Im Kubus Stuttgart läuft bis zum 14.04.2024 die Ausstellung „Das neusachliche Typenporträt in der Weimarer Zeit – SIEH DIR DIE MENSCHEN AN!.
Im obersten Geschoss wird die Installation von Cemile Sahin, Alpha Dog gezeigt. Sie wurde extra für den Kubus 2023 hergestellt.
Wenn wir von Portraits sprechen, und das tut die Ausstellung, dann müssen wir in der heutigen Zeit auch von Technologien der Überwachungsmethoden sprechen. Portraits werden nicht mehr freiwillig gemacht und autorisiert. Überall wird das menschliche Gesicht aufgenommen und abgespeichert. Darum geht es in dieser Installation. Das Portrait der modernen Zivilisation ist nicht nur das Selfie, sondern auch das Unbekannte.
Hier werden Robot Dogs verwendet. Diese werden vom Militär und/oder zu Überwachungszwecken eingesetzt. Es sind Laufroboter, die ein bisschen Hunden ähneln sollen. Sie haben zumindest die Größe eines mittelhohen Hundes. Der Rest ist Technik und Imagination. Die hochpreisigen Robot Dogs haben auf KI basierender Technologie Gesichtserkennungsmöglichkeiten. Auf Baustellen oder Fabriken werden diese Roboter bereits eingesetzt. Man will Sicherheit schaffen.
Gleichzeitig fragt sich der Mensch natürlich, wenn die Sicherheit auf diese Art gewährleistet wird, dann wird das Konzept des gläsernen Menschen vorangetrieben. Die Privatsphäre ist bereits, vergleichen mit den 1980iger Jahren essentiell verkleinert worden. Die Gesellschaft arbeitet daran fleißig mit. Soziale Netze schieben die Universalisierung des Menschlichen Abbilds, was Aussehen und Verhalten angeht kräftig an. Überwachungstechnologien tun das Ihrige.
Was geschieht wenn diese Technologien Menschen erfassen, die außerhalb der Norm stehen? Wer definiert im Übrigen die Norm? In der Installation wird der Robot Dog von den Besucher:Innen angestarrt und teilweise verfolgt. Die Menschen sind von der Technik fasziniert und wollen ihre Grenzen und Möglichkeiten austesten. Deshalb nähern sie sich dem Robot Dog und schauen wie der sich denn verhält. Läuft er weg oder nicht? Robot Dogs machen im ersten Moment einen harmlosen Eindruck, sie sind ja deutlich kleiner und ihre Bewegungen ähneln jenen des besten Freundes. Wenn er sich niederlegt, sich in Platz bewegt, dann zum Aufladen. Die Konnotationen dieser Muster sind niedlich und vertrauenserweckend. Wie so oft wenn es um Überwachungstechnologien geht.
Der Robot Dog zeichnet derweil die Besucher:Innen auf. In dieser Installation werden die Daten sofort verfremdet, aber weiter verwendet. Ob Besucher:Innen an der Verfremdung teilhaben können? Nein. Das wird erzählt und erwähnt, kontrollieren können wir das nicht. Auch dieser Aspekt passt in die Typologie der Überwachungstechnologien. Die Technik bleibt verschlüsselt. Wir haben keine Ahnung was damit geschieht, wie sie weiter verarbeitet wird, wo sie erneut zum Einsatz kommt und was daraus wird. Und letztendlich, ob es uns als Individuum eines Tages betrifft. Sei es in lobender oder verurteilender Form.
Drum herum großformatige Plakate. Bunte Farben, ineinander laufende Formen, handschriftliche Kommentare, die gelesen werden oder nicht. Wohl eher nicht, sie erscheinen wie Bordüren, sie erscheinen nicht gestaltet, sind es aber. Sie sollen bemerkt, aber nicht gelesen werden. Auch wenn sie gross in Szene gesetzt sind, sie spielen eine untergeordnete Rolle. Manche sind gestürzte Zeilen, andere nicht. Es werden menschliche Zustände getriggert: Amour, Love oder was auch immer. Komplimentärkontraste, Schatten, vieles was der Computer an kitschigen Effekten für einen Nichtgestalter hergibt, hier kann es bestaunt werden. Inverse Effekte und Wiederholungen. So kann jede tiefere Aussage zur Randbemerkung gemacht werden. So agieren Überwachungstechnologien. Verharmlosung, Verniedlichung und Verwässerung einer Aussage.
Beitrag und Fotos von Ursula Drees
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