
Dog Video von Sung Hwan Kim, entstanden 2006 kombiniert verschiedene Medien wie Animation, Performance, Erzählung und Musik zu einer surrealen und atmosphärischen Komposition. Es reflektiert persönliche Erinnerungen. Da tritt ein überstrenger, dominanter, fast missbräuchlicher Vater auf. Der kommandiert seinen Sohn herum. Er spricht nicht, sondern hat verschiedene Glockentöne, die jeweils eine bestimme Handlung auslösen müssen. „Bring mir zu Essen, Schliesse die Tür“, „mache den Abwasch“. Klare Anweisungen werden da über Klangkombinationen gesetzt. Das gesprochene Wort gibt es nicht. Der Vater, vom Künstlergespielt, behandelt seinen Sohn wie einen Hund. Und so sehen wir eine Person mit Vatermaske in einem Stuhl sitzend. Neben ihm, auf allen vieren, der Sohn mit Hundemaske, gespielt von einem Freund. Der Vater will, dass der Sohn-Hund Sitz, Platz oder gib Pfötchen macht, nach vorne schaut oder auf den Schoss springt. Hunde sind treue Tiere, sie ordnen sich unter, sie akzeptieren Hierarchien, sie lieben bedingungslos, egal wie hässlich, grausam, gemein und lieblos der, die Halter*in sind. Hunde sind ausgeliefert, sie sind abhängig. So scheint es dem Künstler ergangen zu sein. Das ist teils biographisch zu verstehen, aber es ist auch eine übergeordnete Aussage. Denn in des Künstlers Geburtsland wird eine autoritäre, strenge Erziehung angewendet. So wie es jahrhundertelang in Europa der Fall war. Kinder waren nicht sichtbar, sie waren da, aber spielten als eigenständige Wesen keine Rolle. Sie sollten Respekt lernen, gehorchen und so schnell wie möglich zu Erwachsenen werden. Die männlichen Nachkommen sollten den Stammbaum weiterführen, die Weiblichen sollten verheiratet werden und Kinder bekommen, um anderen Stammbäumen zu Erben zu verhelfen.

Dog Video thematisiert an der Oberfläche die Beziehung zwischen Mensch und Tier einerseits, aber eine Ebene darunter die des Vaters zu seinem Sohn. Auf dieser Ebene spricht der Künstler von Autorität, von Freiheit, von Erziehung, konditioniert zu werden wie ein Hund, von koreanischen kulturellen Normen. Der Vater ist streng, disziplinierend, so sehr, dass es an Missbrauch grenzt. Wer so aufwächst, der muss sich befreien, muss reflektieren, muss sich lösen, um seine tatsächliche Identität finden. Das ist eine Lebensaufgabe. Noch eine Ebene darunter ist es eine Geschichte von Abhängigkeiten zu Erziehungsberechtigten. Es geht um Unterdrückung, Konditionierung, Machtmissbrauch. Wo beginnt Gehorsam, wo geht es in Unterwerfung und Selbstaufgabe über?
Der strenge Vater in „Dog Video“ ist mehr als nur eine persönliche Erinnerung – er steht für gesellschaftliche Erwartungen, Disziplinierung und die Beziehung zwischen Autorität und Individuum.

Die Handschrift des Künstlers ist nicht offensichtlich. Es wird viel mit Querverbindungen und Assoziationen gearbeitet. Die Farben mögen einen bestimmten Bedeutungsraum haben, die Formsprache in der dekonstruierte Anordnung ist nicht einfach zu einem Ganzen zu schliessen. Das Kunstwerk ist verschlossen. Kontexte werden hart erarbeitet.

Sung Hwan Kim ist ein südkoreanischer Künstler, der für seine interdisziplinären Arbeiten bekannt ist, die Video, Performance, Zeichnung und Sound miteinander verbinden. Sein Werk zeichnet sich durch eine poetische und traumartige Erzählweise aus, die persönliche Erinnerungen, Fiktion, traditionelle koreanische Erzähltechniken und politische Themen miteinander verwebt.

Ein zentrales Element in Kims Kunst ist die Auseinandersetzung mit Identität, Migration und kultureller Hybridität. Er nutzt oft fragmentierte Erzählstrukturen, um subjektive Erfahrungen und kollektive Geschichten zu reflektieren. Dabei integriert er persönliche Reflexionen, Mythen und historische Bezüge, die er durch experimentelle filmische Mittel zum Ausdruck bringt.

Kim arbeitet häufig mit Musikern und Performern zusammen und erschafft immersive, multisensorische Installationen. Seine Werke sind international anerkannt und wurden in Institutionen wie dem Museum of Modern Art in New York oder der Tate Modern in London gezeigt.
Insgesamt steht Sung Hwan Kims Kunst für eine experimentelle und poetische Erforschung von Erinnerung, Sprache und kultureller Identität, die den Betrachter in vielschichtige und oft surreale Erzählwelten eintauchen lässt.
Im ZKM werden mehrere Installationen, Objekte, Zeichnungen des Künstlers präsentiert. Die Besucher*innen schlendern durch die Installationen. Sie sind räumlich durch spitze Wandelemente in schwarz getrennt. Es gibt sowieso eine Menge geometrische abstrakt anmutende Trennelemente. Die sehen aus wie Schattensetzungen. Sehr kühl und kontrolliert.
Zu sehen im ZKM, Karlsruhe.
Beitrag von Ursula Drees
Die Photographien wurden vor Ort von UDrees aufgenommen
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