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Es ist ein Beichtstuhl ganz aus Plexiglass. Durchscheinend und transparent. Nicht nur dass ein Beichtstuhl eine private Installation innerhalb der Kirche ist, es ist auch ein Hinweis auf Transparenz der katholischen Kirche selbst.
Ein Beichtstuhl ist ein abgeschlossener und dunkler Ort wo der Beichtvater hört und der Beichtender spricht. In der Dunkelheit und Verschleierung werden persönliche Verfehlungen gebeichtet. Er steht irgendwo im Seitenschiff und ist in der Regel aus Holz. Meistens ist es ein 3 Kammernsystem. In der Mitte eine Kammer für den Pfarrer, der sitzend sowohl nach links als auch nach rechts durch ein Gitterfenster in die jeweiligen anderen Kammern schauen kann. Er sieht den Kopf des Beichtenden bestenfalls noch den Rumpf. Er neigt sein Ohr zum Gitterfenster der Beichtende wiederum ist frontal kniend dazu ausgerichtet und seine Lippen können das Gitter berühren. Er kann leise reden, der Pfarrer muss den Hals nicht drehen, denn das Ohr richtet sich zum Mund. Es wird gebeichtet. Intime Verfehlungen, christliche Sünden, juristische Fehltritte. Der Pfarrer gibt am Ende Aufgaben zur Sühne auf und der Beichtende verlässt den Beichtstuhl. Gut ist es nach der katholischen Lehre die Aufgaben des Pfarrers auszuführen. Dann so sind die Sünden erlassen. Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Verschlagenheit, Betrug eigentlich alles kann vergeben werden. Und der Pfarrer unterliegt der Schweigepflicht. Die Katholische Kirche funktioniert zum Glück nicht als juristisches System, dennoch ist diese Institution aus dem Mittelalter kommend als die Kirche noch der Staat war, eine gängige Praxis sein Gewissen zu erleichtern.
Bei Alicia Framis ist der Beichtstuhl aus Plexiglas. Sowohl der Pfarrer als auch der Beichtende sind zu sehen. Wenn denn einer drin wäre. Und betreten dürfen wir das Kunstwerk nicht. Ob etwas zu hören wäre, kann nicht gesagt werden. Schön wäre es. Solche Beichtstühle nützen nichts, die Privatsphäre ist nicht mehr gegeben. Da beichtet niemand. Und doch beichten wir täglich. Das was wir früher ins Poesiealbum oder Tagebuch geschrieben haben kommt heute auf Facebook sichtbar für jedermann und –Frau. Wenn da der ein oder andere Mörder von seinen Taten prahlt kann sogar die Polizei davon profitieren.
Es ist ein zweiteiliges Interpretationswerk. Einerseits ist es die Verurteilung der Scheinheiligkeit der katholischen Kirche, andrerseits ist es die Lächerlichkeit des Beichtstuhls in Zeiten von Facebook. Wir brauchen keinen Ort der Beichte mehr, wir beichten freiwillig – täglich.
Photos von Ursula Drees im ZKM Karlsruhe in der Ausstellung Globale gemacht
Hinter der Gruppe „Where dogs run“ verbirgt sich eine Künstlergruppe. Sie wurde in Russland 2000 gegründet und besteht aus Alexey Korzukhi, Olga Inozemtseva, Natalia Grekhova, Vladislav Bulatuv und leben und Arbeiten. Es ist eine Mixed Media Installation bestehend aus Servomotoren, Magnete, Mikrocontroller, Sensoren, Mikrokameras, und Ferrofluid.
Sie entstand zwischen 2009 und 2012. Wir sehen in einem Winkel von 90 Grad zwei Projektionen von einer dunklen schwarzblauen Flüssigkeit. Sie bewegt sich. Davor steht ein Kubus aus Plexiglas. Darin eine Art Plattenteller mit einer dunklen sich bewegenden Flüssigkeit. Es sieht aus als sei es flüssiger TEER oder so etwas Ähnliches. Etwas zähflüssiges einerseits aber doch elastisch und reaktiv. Zwei kleine Kameras sind auf diesen Teller gerichtet. Das ist die Projektion. Also beschäftigen wir uns mit dem Kubus. Was genau erkennen wir? Ein langsames umher Schreiten zeigt, dass unsere Bewegung auch Bewegung im Kubus hervorruft. Bleiben wir stehen formt sich etwas. Und dann nach längerer Betrachtung endlich sehen wir, es ist ein topografisches Auge. Jetzt fällt der Groschen: Big Brother is waching me. Oder?
Bei FIELDS 2.1 bildet eine unbelebte Ferrofluid-Substanz mit Hilfe von magnetischen Feldern ein Auge. Das Auge bewegt sich. Bei stillstand bildet es sich aus, bei Bewegung zerfällt es. Das Auge das uns betrachtet. Das Auge das wir mit Bewusstsein verbinden. Wer ein Auge hat der kann auch denken, der lebt. Diese Installation ist durch Stanislav Lem inspiriert. ES geht um die Möglichkeit dass aus Riesenorganismen des Alls vielleicht Formen oder Lebewesen uns beobachten. Es ist die Metapher zwischen Kommunikation des Menschen und lebender Materie.
Es sind Leuchtkästen, hochformatige schlanke leicht geknickte Dinger. Alle 7 haben eine andere Farbtonalität. Gelb, Grün, Blaugrün, Grassgrün, Pink, Orange, Blau. Allein diese mannshohen Stelen stellen einen Moment der Ruhe und der Aufmerksamkeit dar. Sie strahlen in vielen kleinen Partikeln etwas aus. Dann gehen wir näher und studieren die Motive. Hier eine Strassenansicht aus der Windschutzscheibe aufgenommen, ein Drive Through Bankomat, ein Hotelbett, ein Eistee, eine Rezeption, ein Feuerlöscher, eine Landschaft, ein Motelzimmer, noch eins davon, ein weiteres, eine Klimaanlage, ein Tablett mit Kantinenessen, eine Speisekarte, Toilettenbecken, noch eins, Sitzgelegenheiten irgendwo wo man wartet, einige wartende Flugzuge an einem Flughafen, wieder Strasse diesmal mit Bergen im Hinterrund, Spagetti, Schienen, wieder Wartezonen, Flugzeug, Regal im Restaurant, Parkplatz, Motelzimmer, Bett, Toilettenschüssel, Warteraum und so geht es in einem weiter. Eine Unmenge trivialer Bilder des Alltäglichen. Menschen gibt es nicht zu sehen. Schnappschüsse, mal gerade mal nicht. Es erscheint auch egal. Da wird ein Leben dokumentiert. Kleinteilig aber nur das Unwichtige. Nur Transitzonen, Bereiche wo man sich aufhält aber nichts hinterlässt.
„an einem Tag im Juni 2002 legt der US-amerikanische Künstler Hasan Elahi seinen Reisepass am Flughafen von Detroit vor. Er war völlig überrascht, als man ihn festhielt und in ein Vernehmungszimmer der Einwanderungsbehörde brachte. Sein Name löste einen Alarm aus, denn er war mit einem Araber verwechselt worden, in dessen angemietetem Lager man Sprengstoff gefunden hatte und der wohlweislich seit dem 12. September 2001 auf der Flucht vor den Behörden war. Der Verdacht erweis sich als falsch und da Elahi zufällig geradezu zwanghaft Aufzeichnungen führt, konnte er seinen genauen Aufenthaltsort vor und nach dem September 2001 nachweisen. Er hielt dieses Missverständnis damit für aufgeklärt und erledigt. Dem war jedoch nicht so. Einige Wochen später wurde er vom FBI zu weiteren Vernehmungen einbestellt, die sich über sechs Monate hinzogen. Am Ende wurde er von jeglichem Verdacht freigesprochen doch da er in Kürze ins Ausland reisen wollte, wurde ihm geraten, dem FBI seine Flug und Reisedaten zukommen zu lassen – zur Verhinderung etwaiger Probleme bei seiner Einreise. Um ganz sicher zu sein, entschied sich Elahi seine sämtlichen Aufenthaltsorte zu melden und dieses Unterfangen verwandelte sich nach und nach in ein Lebens- bzw. Kunstprojekt. Elahi begann alle Daten über eine Bewegungen in Verbindung mit Fotografien von Flughäfen, Speisen, Hotelbetten, Parkplätzen, Bahnstationen, Toiletten etc. zu sammeln und alles auf seine Webseite trackingtransience.net hoch zuladen. Seit damals überarbeitet und erweitert er dieses Projekt fortlaufend was sich bis zum heutigen Tag fortsetzt.“
In Louise Wolthers: „Self-Suveillance and Virtual safety; Photographies, Vol. 6, Issue: 20013, S. 169 – 176. Übersetzt aus dem Englischen.
Photos aus dem ZKM Ausstellung Globale gemacht von Ursula Drees
Xu Bing wurde 1955 in China geboren, lebte mehr als 18 Jahren in den USA und ist sei 2008 Direktror der Central Academy of fine Arts in Peking. Zu diesem Zeitpunkt bekam er den Auftrag für den Eingang des World Finance Centers in Peking eine Installation zu machen. Er sagt er sei anfangs von den primitiven Arbeitsbedingungen auf der Baustelle geschockt. „Meine Haut fröstelte“ so Xi Bing. Er fertigte aus den Resten, Abfällen, Gerätschaften der Baustelle zwei riesige Vögel, die Phönixe. Sie sind 27 Meter lang. Ein Vogel ist männlich der andere weiblich. Der Künstler dachte anfangs die Skulpturen in zwei Monaten fertigen zu können, letztendlich dauerte es 2 Jahre um sie abzuschließen. Sie wurden auf der Shanghai World Expo, im Massachusetts Museum of Contemporary Art, in der Cathedral of Saint John the Divine in New York City und auf der Biennale in Venedig gezeigt.
Ein Phönix ist ein mythischer Vogel der am Ende seines Lebens oder Schaffens verbrennt und aus seiner Asche erneut aufersteht. Es soll ein rot- goldener Vogel sein der alle 500 Jahre neu aus der Asche des Osiris aufersteht. Es ist ein Symbol der Unsterblichkeit, der Auferstehung.
Auf der Biennal in Venedig wurden die zwei Vögel in den Schiffshallen des Arsenal aufgehängt. Sie füllen eine Halle fast vollständig aus. Sie scheinen gerade los fliegen zu wollen: groß, majestätisch und unzerstörbar.
Ein gigantischer Vogel, ein Kormoran gepaart mit dem trojanischen Pferd aus rostigem Stahl füllt den Raum aus. Über diesem archaischen Gebilde, was auch Assoziationen zu U-Booten oder frühen wehrhaften Schiffen mit Kanonenrohren löst, fliegen kleinere Schiffe, fliegende Holländer ohne den düsteren Beigeschmack. Diese Installation repräsentiert Indonesien und steht im Arsenal.
Es soll eine Welt zum Ausdruck gebracht werden, in der West und Ost verschmelzen. Die Kanonenrohre sind Fernrohre die den Blick ins Innere des Tiers frei geben. Wir sehen Szenen aus beiden Teilen dieser Welt. Mal sind es Landkarten und Fundstücke, mal Faltkameras und Ritter und UBoote oder Knochen und Abziehbilder. Andere Fernrohre zeigen Puppen und Dampfmaschinen oder aber Chinesische Teller und Miniaturboote. Es stellt sich ein Sammelsurium aus allen Kulturen da. Eine Reise durch die Ozeane und der Kulturen. Die kleinen Szenen sind keineswegs schön anzusehen. Manche ja, andere sind etwas morbide und beängstigend.
Im Inneren des Tiers ist ein Periskop. Wer es bedient sieht indonesische und östliche kennzeichen. Ein Video zeigt zusätzlich Bilder der Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart.
Diese Installation biete Raum für Betrachtung. Es dauert einige Zeit bis alle Fernrohre angeschaut wurde, bis das Periskop entdeckt und bedient wurde und die wie Bienen über dem Tier schwirrenden kleineren Schiffchen bemerkt werden. Von außen sieht es aus wie großes Spielzeug, mit gefletschten Zähnen steht das Tier da als sei es aus Atlantis geboren. Wir gehen auf eine kleine Reise durch die Welten. Voyage wie es auch der Titel schon ankündigt.
Heri Dono sagt selbst dass sein Vogel “an ancient animal made futuristic. It comes out of the part of the world that is like a blank spot in the world of fine arts.” Dono wurde 1960 in Jakarta geboren und lebt heute in Jogjakarta. Er ist der erste indonesische Künstler der sich auf dem internationalen Kunstmarkt behauptet. Sein Werk umfasst Puppenspiel, Kartoons und Animation.