Niederstetten ist eine kleine Stadt. Sie besitzt schon seit mehreren 100 Jahren die Stadtrechte. 4800 Einwohner gibt es, sie liegt im Main Tauber Kreis, idyllisch eingebettet in die Natur. Während der NS Zeit wurde die jüdische Gemeine ausradiert, die Synagoge wurde im April 1945 zerstört. In dieser Zeit gab es den Pfarrer Umfrid, der sich in einer Predigt mit sehr moderaten Worten gegen das Regime stellt. Er wurde dann verfolgt und so nahm sich der Mann ein Jahr nach der Predigt das Leben. Jetzt nachdem alle Alten verstoben sind, kommt es zu einer Rückbesinnung.
Im Zentrum von Niederstetten informiert der Gedenkpfad mit fünf Stationen über prägende Ereignisse und Personen der Stadtgeschichte. Im Mittelpunkt stehen die Jahre unter nationalsozialistischer Herrschaft, die jüdische Gemeinde der Stadt und der ehemalige Pfarrer Herrmann Umfrid. Der Gedenkpfad informiert über Vergangenes, Bezüge zur Gegenwart werden hergestellt und mögliche Handlungsoptionen für die Zukunft aufgezeigt. Die Besucherinnen sollen anhand der Geschichte etwas Neues über den Menschen und die Motive menschlichen Handelns erfahren.
© Stefanie Umlauft: Station 1 an der Kirche
Aber wie macht man so etwas? Die Gedenkkultur in Deutschland stellt sich in verschieden Blickwinkeln dar. Mal ist es eine opferorientierte Kultur, wo die Gedenkenden eine Verbundenheit mit den Opfern zelebrieren und sich als Täter vergessen, mal ist es sachliches Informieren, mal sind es Worte von Zeitzeugen, mal geht es um effiziente Wissensvermittlung oder die Rekonstruktion der Vergangenheit, mal wird gemahnt, mal wird getadelt, mal erinnert, mal vergessen, mal wird auf die Vergangenheit geschaut.
© Stefanie Umlauft: Station 2 am alten Rathausplatz
Und immer wieder scheitern diese Denkmaler an der Einseitigkeit. Junge Menschen wenden sich ab, sie fühlen sich belehrt und gemassregelt. Kann die Erinnerungskultur nicht kooperativer, spielerischer oder experimenteller werden?
Eine gute Frage: es steht ein Wandel zu Lernstätten für Persönlichkeitsbildung und Sozialpsychologie bevor. Die nationalsozialistische Geschichte wird dabei nicht ausgeschlossen, sondern in das moderne Ausstellungsdesign eingegliedert. Sie bietet viele Beispielen für Ursachen, Aufkommen und Folgen von antisozialen Verhalten in einem kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Umfeld.
Dieser schweren Materie hat sich Stefanie Umlauft, Studentin der Hochschule der Medien in ihrer Bachelorarbeit gewidmet. Und ein Konzept für einen Gedenkpfad erarbeitet. Dafür wurde die Stadt, der öffentliche Raum, Standort, Grösse, Vandalismus, Wetterbedingungen, Langlebigkeit, Pflege, Kosten und Herstellung berücksichtigt.
© Stefanie Umlauft: Station 3 am Ort der alten Synagoge
Es entstanden 5 Stationen, eine Art Rundweg oder auch einzeln zu betrachten. Die Stationen widmen sich dem Pfarrer Umfrid, der Ausgrenzungsgesellschaft, der jüdischen Gemeinde, der Zerstörung und dem Wiederaufbau und schlussendlich der Zivilcourage und der Toleranz. Die Stationen sind nicht belehrend, nicht mahnend, nicht heroisierend. Sie sind zu begreifen, sie regen an, machen neugierig. Und dabei sind sie bescheiden, drängen sich nicht auf. Sie sind da.
© Stefanie Umlauft: Station 4 am Schimmelturmplatz
Das Konzept wurde einige Mal dem Bürgermeister und den Gremien der Stadt vorgestellt. Im Juni 2017 sogar in der Stadthalle interessierten Bürgern. Und es bewährt sich, es wird angenommen und so hofft Frau Umlauft, dass es zu einer Finanzierung und Realisation kommt. Das tun wir auch.
© Stefanie Umlauft: Station 5 am neuen Rathaus.
Die Stadt Niedersetten hat die Studentin unentwegt unterstützt. Wenn es Fragen gab, dann reichte ein Anruf beim Pfarrer Silzle und in Sekundenschnelle kam die Antwort. Wenn etwas organisatorisches oder logistisches aufkam, ein Anruf beim Pfarrer genügte. Das ging die ganze Zeit so. Der Bürgermeister hat sich auch kräftig eingesetzt, eigentlich alle. Das Gremium und die Bürger. Gibt es eine bessere Voraussetzung für gute Arbeit?
Die Bilder und Zeichnungen stammen von Stefanie Umlauft und unterliegen ihrem Copyright.
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