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Monthly Archives: Dezember 2021

Dark Matter 01 von Christoph Bauder

Die Location für diese Ausstellung ist die Köpenicker Landstraße 43. Das Areal ist ganz und gar urban. Ein bisschen ab vom Schuss, aber immerhin hält eine Straßenbahn vor der Tür. Gerade im Winter kann Berlin einen besonders urbanen, grauen und fast schon trostlosen Eindruck hinterlassen. Diese Ecke ist im Wandel. Der alte Hafen mit verschiedenen Hafengebäuden, das Heizkraftwerk, alte Arbeiterwohnungen, ein ganzer Stiefel Leerstand, bereits Neubauten mit Architekten, Künstlerstudios und anderen Gewerken. Schienen, Straßen, meistens ist das Pflaster etwas desolat, noch mehr Bahnschienen des Güterverkehrs, die aber eher hintergründig, immer mal wieder ein noch intakter Schornstein, der zu allgemeinen Grauheit noch weißliche grauen Dampf ablöst, hier mal ein Baukran, dort eine paar Tags, illegale Graffitis, kurzum irgendwie nicht Fisch nicht Fleisch. Trotzdem genau ein Berliner Ort. Da ist das Vergangene noch, steht da rum, man erahnt noch nicht wie die neuen Nutzungen, aber einige Gebäudezeigen, wo sich das Leben tummelt. Und so ein Juwel wie die Dark Matter Ausstellung. Cafes, Bars, Restaurants kann man suchen, da ist auf den ersten Blick nichts. Aber nicht mehr lange, dann wird die Szene auch diesen Kiez für sich entdecken. In 10 Jahren ist das ganze Areal hip, dann wird es teuer und ist getrifiziert.

Eine Ausstellung mit sieben Licht-Klang Installationen, manche sind direkt interaktiv andere indirekt. Direkt bedeutet, Besucher*innen handeln und nach der Handlung gibt es ein nachvollziehbares, direktes Feedback. Die Besucher*innen wissen, was sie  ausgelöst haben. Anders bei der indirekten Interaktion. Da sind die Menschen zwar Auslöser aber es kann sein, das ein System eine Personenmenge erfasst oder aber kein nachvollziehbares Feedback stattfindet. Das kann sei, dass sich Elemente schneller bewegen, dass sich Farbschemen ändern, dass tatsächlich eine Reaktion ausgelöst wird, aber die Besucher*in nicht nachvollziehen kann,  welche Bewegung oder welcher Impuls den Wandel hervorrief.

Im hinteren Bereich einer ehemaligen Fabrik stehen die Gebäudekuben. Im Eingang begrüßen Besucher*innen Augenanimationen. OLED Quadrate. Das linke obere geht nicht, aber alle anderen machen was sie sollen. Schauende große Augen ziehen immer das Augenmerk auf sich.  Die Einstimmung klappt.

Die Räume sind unterschiedlich groß, manche eher klein und gerade in Coronazeiten erscheinen sie dann noch kleiner. Wenn mehr als 15 Menschen anwesend sind, ist der Raum voll.

Der erste Raum ist verspiegelt und erscheint viel um einiges voluminöser.  Ein schöner Effekt. Unter der Decke hängen eine Vielzahl von LED Quadraten, die wie Wellen bewegt werden. Mal sind sie erleuchtet, mal nicht, mal entsteht eine Kettenreaktion, mal werden Flächen zeitgleich illuminiert. KINETIC LIGHTS, ein führender Produzent von „Kinetischer Beleuchtung“ arbeitet eng mit dem Künstlerteam zusammen. Die hängenden Leuchtelemente in unterschiedlichsten Formen sind mit Hilfe von computergesteuerten Motorseilwinden synchronisiert in Bewegung versetzt. Viele hunderte bis tausende einzelne Einheiten bilden dabei grossformatige schwebende Lichtskulpturen im Raum.  Es ist ein ästhetischer fließender Licht- und Bewegungsstrom. Die gestalterische Harmonie zieht die Betrachter*in in den Bann.

Diesen Bewegungen kann man ewig zuschauen. Darf mal leider nicht, denn die anderen Besucher*innen wollen auch hinein.

Im zweiten Raum, ebenfalls ein eher Kleinerer, gibt es eine kinetische Sound-, Forminstallation mit  schwarzen Kugeln. Die langsamen Bewegungen zu den eher atonalen Bass lastigen Soundscapes wirken wie Meditation. Welche Formation werden die Kugelarrangements einnehmen? Sie sind an dünnen Drähten aufgehängt, die Decke etwas abgehängt, so wird die dahinter verborgene Technik verdeckt. Man kann nur spekulieren wie viele Seilwinden orchestriert werden. Wie viele Microcontroller oder Mediensteuerungsschnittstellen sind mit eingearbeitet und kontrollieren die Bewegungen?

Ein weiterer Raum lässt Ringe sich in ewiger Gleichmäßigkeit und doch immer verschieden im dunklen Raum schweben. Es ist magisch, denn die Dunkelheit verschluckt die Aufhängungen. Es sind ineinander verschachtelte, blau illuminierte Ringe zu sehen, sonst nichts.

Dann folgt ein virtuelles Osterfeuer. Die Flammen schlagen hoch bis unter die Decke. LED Stäbe, ineinander geschachtelt, ergeben den Effekt. Der Sound lässt das Knistern und Knacken von Feuer erleben. Um diese nicht gerade kleine Installation werden Liegestühle platziert. Hier kann sich die Betrachter*in ausruhen und sich der Faszination des virtuellen, großen Lagerfeuers ergeben. Der Raum ist in einen Rotton getaucht. Wenn wir es nicht besser wüssten….. das Feuer wärmt …… nicht. Aber die Vorstellung davon lebt dennoch im Hinterkopf auf. So lässt sich menschliche Wahrnehmung beeinflussen.

Wer steht dahinter?

Christopher Bauder. Unter der Website von Dark Matter stellt er sich vor. Vielen ist es bekannt, denn 2014 entwickelte er in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Marc das Projekt LICHTGRENZE. Illuminierte Ballons wurde an der inner Berliner Grenze anlässlich des 25-jährigen Mauerfall-Jubiläums aufgestellt. Die Bilder gingen um die Welt.

Es folgt im Folgebeitrag die Fortsetzung über die anderen Räume von Dark Matter.

Die Videos wurden von der Autorin vor Ort aufgenommen.

Ursula Drees

Dark Matter 02 von Christoph Bauder

Es folgt hier in diesem Beitrag die Fortsetzung des Beitrags Dark Matter 01 von Christoph Bauder.

Der 5 Raum der Dark Matter Ausstellung in Berlin beherbergt ein in sich gestuftes großes Objekt, das auch als Sitzplatz verwendet werden kann. Aufprojektionen lassen lineare Energieformen auf der Oberfläche erscheinen. Kapazitäre Sensoren nehmen die Annährung von Berührung oder tatsächlichen Touch wahr, die Projektion reagiert, die Liniengeflechte verdichten sich, bilden Knotenpunkte und sind heller als nicht aktivierte Bereiche. Es ist die Abstraktion einer Cloud, so erscheint es der Besucher*in. Wer sich auf die Cloudskulptur setzt, wird zu einem andauernden energetischen Punkt. Wer von außen stehend berührt, nimmt an der Energievermittlung kurzfristig Teil. Die Besucher*innen machen jede Menge Photos. Die instagrammable Qualität des Spaces wird mühelos erkannt. Das lohnt sich.

Ein weiterer großer Raum ist in einen wunderbaren Blauton getaucht. Sie langsam und stetig bewegende Dreiecke unter der Decke illuminieren die auf Sitzsäcken liegenden Betrachter*innen. Ein idealer Ort zu chillen. Liegend die langsamen Bewegungen nachverfolgen, sich dabei fragen, welche Impulse die Bewegungen auslösen. Sind es einzelne Bewegungen, ist es eine Menschenmenge? Aber nach nicht allzu langer Zeit sind diese Frage auch vergessen. Der Kopf leert sich und Entspannung setzt ein. Der Atem wird ruhig, das Handy kann jetzt nach allen Fotos auch zu Seite gelegt werden und was geschieht? Eigentlich nichts. Und das ist wunderbar.

Der finale letzte Raum bietet den größten und direktesten Interaktionsspielraum. Einige Leitern in der Mitte des Raums sind touch sensitiv. Bei Berührung werden Töne und gleichzeitig Lichtimpulse gegeben. So können jeweils 4 Besucher*innen auf den Leitern Rhythmen entwickeln. Leitern als Schlagzeug? Diese Raum hat nicht nur eine hohe Interaktivität, er ist auch ein bisschen Jahrmarkthaft. Schon die Wahl der Medien lässt auf einen Kassenschlager schliessen. Leitern und Tonleitern? Das liegt sehr nahe. Aber sei’s drum. Auch das soll sein und was Spass macht ist nicht gleich auch billig.

Mehr zur Technik auf der Website.

Weitere Informationen zum Macher.

Abschliessend darf unser Respekt ausgesprochen werden. Denn Dark Matter stellt ein Gesamtkunstwerk dar. Es ist geschlossen, formal vollendet. Auch wenn wir erwarten, dass neue Kunstwerke des Künstlers den nächsten schritt in Richtung kausales Storytelling unternehmen und nicht ausschliesslich formal ästhetischer Natur sind.

Die Videos wurden von der Autorin selber aufgenommen.

Beitrag von Ursula Drees