dampfende Wärme gehen. Dann wissen wir sofort dass hier der Klimawandel besprochen wird. Auf eine sehr einfache und klare Weise, sehr eindringlich dazu, es geht kein Weg an der Erkenntnis vorbei.

„GOLD“ von Alexander Tuschinski


 ATuschinskiPortraitWeb2014Alexander Tuschinski versteht sich als Filmemacher der neuen Art. Er ist jung, unermüdlich, experimentell und gewagt. Aber dabei kennt er der Film.  Er weiss die Kraft der Bilder einzusetzen, er kann montieren und collagieren. Aber dabei bleibt die Geschichte erhalten. Ein ungeheuerer Zugewinn für die Filmcommunitiy.  Seine Filme sind humorvoll, manchmal grotesk, immer ein Erlebnis. Neben der Filmmacherei schreibt Herr Tuschinski Bücher. Sein zweites Buch ist gerade fertig geworden. Noch im Selbstverlag erhältlich, aber wir hoffen dass sich dies ändert. Herr Tuschinksi lebt und arbeitet in Stuttgart. Unlängst wurde sein Experimental Kurzfilm „GOLD“ auf der Biennale in Mykonos im Wettbewerb angekommen. Dies haben wir zum Anlass für ein Interview genommen.

Herr Tuschinski, sie sind Autorenfilmemacher. Ihre Filme werden in den USA geliebt, gewinnen Preise und es wird gesagt, sie würden eine neue filmische Sprache entwickeln. Der neue Deutsche Film heisst es da oft:

Welche Filmpreise haben sie bereits gewonnen?

Vielen Dank für die freundlichen Worte! Meine Filme haben in den vergangenen Jahren international mehr als 20 Preise gewonnen – unter anderem hat mein Film „Break-Up“ 2014 bei den American Movie Awards als den Preis als „bester fremdsprachiger Film“ gewonnen, beim Hollywood Reel Independent Film Festival zwei Preise, und bei den Maverick Movie Awards der Preis für die beste Regie.

Was genau macht den Unterschied: ihre filmische Sprache und die bekannte, erwartete Filmsprache?

Bei vielen Filme die ich zur Zeit sehe ist die Filmsprache leider verhältnismäßig „konventionell“, zwar sehr professionell und schön, aber doch nach festen Schemen abgearbeitet, und folgt fast schon lehrbuchmäßig etablierten „Regeln“. Zum Beispiel werden Zooms in Spielfilmen kaum verwendet, Schnitte oft möglichst unauffällig gesetzt, und so weiter. Das sorgt dafür, dass die Zuschauer durch die oft vorhersehbare Filmgrammatik (Totale geht zu Close-Up, etc.) nicht so stark gefordert werden, da sie in ihren erwarteten Sehgewohnheiten entsprechen und der Signifikat (die transportierte Story) den konservativ-berechenbaren Signifikanten (die Art, wie sie dargestellt wird) in der Wahrnehmung massiv überragt.

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In meinen Filmen versuche ich möglichst, „Regeln“ zu vergessen und trotzdem konventionell genug zu bleiben, damit sie noch von einem großen Publikum verstanden werden; die Idee ist dass aufmerksame Zuschauer in meinen Filmen gerade auf technischer Ebene noch viele Details entdecken können, welche über die „Story“ hinausgehen. Ich liebe kurze Close-Ups, um eine Stimmung aufzubauen, Zooms und unerwartete Schnitte, um die Zuschauer aus einer gewissen „Lethargie“ gegenüber des Signifikanten zu reißen. Das im Film dargestellte Geschehen, die Aussage – der Signifikat – soll nicht so stark im Vordergrund stehen, sondern gleichwertig mit der Art, wie es gesagt wird (dem Signifikant) bewusst aufgenommen werden. Denn das ist eine Ebene, welche mindestens ebenso interessant wie die „Story“ sein kann, mit ihr verwoben ist. Ich verwende gerne eine Analogie zur Sprache, was Filmgrammatik angeht: Für mich gibt es „Substantive“ (Einstellungen, die ein Ding an sich zeigen, z.B. Totalen), „Verben“ (Aktionen, die gezeigt werden in Close-Ups etc.), und Adjektive (beschreibende Dinge, Cut-Aways, Details). Während zahlreiche Filme nach dieser Sichtweise sprachlich und grammatikalisch „klassisch“ konventionell bleiben, versuche ich in meiner Bildsprache nach Slam-Poetry-Manier die Wörter unerwartet durcheinanderzuwerfen, neue grammatikalische Konstrukte zu bauen und trotzdem ein sinnvolles Ganzes zu ergeben.

Ich orientiere mich an Sergei Eisenstein und Dziga Vertov, sowie dem Frühwerk meiner Freunde Tinto Brass (der übrigens in den 60ern von Umberto Eco mit zwei Kurzfilmen beauftragt wurde, die damals eine neue Bildsprache einläuteten) sowie Hugo Niebeling, der als Mitbegründer der modernen Musikvideo-Bildsprache gilt. Alle genannten hielten und halten sich in ihren Arbeiten nicht an etablierte Konventionen, sondern arbeiteten eher nach sehr subjektivem Gefühl, so wie sie es ästhetisch als „richtig“ empfanden.

Sie machen Spielfilme, Kurzfilme und auch experimentelle Filme. Zum Beispiel ist der Experimentalfilm GOLD gerade auf der Filmbiennale in Mykonos angenommen worden. Erzählen sie wie sie zur Idee kamen und was gezeigt wird.

Die Idee zu Gold war sehr spontan. Als ich dieses Jahr Geisterstädte in der Wüste besuchte in denen im 19. Jahrhundert Bergbau betrieben wurde, hatte ich eine DSLR-Kamera dabei, um Fotos zu machen und kurze Clips zu drehen, als „Urlaubserinnerung“. Als ich dort allerdings ankam, merkte ich, wie interessant es aussieht, und vergaß den „Urlaub“: Meine Freunde und ich begannen Kilometer um Kilometer zurückzulegen, um immer mehr interessante Bilder zu filmen, und besuchten schließlich auch einen Wald mit Mammut-Bäumen, um einen Kontrast zu den Wüstenbildern hinzukriegen. Alle visuellen Ideen kamen uns dabei spontan, es gab kein „Location-Scouting“, aus Zeitgründen konnten wir nicht oft an die Drehorte. Wir legten an einem Tag 20 Kilometer durch bergiges Gebiet zurück, es war sehr anstrengend, aber am Ende hatte ich 6 Stunden Filmmaterial aus unzähligen Kameraperspektiven.

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Beim Schnitt kam mir die Idee, das Finale von Beethovens siebter Sinfonie als musikalische Untermalung zu nehmen – Richard Wagner nannte es die „Apotheose des Tanzes“. Ich habe den Film in nur vier Tagen Ende März 2015 geschnitten, es war eine wahnsinnig intensive Zeit, um am Ende eine Choreographie unbewegter Objekte zur Musik zu haben, die nur durch Montage sowie Kamerabewegung eine zur Musik passende Dynamik entwickeln.

Welche Aussage wollen sie treffen? Ist es eher zufällig oder haben sie etwas bestimmtes im Kopf gehabt.

Beim Filmen dachte ich schon, dass wir den Kontrast zwischen Natur und (verfallenden) menschlichen Strukturen darstellen können: Alles menschliche geht in der Natur auf. Im Schnitt habe ich die Aussage auch scharf herausgearbeitet: Kamerafahrten einen Mammutbaum hinauf werden mit gleichen Kamerafahrten bei einem rostigen Auto gegengeschnitten und gehen schließlich in einer Drehung durch Baumwipfel auf; Ein (durch die Kameraführung) rotierender Eingang zu einem verlassenen Bergwerk geht schließlich in einem (rotierenden) Berg auf, und so weiter.

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Würden sie Gold als einen Anfang für weitere Filme in dieser Art sehen?

Auf jeden Fall. Inwiefern Gold andere Filmemacher beeinflusst, kann ich zwar noch nicht sicher sagen – aber für meine persönliche Entwicklung als Regisseur ist der Film sehr wichtig. Einer meiner Pläne ist es, die gesamte siebte Sinfonie von Beethoven in der Art zu „verfilmen“, mit „Gold“ als Finale. Außerdem planen Hugo Niebeling und ich mehrere gemeinsame Projekte in ähnlichem Stil, die allesamt sehr innovativ und neu in Bildsprache und Ausdruck sind.

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Erzählen sie von ihrer Kameraarbeit bei Spielfilmen.

Bei Spielfilmen versuche ich auch möglichst viele originelle Perspektiven zu filmen – aber nicht so extrem wie bei „Gold.“. Bei Gold entsteht die Dynamik, die Aussage durch die Kameraführung und Montage, der Signifikant erzeugt praktisch erst die Aussage des Films. In Spielfilmen muss für mich die Kameraführung zwar originell sein, aber doch auch der „Story“ Platz lassen.

Ein Beispiel wäre z.B. mein Kurzfilm „Hollow Date“, der eine etwas erweiterte Szene aus meinem Spielfilm „Break-Up“ ist. In meinen Spielfilmen verwende ich möglichst viele originelle Kameraperspektiven, aber orientiere mich in der Grammatik immer noch an den Konventionen, um sie verständlich zu halten. Um das Beispiel Slam-Poetry vs. klassische Literatur aufzugreifen, und die Analogie zur Sprache darin: Ich werfe „Wörter“, also Einstellungsarten, darin durcheinander, arbeite vielleicht mit mehr Adjektiven, Substantiven etc. als andere, aber jeder „Satz“ muss doch Subjekt, Prädikat, Objekt haben, damit der Rezipient ihn verstehen kann. Aber er sollte nicht nur lehrbuchmäßig formuliert sein, sonst wird es dabei langweilig.

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Erzählen sie über ihre Herangehensweise wenn es ums Storyboarden geht. Als Autorenfilmemacher, halten sie das für wichtig?

Das Storyboarden ist eine starke Geschmacksfrage, ich kenne Filmemacher die es nicht missen mögen, andere, die es nicht machen. Ich persönlich storyboarde sehr wenig. Beim Schreiben von Szenen habe ich öfters zwar Einstellungen im Kopf – aber vertraue auf die Inspiration am Set, und das hat bisher immer geklappt. Ein „Trick“, den ich verwende: Ich filme die gesamte Szene zunächst aus einer Totalen; dann die Nahaufnahmen, alles klassisch; und dann die interessanteren, ungewöhnlichen Perspektiven. Sollte es zeitlich nicht klappen alles zu filmen, kann man dann im Schnitt notfalls immer wieder zur Totalen ausweichen, und spart sich Nachdrehs. Aber zum Glück ist es noch nie so weit gekommen, dass es nötig gewesen wäre.

Ich empfinde es als am Wichtigsten, viele Filme zu schauen, die einem gefallen, damit man im Kopf ein spontanes Stilempfinden entwickelt. Ich z.B. mag frühe Werke von Tinto Brass sehr („L’Urlo“, der auf der Berlinale 1970 lief, „Col Cuore in Gola“ von 1965 etc.), und habe viel analysiert, was mir an der Kameraarbeit gefällt und dies in meinen Stil einfließen lassen. Wenn wir schnell eine Totale filmen, weiß ich auch spontan, dass sie nach meinem Empfinden „elegant“ ist, wenn man sie von unten und sehr weitwinklig filmt; so ein Empfinden für den Stil der einem gefällt kann einem bei hektischen Drehs viel Zeit sparen, wenn man ohne Storyboards arbeitet.

Welche Bedeutung haben Schauspieler und Schauspielführung bei ihren Filmen?

Eine sehr große. Die Schauspieler füllen die Szene erst mit Leben. Auf meinen Sets probe ich viel, und lasse die Schauspieler auch improvisieren und eigene Ideen einbringen. Da ich alle meine Spielfilme bisher auch selbst geschrieben habe, hat es den Vorteil, dass ich das Drehbuch ohne schlechtes Gewissen auch am Set noch abändern kann. Zum Beispiel lasse ich Darsteller den Text in einem gewissen Rahmen abändern, damit er zu ihrer Interpretation der Rolle auch besser passt und „natürlicher“ wirkt. Ich arbeite oft mit neuen Schauspielern, für die meine Filme teils die erste Filmrolle überhaupt sind, und durch lange Proben sind sie – sobald die Kameras laufen – sicher und routiniert.

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Für „Timeless“ arbeite ich erstmals auch mit Hollywood-Schauspielern zusammen, und es war sehr interessant: Rick Shapiro – ein bekannter und sehr talentierter Stand-Up Comedian – improvisierte, nachdem wir das abgesprochen hatten, viele seiner Monologe und benutzte mein Drehbuch quasi als „Sprungbrett“, um den Inhalt mit eigenen Worten zu transportieren.

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Wir alle am Set liebten es; und im Schnitt setzte ich dann die Szenen mit ihm aus zahlreichen verschiedenen Takes zusammen, führte praktisch im Schneideraum weiter Regie. Harry Lennix, ein bekannter Shakespeare-Darsteller, hatte einen anderen Ansatz: Er und ich arbeiteten vor dem Dreh an seinem Part, und während des Filmens spielte er mit perfekter Wiederholgenauigkeit sehr präzise seine Rolle.

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Bei den verschiedenen Ansätzen ist aber gemeinsam, dass die Darsteller für ihre Rolle bei mir immer mitreden dürfen. Und für Schauspielerführung sowie auch allgemein finde ich wichtig, dass auf dem Set eine gute Stimmung herrscht, man eventuelle Missgeschicke mit Humor sieht, etc. Die entspannte Atmosphäre tut nicht nur allen Beteiligten gut – man sieht es auch in den Performances der Darsteller; wer entspannt und mit Spaß bei der Sache ist, kann leichter schauspielern.

Herr Tuschinski, wir dürfen uns für dieses Interview bedanken und hoffen in der Zukunft viel von Ihnen zu hören. Danke dass sie sich die Zeit genommen haben. Abschliessend wollen wir darauf verweisen, dass alle Fotografien © von Herrn Alexander Tuschinski sind.

Biennale Venedig 2015: The Ways of Folding Space & Flying, Moon Kyungwon & Jeon Joonho, Korea

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Korea hat in den letzten Jahren auf der Biennale stets einen Höhepunkt dargestellt. So sind wir gespannt was dieses Mal kommt. The Ways of Folding Space & Flying von Moon Kyungwon & Jeon Joonho hört sich nach Zukunft an. Die beiden Künstler leben in Seol.

Schon von außen kündigt sich der Tenor des Pavillons an. An den runden Fenstern, sehr futuristisch übrigens, werden erstklassige Projektionen gezeigt. Erstklassig weil es schwer ist auf halbrunde Glasscheiben zu projizieren. Das gelingt hier.  Eine Cyborg Frau schaut uns an. Sie ist weiss geschminkt, hat weiße Haare und scheint aus dem Film „The 5th Element“ entsprungen zu sein. Sie bedient modernes Computer -Augmented Reality  Interface, wir denken an „Minority Report“.

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Wir treten ein und sind schon im Hauptraum. Eine Multi Channel Film Installation erwartet uns. An der Stirnseite, wo ein Panoramafester den Blick auf die Gärten frei gibt, ist ein Format füllender HD Video zu sehen, an der anliegenden, rechten Wand ebenso. Die der Stirnseite gegenüberliegende Wand wird nur im unteren Teil mit Bildern bespielt. Gezeigt wird alles was sich in Fußhöhe befindet. Der Pavillon ist nicht rechteckig geschnitten. Er öffnet sich an einer Seite und führt in eine Nische. Dort ist ein Counter mit Informationsmaterial. In dieser Nische befindet sich ebenfalls eine schmale Wand. Sie wird von einem gläsernen Bullauge gebrochen. Das Glas selbst weist kleine Bläschen auf und macht die gezeigte Szenerie realistisch. Von dort geht es in einen weiteren fensterlosen Raum. Es wird ein Mannshoher Film gezeigt.

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Der Inhalt von The Ways of Folding Space & Flying behandelt die Frage nach menschlichen Zukunftsvisionen. Die Narration erscheint retrospektiv. Es werden Filme wie „Solaris“ zitiert. Sowohl die Version von Andrei Tarkowsky, als auch das Remake aus dem Jahr 2002 von Steven Sonderbergh. Oder aber “Gravity” von Alfonso Cuarón aus dem Jahr 2013. Die Filmsprache bedient sich einer klaren und sauberen Hollywood Ästhetik und erzählt auf zwei filmischen Ebenen. Die Zukunft und die Vergangenheit. Eine Frau, sie scheint allein zu sein, wacht auf, wahrscheinlich aus einem Langzeit Tiefschlaf. Ihr Erwachen können die Besucher durch das Bullauge verfolgen.

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Sie begibt sich in ihr Environment. Dort bedient sie Interfaces, kommuniziert mit Computern, sie läuft in einem hamsterartigen, futuristischen Laufrad, schaut dabei in Natur, wie wir sie kennen. Diese Projektion wird auf der Stirnseite mit dem Panoramafester angelegt. So vermischen sich Filmbilder mit der Wirklichkeit. Sie fließen ineinander und ergeben einen betörenden
Effekt. Was macht diese Frau noch?

IMG_3685Sie legt sich hin, ruht, diese Bilder finden sich in den fußhohen Projektionen. Alles was in aufrechter Position erlebt wird, zeigt sich auf den großformatigen Wänden, alles was liegend ist, auf der schmalen Seite. Die Entfernung im Bullauge und in dem fensterlosen leicht abgetrennten Raum schlagen Verbindungen zu der Vergangenheit. Diese ist nicht in unsere Zeit verlegt, sondern in eine historische Vergangenheit. Es werden Samurais gezeigt. Stolze Krieger, die in beeindruckender Kriegsrüstung mit Schwert und Messer umgehen. Sie sind ruhig und konzentriert bIMG_3695ei der Arbeit, befinden sich, wie die Zukunftsfrau,  in einem meditativen Zustand. Alle erscheinen in Trance.

Es geht um den Wunsch die physikalische Welt zu durchbrechen. Es geht um ein Beseitigen von Barrieren, von Mauern, von Behinderungen, alles was uns bindet. Trotz der Absurdität glauben wir den Visionen, den Geschichten. Wir werden der menschlichen Unsicherheit gewahr. Und dadurch erklärt sich die Glätte der Bilder. Denn Anfangs stösst uns die Vollkommenheit der Bilder ab, sie sind zu sehr wie Hollywood Produktionen. Wir denken und vergleichen wo wir Ähnlichkeiten schon gesehen haben.  “ Kennen wir schon!“ Aber nein, die Filmsprache ist so weil wir die Illusion, das Absurde begreifen sollen. Wir sollen an andere Filme denken, sollen genau das sagen. Aber eben nicht Halt machen. Wir sollen begreifen, das die Zukunft unsicher ist. Und so wie oft erträumt, keine Bereicherung darstellt. Das Eckige und Scharfkantige, das Besondere und Beschädigte fehlt. Die Eigenarten sind nicht mehr da, alles weg. Wie schrecklich ist dann eine Zukunft? Wie langweilig, wie isoliert, wie gleichförmig. Haben denn Menschen noch ein Ziel? Können sie sich verbessern und über sich hinaus wachsen. In diesen Filmen sieht es nicht so aus.

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fmx 2015: Yoan Fanise: Making „Valiant Hearts“, Game

Valiant Hearts ist ein Spiel über den ersten Weltkrieg. Ein riskantes Unternehmen, denn der erste Weltkrieg ist sicherlich keine heitere Geschichte. Yoan Fanise, der ehemalige Kreativ Direktor  bei Ubisoft, heute selbstständig mit einer Agentur names Digixart, die sich vor allem Serious Games widmet, stellt die Hintergründe und die Recherche für Valiant Hearts vor. Es  ist die Geschichte von miteinander verwobenen Schicksalen und einem gebrochenen Herzen in einer in Trümmern liegenden Welt.  Alle Charactere folgen ihrem treuen, vierbeinigen Freund bei dem Versuch, die Grauen der Schützengräben zu überleben. Im Verlauf des Spiels wird sich das Leben all dieser Individuen unauflöslich miteinander verbinden. Freundschaft, Liebe, Opfer und Schicksalsschläge suchen jeden von ihnen heim und jeder versucht, inmitten der Schrecken des Krieges seine Menschlichkeit zu bewahren.

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Yoan Fanise © jeuxvideo.com

Yoan Fanise betritt die Bühne und zeigt Postkarten und Briefe seiner Urgrosseltern. Es sind Originale. Er erzählt, dass der erste Weltkrieg nah genug an unserer heutigen Welt liegt um noch vereinzelt in den Hinterlassenschaften der Familien original Dokumente zu finden, aber er ist auch so weit in der Geschichte, dass wir die Geschichten und das Geschehen überhaupt betrachten können.

„It is close and far away at the same time. It is far enough to talk about it, it is close enough to still relive the time by means of real personal objects, postcards, letters,images, photography…“

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So basiert Valiant Hearts auf Briefen aus dem 1. Weltkrieg und einer Reihe anderer historischer Materialien. Die fiktive Geschichte spielt an authentischen Schauplätzen und erzählt von echten historischen Ereignissen, etwa der Marne-Schlacht oder der Schlacht an der Somme an der Westfront.

„It is important to  f e e l  the sites. To be there, to experience the weather, the grounds, the light, depth, boarders.“ Die Spielemarcher haben die Originalschauplätze besucht. Sie liefen rum, haben das Wetter, das Licht, die Bunker, die Anlagen, das Meer oder die Bodenwellen gesehen und sind hineingestiegen, wo man hinein- oder herabsteigen konnte. Sie waren dort und das nicht nur für ein paar Minuten, sondern für längere Zeit. Sie wollten die Situation und die Orte erleben und nicht nur einmal drauf schauen.

Eine ausgedehnte Sammlung von Erinnerungsstücken aus dem 1. Weltkrieg, etwa Briefe an die Front, Orden und andere Gegenstände, haben als wichtige Inspirationsquelle gedient. Einige Mitglieder, so auch Yuan Fangises Urgrossvater,  des Entwicklerteams haben selbst familiäre Beziehungen zu Kriegsteilnehmern des 1. Weltkriegs. Und mit diesen Dokumenten eröffnete sich eine nicht dem Schulbuch angepasste Sicht auf den ersten Weltkrieg. In der Schule lernen wir von  den Hauptereignissen, die zum Krieg führten und den grossen Schlachten wie der Ermordung von Erzherzog Franz-Ferdinand von Österreich am 8. Juni 1914 in Sarajevo, der Kriegserklärung am 28. Juli 1914, der dann einen Monat später zum Weltkrieg wurde, von der Schlacht um Zypern, wo zum ersten Mal Chlorgas eingesetzt wurde. Von schrecklichen Ereignissen, die aber in der Schule eher als stichworthafte Merksätze gelernt werden. Im Spiel ist es anders. Die Recherche, das Lesen der Briefe, Karten und Notizen zeigte die persönliche Seite des Krieges.

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Die Briefe waren einfach geschrieben, alles war leicht zu lesen und nachvollziehbar. Es wurde vom Warten und von Sehnsüchten gesprochen. Man erkundigte sich ob die Hühner alle gesund sind, ob genug zu essen da ist. „The words written are simple, understandable. This is why we kept the game the same way.“ Dieser Wortestil wurde zum Motiv des Spiels. Es sollte leicht zu verstehen sein, mit einfachen Worten und ehrlichem Auftritt.

 In den Briefen wurden von Kameradschaften geschrieben, wie Freundschaften entstanden sind, wie gewartet wird, wie sich das Lagerleben anfühlt. Es sind nicht die Schlachten, die Aktionen, die den Krieg ausmachen, es ist das Ungewisse und viele Warten. “ We wanted to scale down the emotions to that what it was. You do not want to be there. We want to show the stories inbetween the battles, explosions and conflicts. There is a lot waiting, making friends, connecting to people.“

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Und mit diesen Erfahrungen wurde das Spiel entwickelt. Es ist ein Spiel aus dem Sektor serious games. Und dabei ein Gutes. Der  erste Weltkrieg wird genügend abstrahiert, die wichtigen Seiten sind immer dabei. Es ist ein Spiel, es ist ein Spiel, es ist ein Spiel. Das bleibt es. Denn manchmal bei serious games verliert sich die Spielebene und es wird ein Wissensquiz, ein IQ Test, oder eine interaktive Anwendung, die mit Spielvergnügen nicht mehr so viel zu tun hat. Das ist hier nicht passiert. Es ist ein Spiel. Der Vortrag wurde im Rahmen der fmx 2015 gehört.

Die Bildbeispiele stammen von der Website Viliant Hearts. Sie unterliegen dem Copyright von Ubisoft.

fmx 2015: Dima Veryovka: Never Alone: The Art and Story of the People.

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Dima Veryovka von E-Line Media ist Art Direktor, ist Concept Artist und Designer in der Game Industrie. Er hat an der St. Petersburg Industrial Academy of Arts in Russland einen Masters Degree in Fine Arts und Architectual Design gemacht. Seinen Berufseinstieg machte er als Toy Designer und Bildhauer. Von dort wechseltet er in der interaktive Szene und stellt das Spiel „Never Alone“ vor.

Never Alone wurde in enger Zusammenarbeit mit den Iñupiat, den indigenen Einwohnern von Alaska erarbeitet. Dima Veryovka spricht von den Temperaturen, die für ihn als Russe aus St. Petersburg schon kaum auszuhalten waren, von der ungeheuren Dunkelheit in den Wintermonaten, von der Warmherzigkeit der Menschen. Dann beim zweiten Aufenthalt erzählt er von einem anderen Alaska, die Sonne geht nicht unter, die Vegetation blühlt, soweit das geht, die Menschen, die gemeinsamen Unternehmungen. Das vereiste Alaska wird zu einem magischen Ort.

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Diese Magie findet sich in allem. Die Alten werden geschätzt, Man sucht ihren Rat, verehrt ihre Weisheit. Die Tiere, die Natur, das Leben wird als Einheit wahr genommen. Es gibt Geschichten, Mythen und Traditionen. All das wird Teil des Spiels „Never Alone“ .

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Er erzählt von der intensiven Recherche. Wie sie in Schulen waren, wie sie mit Künstlern sprachen, mit den Alten, an Communitiy Events teilnahmen und in den verschiedenen Arbeitsbereichen der Leute hineinschauten. „They have such a traditon of hand crafted things. Everything is hand crafted. There is a lot like it was for 1000 years. A rich culture.“

Anfangs haben sie unendlich viele Moodboards erstellt, diese führten zu den Concept Arts. Es ist ein Austausch ein Prozess. Es wurde übergeordnete Prinzipien aufgestellt. Sie bezogen sich auf die generelle Atmosphäre, die Stimmungen, den Horizont, die Natur, die Erscheinungen.

Es wurden die Techniken festgelegt. Wasserfarbe, überhaupt Wasserpaletten, Vignetten, verschwommene Hintergründe mit gezielten Highlights zur Leseführung.

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Die Komposition, das Shot Composal wurde bedacht. Mittelachsiale Darstellungen, Lichtpunkte, Horizonte mit Schrittweisen Abstufungen.

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„We became students of the culture. Without the people it would have been impossible. They gave us their trust. We wanted to capture the magic.“

Dima berichtet von den tiefen Verbindungen zu Künstlern und Menschen. Wie sie immer wieder zurück gingen um Rat einzuholen. So zum Beispiel die Geschichte mit den Fuchs, der der Protagonisten als Freund und Begleiter dient.

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„After 3 month in the process at some point a teacher approached us and said: why did you choose a fox? We as teachers tell the children not to play with foxes. They are dangerous. Can’t you take another animal. An owl, a wolf, a husky? These animals are much better perceived in our culture.“ Die Lehrer waren erstaunt, das ausgerechnet ein Fuchs die Hauptperson, ein kleines Kind begleiten soll. Warum ausgerechnet ein Fuchs, wo sie ihren Schülern von den Gefahren mit Füchsen erzählen. Warum nicht eine Eule, ein Wolf, ein Husky!“

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Also gingen sie zurück an den Zeichentisch und versuchten die andern Tiere. Beim Wolf veränderten sich die Proportionen gewaltig. Ein grosses Tier mit einem Mal, eines was grösser erschien als das Mädchen So auch der Husky. Die Eule, die sich nicht entwickeln liess.

„We started prototyping new animals. They proptions changed with a wolf. He was to big. We wanted the girl to bet he main character.“

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Sie blieben beim Fuchs. Zeigten den Leuten ihre Entwürfe, legten die Überlegunge dar, begründeten und erklärten. Die Leute fragten, sie antworteten. Im Anschluß wurde der Fuchs doch genommen und man war einverstanden. Die Problematik wurde verstanden.

„We explained why we stayed with the fox. They asked and after seeing all the prototypes they agreed with the fox. So we went on with the fox.“

Er spricht von den “Spritis”. Die Menschen haben für alles Geschichten. Zum Beispiel die Nordlichter. Für Dima waren Nordlichter einfach Phänomene, tolle Lichtgestalten am Himmel. Sie haben die Leute gefragt, wann sie kommen und wie großartig sie sind. Die Einwohner hatten eine ganz andere Einstellung. Sie erzählten von den Nordlichtern. Es sind die verstorbenen Kinder, sie kommen, sie spielen Fussball mit den Köpfen. „They play football with your heads“.

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Es gibt keine Trennung zwischen der Wirklichkeit und der spirituellen Welt. Alles ist eins. Wenn der erste Wal gefangen und erlegt wird, dann ist das ein großes Ereignis im Dorf. „They invited the whale to the community“. Sie empfangen den Wal in ihre Gemeinschaft.

Alles hat eine Seele, Wale, Eisberge, das Wasser, der Winde, der Schnee, die Tiere. Alles. Land Mond, Sterne. Alles. „We have a relationship with SILA (Sila ist das Wetter). Sila shows us ourselves. We are a part of SILA, SILA is part of us. It is not only one way to seeing things. It is about the way of beeing one.“ „There is no hierachy. Everything is equal. All animals can be seen in a human form. The animals have a lot to teach us“.

Diese Einheit, diese Übereinstimmung mit der Natur wurde ein wichtiger Teil der Geschichte, der sich durch die Gestaltung des Spiels zieht. Er spiegelt sich in den Gestaltungen, in den atmosphärischen Stimmungsbildern, in den Gestaltungstechniken, den -prinzipien und der Komposition. Und führt zu einem dichten Spiel, einem Preisträger. Einem spielerischen Ereignis. Der Vortrag wurde auf der fmx 2015 gehört. Und genossen.

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