Category Archives: Kunst
Auf 125 qm macht die eventmedial Raum-Inszenierung Schatten einen szenischen Kurzfilm mit gleichem Titel „Schatten“ erlebbar.
Konzeptionell ging es um die Dekonstruktion des szenischen Kurzfilms. Der Film erzählt linear, zeitbasiert. Event Medien erzählen dekonstruiert und asynchron. Welche Themenbereiche sind packend und lassen sich szenisch durch Event mediale Mittel darstellen? Diese Frage zu lösen kostet Zeit und Gedanken. Nur die filmischen Höhepunkte eigenen sich, längere Ausführungen durch Filmbildsprache sind schleppend, langatmig in einer Event medialen Erzählweise. Der Besucher geht oder steht im Raum oder in Räumen. Ablenkungen und Aufmerksamkeitseinschränkungen werden durch Umgebungsimpulse wie Ton, Licht, Arrangement, Aufbau, Elemente, andere Besucher oder im ungünstigsten Fall durch Kommunikation mit Handy oder sonstigen mobilen Endgeräten erzeugt. Der Fokus kann leicht gebrochen werden, aber umso schwerer ist es, ihn konstant zu halten. Dafür ist die Erzählweise auf das Raumgefüge anzupassen. Prägnanz, emotional, eindrucksstark werden die Medien eingesetzt. Auch weil die Geschichte dekonstruiert und non-linear vermittelt wird. Der Besucher wird mit höhen Anforderungen konfrontiert. Die Bereitschaft zum Erschließen, zum Sich Einlassen und Verarbeiten ist größer als im Kino. Dort werden Umgebungseinflüsse reduziert, Dunkelheit, Surround Tontechnologie, Steuerung der Blickrichtung auf eine überdimensionale Leinwand, Bewegungseinschränkung durch Sitzen: all das führt zu größerer Konzentration auf das Narrative Geschehen. Geschichten werden schneller entschlüsselt, Interferenzen werden stärker verhindert. Im Event Medialen Raum steht der Besucher vor der freien Wahl. Geht er schnell oder langsam, unterhält er sich oder nicht, betrachtet er, berührt er Dinge, probiert er etwas aus? Steuert er durch die Räume wie durch einen Bahnhof, bleibt er stehen und hört, sieht, beobachtet und erschießt er die medialen Informationen? Der Besucher lenkt sich und sein Erlebnis. Alle Raumelemente werden mit den Möglichkeiten des Handelns abgestimmt.
Wie wird der Film gestalterisch in den Raum eingeflochten? Die Bilder sind der Größe des Ausgabemediums angepasst. Rückpro, Aufpro, Durch-Projektionen, Leinwände aus Gaze oder PVC, Bildträger, Bewegung oder Standbild, Bildschirme, LED Wände und deren Auflösung, Lichteinfall durch andere Medien, vorgebaute Installationen wie halbtransparente Spiegelfolien oder Diffudierungen durch Plexiglas oder andere Materialien fordern mehr Helligkeit, Dunkelheit, Saturation, Kontraste oder andere Farbgebung. Der Standpunkt des Betrachters ändert sich und damit der Hot Spot. Die Technik ändert nicht nur die gestalterische Qualität sondern auch die inhaltliche. Jede Technik kommuniziert als Element. Ist es ein warm oder kühl anmutendes Material? Bekannt oder fremd, alt oder neuwertig?
Teile der Installation und der Kurzgeschichte Schatten werden auf überdimensionierten Stelen erzählt. Die Größe der Bilder, die Kadrage und die Platzierung wird genau auf die zu erzielende Wirkung abgestimmt: andere Ausschnitte, andere Zeiten, andere Effekte, andere Kontraste und Farbe, anderes Placement, andere Montage. Teilweise wurden sogar spezielle Filmszenen nur für den Eventmedialen Raum aufgenommen.
Im Film „Schatten“ geht es um Erik, der in einer Notrufleitstelle arbeitet. Eines Nachts verschuldet er versehentlich den Tod eines Kleinkindes. Er lässt sich von einer Handynachricht seiner schwangeren Frau ablenken während er gerade einen Notruf bearbeitet.
Infolgedessen schickt er den Krankenwagen zur falschen Adresse, woraufhin das Kleinkind verstirbt. Die Schuld, die Erik fühlt, beginnt ihn zu verschlingen. Er droht daran zu zerbrechen.
Diese Geschichte zu vermitteln, ist eine Sache, aber das ist nicht alles. Natürlich ist es nicht alles. Wenn ein Erlebnis geschaffen wird, dann muss der Besucher muss eingebunden werden. Er muss aktiv werden, er muss erkennen, dass er es ist, er allein, der die Geschichte wieder zusammen bringt. Das kann im Kopf geschehen, aber es kann mit Hilfe von Interaktion stattfinden. Die Kopfkinos erfüllen diese Anforderung. Nicht nur wird durch die Formsprache der Medien an und für sich Bedeutung vermittelt, sondern auch durch das Besucher Handeln. Er tritt in das Kopfkino hinein, bückt sich und überwendet gleichzeitig eine kleine Stufe. Das ist anstrengend. Er steht allein in dem Inneren des Kubus.
Dort setzt er den Kopfhörer auf und auf einem curved Display wird in der subjektiven filmischen Einstellung das markante Erlebnis erzählt. Durch die Subjektive ist der Besucher der Hauptdarsteller. Im Kopfhörer ist ein Infrarot Sensor eingebaut. Mit der Drehung des Kopfes werden bestimmte Bildbereiche sichtbar, klar erkennbar, der Rest des Bildes verschwimmt. Der Betrachter sieht und erlebt den Tunnelblick des Hauptdarstellers im Film. Und das curved Display hilft bei dem bildlichen Umschließen des Menschen. Im hinteren Bereich starrt der Hauptdarsteller des Films auf den Hinterkopf des Besuchers. Es ist eine beengte Situation, so beengt wie die Erzählte im Film. Wenn der filmische Klimax erreicht ist, wenn dem Hauptdarsteller des Film den Boden unter den Füssen entzogen wird, dann erleuchtet das Podest auf dem der Besucher steht. Es ist ein endless Mirror. Der Boden bricht weg. Die formale Gestaltung der Installation selbst drückt die erzählten Inhalte aus.
Wir könnten jetzt noch unendlich lange über die Installation sprechen, über die Hürden im Bühnenbau, oder überhaupt eine so große professionelle Installation zu finanzieren. Über Beschaffungsschwierigkeiten zu den Technologien, logistische Herausforderungen, Ab- und an Transport der Technologien, über Versicherungen, über Sicherheit, über Lichtstimmung, über Tonstimmung, über die Projektionen, aber das wird in Folgebeiträgen behandelt. Es geht erst einmal um eine Bewusstwerdung der Differenzen über filmische Narrative und Event Medialer Narrative.
Photographie©Oliver Wedel
Grenzgebiete = Grenzüberschreitungen
Besucher des Hafens Stuttgart tauchen an der Langen Nacht der Museen am 25.März 2017 in eine Welt der Grenzüberschreitungen ein. Sie begeben sich auf ein Schiff des Neckar-Käpt’n, das sie an sieben medialen Installationen vorbeiführt. Videomapping und Interaktive Elemente werden präsentiert.
Die zahlreichen Besucher waren von der Installation per Hafenrundfahrt begeistert. Es wurden 6500 Menschen an Land und 4500 auf den Booten gezählt. Ein Rekord.
Der Neckar verbindet Stuttgart und die Region mit dem Rest der Welt. Der Hafen inspiriert als Grenzgebiet mit seiner, urbanen, industriellen Atmosphäre immer wieder Künstler. So auch die HdM-Studenten aus dem Studiengang Audiovisuelle Medien und Medienwirtschaft. Sie beschäftigen sich in der „Studioproduktion Event Media“ unter der Leitung von Prof. Ursula Drees und Steffen Mühlhöfer mit der Inszenierung von interaktiven Erlebnisräumen. Das war am 25. März 2017 der Hafen, als Grenzgebiet für Wasser und Land, Stadt und Landkreis, Bewegung und Stillstand, Verortung und Übergang. Diese Themen inszenierten die Studenten in sieben Installationen. Die Besucher des Areals am Hafen waren von der Inszenierung zutiefst beeindruckt. Eine Besucherin: „Das Ambiente war super, durch die Kombination von Industriekulisse, nächtlicher Szene und Lichterspiel einmalig.“
Das Thema:
Grenzgebiete aus verschiedenen Blickwinkeln.
Was es ist:
Sieben multimediale Installationen im Hafen Stuttgart an der Langen Nacht der Museen. Der Besucher erlebt verschiedene Grenzüberschreitungen – in Form von optischen Illusionen oder aufgehobenen physikalischen Grenzen.
Die Stationen:
Station 1: Grenzkörper
Die interaktive Station „Grenzkörper“ ermöglicht es dem Besucher nicht nur Zuschauer zu sein, sondern selbst Teil der Installation zu werden. Sobald er die Interaktionsfläche betritt, taucht er in eine reaktive Unterwasserwelt ein und nimmt Einfluss auf seine Umgebung. Die Station befindet sich im Wartebereich der ankommenden Besucher und bezieht den Containerterminal auf der gegenüberliegenden Seite des Hafenbecken 2 mit ein.
Photographie©Oliver Wedel
Der Spieler bewegt sich durch eine polygonale Wasserstruktur in der er durch Bewegung seiner Hände Strömungen erzeugen kann, welche sich farblich von der restlichen Struktur abheben. Weitere Elemente, wie Luftblasen, die sich durch die Szenerie bewegen werden von diesen Strömungen erfasst und ändern so die Richtung ihrer Bewegung. Zudem kann der Spieler Luftblasen einfangen und herumtragen, was es ihm ermöglicht eine Luftblase auf eine von ihm festgelegte Reise durch die Unterwasserwelt zu schicken. Untermalt wird das Geschehen von einem atmosphärischen Klangteppich, sowie akustischen Highlights, die die jeweiligen Interaktionen unterstützen.
Station 2: Grenzlichter
Photographie©Oliver Wedel
Photographie©Adrain Liedtke
„Grenzlichter“ besteht aus zwei Installationen: das Grenzlicht „Land“ im Besucherzentrum und das Grenzlicht „Wasser“ auf der Bundeswasserstraße. Das „Grenzlicht“ ist ein beleuchteter Kubus mit interaktiven Elementen. Durch die Interaktion der Besucher entsteht ein Lichtfluss zwischen den zwei „Grenzlichtern“. Im Grenzlicht „Land“ werden LED röhren durch eine leichtes Berühren aktiviert. Ein Ton und ein Lichtimpuls laufen durch den Kubus und verschwinden im Wasser. Während der Schifffahrt begegnet der Besucher dem Grenzlicht „Wasser“. Hier läuft das Licht zu einem größeren Lichtkubus und im Schiff selbst wird der Ton hörbar. Sobald das Grenzlicht „Land“ betätigt wird, leuchtet das Grenzlicht „Wasser“ einige Zeit später simultan auf.
Photographie©Oliver Wedel
Station 3: Grenzverschiebung
Photographie©Oliver Wedel
Eine Fassaden-Projektion zum Innenleben eines Gebäudes. Das interessierte uns immer schon: wie ein Gebäude sieht und fühlt.
Station 4: Grenzgewässer
Photographie©Adrain Liedtke
Ein endlicher Strom aus Farben und Bewegung wird auf eine Wasserwand projiziert.
Station 5: Grenzübergang
Das Schiff fährt unter einer Brücke hindurch: Es überquert die Grenze vom Hafenbecken 1 zum Bundeswasserstrasse 1. Beim Durchfahren ändert sich die Lichtstimmung im Schiff, gleichzeitig wird der Grenzübergang an der Brücke markiert. Das Licht ändert sich simultan zum Innenlicht. Auf dem Boot wird mit Ton die Annäherung über Sensortechnik zu hören sein.
Photographie©Oliver Wedel
Station 6: Tiefengrenze
Die Idee der Station Tiefengrenze ist die Sicht des Besuchers umzukehren und dabei die Grenze der Wasseroberfläche zu überschreiten.
Der Besucher wird vom Schiff aus hinunter auf eine 240 Quadratmeter große Projektionsfläche schauen. Sie ist im Wasser eingeladen, bei der Fahrt wird einleichter Wellengang die Illusion einer anderen Unterwasserwelt unterstützen. Gezeigt wird deine fremde Unterwasserwelt, eine die nicht im Neckar zu erwarten ist. Da schwimmen Qualle, Häire, Riesenschildkröten, Tropische Fische oder Muränen durch das Wasser.
Photographie©Oliver Wedel
Station 7: Grenzfall
Hier werden die Grenzen der Schwerkraft überschritten. Dafür wird die Schwerkraft für das Element Wasser aufgehoben und umgekehrt. Es ist eine Fassadenprojektion.
Photographie©Oliver Wedel
Techniken:
Projektion
3x DLP_Panasonic PT-DZ21K W-UXGA + Optik (2,4-4,7)
Rechner/Peripherie:
2x Computer Soundkarten extern M-Audio Profire 2626, 3x Laptop
Software
Ableton Live Suite 9.7, Adobe CC, DaVinci Resolve 12, Houdini FX (Side FX, Kinect Runtime, Maxon Cinema 4d, Restart on Crash, Soundkarten-Treiber, VLC-Player, Voronoi-Algorithmus, VVVV, VVVV, DX11 Pointcloud Addon, Windows 10
Medientechnik/-steuerung
9x Shure ULX-D4DE K51 Doppelempfänger + 6 aktive Richtantennen, 5x Shure ULX-D1 K51 Taschensender + Klinkenadapter + Stativ + Batterien, Strom/XLR/BNC-Verkabelung
Audio
26x FOHHN AL-10 ultrakompaktes Design-Lautsprechersystem, XLR-Adapter, Manfrotto-Superklemmen, Flugrahmen (FOHHN), 4x FOHHN AS-10 Bassboxen, 4x Powersoft DIGAM M28Q DSP 4-Kanalendstufe in Rack, Motu UltraLite USB Audiointerface
Lichttechnik
LED-Scheinwerfer LITECRAFT LED PAR AT10 (18x10W), MA Lightcommander (12/2)
Team:
Bildergalerie:
Studiengang | Vorname | Nachname |
---|---|---|
AMB | Aline | Müller |
AMB | Bodo | Lohr |
AMB | Dorian | Sorg |
AMB | Elena | Kalinka |
AMB | Levin | Frenzel |
AMB | Lucas | Aue |
AMB | Marcus | Streiter |
AMB | Tim | Dieckmann |
AMB | Mareike | Maass - Rebholz |
MWB | Luca | Jungemann |
MWB | Michaela Anna | Hönig |
Tutor | Johannes | Raff |
IT Beratung | Nadja | Weber |
Photos der Langen Nacht der Museen
Bildergalerie vom Photographen Oliver Wedel:
Bildergalerie vom Photographen Adrian Liedtke:
Sponsoren
Bildergalerie:
HdM-Studenten inszenieren den Stuttgarter Hafen
Am 25. März 2017 ab 19 Uhr stellen Studenten der Hochschule der Medien (HdM) in Kooperation mit dem Hafen Stuttgart bei der „Langen Nacht der Museen“ ihr Projekt „Grenzgebiete“ vor. In sieben Installationen loten sie die Grenzen zwischen Land und Wasser aus. Die HdM-Studenten schaffen optische Illusionen und irrationale Wahrnehmungen. Licht- und Klangobjekte, interaktive Installationen und Projektionen an Gebäude- oder Wasserwänden erweitern den Raum des Vorstellbaren im Hafen.
Der Neckar verbindet Stuttgart und die Region mit dem Rest der Welt. Der Hafen inspiriert als Grenzgebiet mit seiner, urbanen, industriellen Atmosphäre immer wieder Künstler. So auch die HdM-Studenten aus dem Studiengang Audiovisuelle Medien und Medienwirtschaft. Sie beschäftigen sich in der „Studioproduktion Event Media“ unter der Leitung von Prof. Ursula Drees und Steffen Mühlhöfer mit der Inszenierung von interaktiven Erlebnisräumen. Das ist diesmal der Hafen, als Grenzgebiet für Wasser und Land, Stadt und Landkreis, Bewegung und Stillstand, Verortung und Übergang. Diese Themen inszenieren die Studenten in sieben Installationen, in denen sie Grenzen verschieben.
Grenzlichter, Grenzübergänge, Grenzverschiebungen und Grenzfälle
Im überdachten Boarding-Bereich wird den Besuchern, die auf die Abfahrt der Passagierschiffe warten, ab 20.30 Uhr zur vollen und zur halben Stunde eine interaktive Projektion am Containerterminal geboten: Tänzerinnen setzen mit ihren Bewegungen neue Grenzen. An einer weiteren Station, „Grenzlichter“, schaffen die Besucher eine tonale Hafenkulisse durch die Berührung von Lichtstäben in einem Kubus. Die Fahrt unter der Otto-Konz-Brücke hindurch wird zu einem Licht- und Tonerlebnis: „Grenzübergang“ inszeniert mit emotionalen Licht- und Tonstimmungen im Inneren des Bootes die Durchfahrt durch einen Lichtbogen, nämlich der Brücke. An der Station „Grenzgewässer“ werden auf eine Wasserwand optische Illusionen der Unendlichkeit projiziert. Die Station „Grenzverschiebung“ ist ein Fassadenvideo-Mapping und zeigt das Innenleben, die sinnliche Wahrnehmung des Bauwerks. Die Station „Tiefengrenze“ stellt die Unterwasserwelt vor, projiziert direkt auf das Wasser. Eine weitere Station, eine Fassadenprojektion namens „Grenzfall“, hebt die Grenzen der Schwerkraft auf.
Abfahrt alle 30 Minunten
Die Schiffe legen ab 19 Uhr etwa alle 30 Minuten zu der insgesamt 20-minütigen Hafenrundfahrt ab. Gäste sind herzlich zum Besuch im Hafen eingeladen. Im Boarding-Bereich werden Getränke und ein kleiner Imbiss angeboten. Tickets für die „Lange Nacht der Museen“ gibt es online (https://www.lange-nacht.de/veranstaltungen/tickets-online/), bei den Vorverkaufsstellen (https://www.lange-nacht.de/vorverkaufsstellen/) oder an der Abendkasse.
Was ist ein Manifest aus der Kunst? Natürlich ist es ein Pamphlet das an die Allgemeinheit gerichtet ist. In der Kunst bedeutet dies der Versuch eine gültige und langfristige Aussage zum Kunstbetrieb, Kunstschaffenden oder Kunstverständnis zu setzen. Diese Manifesten umschließen mit plakativen Aussagen die Gesellschaft. Kunst ist ein Ausdruck eines gesellschaftlichen Zustands oder Wandels. Es sitn ästhetische Programme, die von Einezlenen oder in Gruppen verfasst werden und für diese Zeit eine Geltung einfordern. Davon gibt es eine Vielzahl. Und diese Menge an Statuten hat der Künstler Julian Rosefeldt mit seiner Film-Rauminstallation behandelt. Filippo Tommaso Marinetti: Manifest des Futurismus (1909), Henri Matisse: Äußerungen (1909 – 1953) Georges Rouault: Malerei der Finsternis und der glühenden Bekenntnisse (1926 – 1945), Dadaistisches Manifest, Flugblatt (1918) Raoul Hausmann – Synthetisches Cino der Malerei (1918), André Breton – Manifest des Surrealismus (1924), Alfred Rosenberg: „Kunst muß aus der Stille kommen“ (1936) usw.
Da liest man zb. bei Filippo Tommaso Marinetti: Manifest des Futurismus erschienen in: Le Figaro, Paris, 20. Februar 1909
- Wir wollen die Liebe zur Gefahr besingen, die Vertrautheit mit Energie und Verwegenheit.
- Mut, Kühnheit und Auflehnung werden die Wesenselemente unserer Dichtung sein.
- Bis heute hat die Literatur die gedankenschwere Unbeweglichkeit, die Ekstase und den Schlaf gepriesen. Wir wollen preisen die angriffslustige Bewegung, die fiebrige Schlaflosigkeit, den Laufschritt, den Salto mortale, die Ohrfeige und den Faustschlag.
- Wir erklären, daß sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen . .. ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.
- Wir wollen den Mann besingen, der das Steuer hält, dessen Idealachse die Erde durchquert, die selbst auf ihrer Bahn dahinjagt.
- Der Dichter muß sich glühend, glanzvoll und freigebig verschwenden, um die leidenschaftliche Inbrunst der Urelemente zu vermehren.
- Schönheit gibt es nur noch im Kampf. Ein Werk ohne aggressiven Charakter kann kein Meisterwerk sein. Die Dichtung muß aufgefaßt werden als ein heftiger Angriff auf die unbekannten Kräfte, um sie zu zwingen, sich vor dem Menschen zu beugen.
- Wir stehen auf dem äußersten Vorgebirge der Jahrhunderte! … Warum sollten wir zurückblicken, wenn wir die geheimnisvollen Tore des Unmöglichen aufbrechen wollen? Zeit und Raum sind gestern gestorben. Wir leben bereits im Absoluten, denn wir haben schon die ewige, allgegenwärtige Geschwindigkeit erschaffen.
- Wir wollen den Krieg verherrlichen — diese einzige Hygiene der Welt -, den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.
- Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und gegen jede Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht.
- Wir werden die großen Menschenmengen besingen, die die Arbeit, das Vergnügen oder der Aufruhr erregt; besingen werden wir die vielfarbige, vielstimmige Flut der Revolutionen in den modernen Hauptstädten; besingen werden wir die nächtliche, vibrierende Glut der Arsenale und Werften, die von grellen elektrischen Monden erleuchtet werden; die gefräßigen Bahnhöfe, die rauchende Schlangen verzehren; die Fabriken, die mit ihren sich hochwindenden Rauchfäden an den Wolken hängen; die Brücken, die wie gigantische Athleten Flüsse überspannen, die in der Sonne wie Messer aufblitzen; die abenteuersuchenden Dampfer, die den Horizont wittern; die breitbrüstigen Lokomotiven, die auf den Schienen wie riesige, mit Rohren gezäumte Stahlrosse einherstampfen, und den gleitenden Flug der Flugzeuge, deren Propeller wie eine Fahne im Winde knattert und Beifall zu klatschen scheint wie eine begeisterte Menge. Das geht weiter so.
Oder bei André Breton : Manifest des Surrealismus (1924)
[…] Wir leben noch unter der Herrschaft der Logik — darauf wollte ich allerdings hinaus. Aber die logischen Methoden unserer Zeit werden nur noch auf die Lösung von Problemen zweiter Ordnung angewendet. Der absolute Rationalismus, der noch in Gebrauch ist, erlaubt lediglich die Berücksichtigung von Fakten, die eng mit unserer Erfahrung verknüpft sind. Die logischen Zwecke hingegen entgehen uns. Unnötig hinzuzufügen, daß auch der Erfahrung Grenzen gesteckt wurden. Sie windet sich in einem Käfig, aus dem sie entweichen zu lassen immer schwieriger wird. Auch sie stützt sich auf die unmittelbare Nützlichkeit, auch sie wird vom gesunden Menschenverstand bewacht. Unter dem Vorwand der Zivilisation, des Fortschritts, gelang es schließlich, alles aus dem Geist zu verbannen, was mit Recht oder Unrecht als Aberglaube, als Hirngespinst gilt, jede Art der Wahrheitssuche zu verurteilen, die nicht der herkömmlichen entspricht.
Vor kurzem ist — scheinbar durch den größten aller Zufälle — ein Teil der geistigen Welt wieder ans Licht gehoben worden, meines Erachtens der weitaus wichtigste, um den sich zu bekümmern man nicht mehr für nötig befand. Freuds Entdeckungen gebührt unser Dank. Auf Grund dieser Entdeckungen bildet sich endlich eine neue geistige Richtung heraus, die es begünstigt, daß der Erforscher des Menschlichen seine Untersuchungen weiter vorantreiben kann, ihn bevollmächtigt, nicht mehr nur summarische Erfahrungen zu berücksichtigen. Die Imagination ist vielleicht im Begriff, wieder in ihre Rechte einzutreten. Wenn die Tiefen unseres Geistes seltsame Kräfte bergen, befähigt, diejenigen der Oberfläche zu mehren oder sie siegreich zu bekämpfen, so haben wir allen Grund, sie aufzufangen, sie zuerst aufzufangen und danach, wenn nötig, der Kontrolle unserer Vernunft zu unterwerfen. Selbst die Analytiker können dabei nur gewinnen. Wichtig ist jedoch zu bemerken, daß keine Methode a priori zur Verwirklichung dieser Unternehmung bestimmt ist; daß diese bis auf weiteres ebenso als der Domäne der Dichter zugehörig gelten kann als der der Gelehrten; und daß ihr Erfolg nicht abhängt von den mehr oder weniger gewundenen Wegen, die man wählen wird. Und auch hier geht es weiter in diesem Stil.
Diese Texte von Filippo Tommaso Marinetti, Tristan Tzara, Kazimir Malevich, André Breton, Claes Oldenburg, Sturtevant, Sol LeWitt oder Jim Jarmusch und mehr drücken in der Regel den jungen, männlichen und auch Testosteron geladenen Wunsch nach Wandel aus. Sie sind wild, mitreissend, bedingungslos und radikal. Es gibt einige wenige weibliche Manifesto wie von Yvonne Reiner oder Adrian Piper die sich in Rosefeldts Werk finden.
Rosefeldt hat diese Manifesto gekürzt und verbunden es sind 13 poetische Monologe entstanden, die er von Cate Blanchett in verschiedenen Berufen sprechen/spielen lässt. Die Filme sind alle für sich funktionierende Positionen und künstlicher Werk. Wohl gewählte Drehorte, Maske, Kostüm werden zu einem Beleg der aktuellen Arbeits- und Lebenswelt verwoben. So sehen wir einen Penner, ein runtergekommener Verlorener, der sein Manifest in die Welt schreit oder brabbelt. Oder eine strenge am Mittagstisch betende Mutter mit ihren Söhnen und Ehemann die mit dem Essen auf dem Tisch ein scheinbar unendlich langes Gebet-Manifesto durchstehen müssen um endlich, endlich zu essen. Eine Diva im Friedrichstadtpalast, die ihre Tanzgruppe kritisiert, motiviert, runter macht und bezweifelt, ob so was jemals was werden kann. Die Nachrichtensprecherin, bierernst und überzeugend neutral trägt sie ein weiteres wildes Manifest vor, die Grundschullehrerin, eine desillusionierte Arbeiterin in einem Müllverarbeitungswerk, die Brokerin, mit scharfen Gesten und großspurigen Gehabe, die Puppenspielkünstlerin, in sich geschlossene und introvertiert.
Die Worte passen nicht zu den Gesten und Habitus. Das kann manchmal überaus humorvoll wirken. Aber jedes Einzele Manifest, wird gehört und mit Interesse aufgenommen. Derweil Manifestos in der Urform eher selten gelesen werden. Es sind ja radikale Standpunkte, in radikale Worte gefasst. Da spricht der subjektive Geist. Wie z.B. das von Jim Jarmusch, Das Manifesto der Decadence: “Nothing is original. Steal from anywhere that resonates with inspiration or fuels your imagination. Devour old films, new films, music, books, paintings, photographs, poems, dreams, random conversations, architecture, bridges, street signs, trees, clouds, bodies of water, light and shadows. Select only things to steal from that speak directly to your soul. If you do this, your work (and theft) will be authentic. Authenticity is invaluable; originality is non-existent. And don’t bother concealing your thievery – celebrate it if you feel like it. In any case, always remember what Jean-Luc Godard said: “It’s not where you take things from – it’s where you take them to.“
Cate Blanchett ist wandelbar. 13 Mal eine vollständige andere Frau. Kaum wieder zu erkennen.
Manifesto wird in der Staatsgalerie in Stuttgart gezeigt.
Die Lange Nacht der Museen ist in Stuttgart ein Begriff.
Unter vielen anderen Begebenheiten und Attraktionen wird der Stuttgarter Hafen am Neckar für das Publikum zugängig und bepielt. In diesem Jahr wird die Hochschule der Medien, der Studiengang Audio Visuelle Medien und insbesondere 11 Studierende der Studioproduktion Event Media die Bespielung übernehmen.
Es sind verschiedene Installationen geplant, eine davon ist die Installation namens Grenzkörper. Diese Installaiton wird im Wartebereich vor dem Einstieg auf ein Schiff zu sehen sein. Dort sammeln sich die Besucher. Sie wollen nicht nur durch speise und Trank unterhalten werden, sondern natürlich auch durch kunstvolle Installationen und Bespielungen.
Deshalb wird beim Sammelbereich eine 3 x 6 große Bühne aufgebaut. Bühne ist vielleicht ein zu großer Ausdruck, ein Sockel. Darauf werden nicht nur Tänzerinnen halbstündig die Installation demonstrieren, es werden natürlich auch Besucher eingeladen, den Schritt auf den Sockel zu wagen und durch Bewegungen eine Projektion auf der anderen Seite des Hafenbeckens auf die Container zu verändern. Die Projektion zeigt abstrahierte Wasserpolygone. In diesen befinden sich Lichtpartikel. Sie strömen durch dieses Wasser. Tritt ein Besucher auf den Sockel werden Bewegung und Silhouette erkannt (Kinect v2 Kameras) und beeinflussen die Wasserbewegungen auf der Projektionsseite. Außerdem werden innerhalb des Projektionsraums weitere durch geometrische Figuren gekennzeichnet Bereiche sichtbar. Diese Bereiche sind mit Tönen verbunden. Wer sich bewegt verändert die Wasserströmung und komponiert gleichzeitig. Er sollte sich also wirklich bewegen.
Angefangen hat es mit visuellen Tests. Wie sieht das Wasser aus? Welchen Abstraktionsgrad wird es aufweisen? Wird die Strecke von 80 Metern von den Projektoren gut abgebildet. Weiviele Kontraste werden eingeplante. Wie ist die Farbsättigung? Wie werden die Projektionsbilder auf den farbigen Containern zu sehen sein? Einige Fragen sind bereits beantwortet, andere werden vor Ort bei den jeweiligen Tests angepasst.
Dann ging es um das Strömungsverhalten. Werden die Besucher überhaupt erkennen, dass sie etwas verändern und bewegen? Wie schnell muss sich was bewegen?
Und die Frage natürlich nach der Erkennbarkeit der Musikcluster im Raum.
Auf der Media Night an der Hochschule der Medien wurde Ende Januar ein Prototyp dem Publikum vorgestellt. Es war ein Testfall. Denn bis dato waren keine Usabilitytests mit Publikum gemacht worden. Die Fragen ob und wie sich Fremde in diesem Bereich verhalten waren offen. Mit einer Erklärgrafik oder wohl eher Poster wurde begonnen in der Hoffnung, dass die Leute dieses Plakat sehen, lesen und verstehen.
Die ersten Besucher kamen, sie wurden geleitet und verbal eingeführt und dann zeigte sich dass die Menschen sehr verhalten Bewegungen im öffentlichen Raum nachgehen. Sie standen vor der Projektion und schauten. Es wurde gezeigt was sich tut. Dann konnte es sein, dass der ein oder andere vielleicht die Hand anhob. Diese Zurückhaltung war unerwartet. Denn so konnten sie die Töne im Raum nicht finden und nicht erklingen lassen. Ein großer Teil der Installation schien verloren.
Deshalb wurde das tonale Feedback, nämlich das Erklingen des Tons, durch ein grafisches erweitert. Ein geometrisches Feld zeigte bei der Bewegung, an, dass sich an diesem Ort Etwas versteckt. Mit der visuellen Kennzeichnung fiel es den Besuchern ein wenig leichter Ihre Möglichkeiten mit dem System abzuschätzen und vielleicht in den Spielmodus zu kommen. Das visuelle Feedback stellt den Bezgu zwischen dem handeln und dem Hören dar. Erst dann erschien es deutlich.
Außerdem wurde die Soundspur den Besuchermöglichkeiten angepasst. In der vorlaufenden Testläufen spielt ein Background-Loop einen bestimmen Soundteppich ab. Das wurde gemacht um eine Stimmung zu erzeugen. Mit der Bewegung wurden Soundspuren diesem Loop zugefügt. Die Musik sollte sich verdichten und kompakter werden. Diese hinzugefügten Sounds wurden deshalb auch langsam eingefadet. DAs wiederum führte zu Erkennungsunklarheiten. Gehört dieser Soundcluster zum Defaultteppich oder habe ich das ausgelöst?
Deshalb wurden neue sehr kurze Töne auslösbar. Sie kommen sofort und ohne fade in. Sie sind an die Grafik gebunden, das visuelle Feedback. Dadurch wurde die Verständlichkeit für die Besucher erhöht.
Dennoch stehen Künstler vor der Problematik des musealen Verhaltens. Denn Besucher haben gelernt nichts zu berühren und zu verändern. Moderne interaktive Installationskunst ist jedoch genau darauf aufgebaut. Wer nichts tut erschließt das Werk nicht. Dann bleibt es verborgen. Das Ende ist noch nicht erreicht.
alle Photographien © Hochschule der Medien Studioproduktion EventMedia 2017