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Ashes ist ein Kurzfilm von Steve McQueen. Jener Steve McQueen, der auch „12 Years a Slave“ oder „Shame“ oder „Hunger“ gemacht hat. Er wurde 1969 in England geboren. Den kennen wir, denn „12 Years a Slave“ wurde mit einem Oscar ausgezeichnet. Dieser Mann macht viele Kurzfilme, mehr als 20 sind schon veröffentlicht. Und einer davon ist Ashes und ist auf der Biennale in Venedig zu sehen.
Es ist die Geschichte von Ashes, einem jungen Mann aus der Karibik irgendwo. Er ist unbedarft, kann schwimmen und mit dem Meer spielen wie kein anderer. Er lässt sich mit dem Drogenkartel ein und wird erschossen. Das war es.
Die Installation im Arsenal ist puristisch. In einem dunkeln Raum hängt in der Mitte eine von beiden Seiten bespielte Leinwand. Auf der einen sehen wir Ashes auf dem Boot. Selbstbewusst, lächelt dieser junge Mann in die Kamera. Er steht auf, balanciert, lacht und dann irgendwann doch verliert er die Balance und fällt ins Meer. Klettert wieder hoch, lacht. Ein Meister des Meeres.
Auf der Anderen Seite der Leinwand sehen wir, wie ein Grab gebaut wird. Es ist ein mühevolles Unternehmen. Sie werden in Etagen gegossen, es wird ein Grabstein hergestellt, eine Inschrift eingeschnitten und eingelegt. Es dauert. Es ist das Grab von Ashes. Dieser junge Mann, dieser Meister der Wellen.
Und dazu hören wir aus dem Off eine Erzählstimme: „I know Ashes as a friend. All of us were young man. We grew up in one neighbourhood. So, it’s like, we used to live in a ghetto. You understand. All of us dive together. Going fishing, diving, you know, everything. But you know, Ashes is a good guy, a brilliant guy in the ocean. You understand. But with this thing, with the drugs thing there, I don’t know where he found the drugs. I didn’t know. He come out from the island, I just came for school in the evening, cleaning the house. And he came and he walk into the house with all the wet clothes on him, all the sand on his feet, and I ask him „ Ashes“ I say what kind of big thing is that? Don’t you see I am cleaning and you just walk in like that? He say ‚right now I am rich, I can do anything’ So I turn to him and my next friend turns to him and asks him ‚well what?’.
He turns and says, ‚we found something on the island and we can’t spend the money now’. So Kevin turned to him and says ‚well give it back’. We never knew he had found the drugs. You understand. But we go out as normal. And until we, till we hear other talk that they were camping in Isle de Ronde, you understand so they were going below the land, to behind, for the fish and they saw some drugs on the beach, so they saw it and nobody was there so they took it. And then things, some guys came investigating, finding out who is Ashes, who is this, who is that, you understand, who are the other guys. Then they kidnap one guy. I think the one guy say they beat him. So he had to talk for his life. So he talk and he sell out them others. And then they keep one guy, go with him in the van, they drive him around and they ask him to show them who is Ashes. So the guy shows them who is Ashes.
The night we sat down by the bus terminal and somebody came in and say ‚Ashes, I just pass some guys in a car asking for you, you know’ and Kevin says ‚well if so, Ashes you better come out on the road now’. He says ‚Man I don’t really care you know’. When they came for him they said ‚come let’s go’. He says, ‚I m not going anywhere with all you if you have to kill me, kill me here in me people’s presence for them to see. I’m not going anywhere’ and then they shoot him in the hand for him to let go of what he was holding. And when they shoot him in the hand, he let go but he tried to run and then they shoot him in the back and when he fell one of them guys went over to him and shoot him up around his belly and his legs and thing. And that was about it.“
Das also ist die Geschichte von Ashes. Er war tapfer auf seine Art. Er war naiv, er war wild, er war ein guter Kerl. Er stahl Drogen vom Strand wurde gesucht, verraten, gefunden und erschossen. Es erzählt ein Freund oder Bekannter. Einer der so was kennt. Einer der erschüttert ist, traurig und gefasst. So geht es. So sterben junge Menschen. Und Ashes hat die Balance verloren.
Vor einigen Wochen berichtete ich bereits von der Teilnahme des experimentellen Kurzfilms GOLD bei der Biennale in Mykonos. Dieser Kurzfilm ist eine Collage aus Bildern und Filmen verlassener Goldgräberstädte Amerikas mit den Regenwaldgiganten. Die Musik von Beethoven gibt den Takt und das Schnittmuster vor. Und deshalb verdichtet sich das Bildwerk rhythmisch. Schneller und wilder werden die Impressionen, es ist ein Sog und ein Dahintaumeln. Wer diesen Kurzfilm sieht, erkennt die Verbindung, die inhaltliche und symbolische Aufladung der Bilder mit der Musik, ein dramatisches Werk.
Lydia Venieri mit Alexander Tuschinski und dem Goldenen Pelikan, der ja eigentlich weiss ist.
Herr Alexander Tuschinski hat meiner Neugierde die Spitze genommen und in einem Interview Fragen beantwortet. Vielen Dank Herr Tuschinski, dass sie sich die Zeit genommen haben. Und das obwohl sie gerade an einem Kurzfilm mit dem grossen Hugo Niebeling arbeiten und den Film TIMELESS weiter vorantreiben. Wie ich erfuhr, konnten sie Helmut Berger (bekannt aus Visconti-Filmen) und Zachi Noy (aus „Eis am Stiel“) ans Set bekommen. Meinen Glückwunsch. Ich warte schon gespannt auf die Fertigstellung von Timeless und hoffe, sie erneut zu diesem Film interviewen zu dürfen. Aber jetzt will ich über GOLD sprechen.
Gold hat Gold gewonnen. Herr Tuschinski: mit welcher Begründung wurde der Beitrag geehrt?
Danke. Die Biennale-Präsidentin Lydia Venieri schrieb zum Film: „Alexander Tuschinski in Gold narrates the constant story of the exploits just with images and music like a story in a song with a very original personal way who make me think of the diaries of historians . His original and personal style make us honor Gold with The Golden Pelican.“
Gab es viele und unterschiedliche Kategorien?
Es gab bei der Mykonos-Biennale verschiedene Kategorien Filme: Kurzfilme, die abends in einem Amphitheater gezeigt wurden wie bei einem „klassischen“ Filmfestival; und „Video-Graffiti“. Das sind Kurzfilme, die an verschiedenen Stellen der Altstadt an Häuser projiziert wurden und dann von den Passanten wie ‚bewegtes Graffiti’ gesehen wurden. Der Goldene Pelikan wurde allerdings nicht nach Kategorien vergeben, sondern nach Jury-Entscheidung für die besten Filme des Festivals.
Welche Kriterien wurden ausgelobt? Oder war es eine juryinterne Entscheidung ohne vorherigen Kriterienkatalog?
Erst direkt nach der Vorführung des Films erfuhr ich davon, dass er den Preis gewinnt. Das war sehr überraschend – eine juryinterne Entscheidung. Allerdings war mir schon vorher aufgefallen, dass fast alle Festival-Mitarbeiter, die ich traf den Film kannten… Die Kriterien waren – soweit ich es mitbekommen habe – Originalität und Kreativität. Aber es war eine juryinterne Entscheidung.
Wieviele Einreichungen gab es?
Die Biennale erhielt natürlich viel mehr Einreichungen als Filme gezeigt wurden. Im Wettbewerb liefen etwa 80 Kurzfilme, das genaue Programm gibt es auf http://mykonosbiennale.com/filmfestival/program/dramatic-nights/ Ich war begeistert wie divers das Programm war – von abstrakten audiovisuellen Experimenten bis zum „klassisch“ narrativen Kurzfilmen waren nahezu alle Arten von Filmen vertreten, und viele internationale Filmemacher waren dafür angereist.
Welche Pläne wird dieser Gewinne nach sich ziehen? Wird ein weiteres Projekt angeschlossen?
Auf Mykonos selbst habe ich viel gefilmt und plane, meinen Film „Gold.“ damit zu erweitern. Ich plane daraus ein audiovisuelles Kaleidoskop verschiedener Gegenden und Zeiten zu machen – von den antiken Ruinen auf Delos über verlassene Goldminen in Kalifornien bis hin zu den Mammutbäumen der amerikanischen Westküste. Der Preis motiviert ungemein. Außerdem habe ich auf dem Festival einige internationale Kontakte geknüpft, die für zukünftige Projekte sehr interessant sein können.
Werden sie neben Ihren Spielfilmen stärker die Experimentalfilme in den Fokus des Schaffens setzen?
Das ist eine gute Frage. Zur Zeit arbeite ich hauptsächlich an meinem Film „Timeless“, für den Anfang August Helmut Berger (bekannt aus Visconti-Filmen) und Zachi Noy (aus „Eis am Stiel“) vor der Kamera standen.
Mein Hauptaugenmerk wird auch in Zukunft auf den Spielfilmen liegen, und dazwischen immer mal wieder ein kurzer Experimentalfilm. Wobei Spielfilm und Experimentalfilm sich ja nicht ausschließen. Wie ich schon im vorherigen Interview ausgeführt habe, ist auch bei meinen Spielfilmen, die eine Story transportieren, die Bildsprache sehr experimentell. Jetzt im August habe ich mich z.B. richtig in Helmut Bergers Augen „verliebt“ und viele Nahaufnahmen seiner intensiven Blicke gedreht, durch die seine Szene eine ganz ungewohnte visuelle Dynamik entwickelt. Ein Stilmittel, das z.B. in Sergio Leones Western öfters in kurzen Momenten verwendet wird (extreme Nahen von Blicken während Dialogen), dehne ich hier auf eine längere Szene aus. Bergers Augen nehmen teils seine Antworten / Reaktionen vorweg; um in meiner Analogie aus dem letzten Interview zu bleiben: Seine Blicke sind schon die „Verben“ in der Bildsprache, sie sagen alles aus, das Gesprochene dient nur noch als Bekräftigung. Außerdem verwende ich Bergers Blicke als „roten Faden“ durch den Film – durch sehr experimentelle Schnitte. Was das genau heißt, können die Zuschauer im fertigen Film sehen – diese eher experimentellen Schnitte lassen die Botschaft des Films noch intensiver werden. Einen längeren englischen Artikel zur Zusammenarbeit mit Berger habe ich vor ein paar Tagen veröffentlicht. http://www.alexander-tuschinski.de/resources/Helmut_Berger_Article_2015_Timeless_Alexander_Tuschinski.pdf
Welche experimentellen Vorgänge planen sie? Wird sich das Experiment auf Narration, auf Kameraarbeit, auf Lichtsetzung, auf Schnitttechnik, auf Postproduktion beziehen?
Bei der Narration arbeite ich gerne unkonventionell und abseits von allen Genrekonventionen. Ich mag es nicht, wenn man – durch das „Genre“ – schon relativ schnell sagen kann in welche Richtung sich ein Film entwickeln wird. Timeless ist deshalb unberechenbar – er ist Satire, Komödie, wird Drama, wird Kriegsfilm, wird Slapstick, wird plötzlich ernst – wie das reale Leben. Für mich ist Timeless bisher mein bedeutendstes Werk, sowohl von der besonderen Filmgrammatik als auch von der starken Aussage zu Gesellschaft und Leben.
Hauptsächlich ist das Experimentelle bei mir aber immer die Kameraführung und der Schnitt. Beides in Kombination kann sehr interessante Effekte erzielen, wenn man sich auf spontane Intuition dabei verlässt und sich nicht nach vorgefertigten Schemata richtet. Als ich neulich in Paris war hatte ich dazu ein sehr interessantes Gespräch mit einem Besucher der Cinémathèque française: Er meinte, dass alle filmischen Experimente schon gemacht seien; wenn man sich das experimentelle Schaffen von z.B. Dziga Vertov und anderen Filmpionieren schon aus den 20ern ansieht, kann man versucht sein dem zuzustimmen – es ist nicht leicht etwas komplett Neues zu schaffen was noch nie so gemacht wurde. Aber meiner Meinung nach ist es möglich, wie bei der Analogie zur Sprache. Die einzelnen Wörter sind alle schon zig-millionenfach verwendet worden in Werken. Vielleicht auch einzelne Formulierungen. Aber es ist immer noch möglich sie zu etwas ganz Neuem zu kombinieren. Um es auf Film anzuwenden: Es ist schwer, eine Einstellung zu drehen an die wirklich noch niemand gedacht hat. Aber in der Montage sind die Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft. Man muss nur versuchen, unvoreingenommen zu denken wenn man dreht und schneidet.
Das Interview wurde in der Zeit zwischen dem 6. Juli und 10. August online geführt. Immer wieder tauschten wir uns aus bis heute. Ein schöner Dialog, der auch eher experimentell geführt wurde als geplant. Vielen Dank Herr Tuschinski für ihre Zeit und Ihre aufschlussreichen Antworten. Ich freue mich auf das nächste Interview mit Ihnen.
Die Bilder und Fotografien stammen von Alexander Tuschinski und unterliegen seinem Copyright.
Alexander Tuschinski versteht sich als Filmemacher der neuen Art. Er ist jung, unermüdlich, experimentell und gewagt. Aber dabei kennt er der Film. Er weiss die Kraft der Bilder einzusetzen, er kann montieren und collagieren. Aber dabei bleibt die Geschichte erhalten. Ein ungeheuerer Zugewinn für die Filmcommunitiy. Seine Filme sind humorvoll, manchmal grotesk, immer ein Erlebnis. Neben der Filmmacherei schreibt Herr Tuschinski Bücher. Sein zweites Buch ist gerade fertig geworden. Noch im Selbstverlag erhältlich, aber wir hoffen dass sich dies ändert. Herr Tuschinksi lebt und arbeitet in Stuttgart. Unlängst wurde sein Experimental Kurzfilm „GOLD“ auf der Biennale in Mykonos im Wettbewerb angekommen. Dies haben wir zum Anlass für ein Interview genommen.
Herr Tuschinski, sie sind Autorenfilmemacher. Ihre Filme werden in den USA geliebt, gewinnen Preise und es wird gesagt, sie würden eine neue filmische Sprache entwickeln. Der neue Deutsche Film heisst es da oft:
Welche Filmpreise haben sie bereits gewonnen?
Vielen Dank für die freundlichen Worte! Meine Filme haben in den vergangenen Jahren international mehr als 20 Preise gewonnen – unter anderem hat mein Film „Break-Up“ 2014 bei den American Movie Awards als den Preis als „bester fremdsprachiger Film“ gewonnen, beim Hollywood Reel Independent Film Festival zwei Preise, und bei den Maverick Movie Awards der Preis für die beste Regie.
Was genau macht den Unterschied: ihre filmische Sprache und die bekannte, erwartete Filmsprache?
Bei vielen Filme die ich zur Zeit sehe ist die Filmsprache leider verhältnismäßig „konventionell“, zwar sehr professionell und schön, aber doch nach festen Schemen abgearbeitet, und folgt fast schon lehrbuchmäßig etablierten „Regeln“. Zum Beispiel werden Zooms in Spielfilmen kaum verwendet, Schnitte oft möglichst unauffällig gesetzt, und so weiter. Das sorgt dafür, dass die Zuschauer durch die oft vorhersehbare Filmgrammatik (Totale geht zu Close-Up, etc.) nicht so stark gefordert werden, da sie in ihren erwarteten Sehgewohnheiten entsprechen und der Signifikat (die transportierte Story) den konservativ-berechenbaren Signifikanten (die Art, wie sie dargestellt wird) in der Wahrnehmung massiv überragt.
In meinen Filmen versuche ich möglichst, „Regeln“ zu vergessen und trotzdem konventionell genug zu bleiben, damit sie noch von einem großen Publikum verstanden werden; die Idee ist dass aufmerksame Zuschauer in meinen Filmen gerade auf technischer Ebene noch viele Details entdecken können, welche über die „Story“ hinausgehen. Ich liebe kurze Close-Ups, um eine Stimmung aufzubauen, Zooms und unerwartete Schnitte, um die Zuschauer aus einer gewissen „Lethargie“ gegenüber des Signifikanten zu reißen. Das im Film dargestellte Geschehen, die Aussage – der Signifikat – soll nicht so stark im Vordergrund stehen, sondern gleichwertig mit der Art, wie es gesagt wird (dem Signifikant) bewusst aufgenommen werden. Denn das ist eine Ebene, welche mindestens ebenso interessant wie die „Story“ sein kann, mit ihr verwoben ist. Ich verwende gerne eine Analogie zur Sprache, was Filmgrammatik angeht: Für mich gibt es „Substantive“ (Einstellungen, die ein Ding an sich zeigen, z.B. Totalen), „Verben“ (Aktionen, die gezeigt werden in Close-Ups etc.), und Adjektive (beschreibende Dinge, Cut-Aways, Details). Während zahlreiche Filme nach dieser Sichtweise sprachlich und grammatikalisch „klassisch“ konventionell bleiben, versuche ich in meiner Bildsprache nach Slam-Poetry-Manier die Wörter unerwartet durcheinanderzuwerfen, neue grammatikalische Konstrukte zu bauen und trotzdem ein sinnvolles Ganzes zu ergeben.
Ich orientiere mich an Sergei Eisenstein und Dziga Vertov, sowie dem Frühwerk meiner Freunde Tinto Brass (der übrigens in den 60ern von Umberto Eco mit zwei Kurzfilmen beauftragt wurde, die damals eine neue Bildsprache einläuteten) sowie Hugo Niebeling, der als Mitbegründer der modernen Musikvideo-Bildsprache gilt. Alle genannten hielten und halten sich in ihren Arbeiten nicht an etablierte Konventionen, sondern arbeiteten eher nach sehr subjektivem Gefühl, so wie sie es ästhetisch als „richtig“ empfanden.
Sie machen Spielfilme, Kurzfilme und auch experimentelle Filme. Zum Beispiel ist der Experimentalfilm GOLD gerade auf der Filmbiennale in Mykonos angenommen worden. Erzählen sie wie sie zur Idee kamen und was gezeigt wird.
Die Idee zu Gold war sehr spontan. Als ich dieses Jahr Geisterstädte in der Wüste besuchte in denen im 19. Jahrhundert Bergbau betrieben wurde, hatte ich eine DSLR-Kamera dabei, um Fotos zu machen und kurze Clips zu drehen, als „Urlaubserinnerung“. Als ich dort allerdings ankam, merkte ich, wie interessant es aussieht, und vergaß den „Urlaub“: Meine Freunde und ich begannen Kilometer um Kilometer zurückzulegen, um immer mehr interessante Bilder zu filmen, und besuchten schließlich auch einen Wald mit Mammut-Bäumen, um einen Kontrast zu den Wüstenbildern hinzukriegen. Alle visuellen Ideen kamen uns dabei spontan, es gab kein „Location-Scouting“, aus Zeitgründen konnten wir nicht oft an die Drehorte. Wir legten an einem Tag 20 Kilometer durch bergiges Gebiet zurück, es war sehr anstrengend, aber am Ende hatte ich 6 Stunden Filmmaterial aus unzähligen Kameraperspektiven.
Beim Schnitt kam mir die Idee, das Finale von Beethovens siebter Sinfonie als musikalische Untermalung zu nehmen – Richard Wagner nannte es die „Apotheose des Tanzes“. Ich habe den Film in nur vier Tagen Ende März 2015 geschnitten, es war eine wahnsinnig intensive Zeit, um am Ende eine Choreographie unbewegter Objekte zur Musik zu haben, die nur durch Montage sowie Kamerabewegung eine zur Musik passende Dynamik entwickeln.
Welche Aussage wollen sie treffen? Ist es eher zufällig oder haben sie etwas bestimmtes im Kopf gehabt.
Beim Filmen dachte ich schon, dass wir den Kontrast zwischen Natur und (verfallenden) menschlichen Strukturen darstellen können: Alles menschliche geht in der Natur auf. Im Schnitt habe ich die Aussage auch scharf herausgearbeitet: Kamerafahrten einen Mammutbaum hinauf werden mit gleichen Kamerafahrten bei einem rostigen Auto gegengeschnitten und gehen schließlich in einer Drehung durch Baumwipfel auf; Ein (durch die Kameraführung) rotierender Eingang zu einem verlassenen Bergwerk geht schließlich in einem (rotierenden) Berg auf, und so weiter.
Würden sie Gold als einen Anfang für weitere Filme in dieser Art sehen?
Auf jeden Fall. Inwiefern Gold andere Filmemacher beeinflusst, kann ich zwar noch nicht sicher sagen – aber für meine persönliche Entwicklung als Regisseur ist der Film sehr wichtig. Einer meiner Pläne ist es, die gesamte siebte Sinfonie von Beethoven in der Art zu „verfilmen“, mit „Gold“ als Finale. Außerdem planen Hugo Niebeling und ich mehrere gemeinsame Projekte in ähnlichem Stil, die allesamt sehr innovativ und neu in Bildsprache und Ausdruck sind.
Erzählen sie von ihrer Kameraarbeit bei Spielfilmen.
Bei Spielfilmen versuche ich auch möglichst viele originelle Perspektiven zu filmen – aber nicht so extrem wie bei „Gold.“. Bei Gold entsteht die Dynamik, die Aussage durch die Kameraführung und Montage, der Signifikant erzeugt praktisch erst die Aussage des Films. In Spielfilmen muss für mich die Kameraführung zwar originell sein, aber doch auch der „Story“ Platz lassen.
Ein Beispiel wäre z.B. mein Kurzfilm „Hollow Date“, der eine etwas erweiterte Szene aus meinem Spielfilm „Break-Up“ ist. In meinen Spielfilmen verwende ich möglichst viele originelle Kameraperspektiven, aber orientiere mich in der Grammatik immer noch an den Konventionen, um sie verständlich zu halten. Um das Beispiel Slam-Poetry vs. klassische Literatur aufzugreifen, und die Analogie zur Sprache darin: Ich werfe „Wörter“, also Einstellungsarten, darin durcheinander, arbeite vielleicht mit mehr Adjektiven, Substantiven etc. als andere, aber jeder „Satz“ muss doch Subjekt, Prädikat, Objekt haben, damit der Rezipient ihn verstehen kann. Aber er sollte nicht nur lehrbuchmäßig formuliert sein, sonst wird es dabei langweilig.
Erzählen sie über ihre Herangehensweise wenn es ums Storyboarden geht. Als Autorenfilmemacher, halten sie das für wichtig?
Das Storyboarden ist eine starke Geschmacksfrage, ich kenne Filmemacher die es nicht missen mögen, andere, die es nicht machen. Ich persönlich storyboarde sehr wenig. Beim Schreiben von Szenen habe ich öfters zwar Einstellungen im Kopf – aber vertraue auf die Inspiration am Set, und das hat bisher immer geklappt. Ein „Trick“, den ich verwende: Ich filme die gesamte Szene zunächst aus einer Totalen; dann die Nahaufnahmen, alles klassisch; und dann die interessanteren, ungewöhnlichen Perspektiven. Sollte es zeitlich nicht klappen alles zu filmen, kann man dann im Schnitt notfalls immer wieder zur Totalen ausweichen, und spart sich Nachdrehs. Aber zum Glück ist es noch nie so weit gekommen, dass es nötig gewesen wäre.
Ich empfinde es als am Wichtigsten, viele Filme zu schauen, die einem gefallen, damit man im Kopf ein spontanes Stilempfinden entwickelt. Ich z.B. mag frühe Werke von Tinto Brass sehr („L’Urlo“, der auf der Berlinale 1970 lief, „Col Cuore in Gola“ von 1965 etc.), und habe viel analysiert, was mir an der Kameraarbeit gefällt und dies in meinen Stil einfließen lassen. Wenn wir schnell eine Totale filmen, weiß ich auch spontan, dass sie nach meinem Empfinden „elegant“ ist, wenn man sie von unten und sehr weitwinklig filmt; so ein Empfinden für den Stil der einem gefällt kann einem bei hektischen Drehs viel Zeit sparen, wenn man ohne Storyboards arbeitet.
Welche Bedeutung haben Schauspieler und Schauspielführung bei ihren Filmen?
Eine sehr große. Die Schauspieler füllen die Szene erst mit Leben. Auf meinen Sets probe ich viel, und lasse die Schauspieler auch improvisieren und eigene Ideen einbringen. Da ich alle meine Spielfilme bisher auch selbst geschrieben habe, hat es den Vorteil, dass ich das Drehbuch ohne schlechtes Gewissen auch am Set noch abändern kann. Zum Beispiel lasse ich Darsteller den Text in einem gewissen Rahmen abändern, damit er zu ihrer Interpretation der Rolle auch besser passt und „natürlicher“ wirkt. Ich arbeite oft mit neuen Schauspielern, für die meine Filme teils die erste Filmrolle überhaupt sind, und durch lange Proben sind sie – sobald die Kameras laufen – sicher und routiniert.
Für „Timeless“ arbeite ich erstmals auch mit Hollywood-Schauspielern zusammen, und es war sehr interessant: Rick Shapiro – ein bekannter und sehr talentierter Stand-Up Comedian – improvisierte, nachdem wir das abgesprochen hatten, viele seiner Monologe und benutzte mein Drehbuch quasi als „Sprungbrett“, um den Inhalt mit eigenen Worten zu transportieren.
Wir alle am Set liebten es; und im Schnitt setzte ich dann die Szenen mit ihm aus zahlreichen verschiedenen Takes zusammen, führte praktisch im Schneideraum weiter Regie. Harry Lennix, ein bekannter Shakespeare-Darsteller, hatte einen anderen Ansatz: Er und ich arbeiteten vor dem Dreh an seinem Part, und während des Filmens spielte er mit perfekter Wiederholgenauigkeit sehr präzise seine Rolle.
Bei den verschiedenen Ansätzen ist aber gemeinsam, dass die Darsteller für ihre Rolle bei mir immer mitreden dürfen. Und für Schauspielerführung sowie auch allgemein finde ich wichtig, dass auf dem Set eine gute Stimmung herrscht, man eventuelle Missgeschicke mit Humor sieht, etc. Die entspannte Atmosphäre tut nicht nur allen Beteiligten gut – man sieht es auch in den Performances der Darsteller; wer entspannt und mit Spaß bei der Sache ist, kann leichter schauspielern.
Herr Tuschinski, wir dürfen uns für dieses Interview bedanken und hoffen in der Zukunft viel von Ihnen zu hören. Danke dass sie sich die Zeit genommen haben. Abschliessend wollen wir darauf verweisen, dass alle Fotografien © von Herrn Alexander Tuschinski sind.
Korea hat in den letzten Jahren auf der Biennale stets einen Höhepunkt dargestellt. So sind wir gespannt was dieses Mal kommt. The Ways of Folding Space & Flying von Moon Kyungwon & Jeon Joonho hört sich nach Zukunft an. Die beiden Künstler leben in Seol.
Schon von außen kündigt sich der Tenor des Pavillons an. An den runden Fenstern, sehr futuristisch übrigens, werden erstklassige Projektionen gezeigt. Erstklassig weil es schwer ist auf halbrunde Glasscheiben zu projizieren. Das gelingt hier. Eine Cyborg Frau schaut uns an. Sie ist weiss geschminkt, hat weiße Haare und scheint aus dem Film „The 5th Element“ entsprungen zu sein. Sie bedient modernes Computer -Augmented Reality Interface, wir denken an „Minority Report“.
Wir treten ein und sind schon im Hauptraum. Eine Multi Channel Film Installation erwartet uns. An der Stirnseite, wo ein Panoramafester den Blick auf die Gärten frei gibt, ist ein Format füllender HD Video zu sehen, an der anliegenden, rechten Wand ebenso. Die der Stirnseite gegenüberliegende Wand wird nur im unteren Teil mit Bildern bespielt. Gezeigt wird alles was sich in Fußhöhe befindet. Der Pavillon ist nicht rechteckig geschnitten. Er öffnet sich an einer Seite und führt in eine Nische. Dort ist ein Counter mit Informationsmaterial. In dieser Nische befindet sich ebenfalls eine schmale Wand. Sie wird von einem gläsernen Bullauge gebrochen. Das Glas selbst weist kleine Bläschen auf und macht die gezeigte Szenerie realistisch. Von dort geht es in einen weiteren fensterlosen Raum. Es wird ein Mannshoher Film gezeigt.
Der Inhalt von The Ways of Folding Space & Flying behandelt die Frage nach menschlichen Zukunftsvisionen. Die Narration erscheint retrospektiv. Es werden Filme wie „Solaris“ zitiert. Sowohl die Version von Andrei Tarkowsky, als auch das Remake aus dem Jahr 2002 von Steven Sonderbergh. Oder aber “Gravity” von Alfonso Cuarón aus dem Jahr 2013. Die Filmsprache bedient sich einer klaren und sauberen Hollywood Ästhetik und erzählt auf zwei filmischen Ebenen. Die Zukunft und die Vergangenheit. Eine Frau, sie scheint allein zu sein, wacht auf, wahrscheinlich aus einem Langzeit Tiefschlaf. Ihr Erwachen können die Besucher durch das Bullauge verfolgen.
Sie begibt sich in ihr Environment. Dort bedient sie Interfaces, kommuniziert mit Computern, sie läuft in einem hamsterartigen, futuristischen Laufrad, schaut dabei in Natur, wie wir sie kennen. Diese Projektion wird auf der Stirnseite mit dem Panoramafester angelegt. So vermischen sich Filmbilder mit der Wirklichkeit. Sie fließen ineinander und ergeben einen betörenden
Effekt. Was macht diese Frau noch?
Sie legt sich hin, ruht, diese Bilder finden sich in den fußhohen Projektionen. Alles was in aufrechter Position erlebt wird, zeigt sich auf den großformatigen Wänden, alles was liegend ist, auf der schmalen Seite. Die Entfernung im Bullauge und in dem fensterlosen leicht abgetrennten Raum schlagen Verbindungen zu der Vergangenheit. Diese ist nicht in unsere Zeit verlegt, sondern in eine historische Vergangenheit. Es werden Samurais gezeigt. Stolze Krieger, die in beeindruckender Kriegsrüstung mit Schwert und Messer umgehen. Sie sind ruhig und konzentriert b
ei der Arbeit, befinden sich, wie die Zukunftsfrau, in einem meditativen Zustand. Alle erscheinen in Trance.
Es geht um den Wunsch die physikalische Welt zu durchbrechen. Es geht um ein Beseitigen von Barrieren, von Mauern, von Behinderungen, alles was uns bindet. Trotz der Absurdität glauben wir den Visionen, den Geschichten. Wir werden der menschlichen Unsicherheit gewahr. Und dadurch erklärt sich die Glätte der Bilder. Denn Anfangs stösst uns die Vollkommenheit der Bilder ab, sie sind zu sehr wie Hollywood Produktionen. Wir denken und vergleichen wo wir Ähnlichkeiten schon gesehen haben. “ Kennen wir schon!“ Aber nein, die Filmsprache ist so weil wir die Illusion, das Absurde begreifen sollen. Wir sollen an andere Filme denken, sollen genau das sagen. Aber eben nicht Halt machen. Wir sollen begreifen, das die Zukunft unsicher ist. Und so wie oft erträumt, keine Bereicherung darstellt. Das Eckige und Scharfkantige, das Besondere und Beschädigte fehlt. Die Eigenarten sind nicht mehr da, alles weg. Wie schrecklich ist dann eine Zukunft? Wie langweilig, wie isoliert, wie gleichförmig. Haben denn Menschen noch ein Ziel? Können sie sich verbessern und über sich hinaus wachsen. In diesen Filmen sieht es nicht so aus.
Sie spricht von George, und meint George Lucas. Sie hat seit den Anfängen für Star Wars Creratures gestaltet, war bei Industrial Light & Magic, bei Pixar und jeder kennt ihre Charactere. Jabba the Hut, Jar Jar Blix usw.
Terryl ist eine zierliche Frau. Ein lächelnder Mensch mit versteckten Humor und einer Portion Skurrilität. Sie präsentiert, unterbricht sich für ein „I love baby animals“, Blick ins Publikum, Lächeln und weiter im Text. Sie zeigt wilde Tiere, warmherzige, lustige, dumme, verschmitzte, vertrauenerweckende und gefährliche. Es sich phantastische Kreaturen. Sie erinnern uns an eine Kombination von Dinosaurier und Pferd, von Großechsen mit Schlangenköpfen und Giftzähnen ungeahnten Ausmaßen, von schlappohrigen Giganten mit gutgläubigen Dobermännleingesichtern, Emus mit 4 Armen, Tausendfüssler mit Krötenvisagen. Terryl Whitlatch ist Creature Designerin für Star Wars.
Eigentlich plante sie eine Karriere in der Paleontologie. So kennst sie sich auch in allem aus, was mit Dinosauriern, Skeletten, Muskelgruppen, Bewegungsformen und Verhalten zu tun hat.
Zur Creature Designerin wurde sie eher zufällig. Was immer Zufall bedeuten mag, denn eines Tages bewarb sie sich als Creature Designer für den ersten Star Wars Film. Kurz vorher erlebte sie eine entmutigende Situation, sie war verunsichert und verschüchtert. und entwarf dabei ein Tier dass ihrer Gefühlslage Ausdruck verlieh. Freundlich, verschüchtert, naiv und begeisterungsfähig.
Sie zeigte diese Bilder gleich zu Anfang, eher um zu amüsieren. George Lucus erkennt die Natürlichkeit, die Bewegung, das liebenswert Lebendige. Die erste Version von Jar Jar Blix war geboren. Übrigens der erste vollständig digitale Character. Die andren Entwürfe taten den Rest und sie bekam das Engagement. Ihr Interesse für Paleontologie verbindet sich mit zeichnerischen Können und dem Wunsch ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen.
„It is about crossing known animals with long forgotten ones. Or with the ones that we know from times way before us. When the world was wilderness, chaotic, when animals, plants were bigger, more dangerous and absolutely nothing for mankind“.
Wenn Sie Creaturers entwirft, orientiert sie sich an den lebenden Tieren und kreuzt sie mit allen möglichen anderen Geschöpfen. „You should really become a zoologist when you think about becoming a creature Designer. All of my creaturers are inspired by real animals. That is why people relate to them.“
Die Tiere werden dann lebendig wenn wir in ihnen Ähnlichkeiten erkennen können. Es ist vielleicht der Gang einer Gans, vielleicht die Augen eines treuen Hundes, vielleicht die Form des Rochens, der mit einem Mal gehen kann.
Sie zeichnet, nimmt Stift und Papier, nimmt digitale Mittel. Alles was gut in der Hand liegt, was die Arbeit leicht macht. Sie spricht vom Chaos Factor. Wenn plötzlich ein Strich ausrutscht, eine Proportion nicht so raus kommt wie gedacht, wenn das Papier die Farben anders aufsaugt, wenn etwas daneben geht. Dann landet das Blatt auf dem Boden im Vorbeigehen schweift der Blick nach unten und haftet an den diesen Entwürfen. Wer frei ist, dem kann es passieren dass er das Neue und Besondere in diesem Bodenchaos entdeckt. Und sich ein Entwurf als Chance für entpuppt. Offenheit und Wahrnehmung sind Voraussetzung. Der Chaos Factor. „Don‘ t you ever forget this!“
Take Reality, Tweek it, be open, don‘ t forget the coincidences and go for it.“
Ihre Creaturen werden durchleuchtet. Sie zeichnet die Oberfläche, Haut und Behaarung, das Sichtbare. Farben, Federn, Krallen, Schnäbel, Zähne, Bäuche alles was wir sehen. Sie stellt Bewegungsstudien, mimische Ausdrucksstudien her. Und dann geht sie tiefer, dann wird sie zum Forscher, zum Mediziner, zum Anatomiespezialist. Sie entwirft ein anatomisches Model, zeichnet alle Muskelpartien und Verlagerungen, mit Sehnen und Knorpeln und endet bei dem funktionierenden Skelett.
„Anatomy is key. Life is assymmetrical, all creaturers are asymmetrical.“
„Once you got a clear understanding of the creature go simplify“ Wer seine Kreaturen von innen nach aussen vorstellbar macht, der wird sie beruhigt an die Animations Artists weiter geben können. Sie werden von dort eine lebendige Kreatur erschaffen können.
Und ganz zum Schluss macht sie noch den Schrei eines ihrer Creaturen nach. Es ist ein Terryl Schrei: eine Kombination, aus kleinem, zierlichen Raubvogel mit grollenden Knurren des Wolfes. Das Publikum hört zu, wird zu einem Lächeln verführt und unsere Herzen fliegen ihr zu.
Alle Fotos auf der fmx © Ursula Drees