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Der heutige Tag auf dem Symposium wurde der Frage wie Kunst und Wissenschaft miteinander fusionieren gewidmet. Es geht um Grenzueberschreitungen und deshalb wurde der Wissenschaftler George Church, der den Lehrstuhl fuer Genetik an der Harvard Medical School inne hat, der diesjaehrige Gewinner der Goldenen Nica fuer Hybride Kunst, Joe Davis und, Jens Hauser, Kulturwissenschaftler, Kurator und Publizist an den Runden Tisch gebeten.
Joe Davis wurde mit der Arbeit „bacterial radio“ mit der Goldenen Nica ausgezeichnet. Diese Arbeit uebersetzt die Bewegungen und Beschaffenheit verschiedener Bakterienkulturen in Geraeusche. Wir hoeeren was nicht mal mit dem Auge zu sehen ist. In einem begleitenden 1 stuendigen Film wird Davis‘ Lebensweg, -ziel und – methodik geschildert. Und seine Werke beschrieben. Der Film von Peter Sasowsky „Heaven+Earth+Joe Davis“ vermittelt die impulsive und ungebaendigte Inspiration von Davis. Immer wieder wird die nur einmal ausgesprochene Frage nach vollstaendigem Irrsin oder Genialitaet aufgeworfen. Beim Zuschauen wurde es ein kontinuierlicher innerer Diskurs. Meine Wertevorstellungen und Einstellungen zur Kunst und Wissenschaft wurden erprobt und hinterfragt. Am Ende kam ich zum Schluss, dass der Film unbedingt gesehen werden muss, dass der Kuenstler eher in Richtung irrer Genialer tendiert und ich mit einer latenten Unsicherheit dem Kuenstler gegenueber die Dinge belassen kann wie sie sind.
Als nach den Vortraegen im Symposion Fragen von Seiten des Publikums erwartet wurden fiel niemanden so recht was ein. Wie beginnen? Mircobiologie und DNA Entschluesselung sind eher spezialisierte Wissenschaftsthemen, die kuenstlerische Darbietung und der Kuenstler selber schwer greifbar, lebensfroh, fahrig und mitreissend. Es wurde gefragt, ob der Kuenstler wirklich verstuende wie es um genetische Codes und Veraenderungen gestellt ist, ob er die wissenschaftliche Vertiefung fassen kann oder Erscheinungen, Erkenntnisse eher abstrakt begreift und in kuenstlerischer Manier Inspiration daraus schoepft. Mit anderen Worten ob er versteht was er tut?
http://www.joedavis.co.uk
Dieser Kuenstler ist eher in der Wissenschaftlerwelt denn in der Kunstszene bekannt. Und so wurde die Frage vom Publikum durch Apllaus begruesst. Trieb sie wohl viele um. Joe Davis betonte die konzeptionsbezogene, durch Ideen motivierte Form seiner Arbeit. Im Film jedoch kam neben dem Ausdruckswunsch und Formwillen Kenntnisse der Elektronik zum Vorschein. So blieb die Frage halb beantwortet, halb im Dunkeln. Das mindert nicht die Qualitaet der prämierten Arbeit. Bakterienradio hoeren wir nicht so oft.
An dieser Schnittstelle von Biologie und Technik operiert auch das Projekt Biological Radio. Ein Detektorradio ist ein einfacher Schwingkreis, der lediglich Induktivität, Kapazität und einen „Kristall“ – einen mineralischen Halbleiter zur Umwandlung der empfangenen Radiosignale in elektrische Gleichstromsignale, die mit einem Kopfhörer in Schall aufgelöst werden können – benötigt. Ein solch einfacher Schaltkreis kommt ohne Batterien, Röhren oder Transistoren aus, und arbeitet allein mit der Spannungsdifferenz zwischen Antenne und Erde.
Joe Davis: „Im Frühjahr 2011 entwickelte ich einen flachen, in eine Petrischale passenden Schaltkreis. Dieser wurde dann als Negativrelief in Polydimethylsiloxan-Gel gegossen. In die Einbuchtungen wurden Zellen und Nährmedien eingebracht. Bei den Zellen handelte es sich um E. Coli-Bakterien, die mit einem Gen zur Kodierung von Silicatein1, einem bei vielen Meeresorganismen vorkommenden Protein, modifiziert worden waren. Mithilfe dieses Proteins polymerisieren diese Organismen Siliziumoxid aus Meerwasser, woraus sie dann ihre fantastische Vielfalt an Endo- und Exoglasskeletten schaffen. Das für Bacterial Radio verwendete Silicatein-Gen wurde aus dem Meeresschwamm Tethya aurantia isoliert. Silicatein ist ein „promiskes“ Protein; wird das Nährmedium statt mit Siliziumoxid mit Metallsalzen oder Halbleitern angereichert, polymerisiert es diese an seiner Stelle. So bekamen die beiden in Bacterial Radio verwendeten Bakterienkulturen ihre elektrischen Eigenschaften mitgeteilt. Die bakteriellen Bestandteile des Schaltkreises wurden schließlich im Polydimethylsiloxan-Gel fixiert und durch Kontaktstifte und Drähte miteinander und mit seinen externen Komponenten Antenne, Erde und Kopfhörer verbunden.“
Agnes Meyer-Brandis (DE)
Award of Distinction Hybrid Art
Agnes Meyer-Brandis knüpft an Bischof Francis Godwins Erzählung „The Man in the Moone“ (1603) über ein von Gänsen gezogenes Mondreisegefährt an. Und zwar indem sie elf dieser Vögel großgezogen, ihnen Astronautennamen gegeben und auf sich als Gänsemutter geprägt hat. Anschließend hat sie mit ihnen das Fliegen trainiert, Expeditionen unternommen und sie in einem Mond-„Analog“ – einem den Mond nachbildenden Lebensraum, wie ihn auch Astronauten zum Training nutzen – untergebracht.
Die Aktion ist in einem 20 min. Film dokumentiert. Die Künstlerin prägt ihre Gänse auf sich und lehrt sie dann in unterschiedlichen Astronauten Programmen an. Das Kunstwerk ist nicht nur humorvoll und poetisch, sondern auch phantasie und -liebevoll.
Am 30. August, also gestern wurde die Installation von Seiko Mikami betitelt „Desire of Codes“ im Programm der Ars Electronica in Linz im Lentos Kunstmuseum eröffnet.
Seiko Mikami (geb.1961) beschäftigt sich mit dem Themenkomplex Information, Gesellschaft und Körper. Ihr Interesse gilt den Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine sowie der Wahrnehmung des Menschen und jener der Maschinen. Seit den 1990er Jahren setzt sie ihre künstlerischen Recherchen meist in Form großformatiger, interaktiver Installationen um. Dazu zählen „Molecular Informatics“(1996),„World, Membrane and the Dismembered Body“ (1997) und „Gravicels“(2004) und „DesireofCodes“(2010). Seiko Mikami lebt inTokyo und ist seit 2000 als Profesorin am MediaArtLab der Tama Art University tätig.
Die Installation setzt sich aus 3 Teilen zusammen.
„Wriggling Wall Units“
An einer meter langen weißen Wand sind neunzig mechanische Fühler mit eingebauten Überwachungskameras angebracht. Sie richten sich nach den Bewegungen der Besucher aus. Die Kameras sind hochempfindlich, die Mikros ebenso.
Sie zeichnen alle Bewegungen und Geräusche auf. Die Kameras sind klein, filigran und geometrisch an der weissen Wand angeordnet. Sie reagieren ohne Verzögerung und vermitteln den Eindruck von grosser Selbstständigkeit.
„Multi Perspective Search Arms“
In einem anderen dunklen Raum findet man 6 Roboterschwenkarme, die an der decke installiert in den Raum hineinreichen.
An den Enden sind Kameras, Miniaturlaserprojektoren und Ministrahler angebracht. Auch hier nehmen die Kameras jede Bewegung wahr und folgen ihr.
Die Aufgezeichneten Bilder werden in einer Datenbank gespeichert und auf den 3. Teil dem sogenannten
„Compound Eye Detector Screen“ in Echtzeit projiziert.
Die runde Projektion setzt aus 61 kleinen Wabenbildern zusammen. Hier können sich die Besucher selber sehen. Einige zeigen die Live Bilder, andere geben Bilder aus der Datenbank der “Desire of Codes” wieder.
Hier finden sich Bilder aus Überwachungskameras der Welt: Flughäfen, öffentliche Plätze, Bahnhöfe, Banken, Strassen, Denkmäler usw.. Wir befinden uns in einer Doppelrolle: einerseits Bildgeber, andrerseits Abbildung.
Wenn in dem Raum „Multi Perspective Search Arms“ längere zeit nichts geschieht, die Roboterarme ruhen werden im „Compound Eye Detector Screen“ Raum, der grossen Wabenbilder Projektion die Abbildungen immer schärfer und detaillierter. Sie fallen dann in eine Art Traummodi. Nur wer sich wirklich still in der Installation verhält ist in der Lage diese Bilder zu sehen.
Der Klangraum
Als Letzte Komponente gibt es einen Klangraum. Neben der Speicherung der Bilder werden auch sämtliche Klänge und Geräusche aufgenommen. Richtungsmikros reagieren auf alle Töne und zeichnen sie auf. Sie werden in die Datenbank geschickt und miteinander abgeglichen. In unterschiedlichen Abständen werden diese Klangkollagen im Raum abgespielt.
Nachdem ich meine Presseunterlagen im Linzer Bruckner Haus in Empfang genommen habe und den Schock der Vielzahl und Menge des Angebots verkraftet habe, ging es los in die im Stockwerk drunter liegende Ausstellung mit informationsgrafischen Bildschirmapplikationen zum Thema: The Big Picture Exhibition: Datenvisualisierung.
Die Arbeit von Tatiana Plakhova mit dem Titel : Chaos and Strukture war eine aesthetisch getriebene Zusammenstellung der Weltkarten im Laufe der Zeit. Die Beschreibung, siehe oben, war ein wenig irre fuehrend, denn wer „the viszualition depicts the chaos theory in abstract mathematics“ liest, der hat vielleicht nicht schoen aufgearbeitete Karten, die im langsam gleichmaessigen Fluss einer weichen Blende entlang fliessen, vor dem inneren Auge.
Andere Bewegungen der menschlichen Produktivitaet, wie z.B. „The Map of Internet Submarine Cables“ von Nicolas Rapp im Auftrag des Fortune Magazines vereinten Aussage, Klarheit der grafischen Ikonografie, Bewegung und faktische Dokumentation zu einer fesselnden Einheit.
Haengen blieb ich bei der Installation „GeoPulse Beijing“ von Michale Badics und Yang Lei.
Ein infrarot gesteuerter Stift, Pointer syncronisiert sich mit einem Rechner, der auf eine Datenbank zugreift. Der Besucher haelt sich vor einem Tisch, mit entsprechender Karte von Peking auf, findet ein Buch wo jede Seite spezielle Inhalte beschreibt. Es lassen sich Orte von Beruehmtheiten, von wichtigen Monumenten wie Theatern oder Plaetzen mit dem Stift anwaehlen. Im Pointer ist eine Kamera eingebaut, die den Seitenbereich scannt und die Information an die Datenbank schickt. Auf einem Monitor wird der Entsprechende Inhalt angezeigt.
Die Verbindung Buch, Stift, anschreiben und Monitor ist eine vollstaendig selbsterklaerende Bedienung. So einfach und natuerlich dass nicht einmal ein Wunsch nach der Frage „Wie mache ich das“ aufkeimt. Wenn etwas so unkompliziert ist, dann soll sich das System in der Wissensvermittlung, in Schulen und Museen durchsetzen. Frage ist nur, ob die Stifte teuer sind.