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Xu Bing wurde 1955 in China geboren, lebte mehr als 18 Jahren in den USA und ist sei 2008 Direktror der Central Academy of fine Arts in Peking. Zu diesem Zeitpunkt bekam er den Auftrag für den Eingang des World Finance Centers in Peking eine Installation zu machen. Er sagt er sei anfangs von den primitiven Arbeitsbedingungen auf der Baustelle geschockt. „Meine Haut fröstelte“ so Xi Bing. Er fertigte aus den Resten, Abfällen, Gerätschaften der Baustelle zwei riesige Vögel, die Phönixe. Sie sind 27 Meter lang. Ein Vogel ist männlich der andere weiblich. Der Künstler dachte anfangs die Skulpturen in zwei Monaten fertigen zu können, letztendlich dauerte es 2 Jahre um sie abzuschließen. Sie wurden auf der Shanghai World Expo, im Massachusetts Museum of Contemporary Art, in der Cathedral of Saint John the Divine in New York City und auf der Biennale in Venedig gezeigt.
Ein Phönix ist ein mythischer Vogel der am Ende seines Lebens oder Schaffens verbrennt und aus seiner Asche erneut aufersteht. Es soll ein rot- goldener Vogel sein der alle 500 Jahre neu aus der Asche des Osiris aufersteht. Es ist ein Symbol der Unsterblichkeit, der Auferstehung.
Auf der Biennal in Venedig wurden die zwei Vögel in den Schiffshallen des Arsenal aufgehängt. Sie füllen eine Halle fast vollständig aus. Sie scheinen gerade los fliegen zu wollen: groß, majestätisch und unzerstörbar.
Biennale Venedig 2015: Kutlug Ataman, The Portrait of Sakip Sabanci, 2014
Wir sehen unter der Decke im Arsenal eine Welle bestehend aus 9216 LCD Panels. Es ist eine Video Installation, die dem 20igsten Todstag des türkischen Unternehmers Sakip Sabanci gewidmet ist. Die Arbeit wurde von der Familie Sabanci in Auftrag gegeben. Es dauerte 3 Jahre um dieses Werk fertig zustellen.
Es sind Portraits von Menschen, die den Weg des Unternehmers kreuzten. Es sind Familien Mitglieder, Mitarbeiter, Kollegen, Freunde, Menschen, die er unterstützte und förderte. Dieser Unternehmer war ein Menschenfreund, ein Gutmensch. Er hat vielen Menschen den Weg in eine Zukunft gezeigt, vielen Menschen Hoffnung geschenkt. Die Portraits sind in Passbildgröße. Jedes Gesicht bedeutet eine Geschichte. Und jede dieser Geschichten ist mit diesem einen Menschen verbunden. Er muss ein Mensch gewesen sein, der sich durch Neugierde, Toleranz und Humanismus auszeichnete.
Der Himmel des Raums ist mit dieser Bildwelle ausgelegt. Der Raum wird durch Blau und vielen kleinen anfangs noch anonymen Bildern geprägt. Aber schon bald bewegt sich der Besucher wie in einer Kathedrale. Der Kopf im Nacken schaut er hoch und liest die Gesichter.
Der türkische Künstler aus Istanbul wurde 1961 geboren. Neben der Kunst macht er Filme. Sein Interesse gilt der Erfassung von Identität. Wie werden Gesellschaften durch Menschen geprägt, wie prägen sich Menschen innerhalb der Gesellschaft. Wie stellen sie sich dar, wie verbinden sich die Individualität mit Realität und dem Fiktiven. Was machen Menschen die im Rampenlicht stehen um einen Mythos zu begründen. Welche Geschichte schreiben sie sich selbst zu?
Seien Arbeiten wurden auf der Dokumenta, im Lentos Museum Linz, auf der Biennale in Sao Paulo, im MOMA New York City, Im Ludwig Museum Köln, im Museum für Contemporary Art in Sydney , in Belgien, Dänemark,- eigentlich überall – ausgestellt.
Biennale Venedig 2015: Chris Marker im Arsenal
Er verstarb 2012 und hat sich Zeit seines Lebens der Photographie, dem Schreiben und dem Dokumentarfilm verschrieben. Seine Filme sind im Deutschen Raum echte Underdog Tipps. Er hat einen Essay zu Akira Kurosawa gemacht, hat den Film Sans Soleit 1983 veröffentlicht. Noch andere, natürlich. Keines seiner Werke kann man als Mainstream oder hoch kommerziell bezeichnen. Ein Künstler der sich treu blieb.
Seit 1987 hat er dann auch eher Multimediale Arbeiten gemacht, er produzierte für das Centre Pompidou und man kann seine Werke im Museum of Modern Art in New York City sehen.
Die Bilder sind aus der Serie Passengers, entstanden zwischen 2008 und 2010.
Es werden Portraits gezeigt. Sie unterscheiden sich. Es sind einerseits Schwarz Weiss Bilder, ursprünglich Werbefotos, zerknittert und neu fotografiert. Heraus kommen Gesichter der Qual, des Schmerzes, der Folter, der Zerstörung. Es waren mal gestellte voll manipulierte Bilder einer Schönheitsgetriebenen Industrie. Jetzt sind es Zeitzeugen. Sind es Flüchtlinge oder in Armut gekommene Leidensgesichter? Sind es Folterbilder oder Kriegsleidende?
Die Technik ist so einfach, das Ergebnis zu verblüffend. Einerseits klassisch, andrerseits so aktuell. Der Ausdruck ist überwältigend. Die Zerrissenheit der Gesichter. Wie kommt man nur auf so eine einfache Idee? Wie schafft man es nur, die Kraft der Zerknitterten Bilder zu begreifen? Und nicht weg zu legen, weil man glaubt der Herstellungsprozess sei zu einfach gewesen. Es ist ein bewundernswerter Akt des Bewusstseins. Die Bilder schreien das Leiden dieser Welt heraus.
Und zeitgleich sehen wir die Bilder der Menschen auf dem Weg nach Hause. Sie sitzen in öffentlichen Transportmitteln, sind erschöpft, ganz für sich, nicht ansprechbar und allein. Die Hände gekreuzt, halten an der Tasche fest, Starren in die Endlosigkeit, schlafen oder meditieren scheinbar in einer von Bewegung getriebenen Welt. Die Transportmittel ähneln, immer ein Fenster an der die städtische Landschaft vorbei fährt, enge Sitze aus Plastik mit wild bemusterten Schmutz abweisenden Polstern belegt. Die Menschen kommen von überall. Sie sind verschieden aber in der Erschöpfung doch ähneln sie sich.
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Im Ars Electronica Center gibt es den Deep Space Präsentations Raum. Auf 16 x 9 m wird der Boden und die Stirnwand nahtlos mit 8 Galaxy NH 12 Projektoren von Barco bespielt. Es ist ein visuelles Erlebnis, der Raum verändert sich, wird zu einer Leinwand ohne Ecken und Kanten. Ein Meer an Möglichkeiten.
In diesem Raum wurde die Tanzperformance Anatta gezeigt. Die Geschichte handelt von dem Menschen, der aus seiner Lebenswelt heraustritt, hinein in die unbegrenzten Formen und Bewegungen, manche folgen, manche grenzen ab und endet wieder in seiner Welt.
Anfangs wird eine strenge schwarz weiss, grafische Umgebung geschaffen. Die Tänzerin mit federleichten Bewegungen und lautlosen Schritten und Sprüngen tritt aus. Grautöne, Schattierungen und grosse Formvielfalt erfüllt den Raum. Schön anzusehen.
Wenn nur die Beamer etwas lautloser wären und besser auf den Raum ausgerichtet, ohne Überlagerungen, dann wäre Deep Space als Aufführungsort nicht zu schlagen.
Adrian Piper, geboren am 9. September 1948 in New York City arbeitet im Bereich der Concept Art. Sie ist nicht nur Künstlerin sondern auch Philosophin. Sie studierte an der School of Visual Arts, City College of New York und in der Harvard University. 1981 promovierte sie in dem Fach Philosophie. Sie verbrachte an der Universität in Heidelberg einige Jahre und betreibt in Berlin, ihrem heutigen Wohn- und Arbeitsort das The Berlin Journal of Philosophy und das Adrian Piper Research Archive. 2015 wurde ihr der Goldene Löwe für Beste Künstlerin auf der Biennale in Venedig verliehen.
Sie präsentiert dort The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3, 2013. Eine Installation und Participatory Group Performance. Im Arsenal eröffnet sich inmitten der vielen Exponate ein Raum der kühlen Ruhe, in Grau mit Goldsätzen versehene Wände, davor 3 ovale goldene Rezeptionen mit den Massen 1,83 m in der Breite mal 1,6 m in der Höhe, jeweils besetzt mit einer Rezeptionistin. Es wird gefragt, welcher der drei Leitsätze an den 70% grauen Wänden für sie zutreffen. Nicht nur das, an welchen dieser drei Leitsätze sie sich in Zukunft halten werden. Dort dürfen die Besucher auch die Übereinkunft, einen moralischen Vertrag unterschreiben.
Wir haben die Wahl zwischen:
I will always be too expensive to buy
I will always mean what I say
I will always do what I say I am going to do
Es sind gute Fragen, wichtige Fragen, schwierige Fragen sogar. Wer hier vorbei geht, ist müde oder hat die Arbeit im Gewimmel nicht gesehen. Sie ist ja leicht zu verwechseln. Denn der Aufbau, eine Rezeption lässt an Büroarbeit, an Infostand denken, nicht so schnell an ein Kunstwerk.
Ich entscheide mich nach einigem Abwägen für: I will always mean what I say. Wohlweislich, dass ich sofort diese Regel brechen werde. Denn ich lüge mindestens 10 Mal am Tag. Es sind keine schwerwiegenden Lügen, kleine Versicherungen, Halbwahrheiten eher. Wenn ich meiner Schwester bei der Präsentation eines neuen Kleides ein Lob ausspreche und eigentlich denke, dass es ein bisschen altmodisch ist. Wenn ich Frisuren lobe, Schuhe, Kochkünste, Einrichtungen, Verpackungen oder andere Hunde und es nicht meine. Wenn ich behaupte, Dinge seien mir nicht wichtig, aber eigentlich sind sie es, dann sage ich garantiert nicht was ich meine. Wenn mich meine andere Schwester fragt, ob ich noch ein Stück Rinderbraten will, das Letzte und ich genau sehe, dass sie es gerne hätte, dann trete ich zurück und behaupte ich würde es nicht wollen. Wenn ich eingeladen werde und absolut keine Lust habe, dann lasse ich mir eine Ausrede einfallen. Wenn ich mich schlecht fühle und behaupte es ginge mir gut. Wenn ich Migräne habe und kein Bein an die Erde bekomme und voll mit Triptanen bin und sage, alles sei OK. Wenn ich eher entfernten Bekannten nicht zuhöre und so tue als wäre ich bei der Sache und am Ende Sachen sage wie: Das ist ja interessant. Wenn Studierende ein Feed Back zu ihrer Arbeit haben wollen und bis dahin noch alles ziemlich kindlich, naiv und miserabel ist, dann sage ich Sachen wie: Das sieht ja schon sehr gut aus, Ein Kleinigkeit müssten sie dennoch überdenken…..“ Es gibt unzählige Gelegenheiten in meinem Leben, wo ich nicht sage, was ich denke. Deshalb habe ich mich für diesen Satz entschieden.
Mit dieser heimlichen Erkenntnis unterschreibe ich den Vertrag. Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Eher danke ich der Künstlerin, dass ich eine Selbsterkenntnis habe.
Und weiß dass Interaktivität mit einfachen Mitteln erzeugt werden kann. ES muss nicht immer eine Kinect sein, Arduino, Microcontroller, LED Wändr oder Böden, Vernetzung und Server, Schnittstellen und Kabel. Hier denke ich, unterschreibe und warte auch die Ergebnisse, die im Adrian Piper Research Archive gelagert werden. Vielleicht werde ich eines Tages mal dort hin gehen und sehen, welcher Spruch die meisten Zuschläge bekommen hat.