Das Kleidungsstück ist im 3 D Drucker entstanden. Es ist ein bizarrer Panzer aus spitzen Zähnen, aus Zacken, eine Igeloberfläche. Sie erscheint schützend, nicht bekleidend. Es ist ein Teil einer Rüstung. Es wird wie eine Pelerine über den Schultern getragen, geht über die Brust und endet oberhalb der Taille. Der Rücken wird ebenso bedeckt. Dieses Objekt liegt nicht auf der Haut, es steht ab, denn die Technik wird im Zwischenraum Körper Objekt versteckt.
Es sind Kabel, Schnittstellen, Kamera und Mikrocontroller. Darunter muss ein schützender Stoff die Haut vor Abschürfungen bewahren. Die Kamera erkennt Bewegung, Masse, Grösse, Nähe und Entfernung. Sie sendet Informationen an den Controller, der schickt Bewegungsbefehle an die verzackte Aussenhaut. Diese bewegt sich wie der Igelpanzer. Die Zacken stellen sich auf oder legen sich an. Ein bewegtes Objekt, das an Kleidung erinnert. In der Beschreibung wird von „Schnittstelle zwischen Mensch und Außenwelt“ gesprochen. Sie reagiert auf soziale Themen wie Intimität, Identität und Geschlecht.
Das hört sich gut an, entspricht aber wohl noch einem Wunsch. Das bereits Sichtbare ist ein erster Schritt. Der Wunsch nach der Reaktion einer zweiten künstlichen Haut und einer Verhaltensweise auf Außenbedingungen reagieren zu können, wird formuliert. Der Künstler, Forscher kommt aus dem Iran. Frauen sind verschleiert, sie bedecken sich bis zur Unkenntlichkeit und werden zu Objekten. Individualität und Selbstbestimmung werden nicht wahr genommen. Die herrschende Gesellschaft ist männlich, sie bestimmt den Ton und verbannt die Frau als Sexualobjekt in die häuslichen Gefängnisse.
Argumentiert, dass der Anblick der unverschleierten Frau die männliche Integrität erschüttert und das animalische des Mannes so schnell und unmittelbar erweckt, dass dieser davor geschützt werden muss. In einem Land in der das Geschöpf Mensch-Weib nicht erscheinen darf, kann ein solcher Panzer ein Schutz sein. In der westlichen Welt, wo Frauen als Menschen dem Mann (fast) gleichgestellt sind, kann die Frau sicherlich auch ohne Panzer leben. Denn bequem sieht das Ding nicht aus. Zu starr und sich damit anzulehnen. Die Gesellschaft arbeitet seit Jahrhunderten an funktionaler, schützender, leichter, bequemer, bewegungssteigernder Haut, praktisch, nicht riechend, gut zu reparieren und zu waschen, sauber und Wärme spendend in Wintern. In der europäischen Modegeschichte und Entwicklung geht es um Befreiung.
Denken wir nur als Beispiel an Mode unter Ludwig dem XIV. Die Mieder der Frauen haben Hunderte von Blutvergiftungen durch tiefe Fleischwunden im Taillenbereich hervorgerufen. Es waren Stahlgerüste, die durch Stoff verkleidet und Unterkleidern von der menschlichen Haut getrennt wurden. Aber im Laufe der Zeit, des Gebrauchs entstanden an den Enden Abnutzungen und die Spitzen bohrten sich bei Bewegung in das Fleisch. Bücken, Springen, laufen, hopsen war möglich, aber nicht einfach. Sitzen mit den grossen, bewegungungsfeindlichen Krinolinen unter den Röcken und den starren Miedern war eine Qual. Die Frauen litten unter Atemnot, fielen in Ohnmacht, waren nicht belastbar. Will die Menschheit in der Mode zu diesen Verhältnissen zurück?
Der gezeigte Panzer soll von Frauen getragen werden. Was wird hier gezeigt? Eine elektronische Idee. Nicht nur bei diesem Exponat stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit. Die Künstler machen Experimente, sie scheinen die weitergehenden Bedingungen nicht zu bedenken. Sie arbeiten im Tunnel, haben eine Idee, setzen sie um, schöne Sache das. Soziologische Fragen, kulturelle Fragen, moralische Fragen bleiben aussen vor. Diese Einseitigkeit der Betrachtung findet sich in fast allen Exponaten. Die Naivität dieser Haltung ist unübersehbar.
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