Monthly Archives: Juni 2015
Der Pavillon ist gleich der Erste nach dem Eintritt in die Giardinis. Erst seit 1952 hat die Schweiz einen eigenen Pavillon. Es ist ein Bau ganz im Sinne von Mies van der Rohe. Form follows Funktion, sachlich, klar und Licht geflutet. Mit einem Vorhof und dann dem Zugang zu einem großen Ausstellungsraum. In diesem Jahr von Pamela Rosenkranz. Sie nennt ihre Installation „Our Product“.
Pamela Rosenkranz beschäftigt sich in ihrer Malerei mit der Farbe der Haut. Sie hat eine Hundertschaft von großformatigen abstrakten Malereien zu diesem Thema geschaffen. Die Farbe der Haut ist eine Kontemplation wert, denn sie ist schwer zu erreichen. Wie kann sie natürlich aussehen? Nicht zu rötlich, nicht zu bleich, nicht zu blau oder gar mit Grünstrich, oder nur Grau. Diese gesunde Hautfarbe, die schon die Maler der Renaissance in den Wahnsinn trieb. Das ist das formale Anliegen. Inhaltlich geht es bei ihr um die Frage nach dem Sinn des Menschseins, der Unsterblichkeit. So so…
Wir betreten den Pavillon und finden uns im Atrium einem kleinen Garten. An der Längsseite der Außenmauer hängen 5 LED Strahler. Sie tauchen den Vorhof in ein knackiges Grün. Die Farbintensität bleibt bei Sonnenschein vorhanden. Dann treten wir in einen kleinen Flur, auch der in pralles Grün getaucht, stellen uns an, denn vor uns sind bereits Besucher. Wir kommen voran und schauen in den Hauptraum. Weiter kommt man ja nicht, denn der Raum ist auf ca. 150 Meter geflutet. Er ist zu einem Wasserbecken geworden, einer der mit einer hautfarbenen Flüssigkeit gefüllt ist. Sie ist intensiv und taucht Wände und Teile der Decke in den gleichen Ton. Ein Fest der Fleischlichkeit.
Das Wasser derweil ist nicht besonders einladend, blubbernd mäandert es von links nach rechts, schlägt hier und da keine Blasen, in der Mitte bilden sich Strudel und Strömungen. Es riecht abgestanden. Die meisten Besucher werden mit der Nase am Beckenrand stehen und in die Beschaffenheit der Flüssigkeit getunkt.
Wir stehen vor der Brühe und meditieren über Chinas Ekelflüsse, wo die Verschmutzung nur noch farbige Tinte mit Blasen und Schäumauswürfen in den Gewässern hervorruft. Etwas angeekelt wenden wir uns ab und gehen hinaus. Jetzt ist der grüne Flur eine Wohltat und wird tatsächlich wahrgenommen. Uns beschleicht das Gefühl dass die Gestaltung wenig inspirierend ist. Die Geschichte soll entscheiden ob die Kunst von Pamela Rosenkranz nur eine Eintagsfliege ist oder mehr.
Betrag und Fotos stammen von Ursula Drees
Irina Nakhova hat den Russischen Pavillion auf der Biennale in Venedig in diesem Jahr verantwortet. Er trägt den Titel: The Green Pavillon. Sie ist die erste Frau die für Russland den Pavillion gestaltet. Sie wurde 1955 geboren und graduierte 1978 am Moskau Institute für Grafik Design. Seit 1992 lebt sie in den USA. An der Wayne State University in Detroit, Michigan, Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pennsylvania und an der International Summer Academy of Fine Arts in Salzburg gibt sie Klassen in Moderner Kunst.
Der russische Pavillion ist einer der grössten und imposantesten Bauwerke in den Giardinis. Neben dem deutschen Pavillion steht er und ist mit petrolgrüner Farbe gestrichen. Schon immer bildet man sich ein. Er heisst „The Green Pavillon“. Das lässt die Erwartungen steigen. Was wird wohl gezeigt? Vielleicht ein grüner Wald, grüne Farbe überall, vieleicht Buschwerk, vielleicht eine abstrahierte in Grün getauchte Alltagssituation, oder Politikerskulpturen mit grüner Farbe überzogen? Nichts dergleichen. Im ersten Raum überrascht eine übergroße MIC-Fliegermaske. Alles in einem dunklen Graphitton. Die Maske füllt akkurat den Raum, sprengt ihn sogar. Man kann sie umkreisen, stiefelt über den Sauerstoffzufuhrschlauch und hält verwundert inne. Dann ganz kurz, flackern die Gläser auf und es starren die Augen der Künstlerin aus der Maske heraus. Direkt ins Gesicht.
©Courtesy the Artist; Stella Art Foundation
Im Anschluss geht es 5 Stufen in den nächsten Raum. Man soll sich auf die gläserne Bodenplatte stellen. Alles ist dunkel, kein Licht, nur die helle Bodenplatte gibt Orientierung. Ganz vorsichtig nähert man sich und starrt in den Abgrund. In geschätzten zwei Metern Tiefe bewegen sich Würmer langsam durch das Erdreich. Sind das LED Roboterkreaturen? Aber es ist ein HD Video, klar und exakt von vergösserten Regenwürmern, deren Oberfläche schlüfrig glänzt. Sie lockern das Erdreich. Langsam, beständig, ohne Unterbrechung.
Wer sich nicht überwindet wird diese Ebene nicht sehen. Dann plötzlich öffnet sich die Abdeckung der Glaskuppel über den Köpfen.
Und Sonnenlicht straht hinein, direkt auf die Platte und reflektiert Helligkeit. Die Welt dort unten wird unsichtbar. Schon wieder wird der Blick versperrt.
Wo ist der grüne Ort? Wo der grüne Pavillon? Wir gehen weiter und da kommt der Farbschock. Ein Decken, Böden und Wände füllender Rot Grün Komplementärkontrast tapeziert alles. Gerasterte Formen, nicht zu entschlüsseln, kein Motiv, nur Farbe. Der Mensch in der Maske, die versteckte Welt des Erdreichs, die pralle Farborgie. Aber lassen wir uns nicht täuschen. Die Farborgie ist nur ein gleicher Grauwert mit Licht.
Denn nur dieser Kontrast hat die gleiche Lichtstärke, die in Grauwerten den selben Ton ergibt und damit ist dies ein grauer Raum. Im Innenraum gibt es keinen Grün. Nur die Täuschung. Und Struktur wird durch Matt- und Glanzlackierung erzeugt.
Die Künstlerin selbst gehört zu einer inoffiziellen in Russland verbotener Künstlergruppe von Conzept Art Künstlern. Es sind Konzepte in dem Werk zu finden. Klare Ideen und Gedanken, mit rigoroser Zielgenauigkeit verfolgte Kunstwerke. Sie sind eng mit der Abstraktion einer Idee gebunden, lassen sich daher nicht narrativ erklären.
Jeder Raum spricht vom Erblinden mit nur kurzen Momenten der Erleuchtung. Dann in diesen wenigen Sekunden gäbe es die Chance zu begreifen, aber die Zeit läuft zu schnell ab und schon stehen wir wieder in der Inneren und äusseren Blindheit.
Ps. Der Russische Pavillon wurde von der Künstlerin mit dem ursprünglichen Aussenfarbanstrich versehen. Jahrelang zeigte er sich in einem Occafarbton.