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Tag Archives: Dramaturgie

EventDesign Jahrbuch 2016/2017 von avedition: now released

Am Montag, den 4. Juli war es soweit. Das EventDesign Jahrbuch 2016/2017 feierte seine Release Party. Und wir waren dabei. Von aussen sehr schön, von Innen nicht minder. Es werden erstklassige Projekte vorgestellt. Janina Poesch und Sabine Marinescu, beide Architektinnen, die das PLOT Magazin herausgeben, waren verantwortlich für die Redaktion. Die Gliederung, Projekteinteilungen, Beschreibungen, Beispiele finden zueinander, machen das Buch zu einem Lese- und Bildband, das jeder aus der Branche lesen sollte. Wer das nicht tut, hat Pech.  Verlag avedition. Den sollte man auch kennen. Wer das nicht tut, hat doppelt Pech.
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Und das Projekt PSYCHOPATH, die interaktive Kletterwand, entstanden als Prototyp in der Hochschule der Medien, Stuttgart, Fachbereich Audiovisuelle Medien, Studioproduktion EventMedia hat es geschafft. In diesen erlesenen Kreis! Fabian Fiess hatte die Idee, hier im Bild. Er verfolgt die Wand weiter und wenn mich nicht alles täuscht wird sie aus dem Prototypenstatus in eine erwachsene Version überführt. Vielleicht sehen wir schon bald in den Boulderhallen interaktive Kletterwände mit Videospiel.

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Photos von Ursula Drees, Beitrag dito.

Produktion einer interaktiven Spielplatform „Jukebox“: Hochschule der Medien, Studioproduktion Event Media

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An der Hochschule der Medien wird im Studiengang Audiovisuelle Medien pro Semester in unterschiedlichen Genres eine Studioporduktion von Studierende erarbeitet. Eine davon ist die Studioproduktion Event Media. Hier wird Physical Computing mit Spiel und Rauminszenierung verbunden. Es sind aufwändige und komplexe Produktionen.

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Der Spieler tritt dann auf ein Kuchenstück des Plattentellers und agiert auf 5 interaktiven Modulen. Die Menge aller erbrachten Aktivitäten der einzelnen Spieler auf die jeweiligen Kuchenstücke wird am Ende eines Levels verrechnet und ergibt den Spielstand. Es wird sowohl singulär als auch gemeinschaftlich das Spiel gewonnen oder verloren.

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Morgen wird eine neue dem Publikum präsentiert. Sie heißt „Jukebox“ und handelt von einer Liebesgeschichte in den 50iger Jahren. George will Lorraine zum Tanzen auffordern, die Jukebox erleidet einen Defekt und das Publikum soll reparieren. Das geschieht in einem MultiUser Spiel für 8 Personen.

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Auf 40 interaktiven Trittmodulen, die zusammengestellt einen Plattenteller ergeben, wird ein Reaktionsspiel im Sinne eines Sportgames realisiert. Der Plattenteller wird als Controller und als Spielfläche gleichzeitig eingesetzt. Es ist ein überdimensioniertes Boardgame.

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Die zentrale Spielsteuerung geht über Arduinos Mega, Unmengen einzelner RGB LEDs, 40 Taster, und 5 LED PWM Driver mit je 24 Kanälen. Die Programmiersprache ist die grafische Entwicklungsumgebung mit VVVV. Es werden mehrere tausend LED Lichter angesteuert. Die werden gelötet und in die Spielplattform eingebunden.

Bei der gestrigen Probe wurden für den Spielspass die Spielzeit und Schnelligkeit reduziert. Denn die Komplexität der 3 Spiellevels wackelt von Seiten der Programmierung. Immer wieder werden Lichtsignale nicht gesendet oder fallen aus. Das beeinträchtigt die Kontrolle des Spielstands und das Feedback für den Spieler und das Spiel wird intransparent. Wenn die eigene Leistung innerhalb einer kompetitiven Situation nicht abgerufen werden kann, bzw. nicht verstanden senkt es die Spielmotivation.

Ars Electronica: Anatta von Victor Delev und Joanna Gruberska

……..

Im Ars Electronica Center gibt es den Deep Space Präsentations Raum. Auf 16 x 9 m wird der Boden und die Stirnwand nahtlos mit 8 Galaxy NH 12 Projektoren von Barco bespielt. Es ist ein visuelles Erlebnis, der Raum verändert sich, wird zu einer Leinwand ohne Ecken und Kanten. Ein Meer an Möglichkeiten.

In diesem Raum wurde die Tanzperformance Anatta gezeigt. Die Geschichte handelt von dem Menschen, der aus seiner Lebenswelt heraustritt, hinein in die unbegrenzten Formen und Bewegungen, manche folgen, manche grenzen ab und endet wieder in seiner Welt.

Anfangs wird eine strenge schwarz weiss, grafische Umgebung geschaffen. Die Tänzerin mit federleichten Bewegungen und lautlosen Schritten und Sprüngen tritt aus. Grautöne, Schattierungen und grosse Formvielfalt erfüllt den Raum. Schön anzusehen.

Wenn nur die Beamer etwas lautloser wären und besser auf den Raum ausgerichtet, ohne Überlagerungen, dann wäre Deep Space als Aufführungsort nicht zu schlagen.

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© Hochschule der Medien, Studioproduktion Event Media, Stuttgart

Kernsatz: „Befreie die Kaugummikegel aus dem irrsinnigen Labyrinth.

Die Geschichte:

Ein Kaugummiautomat. Mittelpunkt vieler Kindheitsträume und Mysterium zugleich. Winkel, Ecken, Hindernisse – Irrsinn, was sich alles in seinem Inneren abspielt! In diesem Semester werden Besucher der Studioproduktion Event Media diesem Geheimnis auf den Grund gehen. Allein durch Gewichtsverlagerung auf einer 4 mal 4 Meter großen Plattform steuert eine Anzahl von Spielern den Kaugummi durch das irrsinnige Labyrinth. Sie überwinden knifflige Hindernisse, um am Ende an die Kaugummikugel zu kommen. Dieser irrsinnige Kaugummiautomat vereint analoge und digitale Spieltechnik.

© Hochschule der Medien, Studioproduktion Event Media, Stuttgart

Konzept:

Es ist ein Gleichgewichts,-Balance,-Geschicklichkeitsspiel das mit 10 Spielern über ein überdimensioniertes Trackpad gesteuert wird. Das Trackpad  bewegt sich mit. Es wird durch den Standort der Besucher auf dem Pad gekippt.

Spielbeschrieb:
  • Ebenen: 1. Handlungsplattform , 2. Spielansicht Labyrinth (Projektion)
  • Die Ebenen sind miteinander verbunden.
  • Spielziel: Führe die Kugel durch das Labyrinth. Bringe die Kugel ans Ziel.
  • Spielhindernisse: Handlungsplattform: LED Lichter und Rollende Bälle in halbtransparenter Zwischenboden
  • Spielansicht Labyrinth: Löcher, Tunnel, Brücken, Nischen, sehr ausgekaute Kaugummibodenreste

 © Hochschule der Medien, Studioproduktion Event Media, Stuttgart

Spielhandlung: Handlungsplattform
  • 10 Spieler bewegen sich auf einer im Raum installierten kippfähigen Plattform (Handlungsplattform).
  • Der Standort der Spieler kippt die Handlungsplattform.
  • Dadurch wird die Spielansicht Labyrinth gekippt.
    Eine Kugel rollt.

Technik

Kippbare Handlungsplattform:

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Eine 4×4 Meter grosse, begehbare Fläche, die sich durch Gewichtsverlagerung bis zu 10 cm neigen lässt und gleichzeitig Steuerungselement des Computerspiels ist.

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Das Spiel

Unity ist eine 3D Spiel-Engine samt intuitiver Entwicklungsumgebung. Die Inhalte werden auf zahlreichen Plattformen ( PC / Mac, Web wie Mobile ) abgespielt. Die 3D-Modelle der Spiele-Grafik werden im Editor zu einer Szene zusammengesetzt und beleuchtet. Mit C# wird ihr Verhalten beeinflusst, Objekte geniert oder zum Beispiel die Kamera bewegt.

Unity unterstützt  physikalische Gegebenheiten. Es simuliert die auf die Kaugummikugel einwirkende Gravitation und bewegt sie entsprechend bis sie auf ein Hindernis stößt, die Rinnen. Werden diese Rinnen geneigt, kommt die Kugel ins Rollen. Statt die Kugel zu bewegen, bewegt sich ihre Umgebung – wie in einem realen Kugellabyrinth.

Eingesetzte Software:  Final Cut Pro (Bewegtbild), Premiere Pro CS6 (Bewegtbild), Eyeon Fusion (Bewegtbild), After Effects (Bewegtbild), Adobe Photoshop (Grafik), Adobe Illustrator (Grafik), Adobe InDesign (Grafik), Abelton (Ton), Reason (Ton), Vector Works (Bühnenplanung), Java (Programmierung), C++ (Programmierung), Processing (Programmierung), Aruino – Touch, UNITY (Spiel), Madrix NEO (Lichtansteuerung). vvvv (Spielinfor-Projektion), OpenSoundControl ( OSC ) OpenSoundControl ( OSC )

 © Hochschule der Medien, Studioproduktion Event Media, Stuttgart

Eingesetzte Hardware: Adafruit 9-DOF Absolute Orientation IMU Fusion Breakout -BNO055, 3 PC’s, LED-Leisten, Glow Ups. Touch- Displays, DVD-Player, Mobilight, Arri Lichtkoffer 800W, Stativ Manfrotto MA 525 Kit, diffuser Reflektor, RAW Aufnahme Recorder, Beamer, MacBook, Steadicam, kleines Schwenkstativ,  Macrolonboden, Projektoren, Boxen, Mischpult, Steadycam.

 © Hochschule der Medien, Studioproduktion Event Media, Stuttgart

Bildergalerie:

Teilnehmer der Studioproduktion EM IrrSinn:

StudiengangVornameName
AMBAlbert Meet
AMBAlineMüller
MWBAnn-Christine GrözingerHartstern
MWBAnne Budnicki
MWBKonstantinKühnle
AMBLisa MariaStückle
AMBMareike Maaß
AMBMichaelGudath
MWBMoritzLuppold
AMBNilsBeermann
AMBVerena Fleißig
TutorEmanuelApel
Beratung ProgrammierungNadjaWeber
Beratung ProgrammierungThomas Steinbach
*AMB = Audiovisuelle Medien Bachelor (EM – Event Media), MWB = Medienwirtschaft Bachelor, EMM = Elektronische Medien Master, Erasmus = Austauschstudent

Sponsoren: ICT Innovationen-IT-und Medientechnik,   WiesingerMedia, Reinhold Zeitlich Stiftung, HMS easy stretch, Arlt Computer,  HP Gerüstbau, Liganova, Wetterott electroncs, Team Festlich Werbemittel und merchandising, LumiTonix-High Performance LED Technologies & Solutions, Soltz Fotosatz TEXT & Bild, Wulle Biere, Freunde der Förderer der Hochschule der Medien Stuttgart e.V., Close Up Poster-Shirts-Fanartikel,  Anders und sehr.

Bildergalerie:

„GOLD“ von Alexander Tuschinski


 ATuschinskiPortraitWeb2014Alexander Tuschinski versteht sich als Filmemacher der neuen Art. Er ist jung, unermüdlich, experimentell und gewagt. Aber dabei kennt er der Film.  Er weiss die Kraft der Bilder einzusetzen, er kann montieren und collagieren. Aber dabei bleibt die Geschichte erhalten. Ein ungeheuerer Zugewinn für die Filmcommunitiy.  Seine Filme sind humorvoll, manchmal grotesk, immer ein Erlebnis. Neben der Filmmacherei schreibt Herr Tuschinski Bücher. Sein zweites Buch ist gerade fertig geworden. Noch im Selbstverlag erhältlich, aber wir hoffen dass sich dies ändert. Herr Tuschinksi lebt und arbeitet in Stuttgart. Unlängst wurde sein Experimental Kurzfilm „GOLD“ auf der Biennale in Mykonos im Wettbewerb angekommen. Dies haben wir zum Anlass für ein Interview genommen.

Herr Tuschinski, sie sind Autorenfilmemacher. Ihre Filme werden in den USA geliebt, gewinnen Preise und es wird gesagt, sie würden eine neue filmische Sprache entwickeln. Der neue Deutsche Film heisst es da oft:

Welche Filmpreise haben sie bereits gewonnen?

Vielen Dank für die freundlichen Worte! Meine Filme haben in den vergangenen Jahren international mehr als 20 Preise gewonnen – unter anderem hat mein Film „Break-Up“ 2014 bei den American Movie Awards als den Preis als „bester fremdsprachiger Film“ gewonnen, beim Hollywood Reel Independent Film Festival zwei Preise, und bei den Maverick Movie Awards der Preis für die beste Regie.

Was genau macht den Unterschied: ihre filmische Sprache und die bekannte, erwartete Filmsprache?

Bei vielen Filme die ich zur Zeit sehe ist die Filmsprache leider verhältnismäßig „konventionell“, zwar sehr professionell und schön, aber doch nach festen Schemen abgearbeitet, und folgt fast schon lehrbuchmäßig etablierten „Regeln“. Zum Beispiel werden Zooms in Spielfilmen kaum verwendet, Schnitte oft möglichst unauffällig gesetzt, und so weiter. Das sorgt dafür, dass die Zuschauer durch die oft vorhersehbare Filmgrammatik (Totale geht zu Close-Up, etc.) nicht so stark gefordert werden, da sie in ihren erwarteten Sehgewohnheiten entsprechen und der Signifikat (die transportierte Story) den konservativ-berechenbaren Signifikanten (die Art, wie sie dargestellt wird) in der Wahrnehmung massiv überragt.

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In meinen Filmen versuche ich möglichst, „Regeln“ zu vergessen und trotzdem konventionell genug zu bleiben, damit sie noch von einem großen Publikum verstanden werden; die Idee ist dass aufmerksame Zuschauer in meinen Filmen gerade auf technischer Ebene noch viele Details entdecken können, welche über die „Story“ hinausgehen. Ich liebe kurze Close-Ups, um eine Stimmung aufzubauen, Zooms und unerwartete Schnitte, um die Zuschauer aus einer gewissen „Lethargie“ gegenüber des Signifikanten zu reißen. Das im Film dargestellte Geschehen, die Aussage – der Signifikat – soll nicht so stark im Vordergrund stehen, sondern gleichwertig mit der Art, wie es gesagt wird (dem Signifikant) bewusst aufgenommen werden. Denn das ist eine Ebene, welche mindestens ebenso interessant wie die „Story“ sein kann, mit ihr verwoben ist. Ich verwende gerne eine Analogie zur Sprache, was Filmgrammatik angeht: Für mich gibt es „Substantive“ (Einstellungen, die ein Ding an sich zeigen, z.B. Totalen), „Verben“ (Aktionen, die gezeigt werden in Close-Ups etc.), und Adjektive (beschreibende Dinge, Cut-Aways, Details). Während zahlreiche Filme nach dieser Sichtweise sprachlich und grammatikalisch „klassisch“ konventionell bleiben, versuche ich in meiner Bildsprache nach Slam-Poetry-Manier die Wörter unerwartet durcheinanderzuwerfen, neue grammatikalische Konstrukte zu bauen und trotzdem ein sinnvolles Ganzes zu ergeben.

Ich orientiere mich an Sergei Eisenstein und Dziga Vertov, sowie dem Frühwerk meiner Freunde Tinto Brass (der übrigens in den 60ern von Umberto Eco mit zwei Kurzfilmen beauftragt wurde, die damals eine neue Bildsprache einläuteten) sowie Hugo Niebeling, der als Mitbegründer der modernen Musikvideo-Bildsprache gilt. Alle genannten hielten und halten sich in ihren Arbeiten nicht an etablierte Konventionen, sondern arbeiteten eher nach sehr subjektivem Gefühl, so wie sie es ästhetisch als „richtig“ empfanden.

Sie machen Spielfilme, Kurzfilme und auch experimentelle Filme. Zum Beispiel ist der Experimentalfilm GOLD gerade auf der Filmbiennale in Mykonos angenommen worden. Erzählen sie wie sie zur Idee kamen und was gezeigt wird.

Die Idee zu Gold war sehr spontan. Als ich dieses Jahr Geisterstädte in der Wüste besuchte in denen im 19. Jahrhundert Bergbau betrieben wurde, hatte ich eine DSLR-Kamera dabei, um Fotos zu machen und kurze Clips zu drehen, als „Urlaubserinnerung“. Als ich dort allerdings ankam, merkte ich, wie interessant es aussieht, und vergaß den „Urlaub“: Meine Freunde und ich begannen Kilometer um Kilometer zurückzulegen, um immer mehr interessante Bilder zu filmen, und besuchten schließlich auch einen Wald mit Mammut-Bäumen, um einen Kontrast zu den Wüstenbildern hinzukriegen. Alle visuellen Ideen kamen uns dabei spontan, es gab kein „Location-Scouting“, aus Zeitgründen konnten wir nicht oft an die Drehorte. Wir legten an einem Tag 20 Kilometer durch bergiges Gebiet zurück, es war sehr anstrengend, aber am Ende hatte ich 6 Stunden Filmmaterial aus unzähligen Kameraperspektiven.

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Beim Schnitt kam mir die Idee, das Finale von Beethovens siebter Sinfonie als musikalische Untermalung zu nehmen – Richard Wagner nannte es die „Apotheose des Tanzes“. Ich habe den Film in nur vier Tagen Ende März 2015 geschnitten, es war eine wahnsinnig intensive Zeit, um am Ende eine Choreographie unbewegter Objekte zur Musik zu haben, die nur durch Montage sowie Kamerabewegung eine zur Musik passende Dynamik entwickeln.

Welche Aussage wollen sie treffen? Ist es eher zufällig oder haben sie etwas bestimmtes im Kopf gehabt.

Beim Filmen dachte ich schon, dass wir den Kontrast zwischen Natur und (verfallenden) menschlichen Strukturen darstellen können: Alles menschliche geht in der Natur auf. Im Schnitt habe ich die Aussage auch scharf herausgearbeitet: Kamerafahrten einen Mammutbaum hinauf werden mit gleichen Kamerafahrten bei einem rostigen Auto gegengeschnitten und gehen schließlich in einer Drehung durch Baumwipfel auf; Ein (durch die Kameraführung) rotierender Eingang zu einem verlassenen Bergwerk geht schließlich in einem (rotierenden) Berg auf, und so weiter.

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Würden sie Gold als einen Anfang für weitere Filme in dieser Art sehen?

Auf jeden Fall. Inwiefern Gold andere Filmemacher beeinflusst, kann ich zwar noch nicht sicher sagen – aber für meine persönliche Entwicklung als Regisseur ist der Film sehr wichtig. Einer meiner Pläne ist es, die gesamte siebte Sinfonie von Beethoven in der Art zu „verfilmen“, mit „Gold“ als Finale. Außerdem planen Hugo Niebeling und ich mehrere gemeinsame Projekte in ähnlichem Stil, die allesamt sehr innovativ und neu in Bildsprache und Ausdruck sind.

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Erzählen sie von ihrer Kameraarbeit bei Spielfilmen.

Bei Spielfilmen versuche ich auch möglichst viele originelle Perspektiven zu filmen – aber nicht so extrem wie bei „Gold.“. Bei Gold entsteht die Dynamik, die Aussage durch die Kameraführung und Montage, der Signifikant erzeugt praktisch erst die Aussage des Films. In Spielfilmen muss für mich die Kameraführung zwar originell sein, aber doch auch der „Story“ Platz lassen.

Ein Beispiel wäre z.B. mein Kurzfilm „Hollow Date“, der eine etwas erweiterte Szene aus meinem Spielfilm „Break-Up“ ist. In meinen Spielfilmen verwende ich möglichst viele originelle Kameraperspektiven, aber orientiere mich in der Grammatik immer noch an den Konventionen, um sie verständlich zu halten. Um das Beispiel Slam-Poetry vs. klassische Literatur aufzugreifen, und die Analogie zur Sprache darin: Ich werfe „Wörter“, also Einstellungsarten, darin durcheinander, arbeite vielleicht mit mehr Adjektiven, Substantiven etc. als andere, aber jeder „Satz“ muss doch Subjekt, Prädikat, Objekt haben, damit der Rezipient ihn verstehen kann. Aber er sollte nicht nur lehrbuchmäßig formuliert sein, sonst wird es dabei langweilig.

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Erzählen sie über ihre Herangehensweise wenn es ums Storyboarden geht. Als Autorenfilmemacher, halten sie das für wichtig?

Das Storyboarden ist eine starke Geschmacksfrage, ich kenne Filmemacher die es nicht missen mögen, andere, die es nicht machen. Ich persönlich storyboarde sehr wenig. Beim Schreiben von Szenen habe ich öfters zwar Einstellungen im Kopf – aber vertraue auf die Inspiration am Set, und das hat bisher immer geklappt. Ein „Trick“, den ich verwende: Ich filme die gesamte Szene zunächst aus einer Totalen; dann die Nahaufnahmen, alles klassisch; und dann die interessanteren, ungewöhnlichen Perspektiven. Sollte es zeitlich nicht klappen alles zu filmen, kann man dann im Schnitt notfalls immer wieder zur Totalen ausweichen, und spart sich Nachdrehs. Aber zum Glück ist es noch nie so weit gekommen, dass es nötig gewesen wäre.

Ich empfinde es als am Wichtigsten, viele Filme zu schauen, die einem gefallen, damit man im Kopf ein spontanes Stilempfinden entwickelt. Ich z.B. mag frühe Werke von Tinto Brass sehr („L’Urlo“, der auf der Berlinale 1970 lief, „Col Cuore in Gola“ von 1965 etc.), und habe viel analysiert, was mir an der Kameraarbeit gefällt und dies in meinen Stil einfließen lassen. Wenn wir schnell eine Totale filmen, weiß ich auch spontan, dass sie nach meinem Empfinden „elegant“ ist, wenn man sie von unten und sehr weitwinklig filmt; so ein Empfinden für den Stil der einem gefällt kann einem bei hektischen Drehs viel Zeit sparen, wenn man ohne Storyboards arbeitet.

Welche Bedeutung haben Schauspieler und Schauspielführung bei ihren Filmen?

Eine sehr große. Die Schauspieler füllen die Szene erst mit Leben. Auf meinen Sets probe ich viel, und lasse die Schauspieler auch improvisieren und eigene Ideen einbringen. Da ich alle meine Spielfilme bisher auch selbst geschrieben habe, hat es den Vorteil, dass ich das Drehbuch ohne schlechtes Gewissen auch am Set noch abändern kann. Zum Beispiel lasse ich Darsteller den Text in einem gewissen Rahmen abändern, damit er zu ihrer Interpretation der Rolle auch besser passt und „natürlicher“ wirkt. Ich arbeite oft mit neuen Schauspielern, für die meine Filme teils die erste Filmrolle überhaupt sind, und durch lange Proben sind sie – sobald die Kameras laufen – sicher und routiniert.

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Für „Timeless“ arbeite ich erstmals auch mit Hollywood-Schauspielern zusammen, und es war sehr interessant: Rick Shapiro – ein bekannter und sehr talentierter Stand-Up Comedian – improvisierte, nachdem wir das abgesprochen hatten, viele seiner Monologe und benutzte mein Drehbuch quasi als „Sprungbrett“, um den Inhalt mit eigenen Worten zu transportieren.

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Wir alle am Set liebten es; und im Schnitt setzte ich dann die Szenen mit ihm aus zahlreichen verschiedenen Takes zusammen, führte praktisch im Schneideraum weiter Regie. Harry Lennix, ein bekannter Shakespeare-Darsteller, hatte einen anderen Ansatz: Er und ich arbeiteten vor dem Dreh an seinem Part, und während des Filmens spielte er mit perfekter Wiederholgenauigkeit sehr präzise seine Rolle.

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Bei den verschiedenen Ansätzen ist aber gemeinsam, dass die Darsteller für ihre Rolle bei mir immer mitreden dürfen. Und für Schauspielerführung sowie auch allgemein finde ich wichtig, dass auf dem Set eine gute Stimmung herrscht, man eventuelle Missgeschicke mit Humor sieht, etc. Die entspannte Atmosphäre tut nicht nur allen Beteiligten gut – man sieht es auch in den Performances der Darsteller; wer entspannt und mit Spaß bei der Sache ist, kann leichter schauspielern.

Herr Tuschinski, wir dürfen uns für dieses Interview bedanken und hoffen in der Zukunft viel von Ihnen zu hören. Danke dass sie sich die Zeit genommen haben. Abschliessend wollen wir darauf verweisen, dass alle Fotografien © von Herrn Alexander Tuschinski sind.