Category Archives: Allgemein
Der CommAward, der vom Comm Club Bayer ausgelobt wird und das schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich, hat die Preise vergeben. Plantasia, ein interaktiver Erlebnisraum hat in den Kategorien „Raum, Design, Interaction Talent und Sound“ durch Qualität und Finesse überzeugt.
So auch der Communication Arts Interactive. Seit 1959 veröffentlicht Communication Arts die besten Arbeiten der visuellen Kommunikation aus aller Welt. Fragt man einen Kreativdirektor, welche Wettbewerbe die einflussreichsten sind, so steht Communication Arts ganz oben auf der Liste. Hier gab es eine Auszeichung.
Plantasia, ein interaktiver Erlebnisraum der Studioproduktion EventMedia, Hochschule der Medien, Stuttgart.
Selbstgeschaffene Künstlichkeit umgibt den Menschen. Wir leben in Wohnkästen, bewegen uns in Blechpanzern auf betoniertem Grund. Wir zerstören unseren natürlichen Lebensraum. Mit Plantasia tauchen Besucher:innen in eine unberührte, magische Naturwelt ein. Damit wird ein Zeichen für eine befreite neue Natur gesetzt.
Im Zuge unserer Kooperation mit dem ZSW liefert die Gruppe der Studioproduktion EventMedia eine Interpretation zum Thema „junge Energie“. Selbstgeschaffene Künstlichkeit umgibt den Menschen. Wir leben in Wohnkästen, bewegen uns in Blechpanzern auf betoniertem Grund. Wir zerstören unseren natürlichen Lebensraum.
Wir gratulieren für die vielen Auszeichnungen und Preise.
Beitrag von Ursula Drees
Die interaktive Medieninstallation Trapped Inside handelt von unserer Sucht nach Ablenkung durch Social Media. Wir wollen vom Alltag entfliehen und denken, TIK TOK, Insta, Meta etc. mit ihren unterhaltenden, kurzen, trivialen Inhalten können das erfüllen. Aber der stetige Medienstrom gibt uns nichts. Trotzdem bleiben wir dran. Wir sind Trapped Inside. Wir schaffen es nur unter Mühen aus dem medialen Käfig zu entkommen. Wenn wir es schaffen, sind dann nur noch erschöpfter.
Diese Installation wurde drei Mal beim CommAward ausgezeichnet. In den Bereichen: Design, Interaction Talent und Design.
Wer die Installation von oben betrachtet, erkennt die abstrahierte Form eines Strudels. Die Szenografie, der dramaturgische Aufbau von Trapped Inside spiegelt unseren Inhalt. Alles ist selbst gemacht: von der Idee bis zum letzten Klebestreifen. Bis ins kleinste Detail wurde im Team alles erarbeitet.
Zu Beginn wählen die Besucherinnen ihr Thema am Wish-Terminal. Hier täuschen wir Customization und Personalisierung vor. Dann wird die Besucherin durch einen enger werdenden, gebogenen Tunnel in das Epizentrum der Installation gesogen. LED-Spiralen weisen im Medientunnel den Weg. Rhythmen und Social Media Sounds stimmen ein, Wind von hinten treibt die Besucherin in das Innere.
Dieser Gang ist in unterschiedliche Module aufgeteilt. So wird eine Verjüngung zum Inneren der Installation erzielt. Die Module selbst sind für sich allein stehende Elemente. Der Auf-und Abbau ist erleichtert.
Im runden Epizentrum, dem Medienstrudel, stellt sich die Besucherin auf den Infinity Mirror. Er suggeriert eine unendliche Tiefe, es endet nicht. Die Besucherin wird mit einer ungeheuren Masse an Videos und Tönen konfrontiert. Ein Fokussieren oder Erkennen ist unmöglich. auch lässt sich aus dem Audiostrom nichts bestimmtes Filtern. Dort wo der Blick hinfällt, verändert sich Form, Geschwindigkeit und Placement in geballter Form zu einer Videowolke. Wenn wir denken, dass wir nur lange irgendwohin schauen und meinen, jetzt etwas erkennen zu können, wird es durch die Medienwolke vereitelt. Wer woanders hinschaut, erkennt auch hier wieder, dass der Blick und Erkennen durch die lästigen Animationen und Bildwechsel versperrt bleibt. In Zusammenarbeit mit dem Institut für KI wurde eine Micro-Gesichtserkennung für die Blickrichtungserkennung verwendet. Das Tracking erfasst die kleinsten Kopfwendungen und die Medienwolke geht mit.
Es gibt kein Entkommen. Wir sind mitten drin, aber erkennen tuen wir nichts. Wie kann entkommen werden? Wollen die Besucherinnen entkommen?
Im Medienstrudel locken nach kurzer Zeit Stimmen aus der Ferne.
„Befrei dich!“ „Komm zu uns!“ Es sind Sirenen, sie verheißen Gutes. Gleichzeitig verbietet eine Stimme aus unmittelbarer Nähe, wie eine innere Stimme, ein Eingreifen. „Drücke nicht!“
Die Besucherin soll sich aus der Installation befreien. Sie ist erfolgreich, wenn sie den Emergency Button drückt. Erst will er gefunden werden, dann will er gedrückt werden. Das kostet Überwindung. Wir haben alle gelernt, dass man ein System nicht einfach so mir nichts dir nichts ausschalten sollte. Wer es tut wird belohnt.
Dann endet der mediale Terror sofort. Schlagartig wird es still und alle Bildschirme gehen aus. Es wird ruhig und der Ausgangstunnel schaltet auf Grün. De führt direkt zur analogen Welt, die Chill Zone.
Dort ist alles echt: die grünen Pflanzen, der blaue Himmel, die Menschen, die Gespräche, die Gemeinsamkeit und Entspannung. Die Drinks, die Liegestühle – alles. Auch die anderen und jetzt wird miteinander gesprochen, gelacht und genossen.
Trapped Inside – Befreie dich aus dem Medienwahn
Teilnehmer*innen
Name | Aufgaben | Studiengang |
---|---|---|
Franz Kreuzer | Mediensteuerung / Programmierung Medientechnik / Planung Ton | AM |
Frederic Joël Seraphin Wandersleb | Projektmanagement PR | MW |
Henrieke Fischer | Regie Fotografie / Grafik Video | AM |
Jana Hör | PR Projektmanagement Produktionsleitung | MW |
Jürgen Popow | Video Ton Mediensteuerung / Programmierung Medientechnik/Planung | AM |
Katrin Bezighofer | Sponsoring / Finanzen Dokumenation | AM |
Kseniia Anhorn | Ton Medientechnik / Planung Fotografie / Grafik | AM |
Kylie Chen | Dokumenation Sponsoring / Finanzen Bühne | MW |
Lena Irmler | Tutorin: Mediensteurung / Programmierung | AM |
Moritz Huber | Bühne Mediensteuerung / Programmierung Medientechnik / Planung | AM |
Nadja Pelzer | Produktionsleitung Regie Bühne | MW |
Nelli Schenkel | Fotografie / Grafik Regie Video Bühne | AM |
Ralf Landthaller | Medientechnik / Planung Ton | AM |
Yannic Häberer | Projektmanagement PR | MW |
Nadja Weber | Konzeption, Interaktion, Sensoriken | Lehrbeauftragte |
Sponsoren
Bildergalerie
Im Hirshhorn Museum, Washington DC, USA.
Laurie Anderson ist eine der führenden Multimedia-Künstlerinnen unserer Zeit. Ihr innovatives Werk in den Bereichen Performance, Musik, Technologie und visuelle Kunst beeinflusst die Populärkultur seit mehr als vierzig Jahren. Im Jahr 2021 lud das Hirshhorn Museum Laurie Anderson ein, im Rahmen von The Weather – ihrer bisher größten US-Ausstellung – ein neues Werk vor Ort zu schaffen. Mehr als zwei Wochen arbeitete sie unzählige Stunden pro Tag im Museum. Sie malte direkt auf die Wände und Boden der großen Galerie. Fast jeder Zentimeter wird mit Geschichten, Songtexten, Zitaten, Witzen und Kommentaren zu aktuellen Ereignissen bedeckt. Sie malt ohne Skizzen, Vorzeichnung oder Entwurf. Es ist malen ihres Bewusstseinsstroms. Die Installation ist persönlich, sie spiegelt Laurie Anderson während dieser zwei Wochen wieder.
Der Titel der Installation, Four Talks, bezieht sich auf die vier Skulpturen – ein Rabe, ein Papagei, ein Kanu und ein Regal, eigentlich das wankende Regal (Shaking Shelf). Sie sind im Raum verteilt und werden von einer prägnanten Geschichte oder Textpassage begleitet. Die Installation is monumental und konzeptionell, ein Meilenstein in ihrem künstlerischen Schaffen.
Die Skulpturen stammen aus den Jahren 2010 bis 2020. Es ist der Papagei, der Rabe, das Kanu und das Regal eigentlich das wankende Selbst.
Es ist ein großer Raum. Schwarz weiße Bemalung mit Kommentaren, Gedanken, mit Poesie versehen. Eigentlich steht die Besucherin nicht nur in einer Art räumlicher Illustration, sondern im Gedankengut von Laurie Anderson.
Wer sich den Skulpturen nähert, wird sie reden hören. Sie erzählen Geschichten, reflektieren, mäandern und kommentieren.
Schon auf der Empore ertönt eine Hintergrundmusik. Ein Gong schlägt an, gefolgt von unhörbaren Gesängen. Es gibt Geräusche von Donner und Regen. Die Stimme von Anderson wiederholt: „Vogel, Vogel, Vogel“. Eine andere Stimme hallt im Hintergrund. Die Musik wechselt zu fließendem Wasser und Vogelgezwitscher, gefolgt von einem leisen, elektronischen Summen. Der melancholische Klang einer Geige setzt ein, gefolgt von Klavier. Vogelgesang kehrt zurück, vermischt mit elektronischen Klängen und dem Schlag eines Gongs. Klirrendes Metall deutet auf einen vorbeifahrenden Zug. Es erklingen Grillengezirpe, das Jaulen eines kleinen Tieres, vorbeifahrende Autos auf einer Straße und mechanisches Klopfen. Nach einer kurzen Pause setzt das Klavier wieder ein. Die Musik wechselt zu elektronischen Klängen, Zimbeln und Glocken. Anderson spricht und singt Phrasen, von denen nur einige hörbar sind, wie z. B. „der gemeine Rabe“. Es erklingt ein Cello, gefolgt von ätherischen Umgebungsgeräuschen, Regen und Donner. My Day Beats Your Year (The Parrot), 2010/2021 Schaumstoff, Metallständer, Elektronik und Klang
Der Papagei spricht mit einer tiefen, computergenerierten Stimme, mit periodischen Pausen. „Ihre Stimme . . . Ihre Stimme war wie eine alte rostige Pumpe, die die Worte sehr, sehr, sehr langsam durch ein langes Rohr nach oben schickte, und wenn sie dann in ihrem offenen Mund ankamen, kamen die Worte heraus wie rostiger Draht, der lange Zeit im kalten Ton gelegen hatte. Ich habe wieder Drachen gesehen. Ja, das ist wahr. Ich gebe einer nackten Frau nicht gern einen Dollar. Das ist einfach meine Politik. Also erschieß mich. Genau so sehe ich das auch. Ach ja … soll ich das wiederholen? Schönheit in all ihren Formen. Komisch, dass Hass auch etwas Schönes sein kann. Wenn er so scharf wie ein Messer ist. Wenn er so hart ist wie ein Diamant. Perfekt. Und wenn wir sterben, werden unsere Körper zu Diamanten, zu Teetassen, nicht nur zu Kreide und Kohlenstoff. Zu viele Leute nehmen Prozac. Das denke ich auch. Diese falsche Fröhlichkeit, die jetzt überall herrscht, macht mich wirklich fertig. Ich meine, können wir nicht einfach herumlaufen und wir selbst sein? Es ist schon komisch, wie männliche Menschen von Pornografie so erregt werden können. Wenn sie ein Bild sehen – es kann sogar schwarz-weiß sein – können sie erregt werden. Ist das einfach ein Fall von schlechter Sehkraft? Liegt es an Schwachsinn? Oder ist es ihre erstaunliche Vorstellungskraft? . . . Es heißt, wer glaubt, dass die Technik seine Probleme lösen kann, versteht die Technik nicht und versteht seine Probleme nicht. Twiddledee dee. Twiddledee dum. Twiddledee dee. Twiddledee dum. Twiddledee dee. Twiddledee dum.
Meine Rückschau ist einfach nicht mehr das, was sie mal war. Die Augen in meinem Hinterkopf. Null der Zähler. Den Zähler auf Null stellen, den Zähler, den Zähler, bitte. Nimm den Zähler zurück. Den Zähler auf Null stellen. Nulle den Zähler. Ich erzähle meine Probleme ständig Leuten, die ich nicht einmal kenne. Was soll das alles? Ich bin ein Fremder in deiner Stadt. Wie ein Fleischklops in einem Weinglas. Wie ein Strauß in Stollenschuhen. Ein Hund mit Honig in der Nase frisst alles, was er sieht. Das sind ein paar Dinge, die mich wirklich krank machen. Nur damit du es weißt. Unterbrich mich, wenn du das schon mal gehört hast. Hey-hey-OK, OK, OK. Hey-hey- OK, OK, OK. Hey-hey-OK, OK, OK. Da hast du mich erwischt, Kumpel! Ein mitternächtliches Bad in einer Petrischale. Tanzen im Mondlicht mit ihrem Wigwam-Haar. O oooooooooo ah ha ha ha oooooooo ja. Oh, ja! Was soll ich sagen? Erinnerst du dich? Ja, ich erinnere mich. Ich erinnere mich. Ihre Augen leuchteten wie zwei sehr alte Glücksdollars. Die Stadt lag in Trümmern. Die Jahre 1959 und 1960. Ich erinnere mich gut an sie. Sie waren wie zwei kleine Mädchen, die Zwillingskleider trugen. Man konnte sie kaum auseinanderhalten. Und ich – und ich – mein Herz – mein Herz war gebrochen. Und es war … es war … einfach gebrochen. Einfach völlig gebrochen. Gebrochen, gebrochen. Wie ein gebrochenes Herz. Andere gebrochene Dinge… gebrochene Häuser, gebrochene Codes, gebrochene Träume, gebrochene Schallplatten… gebrochenes Englisch, gebrochene Regeln, gebrochene Beine, gebrochener Geist, gebrochene Pferde, gebrochene Versprechen… gebrochen, gebrochen, alles gebrochen… alles gebrochen… . . Setz dich hin und schreibe dir selbst einen Brief einen Brief einen Brief versuche, dich selbst zu erkennen und dich besser zu fühlen. Koche und esse deinen eigenen Kopf. Das ist, was ich sage. Tod, dieser Trottel, dieser Gauner, was für ein Widerling. Er tauchte in den neuen Maschinen auf. Holt die neuen Maschinen.
So geht es weiter. Eine endlos scheinende Tonschleife. Sie treibt die Hörerin durch die Assoziationen der dadaistisch anmutenden Sätze.
Jede einzelne Skulptur hat eigene Gedanken oder Eindrücke. Manche sind kürzer, andere unendlich lang. Die Besucherin wandert durch den Raum, steht an den Skulpturen, hört hinein, wendet sich ab und liest die Texte auf den Wänden und Böden.
Alles kann nur durch stundenlanges Verbleiben entschlüsselt werden. Jede sucht nach eignen Texten, jede findet eine Ansprache, jede denkt nach und vergleicht mit eigenen Gedanken. Manche Texte sind witzig, manche ernst und tragisch. Ein großer Strom von Innerlichkeit in diesem Raum. So wie Laurie Anderson.
Beitrag und Fotografie von Prof. Katja Schmid
Gyre dominiert den Pavillion von Korea. Es ist eine grosse bewegliche Skulptur. 50 Meter lang und einige Meter breit. Sie erscheint wie aus der Matrix entsprungen zu sein. Erinnerungen an jene Szene, wo Neo’s echter Körper im Brutkasten in einer riesigen Zuchtanlage für Menschen liegt. Er wird aus dem Brutkasten gespült und anschließend gerettet. Diese Brutkastenzellen ähneln den Modulen von dieser Skulptur.
Wie kommt es zu dieser Assoziation? Die Module scheinen fluoreszierende Flüssigkeiten (Photonic-Kristalle) in sich zu tragen. Sie bewegen sich manchmal, schaukeln mechanisch hoch und runter und die Farben innerhalb des Moduls ändern sich. Es ist ein liquides Bild. Die Form der Zellen ähneln Skibrillen (mit Verlaub). Die Menge an Modulen, in Schleifen ineinander verwoben, ergeben ein lebendig erscheinendes, mechanisch klingendes Objekt. Die Installation hängt an Stahlstreben, von oben herab und befindet sich auf der Höhe der Menschen. Es kann umrundet werden.
Die schiere Grösse, die Verstrickungen, die Bewegung, die Farbvielfalt ziehen den Blick auf sich. Ganz abgesehen von der prominenten Position im Raum selbst natürlich. Die Gedanken gehen in viele Richtungen. Ist es eine mechanische DNA Kette? Ist es ein Überbleibsel aus der digitalisierten Zeit, eine Art Skelett eines noch zu entstehenden Dinosaurier-haften Wesens? Oder ist es vielleicht nur ein technologisches Experiment ohne weitere Bedeutung? Die letzte Möglichkeit wäre enttäuschend.
Schöne Kunst ist die Fähigkeit, eine Essenz, das Wesentliche einer Sache, einer Zeit, einer Phase zu begreifen und festzuhalten. Künstler sehen sich in der Lage, mit wissenschaftlicher Neutralität auf das Leben zu blicken. Sie geben sich wertfrei einer Betrachtung hin. Das wird zum Beispiel in der Malerei, Zeichnung, Bildhauerei durch den Wunsch der Erfassung von Form, Farbe und Umraum begründet. Zeit, Muße, Können, Fähigkeit, Abstraktionspotential und ein durch Gestaltungswille vollzogenes Aufladen mit Bedeutung stehen dem vor. Es entspringt einer Lust und Fähigkeit der Freiheit zum Erschaffen, was wiederum einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt.
Dem Künstler dieses Werkes wollen wir eine ähnliche Geisteshaltung unterstellen. Natürlich ist das Handwerkszeug in vielen Fällen ausreichend, um eine Besonderheit, Überzeugung, Glauben einer Gesellschaft, einer Epoche allein durch die Wahl des Mediums und dessen Bedeutungsraum auszudrücken. Hier ist es die Menge an technischen Elementen, an einer scheinbar eigenständigen Beweglichkeit, an der Überzeugung, dass Mechanisches, Digitales eine Art Versprechen auf eine schöne Zukunft in sich trägt. Es gibt einen strengen Gauben, dass Technik und Digitalität ein besseres, optimiertes (Arbeits-)Leben schafft, was wiederum uns, dem Menschen ein Leben ohne Arbeit verspricht. Maschinen, Roboter, KI’s erledigen unsere Geschäfte. Sie sind kalt, unemotional und berechnet und damit gerecht. Das wird in der Skulptur, ohne es explizit zu sagen, dargestellt. Aber ob der nächste Schritt, nämlich eine Kritik vollzogen wurde, bleibt offen.
Raumansicht von Gyre Photographie Ursula Drees
Eine gerechte Maschine gibt es nicht, es ist ein Trugschluß. Denn auch sie werden von menschlichen Gehirnen entwickelt. Die Algorithmen werden von Menschen geschrieben und deren geistiger Stand und deren Wissen spiegeln sich in den Formeln wider. Ohne zu wollen werden Gruppen benachteiligt und diffamiert. Warum? Programmierer sind weder Philosophen, Soziologen, noch Erkenntniswissenschaftler. Leider konsultieren sie diese Denkgruppen nicht, wenn sie ihre Codes schreiben.
Detaillierte Zeichnungen als Vorläufer für das Werk. Detail von Skizzen zu Gyre. Photographie Ursula Drees
Deshalb ist das Heilsversprechen ein marodes. Ob diese Skulptur auch diese Bedeutung durch den Künstler eingepflanzt bekommen sollte, lässt sich nicht sagen.
Beitrag von Ursula Drees
Der Dänische Pavillion erzählt die Geschichte einer Kentaurenfamilie, halb Mensch, halb Pferd sind sie hybride Wesen der griechischen Mythologie. Kentauren sollen von Ixion dem König der Lapithen in Thessalien und einer Wolke abstammen. Auf einem Fest des Königs Ixion wird Hera von dem betrunkenen Herrscher belästigt. Zeus rät Hera daraufhin, sie solle zu einer Wolke werden. Doch Ixion „sticht“ das Trugbild an und zeugt einen Kentauros, der sich später mit den Stuten von Magnesias paart und damit die hybride Gestalt Pferd und Mensch zum Leben erschafft. Kentauren gelten als lüstern und unbeherrscht.
Heute erkennen die Besucherinnen eher einen hyperrealistisch geschaffenen Charakter aus Mensch und Tier. Die Charaktereigenschaften des Pferdes werden auf die Gestalt wohl eher projiziert als die griechische Mythologie.
Wir werden Zeuge eines fürchterlichen Unglücks. Der männliche Kentaur baumelt erhängt von der Decke. Er trägt einen Lederriemen um den Brustbereich, dessen Funktion unklar ist. Der Raum ist gross und linkerhand findet sich ein Raum, mit auf dem Boden liegenden Schlachtabfällen und einem hängenden Schinken. Es sich wohl um einen Stall. Scheinbar leben sie nicht frei, sie werden gehalten. Sie werden vielleicht sogar als Nutzkreaturen gehalten, erst gemolken, dann irgendwann geschlachtet. Der kleine Garten lässt Rückschlüsse auf ein eingesperrtes Leben zu. Die Kentauren werden mit Algen gefüttert.
Auf der anderen Seite dieser Szenerie führt ein mit Algen ausgelegter Gang zur weiblichen Kentaur. Sie hat die Geburt ihres Nachkommen nicht überlebt. Das Kentaurenfohlen ist noch in der Fruchtblase, die Mutter bereits verstorben. Eine Tragödie hat sich abgespielt. Ursache und Wirkung bleiben den Besucherinnen überlassen. Was mag hier geschehen sein?
Hat sich der männliche Kentaur erhängt, nachdem seine Frau bei der Geburt umgekommen ist? Oder spielte sich alles umgekehrt ab? Musste die Frau in Ermangelung von Hilfe bei der Geburt sterben? Ist der Mann vielleicht erhängt worden? Haben hier menschliche Kräfte mitgewirkt?
Alles ist hyperrealistisch gestaltet. Es gibt kaum eine Möglichkeit diesen grausamen Bildern auszuweichen. Keine Abstraktion, keine Künstlichkeit. Besucherinnen werden unmittelbare Zeugen, sie sind am Tatort, inmitten der Geschichte und keine aussenstehende Betracherinnen mehr. Durch sie, die Menschen, findet keine Hilfe statt, keine Aufklärung, keine Beerdigung.
Das Motto der Biennale lautet „The Milk of Dreams“ und basiert auf einem von der britischen surrealistischen Künstlerin Leonora Carrington (1917 bis 2011) verfassten Buch. Das Leben der Autorin führte sie von England nach Frankreich, USA und Mexico. Sie hatte in jüngeren Jahren mit Max Ernst eine kurze Beziehung und musste sich dann Zeit ihres Lebens von dem Schatten den grossen Künstlers befreien. Frauen wurden gerne auf Beziehungen reduziert.
Das Buch „The Milk of Dreams“ entstand als sie für ihre Kinder, jetzt schon in Mexico lebend und arbeitend , humorvolle surrealistische Geschichten ausdachte.
Ihre Söhne erinnern sich, dass sie in einem großen Raum saß, dessen Wände mit Bildern von wundersamen Kreaturen, hoch aufragenden Bergen und wilder Vegetation bedeckt waren, während sie fabelhafte und lustige Geschichten erzählte. Dieses Zimmer wurde später weiß getüncht, aber einige seiner Wunder wurden in dem kleinen Notizbuch bewahrt, das Carrington The Milk of Dreams nannte. John, der Flügel anstelle von Ohren hat, Humbert der Schöne, ein unerträglicher Junge, der sich mit einem Krokodil anfreundet und noch unerträglicher wird, und die furchteinflößenden Janzamajori. Es ist ein unwahrscheinliches, verträumtes Märchenbuch.
Der Dänische Pavillon greift tief in einen Alptraum hinein.
Die Photographien stammen von der Autorin.
Beitrag von Ursula Drees