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Tag Archives: Interaktion

Ars Electronica: postcity_Incertitutes von Ying Gao (CA)

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Die Beschreibung der Tafel spricht von Launenhaftigkeit, Unberechenbarkeit, Wildheit der Kleidung. Einer Kleidung der Unsicherheit. Die Kleidungsstücke reagieren auf Stimmen. Bei Tönen reagieren die nach aussen gerichteten Stecknadeln mit Bewegung. Sie wenden sich nach links, neigen sich nach rechts, legen sich ein wenig an oder stellen sich auf. Sie drehen sich nicht nach Innen. Der halbtransparente Stoff in einem gebrochenen Weiss zeigt die Stecknadeln. Sie sind zu einem fünftel der Nadel im körpernahen Bereich, dann durchbrechen sie den Stoff und die Spitze zeigt nach aussen. Sie sind nicht nach einem erkennbaren Muster oder Design eingesteckt. Sie sind im Vorderteil des kurzen Kleides, das Rückenteil ist nadelfrei. Die Säume sind nicht vernäht, der Schnitt einfach, eher ein Überwurf. Es ist ein nicht tailliertes Hängerkleid, ein Prototyp. Es ist es ein witziger Kommentar zur Modewelt und elektronischer Technik. Denn die Stecknadeln sollen sich bei Gesprächen unkontrolliert bewegen, ausschlagen, Antworten geben, in Konversation verstricken, Fragen und Missverständnisse aufwerfen und sich Drehen. Diese Reaktionen sind dem Zufallsprinzip unterworfen.

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Der Test wird gemacht. Das Kleid wird angesprochen, ein aufgeregtes Sprechen, monotones, bewegtes, ein Flüstern oder Kreischen wird durch moderate Bewegungen der Kleidung am Saum des Kleides kommentiert. Das Kleid hängt an einer Modepuppe, die ist unbeweglich, so wird die Veränderung mit Adleraugen verfolgt und entdeckt. Wenn von „unkontrollierten“ Reaktionen des Kleides auf Gespräche in der Beschreibung gesprochen wird, so ist das eine Übertreibung. Wenn ein Mensch diese Kleider trägt, wird eine Grundbewegung vorhanden sein. Dann sind die durch Ausseneinflüsse und Technik hervorgerufenen Nadelbewegungen ein Gemisch mit der menschlichen Bewegung und werden nicht mehr als das was es ist, als Reaktion, erkannt. Das Experiment ist obsolet. Als künstliches Exponat ist es ein humorvoller Betrag von Technikspielerei im Verbund mit Mode.

Ars Electronica: postcity_Caress of the Gaze von Behnaz Farahi (IR)

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Das Kleidungsstück ist im 3 D Drucker entstanden.  Es ist ein bizarrer Panzer aus spitzen Zähnen, aus Zacken, eine Igeloberfläche. Sie erscheint schützend, nicht bekleidend. Es ist ein Teil einer Rüstung. Es wird wie eine Pelerine über den Schultern getragen, geht über die Brust und endet oberhalb der Taille. Der Rücken wird ebenso bedeckt. Dieses Objekt liegt nicht auf der Haut, es steht ab, denn die Technik wird im Zwischenraum Körper Objekt versteckt.

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Es sind Kabel, Schnittstellen, Kamera und Mikrocontroller. Darunter muss ein schützender Stoff die Haut vor Abschürfungen bewahren. Die Kamera erkennt Bewegung, Masse, Grösse, Nähe und Entfernung. Sie sendet Informationen an den Controller, der schickt Bewegungsbefehle an die verzackte Aussenhaut. Diese bewegt sich wie der Igelpanzer. Die Zacken stellen sich auf oder legen sich an. Ein bewegtes Objekt, das an Kleidung erinnert. In der Beschreibung wird von „Schnittstelle zwischen Mensch und Außenwelt“ gesprochen. Sie reagiert auf soziale Themen wie Intimität, Identität und Geschlecht.

img_9154Das hört sich gut an, entspricht aber wohl noch einem Wunsch. Das bereits Sichtbare ist ein erster Schritt. Der Wunsch nach der Reaktion einer zweiten künstlichen Haut und einer Verhaltensweise auf Außenbedingungen reagieren zu können, wird formuliert. Der Künstler, Forscher kommt aus dem Iran. Frauen sind verschleiert, sie bedecken sich bis zur Unkenntlichkeit und werden zu Objekten. Individualität und Selbstbestimmung werden nicht wahr genommen. Die herrschende Gesellschaft ist männlich, sie bestimmt den Ton und verbannt die Frau als Sexualobjekt in die häuslichen Gefängnisse.

img_9158Argumentiert, dass der Anblick der unverschleierten Frau die männliche Integrität erschüttert und das animalische des Mannes so schnell und unmittelbar erweckt, dass dieser davor geschützt werden muss. In einem Land in der das Geschöpf Mensch-Weib nicht erscheinen darf, kann ein solcher Panzer ein Schutz sein. In der westlichen Welt, wo Frauen als Menschen dem Mann (fast) gleichgestellt sind, kann die Frau sicherlich auch ohne Panzer leben. Denn bequem sieht das Ding nicht aus. Zu starr und sich damit anzulehnen. Die Gesellschaft arbeitet seit Jahrhunderten an funktionaler, schützender, leichter, bequemer, bewegungssteigernder Haut, praktisch, nicht riechend, gut zu reparieren und zu waschen, sauber und Wärme spendend in Wintern. In der  europäischen Modegeschichte und Entwicklung geht es um Befreiung.

img_9157Denken wir nur als Beispiel an Mode unter Ludwig dem XIV. Die Mieder der Frauen haben Hunderte von Blutvergiftungen durch tiefe Fleischwunden im Taillenbereich hervorgerufen. Es waren Stahlgerüste, die durch Stoff verkleidet und Unterkleidern von der menschlichen Haut getrennt wurden. Aber im Laufe der Zeit, des Gebrauchs entstanden an den Enden Abnutzungen und die Spitzen bohrten sich bei Bewegung in das Fleisch. Bücken, Springen, laufen, hopsen war möglich, aber nicht einfach. Sitzen mit den grossen, bewegungungsfeindlichen Krinolinen unter den Röcken und den starren Miedern war eine Qual. Die Frauen litten unter Atemnot, fielen in Ohnmacht, waren nicht belastbar. Will die Menschheit in der Mode zu diesen Verhältnissen zurück?

img_9155Der gezeigte Panzer soll von Frauen getragen werden. Was wird hier gezeigt? Eine elektronische Idee. Nicht nur bei diesem Exponat stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit. Die Künstler machen Experimente, sie scheinen die weitergehenden Bedingungen nicht zu bedenken. Sie arbeiten im Tunnel, haben eine Idee, setzen sie um, schöne Sache das. Soziologische Fragen, kulturelle Fragen, moralische Fragen bleiben aussen vor. Diese Einseitigkeit der Betrachtung findet sich in fast allen Exponaten. Die Naivität dieser Haltung ist unübersehbar.

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Ars Electronica 2016: Transmart Miniascape von Yasuaki Kakehi (JP)

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Sie findet sich im Ars Electronica Center. Es ist ein kleine Installation. 8 transparente Glasdisplays sind hintereinander gestaffelt und bilden einen Kubus.  Sie sind nicht besonders gross, vielleicht 20 x 20 cm und 1 cm dick. Der Abstand beträgt auch nur wenige Zentimeter. Die Installation findet sich in der Galerie im Ars Electronica Center, eigentlich ein Zwischengeschoss. Von dort schaut es sich in den Eingangsbereich. Grosse Glasscheiben trennen diesen Vorsprung von der Halle ab. Da passt diese gläserne Skulptur oder Installation hervorragend hinein.

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Die Glasscreens werden von Infrarot Sensoren am Rand der Skulptur auf Augenhöhe begleitet. Wer den Finger auf die Sensoren legt, ruft die Abbildung von Punkten auf den Glasscheiben hervor.  Wenn der Finger über die mittleren Sensoren streicht, dann werden auf den mittleren Gläsern Punkte kreiert, wenn am Aussenrand, dann werden die aussen gelagerten Platten bespielt. Die Muster wechseln und basieren auf Algorithmen. Es entsteht ein abstraktes 3  dimensionales Punktemuster oder Bild. Die Punkte selbst verändern die Farbe und Schattierung. Das hängt von den Lichtbedingungen ab. Die Arbeit ist leicht und hell, unaufdringlich und leise; eine Mini Landschaft von abstrakten Formen und Bewegungen.

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EventDesign Jahrbuch 2016/2017 von avedition: now released

Am Montag, den 4. Juli war es soweit. Das EventDesign Jahrbuch 2016/2017 feierte seine Release Party. Und wir waren dabei. Von aussen sehr schön, von Innen nicht minder. Es werden erstklassige Projekte vorgestellt. Janina Poesch und Sabine Marinescu, beide Architektinnen, die das PLOT Magazin herausgeben, waren verantwortlich für die Redaktion. Die Gliederung, Projekteinteilungen, Beschreibungen, Beispiele finden zueinander, machen das Buch zu einem Lese- und Bildband, das jeder aus der Branche lesen sollte. Wer das nicht tut, hat Pech.  Verlag avedition. Den sollte man auch kennen. Wer das nicht tut, hat doppelt Pech.
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Und das Projekt PSYCHOPATH, die interaktive Kletterwand, entstanden als Prototyp in der Hochschule der Medien, Stuttgart, Fachbereich Audiovisuelle Medien, Studioproduktion EventMedia hat es geschafft. In diesen erlesenen Kreis! Fabian Fiess hatte die Idee, hier im Bild. Er verfolgt die Wand weiter und wenn mich nicht alles täuscht wird sie aus dem Prototypenstatus in eine erwachsene Version überführt. Vielleicht sehen wir schon bald in den Boulderhallen interaktive Kletterwände mit Videospiel.

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Photos von Ursula Drees, Beitrag dito.

ZKM – Globale: Marc Lee: Real time Stories – Mapping the free follow of information around the world in real time

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In sozialen Internetdiensten posten, schreiben, demonstrieren, propagieren, feiern, leben und präsentieren wir uns. Immer zu jeder Zeit, ständig. Und weil wir alle daran teilnehmen erscheint uns das Tun harmlos. Zwar wissen wir, dass wir unser Inneres Preis geben, dass wir uns zugängig machen für Jedermann, Freund oder Feind, aber es ist uns trotzdem egal. Privatsphäre und Datenschutz sind bekannte Schlagworte: langweilig, übertrieben ängstlich. Und dennoch wenn wir posten, manchmal kommt da ein kleiner Zweifel, wer das alles sieht. Der neue Arbeitgeber?  Die NSA oder der BND? Wer weiss, was die Zukunft bringt?  Was geschieht bei einem Wandel der Einstellung, wenn nicht mehr die Liberalität herrscht, sondern bestimmte Ansichten, Gruppen und Taten verboten werden? Wenn Randgruppen kriminalisiert werden? Wenn Alkoholkonsum oder Sex zur Gefahr werden, wenn Nacktheit oder Selbstständigkeit der Gedanken nicht mehr erwünscht sind?

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Wie kann dann der persönliche Datenstrom nachträglich an das herrschende Meinungsbild angepasst werden? Sollten wir das nicht jetzt schon aus Vorsicht tun? Sollten wir nicht mit einer Autozensur beginnen? Oder uns zurückziehen? Oder weiter machen in der Hoffnung auf die Warholschen 15 Minutes of Fame einfach weiter?

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In dieser Installation des Schweizers Marc Lee sehen wir auf 4 Leinwänden in Echtzeit den User- generated Content. Die Menschen erzählen Geschichten über sich, über andere, über politisches, soziales, über alles was geschieht. Es wird global reflektiert und kommentiert. Ob es viele Menschen interessiert ist ein Glücksspiel. Manchmal wird plötzlich die Geschichte es Hundes im Badezimmer zum Hit, manchmal tatsächliche Neuigkeiten. Alle sprechen, alle reden, alle schreiben und alles zusammen erscheint erst mal oberflächlich und sinnlos. Wenn es auf 4 Leinwänden gezeigt wird. Ein Einheitsbrei. Mehr nicht. Man wird zum Beobachter und Überwacher. Wer will. Alle anderen drehen sich weg und langweilen sich. Zu Recht, aber eben nicht immer.

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