Category Archives: Medien Architektur
Vor 100 Jahren sank die Titanic. Es gibt wenig Ereignisse, die dauerhafte Präsents in den Medien und Erinnerungen von Generationen findet. Die Titanic gehört dazu. In Belfast wurde das Visitors Center eingeweiht und neben einer bemerkenswerten Architektur ist eine ebensolche Videomapping Show am Tag der Eröffnung einem Publikum vorgestellt worden. Die Macher, ein Kunst- und technologieaffines Kollektiv, namens seeper, sprachen selber von einer der grössten Herausforderungen ihrer 14 jährigen Geschichte. Dieses Londoner Kollektiv hat sich der Erforschung von natural user interaction und ubiquitous computing für tiefere und auf viele Sinne ausgerichtete Media Erlebnisse verschrieben.
Titanic 100th Anniversary LP from seeper on Vimeo.
Sie haben auf 6 Projektionsfassadenelementen eine Unmenge von Teilstücken ausgemessen und in das 3 D Videomapping integriert. Ausserdem wurden die Feuerwerke oder pyrotechnischen Effekte mit dem Mapping abgestimmt, das Sounddesign sowieso.
Die Geschichte ist wie in vielen Fällen assoziativ gestaltet. Einiges lässt sich sehen und denken. Werden Bilder des Schiffes gezeigt, wird der Unfall metaphorisch durch fallende Teilstücke oder Löcher visualisiert, wird der Blick vom Meeresboden auf die schillernde Oberfläche abgebildet, wird immer wieder der freudige Tag der Eröffnung thematisiert? Sicherlich vieles davon, eine genaue Zuordnung und Geschichte ist nicht klar auszumachen. Auch darf nie vergessen werden, dass solch kommerziell angeregten Auftragsarbeiten unter Zeitmangel und Konzeptionswirrwarr leiden. Das schmälert das Ergebnis nicht, denn 3 D Videomapping wird noch nicht zwingend an eine Geschichte gebunden. Vielmehr geht es um spektakuläre Effekte und optische Täuschungen und diese Erwartungshaltung erfüllt diese Show allemal.
Die Ars Electronica Festival startet am 30. August und steht unter dem Motto „The Big Picture – Weltbilder für die Zukunft“. Best-Practice-Beispiele aus Kunst und Wissenschaft fordern einen neuen, offenen Blick für die Entwicklung einer Vision für unsere Zukunft. Es wird nach dem „Big Picture“ gefragt. Wie kann sich das darstellen und wie kann es sein. Eine Vielzahl von internationalen WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen sind von 30. August bis 3. September in Linz, darunter der Künstler und Wissenschaftler Joe Davis (US), Genetik-Professor George Church (US) von der Harvard Medical School, der Robotik-Wissenschaftler Hiroshi Ishiguro (JP), der Gründer des Online-Wissenschaftsmagazins Seed Adam Bly (CA), der Kurator, Autor, Videofilmer und Kulturpublizist Jens Hauser (DE/FR) oder Julius von Bismarck (DE), der Shooting-Star der europäischen Medienkunstszene. Der übrigens bei Joachim Sauter an der UdK studierte.
Unter http://www.aec.at/thebigpicture/ steht mehr.
Empfehlenswert am 1 September die voestalpine Klangwolke. Eine Musikinstallation aus menschlichen und robotischen Protagonisten, tausenden Leuchtbuchstaben und der illuminierte Architektur der Stadt selbst sind Teil dieser Klangwolke, die von der Vernetzung unserer Welt erzählen wird.
Den Anfang dieser Geschichte markieren die Entdeckung der Elektrizität und der Siegeszug des künstlichen Lichts. Die Geschichte geht weiter mit der Erfindung der Telegrafie und Telefonie, von Film und Fernsehen und den ersten erfolgreichen Versuchen digitale Botschaften von A nach B zu übertragen.
Hört sich klassisch an und deshalb wird es spannend. Spannend obs neuartig wird.
Auf dem Cannes Lions International Festival of Creativity 2011 hat Saatchi & Saatchi die Creative Direktoren Jonathan Santana & Xander Smith mit der Inszenierung „Hello Future“ ins Rennen geschickt. Eine ganze Reihe unterschiedlicher Künstler und Spezialisten haben kollaborativ diese Show verwirklicht.
Juliette Larthe hat die Intendanz des Theaterstücks realisiert. Gary Card ist der Set Designer, Clark erweckte „Big Brother“ auditiv zum Leben, die Animatoren sind Andrew Osborne and Raffael Ziegler. Mark Titchner, Nominee für den Turner Prize, fungierte als Art Director, hat ausserdem eigens die Typografie für ‘Hello, Future‘ erfunden und zusammen mit den Animationsartisten von Milkshake Laser Feast die Visuals ausgedacht. Aaron Meyers schrieb die Performance Software Creation. Projizierte Bildwelten von Marshmallow Laser reagieren mit der Kinekt Kamera Technik auf Jamie Lidell, der auf der Bühne agiert.
Saatchi & Saatchi hat eine Art Making Of ins Netz gestellt. Die Erwartungshaltungen sollten nicht so hoch sein, denn eigentlich wird natürlich das Projekt als bahnbrechendes Kunststück verkauft, dennoch sind einige Teile informativ, auch wenn die Künstler ab und an zur Intention und Aufgabenbereich kommen.
Die Bühne wird in 3 Teile strukturiert, eine große Projektion in der Mitte und zwei weitere schmale an den Seiten.
Sie schaffen eine zentralperspektivische Illlusion, bestehen aus abstrakten Computer generierten Bildern und Animationen sind für das generelle Lichtambiente zuständig. In der Mitte die Hauptprojektion und Bühne. Hier werden dank der Kinectintegrierten Tiefensensors die Bewegungen vom Performer Jonathan Lidell in ein 3 D anmutendes Wireframebild, umgerechnet. Die Kinects sind an einigen ausgesuchten Stellen installiert, die Bewegung wird von daher nicht flächendeckend abgenommen sondern nur an barcode anmutenden Kuben oder Units im Bühnenbereich.
Der Künstler wird multipliziert, gross verdoppelt, seine Person rückt in den Hintergrund zugunsten der virtuellen Abbildung. Sollten wir das Ganze tiefer interpretieren, dann geht es im Wesentlichen um die Verschmelzung des wirklichen und den virtuellen Ichs in der heutigen Gesellschaft und Zukunft. Die Performance beginnt und endet jeweils mit der direkten Ansprache einer computer generierten Stimme. Wir fragen uns ob sie ein höheres Wesen repräsentiert? Dazu werden radial zentrierte Formen und Farben auf der Hauptprojektionsfläche generiert. Alle Bilder in dieser Richtung zielen auf den „Big Brother“ Effekt, sie sehen wie Augen aus. Das wiederum stellt auch ein visuelles Rahmenkonzept her. Big Brother am Anfang und Ende, dazwischen Jonathan Lidell, der Mensch, und seine übergrosse 3 D Person.
Der Vorläufer der aktuellen kinetischen Installation mit dem Namen Kinetic Rain Skulptur ist jene im BMW Museum, München. Hier entsteht in gleichmässiger Bewegung, präzise die Aussenform eines Autos. 714 Metallkugeln werden jeweils über einen kleinen Motor gesteuert auf und ab bewegt. In 7 Minuten entstehen verschiedene Bilder und Einblicke.
Kinetic Sculpture for the BMW Museum, Munich 2008 from ART+COM on Vimeo.
Im Flughafen Singapur wurden 2 KINETIC RAIN Skulpturen mit Kupfer überzogenem Aluminiumregentropfen entwickelt. Sie stehen einander gegenüber und zusammen überspannt die Installation eine Fläche von 75 Quadratmetern und bespielt das Terminal über 7,3 Meter Höhe.
Auch hier wird jeder Tropfen durch einen kleinen Motor bewegt. Sie sind an hauchdünnen Stahlseilen befestigt. Die Motoren werden durch Computer gesteuert. 15 Minuten dauert ein Durchlauf und stellt einen Kontrapunkt zum geschäftigen Treiben des Flughafens da. Wer Zeit hat, kann sich entspannen, wer seinen Flieger bekommen muss, der sollte aufpassen. Die Bewegung und das Zusammenspiel zieht den Betrachter magisch an und lässt ihn stehen bleiben und verweilen. Länger als angenommen. Die Bewegungen sind magisch und wie von Geisterhand entwickelt. Die Anziehungskraft dieser Skulpturen ist nicht zu unterschätzen.
Kinetic Rain by ART + COM from Dezeen on Vimeo.
ART+COM hat schon bei der Installation im BMW Museum ausufernde Stresstests unternommen. Im Interview wurde von einem halben Jahr Dauerbetrieb gesprochen, damit die Stetigkeit der Bewegung gelingt.
In Caceres, Spanien 2009 wurde eines der ersten interaktiven Videospiel Projektion Mappings vorgestellt. Angelehnt an einen Flipperautomaten wird auf der monumentalen 20 x 35 m Fassade das Spiel mit dem Publikum inszeniert. Die Besucher mussten den Drachen treffen, bzw. am besten wohl töten, damit der Ritter auf der rechten Seite nicht durch die gefährlichen Feuerfontainen vernichtet wird. Und selbstverständlich erlegt der Heilige Georg nach seinem Eintreffen den Drachen ein für alle Mal. Das hätte den Anhängern von Game of Thrones nicht gefallen, aber der Kirche schon.
Ein anderes Beispiel aus dem Jahr 2010 zeigt den Innenraum der Kirche von St. Joseph (San José).
Diese Bespieglung dauert nicht lang aber die jetzt bereits gut bekannte und oft durchgeführte Idee, das Innen nach Aussen zu tragen wurde anschaulich umgesetzt.
Caceres ist eine mittelgrosse Stadt mit gut 100.000 Einwohnern in der Nähe (100km) der Portugiesischen Grenze. Eine pittoreske alte Stadt, die bis heute leider nur in zwei Jahren das Urban Screen Festival ausrichtete. Eine mittelgrosse Stadt zu einem urbanen Kino umzufunktionieren, wo alle Locations leicht zu erlaufen sind, ist für das Medium ideal. Wir hoffen, dass die wirtschaftliche Lage sich bessert und diese Formen des kulturellen Lebens weiterhin gepflegt werden. Wir dürfen uns fragen warum in Deutschland mittlere Kreisstädte einem solchen Vorbild nicht nacheifern?