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Wang Qingsong: Fotografie, Hirshhorn Museum, Washington DC.

Nach dem Tod seines Vaters wurde Wang Qingsong gezwungen, seine Familie zu unterstützen. Er arbeitete jahrelang als Bohrer für eine Ölgesellschaft, bevor ihn seine Mutter ermutigte, mit Mitte zwanzig ein Kunststudium zu beginnen. Das war zu dieser Zeit ungewöhnlich. Die meisten seiner Kommilitonen in der Abteilung für Malerei an der Kunstakademie von Sichuan hatten Eltern, die traditionelle Künstler waren, und keine Arbeiter wie seine Eltern. Anstatt nach seinem Abschluss auf das Ölfeld zurückzukehren, zog er nach Peking, wo er die Fotografie in seine Arbeit einbezog.

Zunächst druckte er Bilder, die er aus Zeitschriften eingescannt hatte, auf Seidensamt, bevor er sich 1996 Photoshop aneignete, um digital überlagerte Werke zu schaffen. Nachdem er mit der digitalen Technologie nicht mehr einverstanden war, begann er im Jahr 2000 mit einem Pekinger Filmstudio zusammenzuarbeiten, wo er Modelle in aufwendigen Tableaus besetzte und inszenierte, die er in weitläufigen Panoramaszenen fotografierte.

Seine Panoramawerke wie Requesting Buddha Series No.1 und China Mansion sind gespickt mit Verweisen auf kanonische Werke der westlichen Kunstgeschichte, von Sandro Botticellis Geburt der Venus (1484 – 1486) über Edouard Manets Olympia (1863) bis zu Man Rays Ingres‘ Violine (1924). Diese Werke vereinen ein Übermaß an fremden Elementen zu schwungvollen, manchmal ostentativen Visionen des neuen China.

Die Panoramabilder sind voller Farbgewalt. Sie sind saturiert und eine verrückte Lebensfreude wird vermittelt.

Requesting Buddha Series No.1 (1999) Farbfotografie. Aus der Sammlung von Larry Warsh, Ausschnitt.
Requesting Buddha Series No.1 (1999) Farbfotografie. Aus der Sammlung von Larry Warsh, Ausschnitt.
Requesting Buddha Series No.1 (1999) Farbfotografie. Aus der Sammlung von Larry Warsh, Ausschnitt.

In China Mansion wird das Geschehen kommentiert, eher wohl interpretiert. Es wird gegessen, gevöllert sogar, die Frauen sind leicht bekleidet, oft verkleidet, betrinken sich, hängen rum, manche so betrunken, dass sie unter dem Tisch landen. (Leonardo da Vinci, Das Abendmahl, 1494–1498).

Oder Raffaels Die drei Grazien. Hier stehen sie vor einem Paravan, um sie herum andere Interpretationen der grossen westlichen Malkultur. Wie zum Beispiel Amedeo Modigliani´s „Liegender Akt“ (Nu couché). Gleich daneben liegt Edouard Manets berühmtestes Gemälde, die skandalumwitterte „Olympia“ (1863). Das Umfeld hat ausgeprägten Bordellcharacter. Die Darstellungen sind übertrieben, fast schon lächerlich. Und gleichzeitig werden der westlichen Betratchter*in bewusst, dass die Kunst eine Vielzahl von nackten Musen zu offerieren hat.

Als Betrachterin macht es Spass, das kunstgeschichtliche Wissen zu testen. Und dabei festzustellen, dass viele Motive zwar bekannt erscheinen, aber eine genaue Künstlerzuordnung nicht hinhaut. Dabei ist alles schon mal gesehen worden. In Katalogen, im Internet, vielleicht in den vielen Museen, die man im Laufe der Zeit gesehen hat.

Wie muss diese Fotografie auf andere Kulturen wirken? Was sagt das über die westliche Kultur aus? Was sagt es über die heutige Chinesische Kultur aus? Alles wird zitiert und verwäscht sich in der globalisierten Welt. Alte Traditionen bilden die heutige Welt nicht mehr ab.

Beitrag von Ursula Drees

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