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Für die Szene vielleicht ein Meilenstein. Für jene, die nicht gerade audiovisuelle Medien studieren, sondern eher in der Schulbank auf die Minuten mit dem Iphone warten, für die ist SIRO-A neuwertig und aufregend. Vielleicht sogar auch für Studierende der Audiovisuellen Medien. Technologisch erstklassige Unterhaltung. Die Berliner Morgenpost, ein unvergleichlich regionales Blatt mit der unrichtigen Bezeichung „Tageszeitung“ schreibt, es sein vergleichbar mit der Show der „Blue Man Group“. Dafür dass die Blue Man Group vollständig im Mainstream angekommen ist, mag der Vergleich mit Wohlwollen hinreichend sein, sollten wir einen Blick in die Zukunft wagen. Eher würde eine Parallele zu Kraftwerk passen.
SIRO-A – A TECHNODELIC VISUAL SHOW ist eine Show, ist ein Show, ist ein Show. Die Register der technologischen Vernetzungen, Verknüpfungen und Verbindungen zwischen Akteur und Projektion werden gezogen. Als Kunst geht hier kaum etwas durch, aber das wollen die 6 Künstler oder Performer auch nicht. Das was sie machen, machen sie hervorragend.
SIRO-A, was auf japanisch so viel bedeutet wie „gehört zu keiner Gruppe, unmöglich zu charakterisieren“ – ist eine Künstlergruppe, die im Oktober 2002 von sechs Studenten in Sendai gegründet wurde. Die Akteure definieren ihre Performance als „die neue Generation des Entertainment“. Elektro-Beats werden mit visuellen Effekten, Bewegung, Licht, Tanz-Choreographien und Comedy-Elementen kombiniert. Ihren bislang größten Live-Auftritt hatten SIRO-A als Repräsentanten ihrer Heimat vor 30.000 Zuschauern bei der Expo 2010 in Shanghai.
Flankiert von zwei DJs an Pults – weiß auf weiß – und einer überdimensionalen Projektionswand im Bühnenhintergrund agieren zwischen ein und drei der SIRO A-Künstler synchron zu Beats und Projektionen. Sie fangen u.a. mit einer Art weißen quadratischen Tafel-Handschuhen, Projektionen aus der Luft ein, formen daraus neue Muster und Einheiten und lassen sie über die Bühne tanzen oder fliegen. Zeit zur Beantwortung zu technischen Umsetzungsmöglichkeiten bleibt dem Zuschauer nicht, die Effekte reihen sich nahtlos aneinander an.
Die Köpfe der drei Akteure werden von von grossen weißen Zylindern verdeckt, sie ruhen auf ihren Schultern und dienen als Projektionsflächen – u.a. für einen „Lebenslauf“ im Schnelldurchlauf. Die Welt eines Videogames ist nicht fern, alles erscheint möglich. Einer der Künstler wechselt so lange virtuelle T-Shirts, wo unter anderem ein Puma-Logo zu Leben erwachet (schluck), bis seine inneren Organe sichtbar werden. Dabei pumpen die Beats mitreissend.
Das Projekt unnamed soundsculpture will eine sich bewegende Klangskulptur sein. Die sehr ausdrucksstarke Berliner Tänzerin Laura Keil interpretiert das Musikstück – Kreukeltape von Machinefabriek – mehr als gekonnt. Mit 3 Kinekt Kameras werden von unterschiedlichen Perspektiven die Tanzbewegungen aufgezeichnet. Die Schnittmenge der drei Aufnahmen wurde später wieder zu einem dreidimensionalen Körper (3D-Punktwolke) zusammengefügt. Diese Vorgangsweise ermöglichte, die gewonnenen Daten während des weiteren Prozesses zu verwenden.
unnamed soundsculpture from Daniel Franke on Vimeo.
Die Kamera reagiert auf den Klang und unterstützt die tänzerische Interpretation des Musikstücks. Laura Keil bewegt sich in einem Klangfeld, in dem eine einfache Änderung des Anfangswerts für den Zufallsgenerator neue Versionen des Videos mit einem anderen Arrangement der aufgezeichneten Performance hervorbringen kann. Die Mehrdimensionalität der Klangskulptur ist bereits in jeder Bewegung der Tänzerin enthalten.
Laura Keil kann ihren Körper in Zeitlupe in alle denkbaren Positionen bringen, was der Aufzeichnung sehr zu Pass kommt. Ohne sie wäre diese soundsclupture nicht gelungen. Schade dass, sie nur in den Credits nicht jedoch als Mitbeteiligen Künstlerin erwähnt wird.
Credits:
Dancer: Laura Keil und Music: Machinefabriek „Kreukeltape“
www.onformative.com / www.daniel-franke.com
Price auf der Ars Electronica in Linz 2012: Anerkennung – Honorary Mentions
Vor 100 Jahren sank die Titanic. Es gibt wenig Ereignisse, die dauerhafte Präsents in den Medien und Erinnerungen von Generationen findet. Die Titanic gehört dazu. In Belfast wurde das Visitors Center eingeweiht und neben einer bemerkenswerten Architektur ist eine ebensolche Videomapping Show am Tag der Eröffnung einem Publikum vorgestellt worden. Die Macher, ein Kunst- und technologieaffines Kollektiv, namens seeper, sprachen selber von einer der grössten Herausforderungen ihrer 14 jährigen Geschichte. Dieses Londoner Kollektiv hat sich der Erforschung von natural user interaction und ubiquitous computing für tiefere und auf viele Sinne ausgerichtete Media Erlebnisse verschrieben.
Titanic 100th Anniversary LP from seeper on Vimeo.
Sie haben auf 6 Projektionsfassadenelementen eine Unmenge von Teilstücken ausgemessen und in das 3 D Videomapping integriert. Ausserdem wurden die Feuerwerke oder pyrotechnischen Effekte mit dem Mapping abgestimmt, das Sounddesign sowieso.
Die Geschichte ist wie in vielen Fällen assoziativ gestaltet. Einiges lässt sich sehen und denken. Werden Bilder des Schiffes gezeigt, wird der Unfall metaphorisch durch fallende Teilstücke oder Löcher visualisiert, wird der Blick vom Meeresboden auf die schillernde Oberfläche abgebildet, wird immer wieder der freudige Tag der Eröffnung thematisiert? Sicherlich vieles davon, eine genaue Zuordnung und Geschichte ist nicht klar auszumachen. Auch darf nie vergessen werden, dass solch kommerziell angeregten Auftragsarbeiten unter Zeitmangel und Konzeptionswirrwarr leiden. Das schmälert das Ergebnis nicht, denn 3 D Videomapping wird noch nicht zwingend an eine Geschichte gebunden. Vielmehr geht es um spektakuläre Effekte und optische Täuschungen und diese Erwartungshaltung erfüllt diese Show allemal.
In diesem Videomapping, einem Musicvideo ist die Geschichte deutlich. Ein Mann begibt sich auf die Reise zum Mittelpunkt der Erde, er fährt U-Bahn, segelt, taucht in die tiefe See, wird durch ein Gesteinsloch durch Vulkan Gesteinsschichten geschleudert und landet doch wieder in seinem Zimmer, also ein Traum. Der Video wurde im Studio mit 3 Beamern die auf Boden und 2 Wände projizierten aufgenommen.
Willow – Sweater from Filip Sterckx on Vimeo.
Der Akteur geht auf einem Laufband durch die Bilder. Das Timing für seine Bewegungen, ob er nur steht, geht, Treppe auf oder ab, ob sitzend oder liegend ist an ein genaues zeitliches Skript gebunden. Ob die Gruppe es durch Wiederholungen, durch eine Zeichensprache oder durch mündliche Anweisungen geklärt haben ist nicht ganz klar. Es ist wohl eine Mischung aus allem, auch weiss der Sänger, welche Bewegung er zu welchem Text ausführen soll. Im Video „Behind the Scenes“ wird der Schwierigkeitsgrad deutlich.
Behind the scenes of Willow’s Sweater from Filip Sterckx on Vimeo.
Er hat Balanceschwierigkeiten, muss entspannt seinen Weg gehen und ist doch immer nur auf dem Fleck. Das Boot ist eine filigrane Kulisse, sie scheint zerbrechlich und könnte einem Stresstest nicht stand halten.
Das Medium ist gut gewählt. Es kann geschnitten werden, Einstellungsgrössen und Kadrage, Perspektiven und Winkel sind wählbar. Visuelle Verschiebungen bei den Projektionen, unerwünschte Schatten und Requisiten werden entsprechend ausgeblendet. Was bleibt ist eine gute Show. Live wäre diese Geschichte wahrscheinlich kaum durchführbar.
Credits:
Directed by: Filip Sterckx
DOP: Pierre Schreuder
3D animation / Editing: Filip Sterckx
Production: Pierre Schreuder, Filip Sterckx
Technical support: Aitor Biedma
Production assistant: Nils Goddeeris
Thanks to: Het Depot, Stake5, Cools multimedia, Tom Brewaeys, Birgit Sterckx, Antoon Verbeeck, Pieter-Jan Boghe
Kunst definiert sich in vielen Bereichen. Manchmal kann sie nur schwer erkannt werden. Die normalen Parameter von Schönheit und Ästhetik werden nicht bedient. In der Kunst kann eine subjektive und intuitive Ahnung zu einem Tätigkeitsablauf führen. Die Kunst bietet grösseren Spielraum. Es geht jedoch in der Wissenschaft als auch Kunst immer um die Frage nach Erkenntnissen und Möglichkeiten Ideen zu beweisen. Was also unterscheidet Kunst von Wissenschaft. Diese Frage kann auf der diesjährigen Ars Electronica nicht deutlich beantwortet werden. Kunst sieht aus wie Wissenschaft, umgekehrt erscheint die Wissenschaft im Gewand der Kunst.
Dieses Werk hebt die offensichtlichen Grenzen von Kunst zu Wissenschaft deutlich auf. Der Versuch basiert auf einer künstlerisch initiierten Grundidee, die Verfahrensweisen und Beweisführung sind Laboruntersuchungen und Testreihen. Das Ergebnis „2.6g 329m/s“ von Jalila Essaiti wurde auf der Ars Electronica gezeigt und mit dem Preis Honorary Mention Hybrid Art ausgezeichnet.
Die Angaben 2.6g 329m/s bezeichnen das Gewicht und die Geschwindigkeit einer Kleinkaliberpatrone, denen eine kugelsichere Weste standhalten muss. Die Wissenschaftlerin oder Künstlerin Jalila Essaiti aus den Niederlanden hat diesen Umstand zum Ausgangspunkt ihres Experiments gemacht. Mit dem Wissen dass organisch erzeugte Spinnfäden stärker als Stahl sind, müssten sie auch entsprechend eine Kugel abprallen oder zumindest am Hautdurchschlag und weiter durch den Körper abhalten.
Vorausgesetzt es kann ein Mischgewebe von Haut und Spinnfäden entwickelt werden. So hat sie im ersten Schritt eine menschliche Haut von transgenen Ziegen gewonnen und dieses organische Material mit Spinnfäden verwebt. Wobei die richtige Webform entwickelt und getestet werden musste. Im Anschluss wurden unterschiedliche Hauttypen mit der Patrone der Kleinkaliberpistole getestet. In dem Film der auf der Ars Electronica gezeigt wurde sind 4 Hauttypen in vier Testdurchläufen demonstriert worden.
Test 1: Haut eines Schweins: Sie wird von der Kugel durchschossen.
Test 2: biologisch hergestellte menschliche Haut: Sie wird ebenfalls problemlos durchschossen
Test 3: biologisch hergestellte menschliche Haut die mit Seide verstärkt wurde. Das Projektil durchschiesst die Haut aber zeigt mehr Elastizität und Widerstandskraft
Test 4: biologisch hergestellte menschliche Haut mit Spinnfäden verstärkt.
Das Projektil kann die Haut nicht durchschlagen. Die Haut wird stark gedehnt und verformt, aber das Gewebe wird nicht verletzt. Es findet kein Durchschlag statt, die Kugel bohrt sich in das darunter liegende Gewebe, aber wird nach maximaler Dehnung des Gewebes am Durchschlag gehindert. Was für eine bahnbrechende Versuchsreihe. Sollten gentechnische Änderungen und Eingriffe in die menschliche Haut die Produktion von herkömmlichen Waffensystemen überflüssig machen? Eine Kugel würde verletzen aber nicht töten, vorausgesetzt dass die Elastizität des neuen Hautmischgewebes auf Fleischwunden reduziert werden kann.