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Category Archives: Kunst

Bjørn Mehlhus: Can You See My Art?

Im Kindl Museum Neukölln Berlin sind einige Exponate des Künstlers Bjørn Mehlhus zu sehen. Das Kindl Museum selbst gibt es noch nicht so lange. Seit 2016 werden in dem Gebäudekomplex der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln wichtige Positionen internationaler Gegenwartskunst gezeigt. Das Ausstellungsprogramm unter der künstlerischen Leitung von Andreas Fiedler umfasst mehrere große Ausstellungen pro Jahr und wird durch Veranstaltungen wie Künstlergespräche, Vorträge und Konzerte ergänzt. Bereits im ersten Jahr zählte der neue Kulturstandort über 30.000 Besucherinnen und Besucher. Hier auszustellen bedeutet in grosszügigen Hallen mit toller Beleuchtung wenn erforderlich sein Werk zu präsentieren.

In der Ausstellung Free Update zeigt der norwegische Künstler Bjørn Melhus Arbeiten aus den letzten Jahren. Melhus beschäftigt sich mit Filmen und Videoinstallationen mit Phänomenen der Medienwirklichkeit. In oft überzeichneten, zum Teil absurd-komischen Kurzfilmen hinterfragt er Motive und allgemeine Strategien der Massenmedien und reflektiert ihren Einfluss auf unsere heutige Gesellschaft. Grundlage seiner Arbeiten sind Audiofragmente aus verschiedenen Kanälen der vorwiegend westlichen Pop- und Kinokultur wie US-amerikanischen Filmen, TV-Sendungen oder YouTube-Videos. Ausgehend von diesen Tonsequenzen entwickelt der Künstler Erzählungen, in denen stereotype Figuren in eigenartige Kontexte versetzt werden. Dabei verkörpert Melhus die unterschiedlichsten und oft höchst bizarren Akteure seiner Filme selbst. Neben Arbeiten wie The Theory of Freedom (2015) und Can You See My Art? (2018) ist in der Ausstellung Bjørn Melhus’ neuester Film Sugar (2019) zu sehen.

Gleich zu Beginn wird „Can You See My Art“, ein Video präsentiert. Auf grellen, sich ständig ändernden Mustern steht eine Person. Sie bewegt sich hin und her, affektiert und übertrieben. So ist auch die Stimme, die Sprache ist nicht synchronisiert. Es wird immer wieder mantrahaft gefragt: „Can You See That? Can You See My Art“. Aufdringlich, kreischend, ohne Unterlass. Und dahinter wechseln die Muster. Mal Wellen, mal Streifen, was der Computer und die Effekte hergeben, immer in grellen Farben. Die Wahrnehmung wird herausgefordert.

Das Szenario ist anstrengend. Die Wiederholungen, Bewegungen und Muster…, alles ist anstrengend. Der Besucher steht vor der Projektion, betrachtet das Treiben, sinniert über die zeitversetzte Sprache, über die Bewegungen und die Aussage. Die Kunst wird gesehen, die Frage ist überflüssig, denn wir sind in einer Kunstausstellung.

Eine Selbstbeweihräucherung, eine Eitelkeit, eine Arroganz. Es spricht ungebrochenerer Narzissmus aus dem Video. Die Botschaft kommt an. Medial vernetzt, überall erreichbar, zu jeder Zeit und an jedem Ort lassen sich Menschen im virtuellen Raum vervielfältigen, legen ihr Dasein offen, beweihräuchern sich mit Selfies, zeigen Food Porn, ihre Katzen und Hunde, ihre Reisen, ihre Mode, alles. Meistens mit Instagram Filtern verschönert oder verunstaltet. Aber immer im Mittelpunkt und auf der Suche nach den 10 Seconds of Fame. Sie fragen sich, ob sie gesehen werden, kontrollieren die Menge der Kommentare, der Likes, der Hits. Ihre Wichtigkeit soll Resonanz aufweisen. Sie tun etwas, sei es noch so trivial, profan und verlangen Aufmerksamkeit. Sie wollen da sein.

Bjørn Mehlhus: Can You See My Art?
Photo mit Handy direkt von der Projektion@udrees

Der Künstler steht vor der Kunst, bewegt sich hin und her, verlässt nie den Mittelpunkt des Bildausschnitts. Die Farbe der Kleidung wechselt und mit dem Kommentar: „It is super impressive. The colors change“ begleitet. Selbst wenn die hintergründigen Farben, zu einem irrelevanten Rauschen degenerieren, verblasst die Person im Vordergrund keineswegs. Die bleibt im Mittelpunkt. Und verbrät die vordergründige Botschaft. „Can You See My Art?

Beitrag von Prof. Ursula Drees

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Plastikschafe am ZKM

Wer sie machte, woher sie kommen, warum sie aufgereiht an der Wand stehen, ist unklar. Vielleicht eine Arbeit der Studierenden am ZKM. Wahrscheinlich.

Kurzes Innehalten, Material prüfen, Schafqualität vergleichen und an Greta denken. Die Plastikflut erstickt den Menschen. Je öfter darauf verwiesen wird, desto sinnvoller. Prof. Ursula Drees

„The Long Now“ von Verena Friedrich

Diese Installation steht im ZKM in der Ausstellung „3Rooms“.

Verena Friedrich “ The Long Now“ im ZKM Fotografie mit Handy©M.v.T.

Ein dunkler Raum in dessen Mitte der Aufbau steht. Ein Plexiglaskubus, eine Seifenblasenmaschine, ein CO2 Messgerät, ein Labortisch und Industriestaubsauger, diverse Plastikschläuche, irgendwo im Plexiglaskubus auf dem Boden liegt Trockeneins und Seifenlauge. Auf der Tafel wird der Besucher über das Arduino Board, Relais, Verkabelung und Stromversorgung aufgeklärt. Das ist soweit alles Sichtbare.

Und natürlich der Aufsichthabende, mit weißen Handschuhen, der beim Eintritt das Experiment startet. Der Kohlenstoffdioxidanteil, die Temperatur und noch das ein oder andere wird kontrolliert. Wenn die Atmosphäre stimmt, geht es los. Der Staubsauger wird nach der Prüfung bedient, und eine Seifenblase entsteht im Inneren des Plexglaskubus. Sie wächst zu einer Ordentlichen heran, der Aufsichtshabende zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden und das Kunstwerk ist vollendet. Die Seifenblase steht im Trockeneisglasraum, bewegungslos, inmitten des Kubus in ihrer ganze Schönheit. Prismafarben spiegeln die Oberfläche, vollkommener Stillstand. 

Verena Friedrich “ The Long Now“ 2016 Ars Electronica Festival

Einegefrorene Seifenblase. Sie ist für einen erstaunlich langen Zeitraum ein Objekt, schwebend scheinbar inmitten eines leeren Raums. Je länger geschaut wird und das Experiment nach einer Erkenntnis ruft, desto klarer werden Metaphern und Assoziationen im Kopf formuliert.

Seifenblasen zerplatzen, eine Sprichwort für verlorene Träume. Ebenso aus der Kunstgeschichte ein in der Zeit der Stilllebens des „Momento mori“  oft genommenes Symbol für die Vergänglichkeit des Seins. Bekannt sind Totenschädel, abbrennende Kerzen, verwelkende Blumen, zerbrochene Spiegel, aufgeschnittene Südfrüchte und auch Seifenblasen. 

Mit dieser Arbeit stellt sich sie in die Tradition der KünstlerInnen wie Douglas GordonUrs FischerNam June PaikManuela Kasemir oder etwa Jeroen de Rijke / Willem de Rooij. Es ist eine akademische Arbeit durch und durch.

Wenn eine Seifenblase platzt, bleiben nur einige Spuren der Seifenlauge übrig. In „The Long Now“ wird Lebensdauer verlängert. Manchmal um Minuten, es kann aber wohl auch länger sein, Stunden oder ein ganzer Tag. Aber irgendwann platzt sie; ihr Lebens Zyklus endet. Sie stirbt. 

Verena Friedrich “ The Long Now“ im ZKM Fotografie mit Handy©©M.v.T.

Die Künstlerin verbindet Wissenschaft und Kunst. Sie trägt den Titel der Diplom Designerin der Hochschule für Gestaltung in Offenbach (bei Professor Heiner Blum und Professorin Ulrike Gabriel), dann noch an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. An der Kunsthochschule in Köln kommt noch ein Diplom dazu.  Hinzu ein Forschungsaufenthalt am „SymbioticA – Centre of Excellence in Biological Arts“ in Australien und an das „Laboratory of Stem Cell Bioengineering“ in Lausanne.

Sie arbeitete im Max Planck Institut für Biologie in Köln, ihr Thema „Das Altern“, kooperiert mit der Kölner Kunsthochschule und das Werk nimmt Form an. Es wird auf der Ars Electronica mit einer Honorary Mention (2016)  geehrt.

Beitrag von Dr. Margarete von Trifft

„Deep See Blue Surrounding You“ von Laure Prouvost

Der Französische Pavillon wird durch den Keller betreten. Nicht durch das tolle Portal, nein am Rand des Gebäudes werden die Besucher über einen kurzen Wurzelweg nach unten, hinten geführt, dort durch den Keller nach oben geleitet. Einige Treppenstufen hoch und dann steht der Besucher auf einer abstrahierten Wasserfläche, der erste Raum. Ein helles ausgewaschenes Blau, so wie an Stränden zu finden, bedeckt die Bodenfläche. Darauf liegen teils eingebettet, teils obenauf Meeresdinge. Da ist eine Qualle, ein Oktupus, ein Fisch. Aber auch Algen, Geäst, Maiskolben, Steine oder Muscheln oder Menschmüll: PETflaschen, Zigarettenstummel, ein Ball, Gläser, Händyhüllen, Ipods, Ladekabel, Zeitungen, Eierschalen, Screens, sogar ein menschlicher Kopf. Ein Zaun aus Draht teilt das Becken an den Rändern.  

Die Dinge sind kunstvoll hergestellt. Manche bestehen aus dem tatsächlichem Material, das meiste ist aus Muranoglas geblasen und schon schmuckhaft ausgelegt. Der Besucher sucht sich seinen Weg durch die Wasseroberfläche, ein Weg ist nicht vorgegeben. An einer Seite ist eine Nische im Raum eingelassen. Der Blick fällt auf ein auf Papier, mit schnellen Strichen in Wasserfarbe gemaltes Gesicht. Die Soundsphere des nächsten Raums erklingt. Es ist eine Verbindung, denn es lässt sich die Poesie bereits erahnen, aber dann beim Weiterschreiten erst kommt das Meer der Bilder hinzu. 

 „Deep See Blue Surrounding You“ führt den Besucher auf eine surreale Reise von Paris nach Venedig und fragt danach, „wer wir sind, woher wir kommen und wo wir hingehen“, wie es in der offiziellen Beschreibung heißt. Es geht in die Tiefe des Unterbewusstseins. Poetische Formen, poetische Bildsprache des Videos, Poesie auch am Ende. Aber keine Frage hier wird ein Untergang beschrieben, oder ein Übergang. Das passt zu Venedig, einer Stadt, die auf einer Lagune gebaut, nicht allzu lange ohne Hilfe existieren wird. Sie wird untergehen irgendwann.

Die französische Künstlerin Laure Prouvost, Turnerpreisträgerin 2013,  hat den Pavillon für die Biennale gestaltet. Er ist ein Unikat und hier entstanden. 

Beitrag von Professorin Ursula Drees

Photos und Videos von Ursula Drees mit Handkamera erstellt.

„Moving Backwards“, von Pauline Boudry und Renate Lorenz

Handyphotografie©Ursula Drees

Die Biennale Venedig 2019 steht unter dem Motto „May you live in interesting times.“  Wir leben in unsicheren Zeiten. Digitalisierung, Globalisierung zeigen gesellschaftliche Konsequenzen. Identität, Gemeinschaft, Tradition, Vergangenheit und Zukunftsvisionen werden durch diese Veränderungen mitgestaltet.

Digitalisierung liberalisiert alles Wissen. Ein Zugewinn einerseits, andrerseits werden Informationen nicht bewertet. Alles, das Kleine und Große, das Wichtige und Unwichtige, das Richtige und Gefälschte wird gleichwertig vermittelt. Die Menge der Daten vervielfacht sich, die kommunikativen Tools zeigen sequentielle Teile eines großen Ganzen. Der Mensch sucht seine Information nach Befinden und wird durch AI mit immer denselben Neuigkeiten konfrontiert. Was hat das für Konsequenzen? Globalisierung der Lebensräume und Inhalte. Wo stehen wir als Einzelwesen? Werden wir nur noch durch uns im Hier und Jetzt definiert? Gibt es Identifikation über Familie, Herkunft, Land und Menschen?

Handyphotografie©Ursula Drees

Wird der Mensch durch die Medien gesteuert, oder steuert er selbst? Diese Fragen stellen sich automatisch und das Motto „May you live in interesting times“ bezieht sich auf diese Umstände.

Im Schweizer Pavillon wird, wie in allen anderen, auf das Motto eingegangen. Pauline Boudry und Renate Lorenz bespielen den Schweizer Pavillon. Ein dunkler Raum, der den Besucher gleich zu vorsichtigen Schritten zwingt und durch den Ausgang betreten wird. Auf der Stirnseite ein Video. Die Stufen können zum Sitzen verwendet werden, aber Vorsicht! die Dunkelheit umfasst den Besucher vollkommen. 

Pauline Boudry kommt aus Waadtland und Renate Lorenz  aus Berlin, wo sie leben und arbeiten. Das Werk trägt den Namen „Moving Backwards“. PerformerInnen tragen orange farbige Schuhe. Sie strahlen im dunklen Videoraum. Sie werden falsch herum getragen. Jeder Schritt ist nach hinten gerichtet. Alles bewegt sich Rückwärts. 

So haben schon in frühen Jahren Spurenleger Verunsicherung gestiftet. Die Fußspuren zeigen die falsche Richtung an. Und auch Frauen der kurdischen Guerilla bedienen sich des einfachen Tricks. Sie tragen die Schuhe in den Schnee bedeckten Bergen anders herum. Vorwärtsbewegung wird zur Rückwärtsbewegung. 

Es ist ein experimenteller 20 minütiger Video. Immer geht es um das Rückwärtige. Manchmal ist es die Bewegung des Kopfes, manchmal steht eine PerformerInnen vor einem Mikrophon, will etwas sagen, kann aber nicht. Sie-Er sucht nach der Stimme und dann verhält sie-er sich, als sei alles vorbei und geht von dannen. Dazwischen wird der Besucher Zeuge eines unerfüllten Bemühens. Schuhe werden wie Enten vor den am Boden sich bewegenden PerformerInnen hergezogen oder nach hinten bewegt. Die Schuhe sehen zwar aus wie Schuhe, aber zum Tragen sind sie nicht geeignet. Der Absatz befindet sich an einer unmöglichen Stelle. 

Dinge werden ein wenig verändert und schon ist der ursprüngliche Sinn ad acta gelegt. Nichts klappt. Es ist eine Hilflosigkeit, aber auch eine Unbeirrbarkeit mit der die PerformerInnen handeln. Keiner weiß wohin das führt. Eine klare und gut verständliche Botschaft. Das Wesen des Tanzes bringt ausreichend Spielraum. 

Beitrag von Prof. Ursula Drees