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Hybrid Futures: Kunst und Wissenschaft zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Die Hybrid Plattform ist eine gemeinsame Projektplattform der Universität der Künste Berlin und der Technischen Universität Berlin. Sie dient dem Disziplinen übergreifenden Austausch zwischen Künsten, Wissenschaft und Technik.
Am Donnerstag, der 12.12.2019 findet die letzte Veranstaltung des Jahres »Hybrid Futures. Kunst und Wissenschaft zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft« statt. Es treffen ausgewählte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen aufeinander und sprechen über Ideen und Vision zur Zukunft.

Die Veranstaltung ist kostenfrei und findet am Donnerstag, den 12.12. um 20 Uhr im Futurium statt. Eine Voranmeldung ist nicht nötig.

Hier der Pressetext:

 »Hybrid Futures. Spekulationen von Hito Steyerl, Mike Tyka und Jules LaPlace« Kunst und Wissenschaft zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 12. Dezember 2019, 20 Uhr, Futurium, Alexanderufer 2, 10117 Berlin. 

Englisch mit deutscher Übersetzung. 

Ein neues spannendes Format wird in Zukunft Teil der Berliner Kulturlandschaft sein. 

Die Hybrid Plattform und das Futurium laden ein zu einer zukunftsweisenden Veranstaltungsreihe: den »Hybrid Futures«. Ausgewählte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen treffen sich, um über die Zukunft zu sprechen und darüber, wie sie noch verlaufen könnte. Die Veranstaltungsreihe wird eröffnet mit einem Gespräch von Hito Steyerl, einer der international einflussreichsten zeitgenössischen Künstlerinnen, und ihren Kollaboratoren, den Künstliche Intelligenz (KI)-Experten Mike Tyka und Jules LaPlace. 

Eine klassische Podiumsdiskussion wird man an diesem Abend nicht erleben. So hybrid die Themen, so innovativ das geplante Format. Der Gesprächsablauf wird choreographiert und in einzelne Abschnitte geteilt. Zuerst wird ein Blick auf die Vergangenheit der Disziplinen geworfen und deren zunehmende Hybridisierung diskutiert. Anschließend wird – anhand von Szenarien aus Kunst und Wissenschaft unterschiedlicher Epochen – eine Spekulation über die zukünftige Gestaltung der wissenschaftlichen Disziplinen entwickelt. 

In ihren Arbeiten setzt sich Hito Steyerl mit aktuellen Fragen der Theorie und Praxis gesellschaftspolitischer Prozesse auseinander. Dabei eröffnet sie neue Perspektiven, zeigt Verbindungen auf und hinterfragt kritisch die gegenwärtigen Entwicklungen von Digitalisierung und Globalisierung. Mike Tyka und Jules Laplace sind Entwickler, die sich – u.a. bei Google – mit KI und Maschinellem Lernen befassen. 

Als Einstieg ins Thema des Abends wird bereits um 19 Uhr die Möglichkeit gegeben, an einer Führung durch die Ausstellung des Futuriums teilzunehmen, bei der ein Schwerpunkt auf hybride Visionen von Zukunftsgestaltung gelegt wird. (Hinweis: es sind begrenzte Kapazitäten für die Führung. Anmeldung über futurium.de/de/fuehrungen). 

Die Hybrid Plattform ist eine gemeinsame Projektplattform der Universität der Künste Berlin und der Technischen Universität Berlin im Rahmen des Campus Charlottenburg. Sie dient dem disziplinenübergreifenden Austausch zwischen Künsten, Wissenschaft und Technik. 

Das Futurium ist ein Haus der Zukünfte. Hier dreht sich alles um die Frage: Wie wollen wir leben? In der Ausstellung können Besucher*innen viele mögliche Zukünfte entdecken, im Forum gemeinsam diskutieren und im Futurium Lab eigene Ideen ausprobieren. Press release: Hybrid Futures on 12 December 2019 

Hybrid Futures. Speculations by Hito Steyerl, Mike Tyka and Jules LaPlace” 

The Arts and Sciences – past, present and future. 

12 December 2019, 8 pm, Futurium, Alexanderufer 2, 10117 Berlin. 

English with german translation. 

In the future an exciting new kind of event will be part of Berlin’s cultural landscape. 

The Hybrid Plattform and Futurium invite you to a pioneering new series of events: “Hybrid Futures”. Selected artists and scientists will get together to talk about the future and how it might play out. The event series will be begin with a conversation between Hito Steyerl, one of the most influential contemporary artists worldwide, and her collaborators, the artificial intelligence (AI) experts Mike Tyka and Jules LaPlace. 

What the audience won’t be getting on this evening is a conventional panel discussion. The hybridity of the themes will be matched by the innovativeness of the format. The conversation will be choreographed and divided into individual sections. It will begin with a look back at the history of the respective disciplines, and their increasing hybridization will be discussed. Then speculations about how scientific disciplines might look in the future will be developed – based on scenarios from the arts and sciences of various past epochs. 

In her works Hito Steyerl examines contemporary issues related to the theory and practice of societal and political processes. In doing so she opens up new perspectives, reveals connections and critically questions the current trends of digitalization and globalization. Mike Tyka and Jules LaPlace are developers working on artificial intelligence and machine learning for Google and other companies. 

To provide an initial look at the evening’s thematic focus, at 7 pm a tour of the Futurium’s exhibition will be offered with special emphasis on hybrid visions of how the future can be shaped. (Note: the capacities at the tour are limited. To register visit: futurium.de/de/fuehrungen). 

Hybrid Plattform is a collaborative project platform of the Universität der Künste Berlin and the Technische Universität Berlin on the Charlottenburg Campus. It serves to promote interdisciplinary exchange between the arts, sciences and technology. 

The Futurium is a house dedicated to the future. Here everything revolves around one question: How do we want to live? In the exhibition visitors can explore many different potential futures, debate with one another in the Forum and try out ideas in the Futurium Lab. 

„Golem“ von Carly Lave. Eine virtuelle Schnittstelle des Performativen Tanzes mit dem Virtuellen Raum und Publikum

Eine virtuelle Schnittstelle des Performativen Tanzes mit dem Virtuellen Raum und Publikum

Es ist ein Universitäts- und Hochschulübergreifendes Projekt. Das gamelab.berlin (von der Humboldt Universität Berlin, das Virtual Design Lab der Hochschule Kaiserslautern und der Fulbright Stipendiatin der Stanford University Carly Lave realisierten das Tanzprojekt,

A Prague reproduction of the Golem found on Thander –
http://pt.wikipedia.org/wiki/Ficheiro:Golem.JPG

Es geht um Tanz im Virtuellen Raum.

Der Titel Golem zitiert, ein aus der jüdischen Literatur und Mystik stammendes Wesen, das ab dem frühen Mittelalter in Mitteleuropa als, aus Lehm gebildet, verstummt, den Menschen nachgebildet wurde. Ein GOLEM ist eine „formlose Masse, ein ungeschlachter Mensch“ (hebräisch). Aber auch Embryo. Mit schwingt die Bedeutungsebene der Dummheit und der Hilflosigkeit. Was auch sonst, denn dieses menschenähnliche Wesen ist vom Menschen geformt. Ein GOLEM kann zu einer erheblichen Größe heran wachsen und über viel Kraft verfügen.

Quelle des Bildes:
https://www.plotmag.com/blog/2019/11/golem-berlin/

Ob dieser Hintergrund bei der Performance bedacht wurde, kann nicht gesagt werden. In erster Linie erscheint das Projekt als technologisches Ausreizen der MoCAP Technology, verbunden mit einer Spiel-Engine, die live Daten in das System einspeist. Es geht um die Verbindung der Wirklichkeit und der Virtuellen Realität und um gemeinsamen Tanz. Es geht um Immersion. Nicht nur die innere Einbindung der Tänzer zu dem virtuellen Performer, sondern auch des Publikums, das bei der live Performance, versehen mit VR Brillen Objekte verschieben und manipulieren darf. Ebenso wird eine Schnittstelle zu einer ausschließliche digitalen Inszenierung geschaffen. Dort können mit VR Brillen versehene Zuschauer ebenso im VR Raum die Performance verfolgen, obwohl sie nicht im Aufführungsraum sind, den Uferstudios. Die Performance wurde vom 25.07.2019–27.07.2019 erstaufgeführt.

Quelle: https://www.carlylave.com/golem  
Quelle: https://www.carlylave.com/golem  

Es wird mit dem Optitrax Motion Capture System, die Tanzbewegung der Performerin abgenommen, in einen live gerenderten Raum übertragen (Unity Game Engine). Die Tänzerin soll mit ihrem virtuellen Konterfei tanzen, gerne auch interagieren, wie es so schön in der Branche heißt. Aber es geht tatsächlich um den gemeinsamen Tanz mit dem Wirklichkeits-Ich-Tänzer. Bei Motion Capturing stand nur 1 Anzug zu Verfügung, deshalb gibt es auch entsprechend einen individuellen Virtuellen Tanz-Repräsentanten, der vervielfältigt wird. 

Quelle des Bildes: https://www.plotmag.com/blog/2019/11/golem-berlin/

Die Virtuelle Figur wird durch eine eigentümlich exakte Körperlichkeit, mit entsprechend realistisch anmutender, aber dennoch artifizieller Oberfläche realisiert. Die Übertragung der Gesten und Gebärdensprache ist so genau, wie es die Technik zulässt. Das führt zu Abweichungen der Anatomie. Manchmal sind Beine verwinkelt und vermitteln den Eindruck eines Bruchs. Die personifizierte Beschaffenheit des GOLEMS findet einen inhaltlichen Bezug. Es ist ein grobes Wesen, körperlich überhöht, aber dumm, ungebildet. Nichtsdestotrotz kann es eine erhebliche Kraft entwickeln. 

Dennoch darf die formale Beschreibung hinterfragt werden. Wird eine gewinnbringende künstlerische Intervention für das menschliche Abbild im VR Raum dargestellt? Oder darf mit Bedauern eine ausschließlich inhaltliche Schnittmenge fest gestellt werden. 

Der Raum wird erweitert, der Mensch findet eine artifizielle Verortung, der Avatar findet Bewegungen und eine aus künstlerischer Sicht kritisch zu betrachtende formale Beschreibung. Die Tänzer in der Wirklichkeit, in den Uferstudios Berlin, werden bei der Live Performance durch die Zuschauer, platziert am Rand der Tanzfläche, in beiden Realitäten betrachtet. Eine vor Kopf angebrachte Leinwand projiziert den virtuellen Raum. 

Im virtuellen Raum wird die Welt des GOLEM durch ein experimentelles Soundsystem namens GHUNGHRU  begleitet. Es geht nicht darum, Musik zu erschaffen, es geht darum, Geräusche und Geräuschkulissen hörbar zu machen.  Diesen Hörbildern liegt die Idee der Hinduistischen klassischen RAGA Tonmodulation zu Grunde. Sie werden durch Stimme und modularen Synthesizern der Performance zugespielt. 

Die Virtuelle Umgebung der GOLEM VR Welt wurde durch die Studierenden des Fachbereichs Virtual Design an der Hochschule Kaiserslautern realisiert. Es sind blaue und geometrische Welten, sie sind in einer hierarchischen, aber in sich verschwimmenden Staffelung zu einem perspektivischen Raum geformt. Dieser Raum bleibt hell, Kontraste fehlen, alles verschmilzt in blauen Schattierungen und Geometrien. Die Formen sind einfach, fast schon einfältig. Sie zitieren eine weitere Ebene des GOLEM, so wird gehofft.

Diese Art der Tanzperformance ist nicht die erste in der Reihe von Verschmelzung von Virtueller Raum mit der Wirklichkeit, live Tanz mit direkter Übertragung in die Virtualität, oder der Möglichkeit als Zuschauer eine Veränderung des Exterieurs des projizierten Raums durchzuführen. Aber es ist ein Beispiel, dass die Tanzszene mehr und mehr den Zugang zur Technologie forciert. Dass der architektonische Raum nicht mehr nur als alleiniger Gestaltungsraum erkannt werden kann. Wahrscheinlich werden in wenigen Jahren diese Technologien in den Opernhäusern und anderen Bühnenorten eingeführt werden. Noch ist es Avant Garde.

Idee, Gestalt und Konzept
Choreografie: Carly Lave, Berlin (DE) > www.carlylave.com
Dramaturgie: Florence Freitag
Brand Design: Will Hamilton
Sound Design: Arushi Jain

Mitwirkende
gamelab.berlin, Humbold Universität, Berlin (DE) > www.gamelab.berlin/de
Virtual Design Department, Hochschule Kaiserslautern,
Kaiserslautern (DE) > www.hs-kl/virtual-design

TänzerInnen/PerformantInnen
Melissa Ferrari, Cheng-Jung Tsai, Janan Laubscher, John Snyder

Bühne
UFERSTUDIOS, Berlin (DE) am 25.07.2019–27.07.2019

Fotografien:
gamelab.berlin, Humbold Universität, Berlin (DE) > www.gamelab.berlin/de
Virtual Design Department, Hochschule Kaiserslautern,
Kaiserslautern (DE) > www.hs-kl/virtual-design

Beitrag von Professor Ursula Drees

Plastikschafe am ZKM

Wer sie machte, woher sie kommen, warum sie aufgereiht an der Wand stehen, ist unklar. Vielleicht eine Arbeit der Studierenden am ZKM. Wahrscheinlich.

Kurzes Innehalten, Material prüfen, Schafqualität vergleichen und an Greta denken. Die Plastikflut erstickt den Menschen. Je öfter darauf verwiesen wird, desto sinnvoller. Prof. Ursula Drees

„The Long Now“ von Verena Friedrich

Diese Installation steht im ZKM in der Ausstellung „3Rooms“.

Verena Friedrich “ The Long Now“ im ZKM Fotografie mit Handy©M.v.T.

Ein dunkler Raum in dessen Mitte der Aufbau steht. Ein Plexiglaskubus, eine Seifenblasenmaschine, ein CO2 Messgerät, ein Labortisch und Industriestaubsauger, diverse Plastikschläuche, irgendwo im Plexiglaskubus auf dem Boden liegt Trockeneins und Seifenlauge. Auf der Tafel wird der Besucher über das Arduino Board, Relais, Verkabelung und Stromversorgung aufgeklärt. Das ist soweit alles Sichtbare.

Und natürlich der Aufsichthabende, mit weißen Handschuhen, der beim Eintritt das Experiment startet. Der Kohlenstoffdioxidanteil, die Temperatur und noch das ein oder andere wird kontrolliert. Wenn die Atmosphäre stimmt, geht es los. Der Staubsauger wird nach der Prüfung bedient, und eine Seifenblase entsteht im Inneren des Plexglaskubus. Sie wächst zu einer Ordentlichen heran, der Aufsichtshabende zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden und das Kunstwerk ist vollendet. Die Seifenblase steht im Trockeneisglasraum, bewegungslos, inmitten des Kubus in ihrer ganze Schönheit. Prismafarben spiegeln die Oberfläche, vollkommener Stillstand. 

Verena Friedrich “ The Long Now“ 2016 Ars Electronica Festival

Einegefrorene Seifenblase. Sie ist für einen erstaunlich langen Zeitraum ein Objekt, schwebend scheinbar inmitten eines leeren Raums. Je länger geschaut wird und das Experiment nach einer Erkenntnis ruft, desto klarer werden Metaphern und Assoziationen im Kopf formuliert.

Seifenblasen zerplatzen, eine Sprichwort für verlorene Träume. Ebenso aus der Kunstgeschichte ein in der Zeit der Stilllebens des „Momento mori“  oft genommenes Symbol für die Vergänglichkeit des Seins. Bekannt sind Totenschädel, abbrennende Kerzen, verwelkende Blumen, zerbrochene Spiegel, aufgeschnittene Südfrüchte und auch Seifenblasen. 

Mit dieser Arbeit stellt sich sie in die Tradition der KünstlerInnen wie Douglas GordonUrs FischerNam June PaikManuela Kasemir oder etwa Jeroen de Rijke / Willem de Rooij. Es ist eine akademische Arbeit durch und durch.

Wenn eine Seifenblase platzt, bleiben nur einige Spuren der Seifenlauge übrig. In „The Long Now“ wird Lebensdauer verlängert. Manchmal um Minuten, es kann aber wohl auch länger sein, Stunden oder ein ganzer Tag. Aber irgendwann platzt sie; ihr Lebens Zyklus endet. Sie stirbt. 

Verena Friedrich “ The Long Now“ im ZKM Fotografie mit Handy©©M.v.T.

Die Künstlerin verbindet Wissenschaft und Kunst. Sie trägt den Titel der Diplom Designerin der Hochschule für Gestaltung in Offenbach (bei Professor Heiner Blum und Professorin Ulrike Gabriel), dann noch an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. An der Kunsthochschule in Köln kommt noch ein Diplom dazu.  Hinzu ein Forschungsaufenthalt am „SymbioticA – Centre of Excellence in Biological Arts“ in Australien und an das „Laboratory of Stem Cell Bioengineering“ in Lausanne.

Sie arbeitete im Max Planck Institut für Biologie in Köln, ihr Thema „Das Altern“, kooperiert mit der Kölner Kunsthochschule und das Werk nimmt Form an. Es wird auf der Ars Electronica mit einer Honorary Mention (2016)  geehrt.

Beitrag von Dr. Margarete von Trifft

Forest of Sensors von Yang Jian (2008-2019)

Es ist ein 2007 ins Leben gerufenes Projekt namens „Three Rooms“, das gemeinsam mit dmn Nam June Paik Center, dem CAC – Chorus Art Center, Shanghai und dem ZKM, Karlsruhe junge MedienkünstlerInnen unterstützt. Im Jahr 2018-2019 wurden Kim Heecheon aus Korea, Yang Jian aus China und Verena Friedrich aus Deutschland ausgewählt.

Das Werk des Künstlers Yang Jian aus China stellt sich konfus dar. Der Raum besteht aus einem Wirrwarr von Dingen.

Da gibt es jede Menge Zimmerpflanzen aus Plastik, die sehen einigermaßen geputzt aus. Und überzeugen auf den ersten Blick als lebendige Organismen. Aber nicht allzu lange. Dann andere Dinge: Ventilatoren, Monitore, Röhrenbildschirme, Kartons, Plastikcontainer, Plastikrohre, Fussball, Kabel, Kleiderbügel, Überwachungskameras, Taurollen, Barhocker, Luftballons, Flaschen, Kopfhörer an Kopfhörerständern und viel, viel mehr. Alles etwas älteres Material, sodass der Verdacht aufkommt, es handele sich hier um eine Müllhalde, einen Dschungel von Found Material.

Nur in Begleitung einer Führung darf das Areal betreten werden. Es soll betreten werden. Wer es schafft, den Raum zu durchqueren ohne einen Signalton auszulösen, ist ein Artist. Alles ist voll gestellt, schneller als gedacht, berührt die Schulter, der Fuss, der Rücken oder ein Arm etwas.

Der Titel verspricht einen Wald aus Sensoren und das wird erfüllt. Von den Dingen und den Pflanzen gehen dünne Kabel ab. Wer etwas berührt, löst den hellen, fast ein wenig schrillen Alarmton aus. Die Phantasie geht los? Was mag hier beschrieben sein? Geht es um den Verlust der Natur in einem Wald von verkabelten Objekten der Industrie? Oder sollen Besucher empfindsam den Objekten und deren Lebensform gegenüber gemacht werden? Sollen Gedanken an die Seele der Dinge aufkommen?

Bei genauer Betrachtung stellt das Auge fest, das alle Gegenstände in China hergestellt wurden. Überall „Made in China“. Und dann wird erklärt, dass der Künstler einige Wochen durch die Archive, Kellerräume, alten Büros, Lagerstätten des ZKM’s gewandert ist, auf der Suche nach Dingen mit dem Aufdruck „Made in China“. Der Künstler wollte ein durch und durch Chinesisches Kunstwerk herstellen, ohne Material zu transportieren. Natürlich wird dem Besucher bewusst, dass fast jedes Umfeld, sei es Privat oder Offiziell durch Objekte „Made in China“ bestückt ist. Das sind Stühle, Regale, Kleidungsstücke, Nähgarn, Autos, Sitze, Kissen, Kosmetik, Trinkflaschen, Computer, Telefone, Kabel, Kartons, Fussbälle, Kopfhörer, Luftballons. All das, was hier gezeigt und vernetzt wird.

Verwundert stellten selbst die Mitarbeiter des ZKM bei seiner Suche und seinem Fundsachen fest, was dort in den Ecken und Tiefen des ZKMs lagerte. Vor allem die vielen Plastikpflanzen brachten Erstaunen hervor. Aber warum nur wird alles vernetzt? Warum gibt es diesen scharfen Signalton?

Es wird erklärt, dass der Künstler eine Analogie des Lebens der Menschen in Hong Kong herstellt. 2Bewege dich durch das Labyrinth, sei gewiss, dass eine Fehlbewegung, Fehlaussage oder Fehleinschätzung zu einer Verwarnung führt, zu einem schrillen Signalton der Gefahr“. In Hong Kong werden Bürgerrechte beschnitten und ein freies Bewegen oder gar Durchschreiten gibt es nicht mehr. Überall gibt es Kontrollen. In den Einkaufszentren, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in den Museum, auf den öffentlichen Plätzen. Es wird überwacht. Freiheitliches Verhalten wird für die Installation verlangt, aber dann kommt die Bestrafung. Das lässt sich auf Hong Kong übertragen.

Beitrag von Prof. Ursula Drees

Fotografien wurden von einer Handkamera vor Ort gemacht©Ursula Drees