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Yearly Archives: 2021

Nachruf auf Joachim Sauter

Es ist ein trauriges Ereignis. Joachim Sauter ist am 10. Juli 2021 von dieser Welt gegangen.

Mit freundlicher Genehmigung von ART+COM

Er hat ART+ COM mitbegründet. War an der Hochschule der Künste, später Universität der Künste in Berlin Professor für Kunst und Gestaltung mit digitalen Medien und Adjunct Professor für Mediengestaltung und Medienkunst an der University of California, Los Angeles.

Sein erstes Werk, für das er zusammen mit Dirk Lüsebrink, die goldene Nica 1992 gewann, „Der Zerseher“ bringt auch heute noch die wesentliche Botschaft der neuen Medien in der Kunst, Wissenschaft, Gestaltung und Gesellschaft auf den Punkt. Er war ein unermüdlicher Denker, Gestalter, Künstler und Schaffender.

Die Liste seiner Werke ist lang. Seine Werke kratzen am Zahn der Zeit, sie verbinden Technik und Gestaltung, atmeten Schönheit und Botschaft. Mehr dazu bei ART+COM. Trotzdem einige Beispiele.

THE SHAPES OF THINGS TO COME•KINETISCHE SKULPTUR –, 2008 BMW Museum, München

•RESONANCE – REFLECTIVE KINEMATRONIC III, 2010_ •Kunsten Museum, Aalborg, Dänemark

Ich habe ihn als Studentin an der HdK kennen gelernt. Er war der Betreuer meiner Meisterschülerjahre, ein Vorbild, er verstand den Wert der Medien in der Kunst und in der Forschung und hat sie vermittelt. Wie oft ich ihn auf der Ars Electronica traf und reden hörte, kann ich nicht sagen. Er veröffentlichte und hinterließ Gedanken, die mich nachhaltig bewegten. Er war ein Quell der Inspiration und die Welt verliert eine grosse Persönlichkeit.

Er war verständnisvoll und kannte keine Arroganz, obwohl er viel bewegte und mit ihm eine Ära zu Ende geht. Aber so ist das mit Menschen, die in der dünnen Luft da oben leben. Sie sind nicht arrogant, sie müssen sich nicht beweisen, sie arbeiten und bewegen. Einfach so. Ich erinnere mich an eine erste Begegnung. Er wurde in jungen Jahren zum Professor berufen und ich war Studentin, nur 4 Jahre jünger. Er war souverän und wissenstechnisch allen Anwesenden überlegen, er hatte eine Vision. Er kam in den Seminarraum, es muss Anfang 1990 oder Ende 1998 gewesen sein, und sagte: „HTML, das müsst ihr euch merken. Das wird die Welt ändern.“ Wir hatten keinen blassen Schimmer, er beleuchtete die Tragweite und wir bekamen einen Einblick in die Zukunft. Das gleiche wiederholte er einige Jahre später als MOSAIK auf den Markt kam. Er war den Dingen einen Schritt voraus und das machte seine Lehrtätigkeit zu diesem besonderen Erlebnis. Ein Seminar bei Joachim Sauter bedeutete Inspiration, Wissen und Zukunftsblick. Vergessen habe ich so gut wie nichts.

Als ich meine Meisterschülerinnenprüfung bei ihm absolvierte, zeigte er seine ausserordentliche Qualität für Empathie. Dafür muss ich ausholen. Bei meiner mündlichen Diplomprüfung war ich einigermassen runter mit den Nerven. Ich hatte viel gearbeitet, war aufgeregt und etwas übermüdet. Und deshalb bekam ich vor lauter Aufregung kein Bein an die Erde und fing nach wenigen Minuten an, fürchterlich und nicht enden wollend zu schluchzen. Es war kein Weinen mehr, es war der Zustand der absoluten Auflösung. Die Prüfung wurde unterbrochen, ich bekam einige Minuten Zeit und als ich dachte, ich könnte weiter machen, brauchte ich nur in die Gesichter der Prüfer zu schauen und schon ging es von vorne los. Dies war eine überaus entwürdigende Erfahrung. Ich begriff, ich habe Prüfungsangst.

In der mündlichen Verteidigung für die Meisterschülerinnenprüfung stand Joachim Sauter vor mir, schaute mich an und fragte nur: „Ursula, wie lange wirst du durch halten?“ „Vielleicht 8 bis 10 Minuten?“. Darauf erwiderte er: „Nun gut, dann musst du in 10 Minuten das Wissen, das im Normalfall in 20 Minuten abgeprüft wird, vermitteln. Konzentrier dich und dann werden wir einen Prüfungssprint hinlegen.“

Nach ca. 9 Minuten kamen die Tränen und ich schaffte noch eine letzte Minute, da aber bereits mit gebrochener Stimme. Aber es reichte und ich bestand. So war Joachim Sauter.

Lieber Joachim, du warst zu kurz auf dieser Welt.

Nachruf von Prof. Ursula Drees

Arcadia Sound Installation

Scenocosme Akousmaflore: Sensitive and interactive musical plants

Das Team um Daniel Robert von der University of Bristol hat festgestellt dass Blüten durch elektrische Ladungen Botschaften an Hummeln aussenden, damit diese erkennen, ob Blüten Nektar bieten oder nicht.

Nicht nur Blüten haben eine elektrostatische Aufladung, auch Pflanzenblätter. Diese reagieren auf Umweltveränderung. Annäherung von Mensch, Tier, Gegenständen, ggf. Wetteränderungen.

Arcadia ist eine interaktive Klang- und Lichtinstallation, die die Biorhythmen von Pflanzen nutzt, um Musik und entsprechende Lichtstimmungen zu erzeugen. Sie funktioniert, indem sie die Schwankungen der galvanischen Leitfähigkeit von Pflanzen in MIDI-Daten umwandelt, um MIDI-Instrumente in Echtzeit zu steuern – „Pflanzen machen Musik“. Zusätzlich sind an verschiedenen Stellen der Umgebung Kontaktmikrofone angeschlossen, die eingehende Audiosignale in MIDI-Nachrichten umwandeln. So können die Teilnehmer mit den Pflanzen interagieren und die Umgebung in ein großes Musikinstrument verwandeln.

Arcadia Sound Installation verwendet dieses Wissen um eine Installation von Singenden Pflanzen zu machen. Eine sicherlich beeindruckende Erfahrung. Man gehe durch einen Wald und mit einem Mal werden Änderungen des Daseins von Seiten der Pflanzen in Töne umgewandelt. Eine sprechende Pflanze? Sind das Schritte, um mit Pflanzen in eine psydo-menschliche Kommunikation zu treten?


Sam Nester entwirft in Zusammenarbeit mit der bildenden Künstlerin Caroline Rannersberger, dem Architekten Christopher Clinton und dem Pflanzenökologen Daniel Sprod eine öffentliche Kunst- und Klanginstallation, die auf seinem Arcadia-Projekt basiert. Hier der Arcadia LIve Stream.

Arcadia verbindet Kunst, Natur und Selbstfürsorge, indem es einen virtuellen Meditationsraum schafft. Das Center for Well-Being veranstaltet jeden Donnerstag 30-minütige Meditationen mit Arcadia via Zoom! Wer teilnehmen will?

Im Laufe der einjährigen Installation wird Arcadia ein Versuchsfeld für die Untersuchung der folgenden Heilpflanzen der Ureinwohner Virginias sein: Black Cohosh, Wild Indigo, Butterfly Weed, Maidenhair Fern, und Pink Azalea. Arcadia wird auch bei der Campus-Forschung über Wurzelfäule, Pflanzenvermehrung und Pflanzenschutz helfen, indem es American Ginseng, Goldenseal, Echinacea, Zaubernuss, Red Bud, Flowering Dogwood, Paw-Paws, Feigen, Blaubeeren, alpine Erdbeeren, Zwerghimbeeren ohne Dornen, Johannisbeersträucher und Serviceberry einbezieht. (Dank an Hardings Ginseng Farm und United Plant Savers) Die Arcadia-Pflanzen werden schließlich an neue Standorte auf dem Campus verpflanzt, wie zum Beispiel den Innovation Food Forest und das Green Studio.

Mit freundlicher Genehmigung von ©Sam Nester

Der in Australien geborene Trompeter Sam Nester führt eine vielfältige Karriere als Interpret und Pädagoge. Nester spielte unter anderem für das Mostly Mozart Festival & Lincoln Center Out of Doors im Lincoln Center, das Beijing Modern Music Festival, das BAM Next Wave Festival, das Paris Opera Ballet, das Wordless Music Orchestra, die Mark Morris Dance Group und das Festival of New Trumpet Music. Für diese und andere Ensembles hat Nester Werke des mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Komponisten John Luther Adams, John Cale (Velvet Underground) und John Zorn uraufgeführt.

2019 war Nester Artist-in-Residence der Bruny Island Foundation und schuf ortsspezifische Aufnahmen im ikonischen Leuchtturm der Insel. Im Jahr 2020 arbeitet er mit der George Mason University (USA) zusammen, um eine einjährige interaktive Licht- und Klanginstallation für deren Campus in Virginia zu entwerfen.

Nester wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, er war Fulbright-Stipendiat, erhielt den Australian Music Foundation Award, den Brian Boak Outstanding Performer Award und war Stipendiat des Dame Joan Sutherland Fund der American Australian Association. Er schloss sein Studium mit einem Bachelor of Music Studies am Queensland Conservatorium und einem Bachelor of Music an der Western Australian Academy of Performing Arts (First Class Honors) ab. Er erhielt einen Master of Music und einen Doktortitel der musikalischen Künste von der Manhattan School of Music und wurde mit dem Helen Cohn Award für herausragende Leistungen ausgezeichnet. Zu seinen wichtigsten Trompetenlehrern zählen David Elton und Mark Gould.

Beitrag von Ursula Drees

Auszeichnung beim ADC Talent Wettbewerb für somnium- modular dreams

Träume sind vielseitig. Somnium – Modular Dreams macht die Emotionen und Geschichten, die wir während des Träumens durchleben, visuell und auditiv greifbar. Somnium – Modular Dreams bietet die Möglichkeit, interaktiv und kreativ eigene Traumwelten zu erschaffen.

Wir träumen. Der Traum ist ein Weg zum Unterbewussten, er ist unstet. Mit Somnium – Modular Dreams legen wir das Geträumte dar und halten die Flüchtigkeit der Träume fest. Mit Somnium schaffen wir ein Objekt, das unsere Träume offenbart. Mit Ton, Bild, Atmosphäre und Licht.

Steckmodule für verschiedene Traumformen werden an die über den Köpfen schwebende Decke der Installation geworfen, begleitet von entsprechendem Ton. ©Studioproduktion EventMedia Somnium Modular Dreams, Hochschule der Medien, Stuttgart
Steckmodule für verschiedene Traumformen werden an die über den Köpfen schwebende Decke der Installation geworfen, begleitet von entsprechendem Ton. ©Studioproduktion EventMedia Somnium Modular Dreams, Hochschule der Medien, Stuttgart

Mit Somnium – Modular Dreams werden Emotionen und Geschichten, die während des Träumens durchlebt werden, auch im Wachzustand angesprochen und visuell greifbar gemacht. Die Besucher sind in der Lage, eigene Traumwelten zu erschaffen und sich kreativ auszuleben. Ein modulares Stecksystem stellt die Basis dar. Die Module dieses Systems lassen sich spielerisch erkunden und zu einem haptischen, visuellen und auditiven Erlebnis zusammensetzen; den kreativen Kombinationen sind dabei keine Grenzen gesetzt. Durch An- und Umstecken der Module an den Baukasten verändern sich die visuelle Projektion, die auditive Bespielung und die Lichtstimmung im Raum. Module mit reaktiven Elementen verändern zusätzlich das Gesehene und Gehörte. 

Die Träume werden durch verschiedene Medien verwirklicht: surreale Animationen mit Computer Grafics, Videoaufnahmen, Drohnenaufnahmen, Computer Generated Grafics, Real-Time-Simulationen oder Fotografien werden durch Ton unterstützt.

Innenansicht©Studioproduktion EventMedia Somnium Modular Dreams, Hochschule der Medien, Stuttgart

Der Ton selber spielt eine grosse Rolle, denn Klangatmosphären reichen von natürlichen Szenarien wie Wäldern, Höhlen, Stränden und Stürmen über urbane Atmosphären im Straßenverkehr, an Bahnstationen sowie in diversen anderen Menschenansammlungen hin zu Klangatmosphären die darauf abzielen, bestimmte Emotionen im Besucher hervorzurufen. Sie sind teilweise rein auditiv, zum Teil aber auch an Videoinhalte gebunden. Manche erzählen eigene Geschichten, andere dienen als Hintergrundgeräuschkulisse. Diese Geräuschkulissen sind so angelegt, dass sich ein Teil daraus, vom Besucher möglichst unbemerkt, in einer Endlosschleife wiederholt bis das Modul abgesteckt wird. Ein Mehrkanalbeschallungssystem ermöglicht eine Raumanordnung für ein dreidimensionales Klangszenario.

NamePositionStudiengang
Benjamin HankeBühne TonAudiovisuelle Medien
Falko GrossTon, Licht, ProgrammierungAudiovisuelle Medien
Jan HansenVideo, Dokumentation, Fotografie, ProgrammierungAudiovisuelle Medien
Jessica SchlahtProjektmanagement, Sponsoring, PR. FinanzenMedienwirtschaft
Kim CaspersProduktionsleitung, Regie, Bühne, ProjektmanagementAudiovisuelle Medien
Lukas MünterRegie, Ton, Bühne, DokumentationAudiovisuelle Medien
Mareike FranzenTon, Licht, Bühne, DokumentationAudiovisuelle Medien
Moritz StuhlfauthProgrammierung, Bühne, ProduktionsleitungAudiovisuelle Medien
Nicole GrzesiekFotografie, Video, Animation, GrafikAudiovisuelle Medien
Nina HornungProjektmanagement, Sponsoring, PR; FinanzenMedienwirtschaft
Robert SamuelGrafik, Licht, AnimationAudiovisuelle Medien
Sophie KergaßnerAnimation, Grafik, Regie, ProgrammierungAudiovisuelle Medien
Valentina KnollAnimation, Video, grafik, FotografieAudiovisuelle Medien
Tanja ErnstRegieAudiovisuelle Medien
Annabel SchibolDozentin Audiovisuelle MedienExpert Software Engineer bei Zühlke Group
Steffen MühlhöferTechnischer MitarbeiterAudiovisuelle Medien
Ursula DreesProfessorinAudiovisuelle Medien

Galerie des Teams:

Bildergalerie:

GOLDENER Nagel für Schlemmerxbeats

Schlemmerxbeats, der interaktive Technoclub in der Stuttgarter Staatsgalerie am 14,. Februar 2020 hat gerade beim ADC Talent Award im Bereich Experimentelles Gestalten, Räumliche Inszenierung einen GOLDENEN Nagel gewonnen.

Die Produktion befasst sich anlässlich des 100jährigen Jubiläums des Bauhauses mit einer Neuinterpretation des Triadischen Balletts von Oskar Schlemmer in Form eines interaktiven Clubs. Nicht nur die Träume von Oskar Schlemmer nach elektronischer Musik sollen in Erfüllung gehen, sondern auch ein Triadisches Ballett, das stetig tanzt.

Kostümnachbauten nach den Vorlagen der originalen Oskar Schlemmer Triadischen Ballettkostüme. Schlemmerxbeats. ©Studioproduktion EventMedia, HdM, Stuttgart
Staatsgalerie Stuttgart, Schlemmerxbeats. Die triadischen Tänzer und das Publikum ©Studioproduktion EventMedia, HdM, Stuttgart
Auswahlvorgang eines Kostüms anhand der 3 D gedruckten Auswahlsäulen. Schlemmerxbeats. ©Studioproduktion EventMedia, HdM, Stuttgart
Auswahlvorgang eines Kostüms anhand der 3 D gedruckten Auswahlsäulen. Schlemmerxbeats. ©Studioproduktion EventMedia, HdM, Stuttgart

Auswahlvorgang eines Kostüms anhand der 3 D gedruckten Auswahlsäulen. Schlemmerxbeats. ©Studioproduktion EventMedia, HdM, Stuttgart
Zuordnung der gewünschten Kostüme mit entsprechenden Bauhausnamen. Schlemmerxbeats. ©Studioproduktion EventMedia, HdM, Stuttgart

Und innerhalb dieser Farben gibt es jeweils verschiedene Triadische Kostüme. Dabei wird das Kostüm bereits live an dem immer gleichbleibenden Basiskörper wie an einer Mannequin anprobiert. Der Tänzer erhält einen Bauhaus-Namen. Mit einem Bestätigungsmechanismus wird das Kostüm ausgewählt, es erscheint als Projektion an der Wand und begibt sich mit der Clubber*in in den Clubraum. Dort wird der architektonische Raum um 3 Wand Projektionen erweitert. Dieser Erweiterungsraum ist den Triadischen Tänzern vorbehalten. Dort tanzen sie zur elektronischen Musik. So wie die Clubbesucher*innen selbst.

Staatsgalerie Stuttgart, Schlemmerxbeats. Die triadischen Tänzer und das Publikum ©Studioproduktion EventMedia, HdM, Stuttgart

Staatsgalerie Stuttgart, Schlemmerxbeats. Die triadischen Tänzer, das Publikum und DJ in seiner speziell für diesen Anlass gestalteten DJ Booth. ©Studioproduktion EventMedia, HdM, Stuttgart


NameFunktionStudiengang
Niels KellerDokumentation || Programmierung || Medientechnik || Audiovisuelle Medien
Corbinian PfeifferSponsoring || Projektmanagement || TonMedienwirtschaft
Sophia SchimpgenProjektmanagement || Ton || Fotografie || Dokumentation Medienwirtschaft
Julia KokenProduktionsleitung || Licht || ProjektmanagementMedienwirtschaft
Svetoslav MitsevRegie || Animation || Bühne || LichtAudiovisuelle Medien
Shari MolgesSponsoring || Regie || Medienwirtschaft
Ria GollerSponsoring || Financing || BühneMedienwirtschaft
Daniel ZinserRegie || Grafik Informationsdesign
Markus HirschMedientechnik || Programmierung Audiovisuelle Medien
David WaldowSound || Musik || Licht || DokumentationAudiovisuelle Medien
Andrea GuerreroGrafik || Bühne || Modelling-Animation || Audiovisuelle Medien
Franca BittnerAnimation || Programmierung || Computeranimation || Audiovisuelle Medien
Torben RumpfMedientechnik|| Programmierung || BühneAudiovisuelle Medien

Das Team von SchlemmerxBeats©Hochschule der Medien, Stuttgart.


Bildergalerie:


Machine Hallucinations: Nature Dreams – Refik Anadol, 2020

Machine Hallucinations – Nature Dreams@Refik Anadol

Der Künstler Refik Anadol ist Medienkünstler und Regisseur. Er wurde 1985 in Instanbul, Türkei geboren, lebt und arbeitet in Los Angeles, CA. Er doziert und forscht am Department of Design Media Arts der UCLA. Er hat einen Master of Fine Arts der University of California, Los Angeles in Media Arts, einen Master of Fine Arts der Istanbul Bilgi University in Visual Communication Design und einen Bachelor of Arts mit summa cum laude in Fotografie und Video.

In seinen Arbeiten geht es um den Raum zwischen dem Digitalen und dem Physischen. Die hybride Beziehung von Medienkunst und Raum. Dafür instrumentalisiert er Architektur, macht sie zu Leinwänden seiner Ideen, klassisch wie Maler ihre Leinwand.

https://www.ted.com/talks/refik_anadol_art_in_the_age_of_machine_intelligence?utm_campaign=tedspread&utm_medium=referral&utm_source=tedcomshare

Er findet eine erste, vielleicht prägendste Inspiration in der frühen Jugend, als ihn seine Mutter in Blade Runner nimmt. Es ist ein dystopische Vision von Los Angeles im Jahr 2019. Eine Stadt als Werbeplakat, Natur gibt es nicht, alles ist artifiziell, Menschen gemacht. Es ist aber nicht nur der Film, es ist die Architektur als Leinwand, die er wahr nimmt. Große Flächen, die darauf warten, bespielt zu werden.

Blade Runner 1982@Warner Brothers

Eine andere Thematik zeigt sich in in dem Kunstwerk „Machine Hallucinations“. Es sind sich unentwegt verändernde Landschaften, durch eine KI erzeugt.

Refik Anadol zu seinem Werk: „Daten und Dateiformate sind Pigmente und diese Pigmente können verschiedenste Formen annehmen. Daten sind nicht nur Reihen von ein paar Zahlenhaufen, sondern immer Kalkulation. Rechen- und Computersysteme sind immer Kalkulation, das liegt ja irgendwie in der Natur der Sache. Aber es ist eher kontrollierte Zufälligkeit.“

Die Bilder entstehen durch KI, durch Algorythmen. Der Algorythmus wird mit hunderten und tausenden von Bildern trainiert und entwickelt dann eigene Landschaften, eigene Bilder. Diese künstliche Intelligenz, dieses Maschinenlernen ist an den Lernprozess des Menschen angelehnt, es ist ähnlich, vielleicht gleich aber sehr schnell.

Screen shot Machine Hallucinations – Nature Dreams@Refik Anadol

Refik Anadol stellt die Frage: „Wenn eine Maschine lernen kann, kann sie auch träumen?“. Es drängt sich die Frage auf ,ob Maschinen irgendwann einmal auch Gedanken und Gefühle simulieren? Was passiert, wenn Maschinen lernen, die Oberflächenbewegung von Wasser zu simulieren oder wenn sie Landschaften auf der Welt verinnerlicht haben? Maschinen, die in Form von Landschaften träumen … Oder was passiert, wenn wir KI nutzen, um den Moment des Erinnerns zu visualisieren?

Diese Fragen sind nicht neu, aber die künstlischen Ausdrucksformen sind stets unterschiedlich. Bei Refik Anadol sind es unendlich generierte Landschaften. Eine stete Veränderung, nichts ist so wie noch eine Millisekunde davor. Es verändert sich in einem halluzinativen Tempo, gerade langsam genug, um die Szene zu erkennen, schnell genug, das das Zeitliche zu erfühlen. Es ist nicht, wie im Zug fahren und die Landschaft rast vorbei. Es gibt im Bild keine richtungsweisende Dynamik, alles in den Bildern bewegt sich in sich stetig. Es ist ein Pixelmorphen und das erzeugt eine unendliche Menge an Landschaften. Sie könnten real sein, erscheinen so, aber sie sind es nicht.

Screen shot Machine Hallucinations – Nature Dreams@Refik Anadol

Anfangs höchst faszinierend, nach einer Weile eher Zen und dann? Dann stellt sich die Frage nach Kunst? Wie immer an dieser Stelle. Denn ist es die technische Faszination, ist es diese stete Transformation, sind es die Bildwelten an und für sich? Sind es die zufälligen Landschaftsbilder? Ist es die Farbe, das Leben, die Bewegung? Wer uninformiert ist, der kann schnell behauten, es sind Landschaften als endlos Loop ineinander gemorphed. Sich nach der Behauptung sich abwenden und gegen Langeweile, Enttäuschung ankämpfen.

Wer sich interessiert, der wird erfahren, dass für dieses Kunstwerk ein Algorithmus generiert wurde, der mithilfe einer KI, bzw. GAN (Generative Adversarial Network), auf der Basis von 68,986,479 Naturfotografien, eine fließende, immersive, realtime Erfahrung erzeugt oder zumindest erzeugen soll.

Screen shot Machine Hallucinations – Nature Dreams@Refik Anadol

Antatol Refik dazu: „Die Natur als Ganzes, die die Lücken in unserer beschränkten Wahrnehmung des Kosmos füllt – das ist die Grundlage von Nature Dreams. Das immersive Kunstwerk, das den virtuell geschaffenen Raum als real erscheinen lässt, enthält Pigmente, Formen und Muster, die wir in unserer sinnlichen Erfahrung mit der Natur assoziieren, so entsteht eine beeindruckende Hommage an ihre unbändige poetische Kraft.“

Screen shot Machine Hallucinations – Nature Dreams@Refik Anadol

Alle Bilder sind fiktiv, aber so real, dass das Gehirn darin Landschaften erkennt. Es ist prozessgesteuert, virtuell und vollständig durch die KI generiert. Und dennoch sieht der Rezipient eine „unbändige poetische Kraft“ der Natur. Jedes Bild, solange wir die Pixelanordnungen in diesem Fall als Bild bezeichnen wollen, ist nur einmal zu sehen. Jedes Bild ist nur für einen Frame sichtbar und dann folgt schon das nächste. Es entsteht eine kontinuierliche, fließende Veränderung.

Die KI, das soll nicht unerwähnt sein, produziert wunderbare Postkartenlandschaften. Denn die eingespeisten Bilder scheinen die fotografischen Kassenschlager der Touristen zu sein. Da gibt es jede Menge Alpen, Flussläufe, Blossom Blooms, Sonnenuntergänge am Meer und in der Wüste, hier mal Palmen, alles was der Tourist knipst. Die KI hat leider keine Ahnung von der Durchschnittlichkeit „ihrer“ inneren Bilder, der Träume. Sie müsste jetzt noch etwas über Gestaltung, Bildaufbau, Harmonie, Disharmonie, Farbe und Komposition lernen, dann könnte sie künstlerischer träumen. Wollen wir hoffen, dass der Künstler der KI vielleicht auch diese Bilder einspeist. Das wäre ein Versuch wert.

Beitrag von Ursula Drees

Quelle: Interview mit Anatol Refik und Marcus Boxler: „Wenn Maschinen träumen“, in monopol, Magazin für Kunst und Leben, am 08.07.2020, Baden Baden.