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Die Raumwelten, Plattform für Szenografie, Architektur und Medien finden vom 13.-15.11 in Ludwigsburg / Stuttgart statt.
Das diesjährige Motto heisst: Motto: „Vermessen! Maß und Maßlosigkeit in der räumlichen Inszenierung“. Dieser Titel ist zweideutig, verweist er nicht nur auf die Möglichkeit etwas metrisch auszumessen, zu berechnen und abzubilden, es spricht auch von der Vermessenheit, etwas ist vermessen. Das wiederum deutet auf Selbstüberschätzung, auf Hochmut vielleicht sogar Übermut hin. Das Motto behandelt einerseits die Möglichkeiten des Machbaren, andrerseits die Ausübung eines, der Branche gegenüber selbstkritischen Blick.
Wird die Auseinandersetzung dieses Begriffs implizit oder offen ausgetragen? Werden eher das Messbare behandelt oder das Vermessene?
Die Liste der teils recht renommierten Speaker liest sich gut. Sie kommen aus USA wie z.B. Greg Lynn, der als Architekt wohl auf die Veränderungen im Workprocess der Architekten eingeht. Was früher 2 Dimensional errechnet und abgebildet wurde, ist jetzt ein lebendiges 3 D Model. Animations Prinzipien werden in dieser Form des Modellierens für Gebäude eingeflochten, Poligone, Game Engines und Geometric Tracing konstruieren Architekten durch die Hand der Computers. Neue Formen und Möglichkeiten entstehen.
Derweil Edourad Francois, ein Pariser Architekt, der für die IBA (internationale Bauausstellung 2027) über Green Technology referiert. Wie kann Ökologie und Ästhetik eine Kombination aus Wirtschaftlichkeit eingehen. Welche Arten der Baubotanik lassen sich andenken?
Wer sich informieren mag, der findet hier die Liste der Referenten. https://www.raum-welten.com/programm/speaker/
Das Herzstück von Raumwelten ist der Kongress mit den fünf Panels, die auf ganz unterschiedliche Art und Weise das Thema „Vermessen! Maß und Maßlosigkeit in der räumlichen Inszenierung“ beleuchten. Daneben erweitern Keynotes, das Zusammentreffen von Hochschulen mit der Branche bei Raumwelten Talent und das ABC der Szenografie das Spektrum der Raumwelten Konferenz.
Die 5 Panels beziehen sich auf folgende Themenkomplexe: Arbeitswelten, Business, Szenografie, Architektur, Museumswelten. Alles zusammen wird es ein anspruchsvolles Programm und die Qual der Wahl begleitet den Besucher.
Es lohnt sich.
Beitrag von Prof. Ursula Drees
Pavilion of Iceland auf der Biennale Venedig
Der Pavillon von Island liegt ein bisschen abseits. Einmal Vaporetto fahren auf die Guidecca, bis zur letzten Haltestelle vor dem Hilton Hotel, dann ein oder zwei Querstraßen zurück und in den Hinterhof hinein. Ein altes Fabrikgelände, jetzt saniert mit allen möglichen Nutzungen. Und natürlich mit dem Island Pavillion. Chromo Sapiens wird das darin befindliche Werk betitelt und ist von Shoplifter alias Hrafnhildur Arnardóttir gemacht.
Es gibt Pavillons, wo das Hineingehen ein kleines Abenteuer ist, wie z.B. in diese Jahr bei dem Fanzösischen Pavillon. Wenn Stufen und Gänge in vollständiger Dunkelheit beschritten werden müssen, um an das Ziel zu kommen. Hier ist alles einfach. Die Türe durchschreiten, durch den Vorraum und hinein. Mit dem Verlassen der Vorhalle steht die BesucherIn bereits ganz und gar mitten drin. Von oben an den Seiten, unten, über Kopf sind drei aufeinander folgende Höhlen mit Plüsch ausgekleidet. Das Material erscheint weich und anschmiegsam, aber ist es nicht in dem Maße, wie es aussieht. Es ist eher sogar ein bisschen hart, wie Drahthaarfell bei Hunden. Oder ein wenig wie sie in Autowaschanlagen bei den rotierenden Wischkreiseln zu finden sind. Lange bleibt der Gedanke nicht bei den Materialien. Denn die Farbexplosion einerseits und andrerseits die angeregten Tastsinne lassen die Besucherin ein- und ausatmen. Raus aus Venedig, rein in der Isländischen Pavillon und in einer unterwasserhafte Ruhe.
Das Erleben ist mit Metaphern zu beschreiben. Ist es eine Tiefseelandschaft? Sind es Algen, Wasserpflanzen, die von Oben herunter ranken? Oder ist es eine weiche Tropfsteinhöhle? Vielleicht sind wir im Einhornland? Die erste Höhle ist in Blautönen, die Zweite wechselt über Grün zu Pink und Rot und in der Dritten wird es hell und weisslich.
Ein Weg von der Dunkelheit in das Helle, eine Erleuchtung regelrecht. Auch wenn die Besucherinnen im Mittelteil der Installation anhalten; dort wo die Farben aufeinander treffen und in voller Wucht sich entfalten befindet sich eine Sitz- oder Liegewiese, ebenfalls beplüscht. Kaum dass die Besucherin sich versieht, schon liegt sie auf diesem Paletot, genießt die weiche Liegewiese, starrt in den Farbenhimmel und hört die Klänge.
Eine akademische Auseinandersetzung bietet sich in diesem Szenario kaum an. Es gibt nichts Verkopftes. Dieses Ambiente wird gelebt. Fragen nach dem Farbkreis, nach der Materialität, nach Mischverhältnissen, oder nach Inszenierung stellen sich nur für wenige Sekunden und schon sind sie weg. Es ist, was es ist. Nicht mehr, nicht weniger.
Ein weicher, warmer, farbiger Innenraum. Mit Musik. Leben und genießen ist die Aufgabe.
Diese Räume erfreuen den Menschen, es ist schön, es ist fantastisch, es ist zum Liegen bleiben und nicht mehr Aufstehen. Diese Farben, die Menge, dieses Material. Manchmal hängen Farblianen von der Decke, alles ist weich und sanft. Diese Räume sind Magie und die Besucherin verlässt den Pavillon mit einem Lächeln. Anders geht es nicht, das ist ein Besuch im Träumelchenland.
Chromo Sapiens – Hrafnhildur Arnardóttir / ShoplifterCommissioner: Eiríkur Þorláksson, Icelandic Ministry of Education, Science and Culture. Curator: Birta Gudjónsdóttir. Exhibitor: Hrafnhildur Arnardóttir / Shoplifter. Venue: Spazio Punch, Giudecca 800
Beitrag von Prof. Ursula Drees
Alle Bilder und der Movie stammen von der Handykamera der Autorin.
Der Französische Pavillon wird durch den Keller betreten. Nicht durch das tolle Portal, nein am Rand des Gebäudes werden die Besucher über einen kurzen Wurzelweg nach unten, hinten geführt, dort durch den Keller nach oben geleitet. Einige Treppenstufen hoch und dann steht der Besucher auf einer abstrahierten Wasserfläche, der erste Raum. Ein helles ausgewaschenes Blau, so wie an Stränden zu finden, bedeckt die Bodenfläche. Darauf liegen teils eingebettet, teils obenauf Meeresdinge. Da ist eine Qualle, ein Oktupus, ein Fisch. Aber auch Algen, Geäst, Maiskolben, Steine oder Muscheln oder Menschmüll: PETflaschen, Zigarettenstummel, ein Ball, Gläser, Händyhüllen, Ipods, Ladekabel, Zeitungen, Eierschalen, Screens, sogar ein menschlicher Kopf. Ein Zaun aus Draht teilt das Becken an den Rändern.
Die Dinge sind kunstvoll hergestellt. Manche bestehen aus dem tatsächlichem Material, das meiste ist aus Muranoglas geblasen und schon schmuckhaft ausgelegt. Der Besucher sucht sich seinen Weg durch die Wasseroberfläche, ein Weg ist nicht vorgegeben. An einer Seite ist eine Nische im Raum eingelassen. Der Blick fällt auf ein auf Papier, mit schnellen Strichen in Wasserfarbe gemaltes Gesicht. Die Soundsphere des nächsten Raums erklingt. Es ist eine Verbindung, denn es lässt sich die Poesie bereits erahnen, aber dann beim Weiterschreiten erst kommt das Meer der Bilder hinzu.
„Deep See Blue Surrounding You“ führt den Besucher auf eine surreale Reise von Paris nach Venedig und fragt danach, „wer wir sind, woher wir kommen und wo wir hingehen“, wie es in der offiziellen Beschreibung heißt. Es geht in die Tiefe des Unterbewusstseins. Poetische Formen, poetische Bildsprache des Videos, Poesie auch am Ende. Aber keine Frage hier wird ein Untergang beschrieben, oder ein Übergang. Das passt zu Venedig, einer Stadt, die auf einer Lagune gebaut, nicht allzu lange ohne Hilfe existieren wird. Sie wird untergehen irgendwann.
Die französische Künstlerin Laure Prouvost, Turnerpreisträgerin 2013, hat den Pavillon für die Biennale gestaltet. Er ist ein Unikat und hier entstanden.
Beitrag von Professorin Ursula Drees
Photos und Videos von Ursula Drees mit Handkamera erstellt.
Die Biennale Venedig 2019 steht unter dem Motto „May you live in interesting times.“ Wir leben in unsicheren Zeiten. Digitalisierung, Globalisierung zeigen gesellschaftliche Konsequenzen. Identität, Gemeinschaft, Tradition, Vergangenheit und Zukunftsvisionen werden durch diese Veränderungen mitgestaltet.
Digitalisierung liberalisiert alles Wissen. Ein Zugewinn einerseits, andrerseits werden Informationen nicht bewertet. Alles, das Kleine und Große, das Wichtige und Unwichtige, das Richtige und Gefälschte wird gleichwertig vermittelt. Die Menge der Daten vervielfacht sich, die kommunikativen Tools zeigen sequentielle Teile eines großen Ganzen. Der Mensch sucht seine Information nach Befinden und wird durch AI mit immer denselben Neuigkeiten konfrontiert. Was hat das für Konsequenzen? Globalisierung der Lebensräume und Inhalte. Wo stehen wir als Einzelwesen? Werden wir nur noch durch uns im Hier und Jetzt definiert? Gibt es Identifikation über Familie, Herkunft, Land und Menschen?
Wird der Mensch durch die Medien gesteuert, oder steuert er selbst? Diese Fragen stellen sich automatisch und das Motto „May you live in interesting times“ bezieht sich auf diese Umstände.
Im Schweizer Pavillon wird, wie in allen anderen, auf das Motto eingegangen. Pauline Boudry und Renate Lorenz bespielen den Schweizer Pavillon. Ein dunkler Raum, der den Besucher gleich zu vorsichtigen Schritten zwingt und durch den Ausgang betreten wird. Auf der Stirnseite ein Video. Die Stufen können zum Sitzen verwendet werden, aber Vorsicht! die Dunkelheit umfasst den Besucher vollkommen.
Pauline Boudry kommt aus Waadtland und Renate Lorenz aus Berlin, wo sie leben und arbeiten. Das Werk trägt den Namen „Moving Backwards“. PerformerInnen tragen orange farbige Schuhe. Sie strahlen im dunklen Videoraum. Sie werden falsch herum getragen. Jeder Schritt ist nach hinten gerichtet. Alles bewegt sich Rückwärts.
So haben schon in frühen Jahren Spurenleger Verunsicherung gestiftet. Die Fußspuren zeigen die falsche Richtung an. Und auch Frauen der kurdischen Guerilla bedienen sich des einfachen Tricks. Sie tragen die Schuhe in den Schnee bedeckten Bergen anders herum. Vorwärtsbewegung wird zur Rückwärtsbewegung.
Es ist ein experimenteller 20 minütiger Video. Immer geht es um das Rückwärtige. Manchmal ist es die Bewegung des Kopfes, manchmal steht eine PerformerInnen vor einem Mikrophon, will etwas sagen, kann aber nicht. Sie-Er sucht nach der Stimme und dann verhält sie-er sich, als sei alles vorbei und geht von dannen. Dazwischen wird der Besucher Zeuge eines unerfüllten Bemühens. Schuhe werden wie Enten vor den am Boden sich bewegenden PerformerInnen hergezogen oder nach hinten bewegt. Die Schuhe sehen zwar aus wie Schuhe, aber zum Tragen sind sie nicht geeignet. Der Absatz befindet sich an einer unmöglichen Stelle.
Dinge werden ein wenig verändert und schon ist der ursprüngliche Sinn ad acta gelegt. Nichts klappt. Es ist eine Hilflosigkeit, aber auch eine Unbeirrbarkeit mit der die PerformerInnen handeln. Keiner weiß wohin das führt. Eine klare und gut verständliche Botschaft. Das Wesen des Tanzes bringt ausreichend Spielraum.
Beitrag von Prof. Ursula Drees
Van Gogh, Starry Night / Dreamed Japan, Images of the Floating World
Im Atelier des Lumières in Paris wird Malerei des letzten Jahrhunderts bewegt und überlebensgroß an Decken, Wänden und Böden zu einer Farb- und Musikwelt projiziert. So werden z.B. japanische Zeichnungen aus ihrem Stillstand enthoben, bestimmte Bildelemente lösen sich aus der Starre und nehmen eine Richtungsfluss an. Wellen sinken und fallen, Fische tauchen auf, Fächer falten sich zusammen. Die Bewegungslosigkeit der Malerei wird aufgehoben.
Hier wird den Anfängen des Kinos insbesondere wie es zu vermuten ist, den Lumière Brüdern ein Denkmal gesetzt. Sie entwickelten eine Kamera für bewegte Bilder und haben Ende des 19 Jahrhunderts erste Kinematografische Vorstellungen inszeniert. „Arbeiter verlassen eine Fabrik“ oder „Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat“, „Der begossene Gärtner“ sind den Geschichtsinteressierten der frühen Kinematografie ein Begriff. Der von ihnen entwickelte Cinématographe wurde am 22. März 1895 der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie sind Mitbegründer des Films.
Diese frühen bewegten Bilder haben historisch narrativen Wert. Zum ersten Mal wird die Gegenwart nicht nur als fotografisches Standbild dokumentiert, sondern als Film.
Diesem Moment zollt das Atelier des Lumières Respekt. Van Gogh zum Beispiel oder japanische Zeichnung wird mit einem Mal für den Zuschauer als bewegter projizierte Raum erlebbar. Die Projektionen sind riesig, der Besucher schreitet durch die Räume, ist mittendrin, Teil der malerischen Idee. Der museale Raum ist mit Musik erfüllt, sie intensivieren die Stimmung.
Dennoch, so schön wie die Bilder sind, so atemberaubend die Location, mit einem Mal bleibt die Besonderheit des Originals verschlossen. Es eröffnen sich spektakuläre Farb- und Formwelten, die das malerische Original illustrieren, aber die Aura der Malerei verschwindet hinter der technologischen Finesse. Sie werden den Originalen nicht gerecht. Dennoch ist es ein Erlebnis, die Technologien von Projektoren auf Wand, Decken und Boden stehen im Vordergrund, auch wenn sie unsichtbar sind. Das virtuelle Bild, das alles bewegen kann, drückt sich in den Vordergrund.
Es ist ein Besuch wert, aber die Erwartungshaltung sollte nicht allzu hoch geschraubt werden. Sonst führt es zu Enttäuschungen, den die dramaturgische Entwicklung der bewegten Malereien fehlt.
Atelier des Lumières
38 Rue Saint-Maur, 75011 Paris, Frankreich
Beitrag von Prof. Ursula Drees
Photographie und Video von Ulf Caspar.