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Alicia Framis: „Confessionarium, 2014, Plexiglass

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Es ist ein Beichtstuhl ganz aus Plexiglass. Durchscheinend und transparent. Nicht nur dass ein Beichtstuhl eine private Installation innerhalb der Kirche ist, es ist auch ein Hinweis auf Transparenz der katholischen Kirche selbst.

Ein Beichtstuhl ist ein abgeschlossener und dunkler Ort wo der Beichtvater hört und der Beichtender spricht. In der Dunkelheit und Verschleierung werden persönliche Verfehlungen gebeichtet. Er steht irgendwo im Seitenschiff und ist in der Regel aus Holz. Meistens ist es ein 3 Kammernsystem. In der Mitte eine Kammer für den Pfarrer, der sitzend sowohl nach links als auch nach rechts durch ein Gitterfenster in die jeweiligen anderen Kammern schauen kann. Er sieht den Kopf des Beichtenden bestenfalls noch den Rumpf. Er neigt sein Ohr zum Gitterfenster der Beichtende wiederum ist frontal kniend dazu ausgerichtet und seine Lippen können das Gitter berühren. Er kann leise reden, der Pfarrer muss den Hals nicht drehen, denn das Ohr richtet sich zum Mund. Es wird gebeichtet. Intime Verfehlungen, christliche Sünden, juristische Fehltritte. Der Pfarrer gibt am Ende Aufgaben zur Sühne auf und der Beichtende verlässt den Beichtstuhl. Gut ist es nach der katholischen Lehre die Aufgaben des Pfarrers auszuführen. Dann so sind die Sünden erlassen. Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Verschlagenheit, Betrug eigentlich alles kann vergeben werden. Und der Pfarrer unterliegt der Schweigepflicht. Die Katholische Kirche funktioniert zum Glück nicht als juristisches System, dennoch ist diese Institution aus dem Mittelalter kommend als die Kirche noch der Staat war, eine gängige Praxis sein Gewissen zu erleichtern.

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Bei Alicia Framis ist der Beichtstuhl aus Plexiglas. Sowohl der Pfarrer als auch der Beichtende sind zu sehen. Wenn denn einer drin wäre. Und betreten dürfen wir das Kunstwerk nicht. Ob etwas zu hören wäre, kann nicht gesagt werden. Schön wäre es. Solche Beichtstühle nützen nichts, die Privatsphäre ist nicht mehr gegeben. Da beichtet niemand. Und doch beichten wir täglich. Das was wir früher ins Poesiealbum oder Tagebuch geschrieben haben kommt heute auf Facebook sichtbar für jedermann und –Frau. Wenn da der ein oder andere Mörder von seinen Taten prahlt kann sogar die Polizei davon profitieren.

Es ist ein zweiteiliges Interpretationswerk. Einerseits ist es die Verurteilung der Scheinheiligkeit der katholischen Kirche, andrerseits ist es die Lächerlichkeit des Beichtstuhls in Zeiten von Facebook. Wir brauchen keinen Ort der Beichte mehr, wir beichten freiwillig – täglich.

Photos von Ursula Drees im ZKM Karlsruhe in der Ausstellung Globale gemacht

 

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