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Monthly Archives: November 2019

Plastikschafe am ZKM

Wer sie machte, woher sie kommen, warum sie aufgereiht an der Wand stehen, ist unklar. Vielleicht eine Arbeit der Studierenden am ZKM. Wahrscheinlich.

Kurzes Innehalten, Material prüfen, Schafqualität vergleichen und an Greta denken. Die Plastikflut erstickt den Menschen. Je öfter darauf verwiesen wird, desto sinnvoller. Prof. Ursula Drees

„The Long Now“ von Verena Friedrich

Diese Installation steht im ZKM in der Ausstellung „3Rooms“.

Verena Friedrich “ The Long Now“ im ZKM Fotografie mit Handy©M.v.T.

Ein dunkler Raum in dessen Mitte der Aufbau steht. Ein Plexiglaskubus, eine Seifenblasenmaschine, ein CO2 Messgerät, ein Labortisch und Industriestaubsauger, diverse Plastikschläuche, irgendwo im Plexiglaskubus auf dem Boden liegt Trockeneins und Seifenlauge. Auf der Tafel wird der Besucher über das Arduino Board, Relais, Verkabelung und Stromversorgung aufgeklärt. Das ist soweit alles Sichtbare.

Und natürlich der Aufsichthabende, mit weißen Handschuhen, der beim Eintritt das Experiment startet. Der Kohlenstoffdioxidanteil, die Temperatur und noch das ein oder andere wird kontrolliert. Wenn die Atmosphäre stimmt, geht es los. Der Staubsauger wird nach der Prüfung bedient, und eine Seifenblase entsteht im Inneren des Plexglaskubus. Sie wächst zu einer Ordentlichen heran, der Aufsichtshabende zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden und das Kunstwerk ist vollendet. Die Seifenblase steht im Trockeneisglasraum, bewegungslos, inmitten des Kubus in ihrer ganze Schönheit. Prismafarben spiegeln die Oberfläche, vollkommener Stillstand. 

Verena Friedrich “ The Long Now“ 2016 Ars Electronica Festival

Einegefrorene Seifenblase. Sie ist für einen erstaunlich langen Zeitraum ein Objekt, schwebend scheinbar inmitten eines leeren Raums. Je länger geschaut wird und das Experiment nach einer Erkenntnis ruft, desto klarer werden Metaphern und Assoziationen im Kopf formuliert.

Seifenblasen zerplatzen, eine Sprichwort für verlorene Träume. Ebenso aus der Kunstgeschichte ein in der Zeit der Stilllebens des „Momento mori“  oft genommenes Symbol für die Vergänglichkeit des Seins. Bekannt sind Totenschädel, abbrennende Kerzen, verwelkende Blumen, zerbrochene Spiegel, aufgeschnittene Südfrüchte und auch Seifenblasen. 

Mit dieser Arbeit stellt sich sie in die Tradition der KünstlerInnen wie Douglas GordonUrs FischerNam June PaikManuela Kasemir oder etwa Jeroen de Rijke / Willem de Rooij. Es ist eine akademische Arbeit durch und durch.

Wenn eine Seifenblase platzt, bleiben nur einige Spuren der Seifenlauge übrig. In „The Long Now“ wird Lebensdauer verlängert. Manchmal um Minuten, es kann aber wohl auch länger sein, Stunden oder ein ganzer Tag. Aber irgendwann platzt sie; ihr Lebens Zyklus endet. Sie stirbt. 

Verena Friedrich “ The Long Now“ im ZKM Fotografie mit Handy©©M.v.T.

Die Künstlerin verbindet Wissenschaft und Kunst. Sie trägt den Titel der Diplom Designerin der Hochschule für Gestaltung in Offenbach (bei Professor Heiner Blum und Professorin Ulrike Gabriel), dann noch an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. An der Kunsthochschule in Köln kommt noch ein Diplom dazu.  Hinzu ein Forschungsaufenthalt am „SymbioticA – Centre of Excellence in Biological Arts“ in Australien und an das „Laboratory of Stem Cell Bioengineering“ in Lausanne.

Sie arbeitete im Max Planck Institut für Biologie in Köln, ihr Thema „Das Altern“, kooperiert mit der Kölner Kunsthochschule und das Werk nimmt Form an. Es wird auf der Ars Electronica mit einer Honorary Mention (2016)  geehrt.

Beitrag von Dr. Margarete von Trifft

Forest of Sensors von Yang Jian (2008-2019)

Es ist ein 2007 ins Leben gerufenes Projekt namens „Three Rooms“, das gemeinsam mit dmn Nam June Paik Center, dem CAC – Chorus Art Center, Shanghai und dem ZKM, Karlsruhe junge MedienkünstlerInnen unterstützt. Im Jahr 2018-2019 wurden Kim Heecheon aus Korea, Yang Jian aus China und Verena Friedrich aus Deutschland ausgewählt.

Das Werk des Künstlers Yang Jian aus China stellt sich konfus dar. Der Raum besteht aus einem Wirrwarr von Dingen.

Da gibt es jede Menge Zimmerpflanzen aus Plastik, die sehen einigermaßen geputzt aus. Und überzeugen auf den ersten Blick als lebendige Organismen. Aber nicht allzu lange. Dann andere Dinge: Ventilatoren, Monitore, Röhrenbildschirme, Kartons, Plastikcontainer, Plastikrohre, Fussball, Kabel, Kleiderbügel, Überwachungskameras, Taurollen, Barhocker, Luftballons, Flaschen, Kopfhörer an Kopfhörerständern und viel, viel mehr. Alles etwas älteres Material, sodass der Verdacht aufkommt, es handele sich hier um eine Müllhalde, einen Dschungel von Found Material.

Nur in Begleitung einer Führung darf das Areal betreten werden. Es soll betreten werden. Wer es schafft, den Raum zu durchqueren ohne einen Signalton auszulösen, ist ein Artist. Alles ist voll gestellt, schneller als gedacht, berührt die Schulter, der Fuss, der Rücken oder ein Arm etwas.

Der Titel verspricht einen Wald aus Sensoren und das wird erfüllt. Von den Dingen und den Pflanzen gehen dünne Kabel ab. Wer etwas berührt, löst den hellen, fast ein wenig schrillen Alarmton aus. Die Phantasie geht los? Was mag hier beschrieben sein? Geht es um den Verlust der Natur in einem Wald von verkabelten Objekten der Industrie? Oder sollen Besucher empfindsam den Objekten und deren Lebensform gegenüber gemacht werden? Sollen Gedanken an die Seele der Dinge aufkommen?

Bei genauer Betrachtung stellt das Auge fest, das alle Gegenstände in China hergestellt wurden. Überall „Made in China“. Und dann wird erklärt, dass der Künstler einige Wochen durch die Archive, Kellerräume, alten Büros, Lagerstätten des ZKM’s gewandert ist, auf der Suche nach Dingen mit dem Aufdruck „Made in China“. Der Künstler wollte ein durch und durch Chinesisches Kunstwerk herstellen, ohne Material zu transportieren. Natürlich wird dem Besucher bewusst, dass fast jedes Umfeld, sei es Privat oder Offiziell durch Objekte „Made in China“ bestückt ist. Das sind Stühle, Regale, Kleidungsstücke, Nähgarn, Autos, Sitze, Kissen, Kosmetik, Trinkflaschen, Computer, Telefone, Kabel, Kartons, Fussbälle, Kopfhörer, Luftballons. All das, was hier gezeigt und vernetzt wird.

Verwundert stellten selbst die Mitarbeiter des ZKM bei seiner Suche und seinem Fundsachen fest, was dort in den Ecken und Tiefen des ZKMs lagerte. Vor allem die vielen Plastikpflanzen brachten Erstaunen hervor. Aber warum nur wird alles vernetzt? Warum gibt es diesen scharfen Signalton?

Es wird erklärt, dass der Künstler eine Analogie des Lebens der Menschen in Hong Kong herstellt. 2Bewege dich durch das Labyrinth, sei gewiss, dass eine Fehlbewegung, Fehlaussage oder Fehleinschätzung zu einer Verwarnung führt, zu einem schrillen Signalton der Gefahr“. In Hong Kong werden Bürgerrechte beschnitten und ein freies Bewegen oder gar Durchschreiten gibt es nicht mehr. Überall gibt es Kontrollen. In den Einkaufszentren, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in den Museum, auf den öffentlichen Plätzen. Es wird überwacht. Freiheitliches Verhalten wird für die Installation verlangt, aber dann kommt die Bestrafung. Das lässt sich auf Hong Kong übertragen.

Beitrag von Prof. Ursula Drees

Fotografien wurden von einer Handkamera vor Ort gemacht©Ursula Drees