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Kennedy + Swan: Animationsfilm invitro – invitro – in silico

aufgenommen mit einem Handy von Drees in der Ausstellung SHIFT, Stuttgart

Das Duo der beiden Künstler*innen Bianca Kennedy und Swan Collective ist schon seit 2013 aktiv. Ihre Werke sind in Barcelona, München, Stuttgart, Berlin, Lausanne und Rio de Janeiro, Amerika ausgestellt worden. Aber erst seit 2013 wird die gemeinsame Arbeit durch die Gründung der Gruppe namens Kennedy+Swan vertieft.

In der Akademy Fine Arts haben sie sich kennen gelernt und dort die Zusammenarbeit begründet. Sie beschäftigen sich mit der Zukunft der Evolution und ihren Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere, Menschen und Maschinen. Es ist ein Thema das schon durch das Cyborg Manifesto der feministischen Medientheoretikerin Donna Haraway behandelt wurde. (Erstmals erschienen unter: Haraway, Donna: Manifesto for Cyborgs: Science, Technology, and Socialist Feminism in the 1980’s. In: Socialist Review 80. 1985. S. 65-108.)

©Kennedy + swan von der Website

Frauen sind als Gebärende einem biologischen Animalismus näher als der Mann. Frauen werden dementsprechend nach Fruchtbarkeit und Reproduktionsfähigkeit als valide oder nicht bewertet. Sie sind, wenn sie außerhalb ihrer Bestimmung als Nachwuchsspendende und Erhaltungssubjekte der Menschen sind, nach der Menopause also, der „menschlichen“ Rasse, also dem Patriarchat, zu nichts mehr Nütze. Sie unterliegen dem Verfallsdatum der Fruchtbarkeit. Mit der Menopause sind sie überflüssige Geschöpfe. In äußerster Kompression stellt sich die Ideologie des biologischen Determinismus als Position dar.

Der Cyborg derweil überschreitet die Grenze zwischen Mensch und Tier. Cyborgs sind durch Technologie des Biologischen entfremdet und enthoben.

©Kennedy + swan von der Website

Anfangs waren Maschinen nichts weiteres als abhängige Kopien des Menschen. Sie sind keine selbstentscheidenden, moralischen, fühlenden oder denkenden Maschinen. Sie erleichtern einige Arbeitsprozesse, das ist es aber weitgehend. Maschinen können die Menschen und das weiblich Animale nicht ersetzen und widersetzen sich dem männlich Traum von abstrakter Männlichkeit, von Herrschern über die eigene Rasse. Heute jedoch ist diese Trennung unschärfer. Die Trennung zwischen Maschine und Biologie, zwischen Körper und Apparat, zwischen natürlich und künstlich kann nicht nicht mehr so sicher und klar gezogen werden.

Maschinen erscheinen sehr lebendig, derweil Menschen eher wie eine ungeformte träge Masse dahin mäandern.

Mit diesem Konflikt beschäftigen sich die Arbeiten von kennedy+swan. Sie produzieren Videos, Installation, Zeichnungen Filme, die auf mit durch VR- und AR-Applikationen um das Virtuelle erweitert werden. Sie verwenden eine Vielzahl von Animationstechniken. Das  Analoge und Digitale wird ineinander gewoben. Aktuelle Produktionstechniken greifen auf Künstlicher Intelligenz, zu. Es werden KI-generierte Texte und Bilder in Animationen integriert.

aufgenommen mit einem Handy von Drees in der Ausstellung SHIFT, Stuttgart

Bei Animationsfilm invitro – invitro – in silico geht es um die Erschaffung eines Buddy Bots. Zellen werden extrahiert und mit einem Frosch kombiniert. Das ist die Hülle. Sie erinnert an einen Gnom, ein Frosch, an etwas Deformiertes, Kleines und Biologisches. Gleichzeitig wird eine KI bemüht, um aus der menschlichen DNA alle möglichen Variationen herzustellen. Denn eigentlich soll der Buddy Bot die menschliche Gesundheit verbessern. Er wird implantiert. Er ist ein ökologisches, eigenständiges System. Das System ist ein natürliches und wird unter die Haut des Menschen implantiert.

Wie kommt der Buddy Bot zustande? Erst wird eine menschliche Membran entfernt. Dann findet der Prozess des plastischen Formens statt. Eine Vielzahl von Möglichkeiten werden ausprobiert und irgendwann einmal, ohne dass Warum und Wann zu begreifen, ist alles abgeschlossen. Im Anschluss werden Froschzellen geerntet und alles zusammen kombiniert. Es entsteht ein lebender Bioroboter. Er kann schwimmen und sich fortbewegen. Es ist der Xenpus Laevis. Er kann sich selbst replizieren und hat die Fähigkeit das menschliche Gewebe zu analysieren. Ein tolles Feature, es hilft dem Menschen gesund zu bleiben, gleichzeitig sorgt die eingebaute KI für eine kalkulierte Evolution.

©Kennedy + swan von der Website

Es entsteht eine neue Kreatur, der Buddy Bot. Anfangs ähnelt diese Kreatur primitiven Einzellern, Läusen oder ähnlichem, dann geht es in Richtung Maus und endet bei einem fast schon bemitleidenswerten, froschähnlichem Gebilde.

Das Kreatürchen verfügt über ein eigenes Gehirn, es ist lernfähig und weiß vielleicht schon von Grund auf Einiges. Das Wesen, der Buddy Bot ist nicht besonders ansehnlich. Er erscheint wie ein zusammen geflicktes kleines Monsterchen.  Durch die Grösse nicht beängstigend, wenngleich auch nicht schön. Der Mensch kann es unter die Haut implizieren und dort bewegt er sich durch die Strukturen. Es scheint ziemlich verformbar zu sein, sehr elastisch. Wobei die Rezipient*innen nur eine kleine Verformung unter der menschlichen Haut sehen. Es kann nicht nur unter der menschlichen Haut leben, es kann sogar unter Holzstrukturen, Plastik und anderen Oberflächen leben. Ein ganz amüsantes und wunderliches Wesen.

©Kennedy + swan von der Website

Dazu gibt es ein Buddy Bot App.

Diese App ist für eine Cloud gestützte fortlaufende Analyse der Körpers zuständig. Es entsteht ein Labor im Körper. Der Buddy Bot verlängert das Leben und hält den Menschen, oder bessern Host gesund. Wer will so ein Wunderwesen nicht umgehend implantieren?

Die App kann viel anzeigen. Erstmal die Gesundheitswarnung: Dann sollten Muskeln gestärkt werden. Und für diesen Service muss man zahlen. Wie im Übrigen für alle nachfolgenden Services. Ganz kostenlos ist so ein Buddy Bot nicht. Das erklärt sich von selber, sollte man meinen.

©Kennedy + swan von der Website

Das Bauchgefühl. Hier werden die Arterien gereinigt. Mit ein bisschen Geld wird Nervennahrung gebildet, das Gehirn wird auf Trab gebracht. Auch im Angebot ist das Gesundheitsgenie. Da wird die Eichel ordentlich gereinigt und für einen weiteren Kostenbeitrag werden Koordination auf einen höheren Level katapultiert. Level Up heißt dieses Feature.

Das hört sich großartig an. Leider zeigen sich Schwächen. Die Hotline der Buddy Bot Gesundheitspflege wird monatelang durch Skeptiker angerufen und belegt die Büros und Labore. Niemand geht dran und nichts geschieht. Im Laufe der Zeit verwaist alles.

Sogar die wieder auferstandene, mit Hilfe von KI generierte Marlene Dietrich kommt zu Wort. „Ich achte sehr darauf, was in meinen Körper kommt. Also nein, Buddy Bots sind nichts für mich. Und ich bin angewidert durch den elitären Scheiß bei dem nur reiche Leute ihr Leben verbessern können.“

aufgenommen mit einem Handy von Drees in der Ausstellung SHIFT, Stuttgart

Wollen wir so etwas?

Marlene Dietrich sagt: „Nein. Ich will keinen Bio Bot.“ Und so schreibt sich die Geschichte. 2023 entdeckt die Menschheit auf breiter Basis künstliche Intelligenzen. Sie werden Consumer tauglich. Kurz danach kommt der Buddy Bot, die biologisch künstliche Intelligenz. Danach werden die biologischen Intelligenzen implantiert. Und wo endet es? Keine 30, 40 Jahre später ist das Labor am Ende. Die Unsterblichkeit ist nicht erstrebenswert. Kein Mensch, der einen Buddy Bot haben möchte. Die Firma geht Konkurs und es bleibt nur noch eine urbane, still gelegte, mit Grafites bemalte Firmenzentrale. Sie ist dem Verfall anheimgefallen. Überall Pfützen, Vandalismus und keine Menschenseele. Im Labor selber leben wohl einige Buddy Bots unter den Strukturen des Inventars. Was sie da bewirken, wissen wir nicht. Aber man muss sich schon fragen, ob sie eigene Entscheidungen über ihr Sein treffen können oder dürfen.

OpenAi ChatGPT ist am Storyboard, an der Erzählung beteiligt. Ob die Animationen mit sehr viel oder teilweise oder bescheidenen Anteilen einer KI gemacht wurden, bleibt offen. Vielleicht hat hier noch ein CGI Artist die virtuellen Environments ausgedacht, hat mit eigener Kreativität  und handwerklicher Finesse die Szenen entwickelt, vielleicht auch nicht. Es gibt einige Szenen, wo der analoge Cast erkennbar ist. Da schwimmt und zuckt ein in einem grünen Ganzkörperanzug gekleideter Mensch durch eine übergroße Petrischale. Sie ist mit vielen transparenten Plastikbällchen gefüllt. Ein bisschen wie in einem nicht besonders tiefen IKEA Bälle Bad. Aber die meisten Filmszenen sehen Computergeneriert aus.

Kennedy+Swan, 2013 geründet.
Ein Kanal Video ( 8 Min. 16:9 Stereoton)
Im Besitz der Künsterler*innen.
Gesehen in der Kunsthalle Stuttgart, Ausstellung Shift.

Beitrag von PROF. KATJA SCHMID

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