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Hubert Lepka, lawine torrèn

Hubert Lepka bei seinem Vortrag am 13. Szenografie Kolloquium in der DASA, Dortmund 2013.

Hubert Lepka wurde auf das 13. Szenografie Kolloquium in der DASA, 2013, Dortmund eingeladen.  Er spricht über „invisible tales“. Unsichtbare Geschichten befinden sich überall. Sie liegen nah an der Oberfläche, sie müssen gesehen und erkannt werden. invisible tales können in der Natur in einer Steinformation liegen, genauso aber auch in der Tätigkeit des Erzählens, sei es das Erzählen mit Worten, mit Bildern, Gesten, Tönen oder Handlungen. Hubert Lepka verstehen wir als Entdecker der invisible tales. Er ist künstlerischer Leiter von lawine torrèn. Der Kontrast der Aufführungen und Performances von lawine torrèn zum präsentierenden Menschen bei dem Kolloquium ist nicht unerheblich. Er gehört zur fragilen, schnell bewegten, schneller sprechenden Sorte Mensch, dessen Tempo ein bisschen gezügelt ist, immerhin wird präsentiert. Seine Gestik und sein Habitus erzählen parallel eine Geschichte, ob sie unsichtbar ist oder nicht, lassen wir offen. Die Hosenträger haben bei seiner Kleidung ein Recht auf Dasein. Alles bewegt sich, auch wenn es eigentlich an einem angestammten Platz sein sollte. Ein Hemdzipfel findet den Weg in die Freiheit und es flattert unerwartet die Strickjacke in Begleitung einer Haarsträhne am oder im Gesicht herum. Der Hemdkragen ist hochgeschlossen und damit ausserhalb einer Veränderungszone, was uns erstaunt. Wie hat er das geschafft?

Das Podium erhöhte die Sprecher, sie schauten nach unten. ©ursula drees

Bei den Performances mit dem Titel wie z.B. FRUTIGER oder GANGART werden ordentliche Tagebau-Schaufelbagger, Untertagebaugrubenlader, Dump Trucks mit Reifenhöhen von mehr als 2 Meter Durchmesser, Wheel Dozer, Satteltieflader, Unimogs, Sattelzüge, Planierraupen, Radlader, Raupenbagger, Lastkräne, Pistenraupen, Flugzeuge, Helikopter, Transportschiffe und anderes schweres Gerät zu Akteuren. Dazwischen: ihre Lage behauptenden Menschen. Die ungelenken Bewegungen der Monstermaschinen, bedrohlich und ohne Reaktionspotential und der Mensch, klein, wendig, anfällig. Der Kontrast kann nicht grösser sein. Maschinen, die Gebäude abreissen oder Sprengungen einleiten, deren Schaufeln massige Feldblöcke spielerisch vor sich her bewegen und eine Art Katz und Maus Choreografie aufführen. Immer wieder einzelne Menschen oder Gruppen dazwischen. Die nachahmen oder vorspielen. Das weiss man nicht genau.

Hubert Lepka hat sich der Kunst, des Bewegten, des Gigantischen, des Gefährlichen  verschworen.  Seine Bühnen sind Naturlandschaften, sie sind wie sie sind und vorgefunden werden. Vom Berggipfel, Fluss, Flugplatz, Stadtbebauung bis zur Erzgrube.  Das was ist, ist auch Bühne. Hier ergeben sich andere Herausforderungen, wie das Wetter: Kälte, Hitze, Nebel, Regen, Schnee und was sonst so geschehen kann,  Verkehr und vorbei strunzende Anwohner, eine Kuhherde auf dem Weg zum Stall, Kirchenglocken, die zum Abendgebet auffordern – aber das schreckt nicht ab. Es sind komplexe und raumübergreifende Performances, schwer koordinierbar und zeitlich eher an Minuten-, denn an Sekundenskripts gebunden.

Gangart: ein Projekt von lawine torrèn       

Bei solchen Verhältnissen wird es schwer für die Zuschauer das Geschehen zu überblicken. Teilbereiche können eingesehen werden, aber nicht unbedingt alles.  Medien, Kameras, Projektionen, Leinwände sind erforderlich, um das weit Entfernte abzubilden.  Der Beitrag vom 3. Dezember 2012 bespricht das Gletscherschauspiel  „Hannibal“ von lawine torrèn, (12. April 2013  gibt es eine weitere Aufführung von HANNIBAL – Gletscherschauspiel sölden – tirol – austria). Diesmal geht es um Arbeiten, die eine öffentliche Aufführung – oder besser noch – eine Durchführung haben, aber deren Aufzeichnung das künstlerische Werk darstellt.

Gangart: ein Projekt von lawine torrèn             Photographie © Magdalena Lepka

Diese Form der Geschichtenerzählung sind laut Hubert Lepka  „invisible tales“. Bei FRUTIGER und GANGART geht um den Entstehungsprozess des Werks. Nicht zu verwechseln mit einer Projektdokumentation oder einem Making Off. Es geht nicht um die Aufzeichnung der Vorbereitung des Werks. Es geht um die Entstehungsgeschichte einer Arbeit. Die Wechselseitigkeit der Erzählungen und deren Erzählern. Drehorte, Bewegungen, Schauspieler, Tänzer, Kulisse, Maschinenakteure, Kameraleute alle wirken an der Geschichte mit. Der oder die einen als jene, die etwas sichtbar ändern, die anderen als jene, die im Prozess einer Aufnahme, durch Einstellungsgrössen, Perspektiven, Winkel, Schnittfolgen, Ton und Akzente die Geschichte mit erzählen. Es ist eine Art handelndes Erzählen oder erzählendes Handeln. Es ist, Zitat Hubert Lepka, eine Art Performance Archäologie. Der Weg ist das Ziel. Das bleibende Bild führt über die Aufführung über die Performance zum Werk Die filmische Aufzeichnung ist die Kunst und aus der künstlerischen Handlung heraus geboren. Denn die Kameras umkreisen die Performance, aber bei diesen Grössenverhältnissen und Distanzen ist das Aufnehmen ein performatives Shooting.

Gangart: ein Projekt von lawine torrèn             Photographie © Magdalena Lepka

So wie bei der Performance GANGART – eine montanistische Performance zum Jubiläum 1300 Jahre Erzabbau am Steirischen Erzberg – eine Choreographie für Baumaschinen und Eisenstein – eine Bergparade aufgeführt am 22. September 2012 um 14.00 Uhr, auf die hier näher eingegangen wird.

Gangart: ein Projekt von lawine torrèn             Photographie © Magdalena Lepka

Der Erzberg ist ein, aus der Luft betrachteter, Zengarten aus Stein. Treppen aus Gesteinsschichten formen einen Berg und ein Tal, dort findet die Performance von Baumaschinen und Menschen statt. Siderit ein Mineral aus der Mineralklasse „Carbonate und Nitrate“ auch Eisenkalk, Eisenspat, Spateisenstein und Stahlstein genannt, wird im Steirischen Erzberg abgebaut. Mit etwa 400 Millionen Tonnen abbauwürdiger Erzmenge gilt der Erzberg als größtes Sideritvorkommen der Erde. Diese Form dient der Performance als Blueprint.

Lawine Torrèn: Gangart – Montanistische Performance am Erzberg from eisenerZ*ART on Vimeo, gepostet wurde das Video von eisenerZ*ART, hergestellt von mediacreation GmbH, Film, TV & Multimediaproduktionen

„Bergbaumaschinen ohne Performance Erfahrung agieren mit 5 Tänzern, ohne Maschinenerfahrung.“ (Hubert Lepka beim Kolloquium). Die Maschinen massig und überdimensioniert, die Menschen ziemlich klein. Plötzlich ist es wie in einem Puppenhaus. Die Dinge sind erwachsen, die Tänzer ganz klein. Auf der Website von lawine torrèn liesst sich das Ganze wie folgt: „dieses “falsche” raumgefühl bringt lawine torrèn mit der improvisationstechnik “viewpoints” von mary overlie in ein feines geflecht von berg, mining equipment und zeitgenössischem tanz. die fahrgeräusche der antriebe, der donner von fallendem fels, von sprengungen, das sirenenheulen, die metallischen gitarren der drei schwestern von sawoff shotgun, all dies wird zu einem soundtrack komponiert, der nicht für die performance gemacht ist, sondern aus der performance entsteht. inspiration: cage im überdimensionalen ryoanji-garten.“

Hier kann die VideoDoku der Performance angeschaut werden.  Die Musik kommt von sawoff shotgun. Die Credits sind unter der Website von lawine torrèn nachzulesen.


Gangart: ein Projekt von lawine torrèn    

Maschinen als übergrosse, angeschnittene Monster, dazwischen die Menschen. Sie imitieren die Bewegungen und geben sich Mühe, die Dinger zu orchestrieren.  Die Bewegungen korrespondieren mit Vorstellungen des Maschinellen oder des Bergbaus? Ist auch nicht wichtig, es zählt der Tanz: Maschine mit Mensch. Wir sehen Schaufelbagger, deren Grabtiefe und maximaler Schaufelinhalt x-Meter und mehrere Tonnen zu sein scheinen,  mindestens 10 Meter, riesig , ungeheuerlich. Darin ein bewegter Felsbrocken. Er wird geschoben, gerollt, gewiegt und abgeladen, aufgeladen, geworfen. Ein mächtiges Ding. Dann die Sprengung. Eingeleitet durch Brizeln an der Abbruchkante und es knallt. Von unten aus der Tiefe gibt es eine Erschütterung und kurz darauf: die Steinlawine geht ab. Immer wieder der Mensch, die Tänzer, bekleidet mit Unterwäsche und Staubmänteln. Er drängt sich ins Bild. Schafft er noch gerade, denn ein Rad allein ist Format füllend. Er hat keine Chance, aber mutig bleibt er, überrollt wird er nicht. Der Film macht’s deutlich, als Zuschauer der Performance wird der Eindruck der Masse klar, aber vielleicht nicht der spezielle Blickwinkel. Das ist aber wichtig. Der Film ist das künstlerische Werk und alles führt darauf hin. Performative Archäologie.

Das Video mit originalen Filmsequenzen unbedingt hier ansehen.

Das Video mit originalen Filmsequenzen unbedingt hier ansehen.

Screenshots aus dem Video von stefan aglassinger, mit Musik von Alban Berg und Robert Schumann 
eingespielt durch das Hermes Quartett Salzburg.

Im Zusammenhang der performativen Archäologie und den invisible tales muss das Werk „Schafberg 1911“ genannt werden.  Die Geschichte versteckt sich in der vorgefundenen Szenerie. Eine Felsformation, der Schafberg, oben ganz oben ein Fels, der steil in die Luft ragt und unvermittelt abfällt, tief in ein Tal. Ist hier nur eine Laune der Natur zu bewundern oder sollte mehr dahinter stecken? Vielleicht beides? Haben Menschen die Steinarchitektur erkannt und zu nutzen gewusst? Invisible tales: man muss sie sehen können. Die Geschichte vom Schafberg 1911 ist Fiktion, eingebettet in die Bergwelt, dargestellt, wie Dokumentation, hergestellt wie performative Archäologie: handelndes Filmen und filmisches Handeln. Die Performance ist ein Teil des Werks, nicht aber das Zentrum. Die Fiktion wird mit vielen Medien erzählt. Die in der Vergangenheit angelegte Story wird als einmaliges Zeitdokument behandelt, Teilstücke der damaligen Gegenwart werden ausgegraben und neu aufgelegt, wie die Postkartenserie oder wieder gefundene Filmaufnahmen. Die Postkartenserie wird übrigens an touristischen Stätten und Kiosken in Österreich auch verkauft. Das muss man sich mal vorstellen. Die Grenzen der Erzählung zur Wirklichkeit verschwimmen. Der unbedarfte Betrachter, Tourist, Wanderer wird die Karte sehen und ahnungslos dem Bild Glauben schenken, dennoch er hält eine gekonnt erzählte Fiktion in den Händen. Oder ist etwa doch was dran?

Postkarte zum Schafberg 1911          Photographie © Magdalena Lepka

Schafberg 1011 – Auf dem Weg zum Mond – der Hödlmoser-Cranz-Versuch als Theateraufführung am Abgrund des Schafberges, eine Performance von und mit lawine torrènschafbergbahn und wolfgangsee tourismus.  Hier die Geschichte, entnommen der Website von lawine torrèn:

„1911 verfolgen zwei junge männer vom wolfgangsee eine vision, die die wiener gesellschaft mehr als entzückt: könnte der schafberg mit seinem steilen hochplateau tatsächlich die startrampe für einen mondflug sein? berthold hödlmoser und carl cranz jedenfalls sind so überzeugt von dieser idee, dass sich sophie, eine ehemalige jugendfreundin, sogar um kontakte ins kriegsministerium bemüht – über arthur, einen offizier, der sein spiel an geheimhaltung so geschickt zu betreiben weiß, dass zuletzt sogar der kaiser neugierig wird. wenn es wirklich gelänge, die zweistufige, dampf-ballistisch getriebene konstruktion von der spitze des schafbergs bis in das böhmische pilsen zu schießen und dort an einem spezialfallschirm landen zu lassen, so wäre auch ein mondflug – möglich!
womit sich der militärische lokalaugenschein auf dem schafberg nicht nur schwerwiegenden herausforderungen, sondern auch einer unerwartet eigenwilligen dame gegenüber sieht, die lästige fragen stellt, komplizierte technische sachverhalte erstaunlich gut zu erfassen weiß und so das unfassbar haarsträubende dieser unternehmung erst richtig „auf spur“ bringt.“

Postkarte zum Schafberg 1911        Photographie © Magdalena Lepka

Das Video mit originalen Filmsequenzen unbedingt hier ansehen. Die Kameraeinstellungen, das Zufällige des Amateurfilms wird gekonnt nachempfunden. Die Akutere sprechen und gestikulieren direkt mit der Kamera bzw. dem Kameramann (Stummfilm natürlich). Die Musik stammt von Alban Berg, ein Schüler von Arnold Schönberg, dessen freie Atonalität und Zwölftontechnik die klassische Komposition in die Modere führte. Alban Bergs Kompositionen, eindeutig in der Tradition von Schönberg, sind emotionsgeladene Werke. In Verbindung mit den Filmbildern wird ein Eifersuchtsdrama, Verlust, Verwirrung, Missverständnisse, Glück und Missgunst, Rache, das Unvorhergesehene, drohende Gefahr erzählt. Der Wind und die steilen Abhänge tun ihr Übriges. Dabei geht es um etwas ganz anderes, aber ist das bei diesen Bildern noch wichtig? Es ist der Moment, der zählt.

Postkarte zum Schafberg 1911        Photographie © Magdalena Lepka

Die Besetzung bitte hier einsehen.  Dieses Werk wird aufgeführt. Die Bühne der Berggipfel zwischen Wolfgangsee und Schafweiden, die Darsteller wie sie waren seinerzeit. Es wird unterstützt von der schafbergbahn, dem wolfgangsee tourismus, dem land oberösterreich, dem land salzburg, von porsche, von swietelsky,  progres und bm:ukk

Postkarte zum Schafberg 1911        Photographie © Magdalena Lepka

Beim Nachdenken kommt der Gedanke an Godard und die Nouvelle Vague auf. Das Konzept der Authentizität des filmischen Handelns. Sie wollten Echtheit darstellen, nicht etwas Echtes vorspielen. Die dialogische Vervollkommnung des Filmes durch offene Handlungsmöglichkeiten. Bei Godard ist das filmisch Narrative im Vordergrund und im Vergleich dazu ist lawine torrèn eine logische Weiterentwicklung der Nouvelle Vague. Der Tenor der Godard’schen Filme ist das Unmittelbare, das Dringliche, viele Szenen sind nicht geprobt oder nicht mal angekündigt. Es wurde mit kleineren Teams, ohne grosses Equipment gearbeitet, mit natürlichem Licht, der Establishing Shot bleibt oft weg, die Ebenen der Produktion werden in jeder Phase als formbildend eingebunden. Filme drehen selbst ist die Veränderung der Realität. Diese Merkmale der Nouvelle Vague lassen sich auch bei den Arbeiten von lawine torrèn nachweisen. Der Begriff der performativen Archäologie findet eine Bezugsform.

Postkarte zum Schafberg 1911        Photographie © Magdalena Lepka

 Beitrag von Ursula Drees

Rogier van der Heide -VP und Chief Design Officer von Philips Lighting


Rogier van der Heide: Vice President und Chief Design Officer von Phillips Lightning. Sein Metier ist das Licht. Aber nicht nur das. Das wäre einseitig. Wer an die Helligkeit denkt, der beachtet die Dunkelheit ebenso. Wer das Licht gestaltet, weiss dass Spannung und Fokus im Zusammenspiel mit dem Hellen und Dunklen, mit dem Direkten und Indirekten, mit dem Satuierten und Ausgewaschenen, Diffusen, mit dem warmen und kalten Licht entsteht.

Zum TED Talk.
Rogier van der Heide ist in seiner Funktion als Chief Design Officer bei Philipps Lightning in einer aussergewöhnlichen Position. Bis dahin kenne ich kein grosses Unternehmen das überhaupt die Position des Chief Design Officers kennt, denn die Chefs sind eher die Chief Technical Officers, Chief Executive Officers, Chief Financial Officers, aber selten die der Gestalt- und Formfindung von Licht. Allein schon deshalb sollte man sich sein Werk anschauen. Hier bei TED in Amsterdam spricht er über die Besonderheit und Notwendigkeit Licht und Dunkelheit herzustellen. Er ist ein geübter Sprecher. Seine Lässigkeit, Souveränität verbunden mit einer charmanten Bescheidenheit zieht den Zuhörer in den Bann. Ich habe ihn auf dem Szenografie Festival in Stuttgart im November 2012 gehört. Dort standen ihm 45 Minuten Redezeit zur Verfügung. Eine schier unglaublich lange Zeit, die es zu füllen gilt. Bei seinem Vortrag gab keine Minute Langeweile oder Ermüdung.

Roger van der Heide arbeitet mit Architekten und Gestaltern oder Visionären zusammen. Grosse Namen hört man da: Renzo Piano, Ben van Berkel, Rem Koolhaas, Zaha Hadid, Michael Graves, Cesar Pelli, Rob Krier.

Hier stelle ich eine Medienfassade vor, die sich mit Bestandarchitektur verbindet. Wer das Gebäude heute sieht, kann sich beim besten Willen die ursprüngliche Architektur nicht vorstellen. Eine karge, sehr in die Jahre gekommene 70iger Jahre Fassade, wie wir sie gerne in Deutschen Kleinstädten bei Gebäuden wie Hertie, Woolworth oder Kaufhof kennen. Nichts für eine Luxus Einkaufsmeile. Dort in Seoul, der Galleria West jedoch lag genau dieser Fall vor. Rogier van der Heide erklärte dass die Besucherzahlen zur Verwunderung der Betreiber nach unten gingen, keiner wollte in die Luxus Geschäfte wie Louis Vuitton oder andere Top Designer gehen und dort Unmengen von Geld für Kleidung, Taschen, Schuhe oder andere Luxusgegenstände lassen. Sagte, seine Verwunderung begründete sich auf die Unkenntnis des Gebäudes, das er später erst zu Gesicht bekam. Dann jedoch wurde einiges klar. Auch ihm, denn er sagte von sich selbst, dass er nicht viel mit Luxusmarken zutun hat. Gucci, Dior, Louis Vuitton, Prada und wie sie alle heissen, sind zwar Begriffe, aber frei von Bedeutung für ihn.



Mit Blick auf das Gebäude jedoch erklärte sich vieles: eben Woolworth, Kaufhof oder Hertie. Es ging darum die Fassade zu wandeln, das Gebäude zu wandeln, das Image zu wandeln. Vielleicht sogar ein Landmark herzustellen. Rogier van der Heide entwickelte zusammen mit den Architekten des UN Studios eine zweite Haut aus gefrosteten Glaskreisen. Tagsüber schimmern sie Perlmuttfarben, abends lassen sich die fast 5000 Glasscheiben mit einzelnen jedem Modul zugeordneten LED’s erleuchten. Daraus entsteht eine Farbenpracht, die ansteuerbar und bespielbar ist. Nur die Kante des Louis Vuitton Stores wurde aus geschlossen, da das Corporate Design dieser Luxusmarke ein bestimmtes und festgelegtes, nicht erweiterbares Design vorgibt. Schwarz weiss, Purität und äusserste Zurückhaltung. Der Kontrast, der durch die opulente Farb- und Lichtwelt mit dem Einschnitt des Louis Vuitton Stores erhöht die Attraktivität.

Das Steuerungsmodul umfasst 15.000 DMX Kanäle und ist wohl eines der elaboriertesten heutzutage. Der erzielte Effekt überstrahlt die Möglichkeiten einer Lichtprojektion bei weitem. Hier ist etwas Neues entstanden. Und tatsächlich, dieses vorher so unbeschreiblich langweilige Gebäude ist zu einer Attraktion geworden. Leute lassen sich davor fotografieren. Man staunt über die langsamen, subtilen Farbwechsel, die Bewegung an sich und macht Videos zum Andenken. Eingekauft wird auch wieder. Dass eine bespielbare Fassade auch für schnöde Werbung verwendet wird, kann auch ein Rogier van der Heide nicht verhindern. Aber so sieht sie gross, bunt und lebendig aus. Und wenn die tatsächliche Qualität der Fassade ausgeschöpft wird, sieht alles ein Kunstwerk aus.

Photos: Christian Richters und Rogier van der Heide
Architekten: UNStudio
Media Fassaden Konzept: UNStudio und Rogier van der Heide
Lighting Design: Rogier van der Heide
Arup Project Team: Rogier van der Heide, Simone Collon, Bob van der Klaauw
Product design: Rogier van der Heide und Tommy Voeten
Lighting control software: Rogier van der Heide

Prof. Dr. Raulff: Deutsches Literaturarchiv Marbach: 13. Szenografie Kolloquium in der DASA, 2013, Dortmund


Literatur ausstellen. Wie das? Sollen wir uns Bücher in Vitrinen anschauen, vielleicht dazugelegte Skizzen und Notizen, angereichert mit dem originalen Schreibutensil? Und daneben lesen wir dann die Geschichte des Schriftstellers. Das bedeutet der Museumsbesuch dauert Tage. So viel lesen nimmt Zeit in Anspruch. Auch Mühe und Ruhe, schlafen zwischen durch, essen und trinken auch.

Wie ist das mit der Literatur. Gedanken lassen sich kaum halten. Das Vergängliche, der spontane Einfall, wie soll das ausgestellt werden? Eine Ausstellung, so Prof. Dr. Raulff, muss nicht Essay sein, braucht keine Bibliographie, ist nicht nur ein Beitrag oder ein chronologischer Zeitstrahl mit wichtigen Merkmomenten. Kann es natürlich muss es aber nicht. Es ist aber eine Frage wert: wie stelle ich Literatur aus und mache es zu einem Besuch, der nicht vorrangig durch Langeweile oder elterliche Zwangsbildungsmaßnahme gekennzeichnet wird?


Meine Mitschrift. Ich wurde von Vortrag zu Vortrag geübter. ©Ursula Drees
Dr. Raulff, ein Sprecher mit einem erlesenen Wortschatz, er verwendete Worte wie „occopure“ (von Besetzung abgeleitet? „Occupy“ oder vom italienischen „Occupare“ als „etwas in Besitz nehmen“?) oder , „ephimär“(ebenerdig) oder „ephemer“ (eintägig, vergänglich), „obsolet“ (überholt, veraltet, ungebräuchlich, überflüssig geworden), Cassiber (geheime und versteckte Nachricht) und viele Andere ohne mit der Wimper zu zucken, ist ein gewandter Vortragender.

Er stellte verschiedene Sonderausstellungsprojekte vor, die allesamt mit der Ausstellungsgestaltung  die Aussage des Objekts unterstützten und eine Eindeutigkeit der Bedeutung schafften. Robert Gernhardt zum Beispiel – ein Multitalent. Er war Maler, Zeichner, Karikaturist und Schriftsteller. Wer kennt nicht seine Karikaturen? Ein massives Werk und schnell kann es bei der musealen Präsentation einer solchen Fülle auch zu Überfüllung und -information kommen. Auch fragen wir uns wie die unterschiedlichen Werkanteile vernünftig gezeigt werden können? Karikaturen, Poesie, Gedichte, Essays?


Robert Gernhardt: Vom Männlein. In: Zeit-Magazin Nr. 50/1985 vom 6.12.1985, S. 4. DVA: F 4867
© Robert Gernhardt. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Almut Gehebe-Gernhardt.

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Dr. Raulff erzählte, Robert Gernhardt hat stets auf Brunnenheften gearbeitet, anfangs umfassten die Hefte nur 32 Seiten, später dann schon 64 Seiten. Überall skizzierte, zeichnete, notierte er Gedanken und Einfälle. Sie waren sein Archiv. Eine weitere Gewohnheit zeichnet ihn aus; er verwendete nur eine Stiftart, nämlich die gelben BIC Kugelschreiber. Daraus entstand dann das Konzept für die Ausstellung. Eine Invasion von gelben BIC Schreibern zog sich unter der Decke entlang und darunter wurden in Kreise angeordnet, Plexiglasscheiben, durch Stahlseile von Decke und Boden in Spannung gehalten, ausgesuchte Doppelseiten der Hefte gezeigt. Die Menge wurde reduziert und damit stichprobenhaft und exemplarisch der Zugang zum Werk geschaffen.



Eine Fotografie von der Präsentation vor Ort. Im unteren Bildrand sehen wir Dr. Raulff und eine Impression zur Robert Gernhardt Ausstellung. ©Ursula Drees

Man sieht wie genau mit Menge, Objekten, räumlicher Aufteilung, der Architektur und Lichtsetzung umgegangen wurde. Wer das Bild sieht, versteht auch, dass Literatur in einer solchen Präsentation sich plötzlich auch dem weniger Kultur beflissenen Leser und Bildungsbürger erschliessen kann. Und zu diesen Leuten zähle ich mich auch.

Immer wieder lande ich in Museen, die  ihre Exponate präsentieren, als wären es Pausenbutterbrote, meist mit bedruckter Wand im Hintergrund, mit Zeitstrahl und Fotografien, sogar auch Beschriftung, im Vordergrund hängend eine Vielzahl von gleichartigen Objekten, die allesamt mächtig alt und herausragend sind und liegend, wahlweise stehend, auf dem Vitrinenboden noch weitere Besonderheiten ausgelegt sind. Das Lager wird zum Depot, zum Ausstellungsraum, zur Überfüllung und umgekehrt.

Im Jahr 2012 habe ich auf Kreta ein ethnologisches Museum, dass im Reiseführer als gelungen angepriesen wurde und sogar einen Preis für Gestaltung erhielt, besucht. Guten Mutes und denkend: „So können sogar alte Tonschüsseln, Geldscheine, Webstühle und Kupferkessel erträglich werden“. Es war langweilig. Mehr noch , dräuende Müdigkeit machte sich breit, Durst kam oben drauf.  Zum Glück gab es kleine Babykatzen in einer Nische ausserhalb des Museums. Das rette mich. Was geht schon über Leben?

Die Bilder der Präsentation der Gernhardtsschen Arbeiten lassen mein Herz schlagen. So kann ich mich einer Sache nähern ohne Furcht vor zu viel Masse zu verspüren. Da will ich lesen und hinschauen.


Eine meiner Mitschriften. ©Ursula Drees

Anschliessend stellte er eine weitere Sonderausstellung vor. Eine, die ganz und gar ohne Objekte oder Gegenstände auskommen musste, es ging um Schicksal. Vorstellungen und Gedanken, glauben wir immer noch an die 13 als Unglückszahl oder sind wirklich alle guten Dinge 3? Es war kein geschlossenes Werk, eher ein Sammelsurium. Eine Kombination aus vielen unterschiedlichen Dingen und Sachen. So wurden kreisrunde Podeste gestaltet, an den Seiten befanden sich Einkerbungen, der Besucher schaute hindurch und konnte etwas erkennen. Hier wird verdeckt und unsichtbar gemacht. Der Kontext, der Tenor des Auszustellenden wird erfasst. Denn wer kann Schicksal greifen, wer erkennt Schicksal auf dem ersten Blick? Schicksal offenbart sich und so wurde auch in dieser Ausstellung vorgegangen.

Das Leitmotiv des Deutschen Literaturarchivs in Marbach ist durch 3 grosse Gedanken markiert.
1. Die Objektart wird untersucht. Man will ihr gerecht werden und wenn sie zu Leitobjekten taugen, dann werden sie als solche behandelt.
2. Die Objektsprache soll durch Purismus gekennzeichnet sein.
3. Werkgenesen oder Autorenbiografien gilt es aufzubrechen. Keine Sprödheit in der Literatur.
Sehen ist etwas anderes als Lesen. Dies wurde vermittelt.

Was mir an dieser Präsentation gefiel, war die Intelligenz der Aufarbeitungen. Hier sind Menschen am Werk, die Literatur verstehen. Die begreifen, dass Gedanken, Visionen, Vorgehensweise und Versuche ein wesentlicher Bestandteil eines schöpferischen Prozesses sind und die Literatur davon lebt. Denn Verschriftlichtes wird auf dem Papier und oft in Buchform gezeigt. Da haben Aussteller keine Aufsehen erregende Skulpturen, Bilder, Installationen, Töne und Lichter. Eine weitaus schwierigere Aufgabe. Ich werde das Museum in Marbach besuchen.

Und zu guter Letzt noch ein filmisches Dokument „vomdunkelanslicht“ zum Deutschen Literatur Archiv in Marbach vom 20. April 2012. Es ist die Kurzfassung eines Films von Dieter Zimmermann zur Eröffnung des Literaturmuseums der Moderne am 6. Juni 2006. Er entstand in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach. Mit Peter Rühmkorf, den Fantastichen Vier, Marco Goecke und dem Stuttgarter Ballett, Timo Brunke, David Chipperfield, Alexander Schwarz, Timon Birkhofer, Barbara Stoll und Musik von Patrick Bebelaar und Marie Luise.

 

von Ursula Drees

Prof. Dr. Hahn, Erlebnislandschaften: 13. Szenografie Kolloquium in der DASA, 2013, Dortmund


Prof. Dr. Hahn auf dem Podium beim 13. Szenografie Kolloquiums in der DASA 2013. Fotografie von U. Drees

Prof. Dr. Achim Hahn von der Technischen Universität Dresden, Institut für Baugeschichte, Architekturtheorie und Denkmalpflege spricht über Erlebnisräume. Was bedeutet Erlebnisraum? Ist es ein Ort des Erlebens, wo ERLEBEN gemacht, hergestellt, produziert wird. Gibt es das Produkt Erlebnis? Können wir Erleben gestalten, verkaufen, garantieren und vermarkten? Wenn es geplantes Erleben gibt, dann muss es auch ein Forum dafür geben. Und stellt sich die Frage nach der Erlebnisgesellschaft. Er fragt nach der Beschaffenheit der Erlebnisgesellschaft und nach der Qualität des Erlebens in diesen gestimmten Räumen, Environments, Architekturen, Landschaften. Was bedeutet Erleben? Ist es eine Kompetenz des Körpers, des Leiblichen? Wie kann Erleben gemessen werden? Kann es überhaupt gemessen werden? Gibt es vergleichbare, verlässliche, zeitunabhängige Parameter dafür.  Jeder Mensch erlebt anders. Gemäss seiner Herkunft, Sozialisation, Bildung, Überzeugungen, Vorlieben und Begabungen. Wie soll Erleben gemessen werden?


Screenshots von Prof. Dr. Hahn’s Präsentation beim 13. Szenografie Kolloquiums in der DASA 2013. Man sieht eine Karte zur Orientierung im Freizeitpark Belantis bei Leipzig. Fotografie von U. Drees

Und mit dieser Erkenntnis dass Erleben als Prozess oder Ereignis oder Ergebnis kaum messbar ist, bleibt festzustellen, dass es eine Erlebniskultur zwar gibt, sie in aller Munde ist, aber das Erleben für diese Gesellschaft kaum fassbar ist. Wir kaufen Erlebnisse als Geschenk, wie Fallschirmspringen, Abenteuerurlaube, Detektivabendessen und gehen in Erlebnisparks, Erlebnisferien, Erlebnisausstellungen. Daher stellt sich die Frage, ob äussere Umstande so funktionalisiert werden können, dass ein inneres Beleben also Erleben statt findet?


Screenshots von Prof. Dr. Hahn’s Präsentation beim 13. Szenografie Kolloquiums in der DASA 2013. Ein kleines mittelalterliches Dorf, wobei die Fassaden Attrappen sind und die Rückseite nicht für die Augen der Besucher gestaltet wurden im Freizeitpark Belantis bei Leipzig. F

otografie von U. Drees
Beim Erleben geht es also um das Innere. Das Innen gibt eine Orientierung vor. Dort findet etwas wie Bereitwilligkeit zum Erleben statt. Es ist die Orientierung des Inneren die den Menschen veranlasst, Gefühlsäusserung wie z.B. „Das finde ich toll“, „Das ist so schön weit“ oder „Die Enge war so wie Zu Hause, das erinnert mich an Wärme und Geborgenheit.“ zu äussern. Erleben will nicht nur gewollt werden, Erleben bezieht sich auf Etwas in vielen Fällen bereits Vergangenes.

Ist das gewollte Erleben das zentrale Lebensziel der Erlebnisgesellschaft? Im Gegensatz zu vorgehenden Generationen haben sich die Lebensziele von z.B. Vorstellungen über einen Teil eines starken Staates zu sein, oder Autoritätsliebe oder Selbstdisziplin oder Anreicherung von Besitz dem persönlichen Erlebnis zugewendet. Die Frage nach Glück, nach Selbstverwirklichung rückt als zentrales Thema in das Bewusstsein. Freiheit, Selbstbestimmung und Individualität sind die heutigen Werte und der Motor zum Handeln und zum Konstruieren des Lebens.

Meine Mitschrift zum Vortrag. Theoretische Auseinandersetzungen zu erfassen bedeutet wichtige Stichpunkte mitschreiben. Sonst gewinnt das Vergessen.  Je mehr Information, desto weniger Zeichnung. Meine Mitschriften werden sich ändern. Die letzten Beiträge sind dann bereits Landkarten. 

Wie entsteht Erleben. Erleben hat mit Gefühlen zu tun. Gefühle werden an konkrete Bewegungen und Räume gebunden. Man hört ein Musikstück aus der Jugend und erinnert das Gefühl und die Erfahrung, vielleicht Liebeskummer oder -glück. Der Geruch eines Neuwagens erinnert an das erste eigene Auto und die gewonnene Erfahrung von Freiheit. Erleben ist an Erinnerungen von etwas speziellen gebunden. An Räume und diese sind leiblich zu spüren: Wohlbefinden oder das Gegenteil, Furcht Beklemmung, Freude und Heiterkeit. Kommt ein Mensch in einen Raum, der diese bestimmte Beschaffenheit aufweist, dann wird neben der Erinnerung auch das Gefühl eines Erlebens also einer inneren Beteiligung ausgelöst. Man spricht von Atmosphäre.

Wenn der Mensch auf das Erleben konzentriert ist, wie kommt er dann dazu? Muss Erleben geplant werden? Kommt es in der Erlebnisgesellschaft zu einem Vorgriff der Erlebnistauglichkeit von Leben. Werden Konstruktionen zu Erlebnistauglichkeit entwickelt? Erlebnisparks, Erlebnisgelände, Erlebnisräume? Dr. Hahn dazu: „Werden Erlebnisse, Atmosphären und Stimmungen als Dinge und Objekte begriffen? Erleben besagt zuerst: noch am leben sein, wenn etwas geschieht. Und das Erlebte kann einer nur selbst erleben. Niemand kann uns darin vertreten, Erleben setzt also Anwesenheit voraus. Aber Dabei-Sein ist nur die notwenige Voraussetzung für ein Erlebnis. Es ist nicht hinreichend. Denn nicht jedes Dabei-Sein wird zu einem Erlebnis. Erst die erschließende Leistung eines Erlebnisses hebt dieses von allem sonstigen Erleben ab. Wie dieses Leisten möglich ist und welches Potential dabei sogenannte Erlebnislandschaften bieten sollte kritisch unter die Lupe genommen werden.“

Mit dieser Frage im Gepäck hat das Team von Dr. Hahn zwei Erlebnisparks, den Erlebnispark Belantis bei Leipzig und Kulturinsel Einsiedel ein Abenteuerfreizeitpark in der Nähe von Görlitz genauer betrachtet. Die landschaftliche Architektur wurde nach baulichen und architektonischen Gesichtspunkten, nach ästhetischen, nach aktiver Einbindung, der Ruhe, der Anteilhabe und Aktion untersucht.

Das Tal der Pharaonen in Erlebnispark Belantis in der Nähe von Leipzig. Eine Wildwasserfahrt durch eine 34 Meter hohe Pyramide führt  in einen künstlichen Teich. © Belantis Website
Belantis besteht aus verschiedenen Themenwelten und erinnert im Aufbau und der Präsentation an Disney World. Es gibt das Schloss Belantis, das Tal der Pharaonen, den Strand der Götter, das Land der Grafen, die Insel der Ritter, die Küste der Entdecker, die Prärie der Indianer und das Reich der Sonnentempel. Rutschen mit und ohne Wasser, Achterbahnen, Karusselle, Springburgen und Rennbahnen. Ein grosses Spektrum an Freizeitgestaltungsmöglichkeiten und Erlebnisangeboten wird gemacht. Dieser Park ist gross und gut ausgeschildert, es gibt Cafes, Shoppingmöglichkeiten und Karten zur Orientierung.

Poseidons Flotte aus dem Erlebnisbereich Strand der Götter © Belantis Website

Götterflug, Die neue Generation der Fahrattraktionen macht`s möglich: Du selbst entscheidest, wie rasant Dein Flug wird! © Belantis Website
Die Kulturinsel Einsiedel ist im Besitz von Jürgen Bergmann, der selbst seit ca. 30 Jahren auf einem Waldbauernhof lebt. Am 1. Juli 1990 wurde sie ins Leben gerufen und im Laufe der Jahre um die umliegenden Grundstücke erweitert. In den folgenden Jahren wurde die Kulturinsel ständig erweitert. Hier findet man einen verspielten Abenteuerspielplatz vor. Etwas uneinsichtig, es gibt Baumhäuser und Höhlen zum Erkunden, langsam durch die Jahre gewachsen. Aufführungen, Theater, Musikveranstaltungen finden dort auch statt.


Beide Bilder Kulturinsel Einsiedel in Zentendorf (Deutschland) © Mike Krüger
Zwei unterschiedliche Orte mit den gleichen Ziel: Erlebnisorte zu sein.

Nach der Bestandsaufnahme wurden Besucher nach ihren Erlebnissen befragt. Nicht direkt nach dem Verlassen des Parks sondern nach einigen Tagen und mit ihrer Zustimmung. Es wurden Geschichten von Vergangenheit mit den Eindrücken des Parks verbunden.  Es ging immer um ein Mensch – Welt – Erleben in Kombination mit der eigenen Geschichte und des eigenen Wissens. Daraus konstruierte sich ein Erlebnis. Demnach können Erlebnislandschaften mit biografischen Erleben abgestimmt sein. Die räumlichen Erlebnislandschaften müssen an die früheren Erfahrungen anknüpfen.  Der eine erinnert sich an Spiel in Wäldern und Baumhütten, die anderen an den kleinen Hobbit, wieder andere an Walt Disneyartige Szenerien. Und so weiter…

Assoziationen, Erinnerungen, Stimmungen werden abgerufen und zu einem neuen Erleben und einem neuen Erlebnis werden. Der Raum ist eine Art Marker, ein Grenzstein für das Erleben. Eine automatisierte Erinnerung und Neukonstruktion eines Erlebens ist nicht garantiert. Ursache und Wirkung sind nicht fest umrissen und können nicht wie ein Regelwerk eingesetzt werden. Was aber immer vorhanden sein muss ist ein Mensch, der mit Offenheit und Wachheit durch den Raum geht und der Erlebnismöglichkeit entgegen steuert. Atmosphäre jedoch wird nicht als relativ wahrgenommen.

Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Nach dem Vortrag unterhielt ich mich mit Prof. Oliver Langbein und wir waren uns nicht ganz schlüssig, was wir denken und was wir mit dem Wissen anfangen sollten.  Es entsprach unserer Vermutung. Und wir fühlten uns bestätigt, aber nicht erstaunt.  Wunderten uns und fragten uns, ob das ganze Unternehmen überhaupt Sinn macht, wenn wir doch schon wussten, dass es so ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach wenigstens. Ich habe dann nachgedacht. Und jetzt weiss ich, was mich an diesem Vortrag beeindruckte. Die Tatsache nämlich, dass ein Versuch zur wissenschaftlichen Nachweisbarkeit angegangen wurde einerseits und auch die Lösung, die jetzt vielleicht nicht mehr nur Vermutung oder Menschenkenntnis ist. Das ist ein Sieg der Wissenschaft.

13. Szenografie Kolloquium in der DASA, 2013: Wo und Was?

In der Dasa Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund fand vom 23. bis 25. Januar 2013 das 13. Kolloquium für Szenografie statt. Der Titel: Aussichten – zur Öffnung des Unverhofften.


Eröffnungsworte von Dr. Gerhard Kilger
Dr. Gerhard Kilger in seiner Funktion als Direktor des Museums auch verantwortlich für das Festival fokussierte das Fachpublikum auf innovative Museumskonzepte durch gestalterische Vermittlungsarbeit-en. Es wird die Frage gestellt, wie sich das Staunen der Menschen in Ausstellungen oder Museen manifestiert, wodurch das Staunen erzeugt wird oder warum überhaupt gestaunt wird. Ist es Überraschung, Erinnerung, Offenheit, Bildungshunger, Langeweile was uns zum Staunen bringt? Bleiben wir ein bisschen bei der Überraschung. Diese Gefühlslage wollen wir als Ausdruck hoher Wertschaetzung und als Initialzündung zur Aufnahmewilligkeit neuer Inhalte ansehen. Welchen Anteil hat Neugierde, welchen Lernerfekt hat das Experimentieren und wie bewältigt ein Ausstellungsbereich den Anspruch und Wunsch der Besucher unterhaltsam, lehrreich, eindrücklich zu sein, damit es einen inneren Wiederhall gibt und ein Erlebnis entsteht?

Blick von der Publikumsseite auf die Bühne in der Stahlhalle

Die Referenten der unterschiedlichsten Museen erzählen von ihren Erfahrungen, Erfolgen und Rückschlägen. Und immer versuchen sie differenzierte Strategien fuer die Darstellung von Objekten, von immateriellen Zustaenden, von tabuisierten Themen, von Forschung und Wissenschaft, Kultur und Menschsein zu erläutern. Literaturmuseen stellen ihre Sammlungen und Artefakte anders vor als die Biologie, Physik, Medizin, Kulturgeschichte, Malerei alter und neuer Künstler usw. Wie können Inhalte adäquat bereit gestellt werden?



Blick in das Konferenzszenario. Die Stahlhalle mit blau angestrahlten Stahlobjekten.
Ansätze von Szenografen der klassischen Gattungen wie Theater, Oper und Bühnenaufführung werden ausgeführt, aber auch von Jenen, die kurzfristige Interventionen im urbanen öffentlichen Raum initiieren, den Guierrillia Szenografen oder von Agenturen der Szenografie für markantile Kulturpräsentationen wie EXPOS oder Roadshows.

Schneckeninvasion. Eine urbane Intervention der Szenografie Masterklasse von Prof. Oliver Langbein.

Eine Theologin erläutert den Anspekt des Unverhofften in der Sakralarchitektur der Gotik und Romanik, ein Oberst der Bundeswehr zeigt Konzepte und Ideen im Dresdner Museum für Militärische Geschichte auf. Von Konzepten und Überlegungen über Best Practise Case Studies zur wissenschaftlichen Studie und zur Erforschung des menschlichen Verhaltens.


Mittig, die zweite von rechts, mit der dunklen Brille sitzt Lea Mirbach im Publikum. Sie ist die Gründerin und Betreiberin des blogs: szenografans.wordpress.com. Eine Institution, die wächst, gewinnt und zu einer Quelle von gebündelten Szenografie Wissen wird.

Ich werde in den nächsten Beiträgen die bewegenden Gedanken und Vorträge darlegen. Das kann zu einem Verriss aber auch zur Lobeshymne führern. Alles in allem empfehle ich dieses Kolloquium für die, die intellektuelle Mischung und Wissenschaft mit Beispielen aus den Szene schätzen.