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fmx: Reflexion zum Gestalten im Zeitalter einer Computerkreativität

Was ist Gestaltung? Was ist Kreativität? Wie stellt sich Wissen dar? Ist es Erfahrung? Ist es Können? Ist es Theorie? 

Es ist alles aber in welchem Verhältnis? Sind sich Gestalter von Medien gestalterischer Kompositionsregeln bewusst?

Oft wird ein Workflow von erstem Briefing bis zum fertigen Entwurf beschrieben. Gestalter beklagen die Indifferenz dieser kurzen Briefs, sei es schriftlich oder mündlich verfasst. Es obliegt Ihnen den inneren Visionen des Auftraggebers ein Bild zu geben. In einigen Fällen wir ein Mood geliefert. Eine ungenaue, einfache, rudimentäre Ahnung der inneren Vision. Aber es ist bereits eine Art Verbildlichung.

Dennoch haben Moods eine entscheidende Aussage. Sie zeigen die Wesentlichen Bestandteile, sei es eine zweidimensionale Wabenstruktur im Himmel als Gate zur Galaxis, eine spezielle Farbvariante oder eine grundlegende Bildkomposition von Hintergrund, Mittelgrund Vordergrund, von Bildaufteilung, Freiräumen, Leserichtungen und sogar Art der figurativen Detailliertheit. Wird es ein konkretes leicht erkennbares Motiv aufweisen oder eher ein abstraktes Stimmungsbild werden. Moods haben Kraft.

Der Gestalter in Agenturen beginnt mit Aktionismus. Es stellt Variationen einer Sache her. Manche weichen ein Wenig vom Mood ab, manche in bestimmten Anteilen gravierend, andere sind zielgerichtete Adaptionen. Der Aktionismus ist dem Workflow des Agenturbusiness geschuldet. Und auch der fehlenden Reflexionsfähigkeit ein Bild zu analysieren. Der Gestaltende arbeitet nicht mit der Hand, mit Stift und Papier. Er setzt sich an den Rechner und bedient entsprechende Programme. Sucht sich die Tools nach seinem Können und Vermögen. Tools sind vielleicht Photoshop, Fraktale 3 D Programme zur Herstellung von automatisierten Strukturen und Mustern, von Landschaften den Environmentals usw. Diese Programme bieten einen festgelegten Kreationsspielraum.

So wie es mit der Handzeichnung auch Beschränkungen von Zeichenstiftart, Papier Art, Größe, Format und dem Können gibt. Der Vorteil bei der Arbeit mit dem Computer ist natürlich die Komplexität der Bilder gleich von Beginn an. Das funktioniert mit dem Stift selten. Da werden Bilder entweder sorgfältig geplant und aufgebaut oder viele spontane kurze Studien und Experimente gemacht. Der entstandene Ausschuss wird vom Zeichentisch auf den Boden verbannt. Dort liegt er dann rum und manchmal, wohl eher selten schaut sich der Schaffende diese Entwürfe ein weiteres Mal an oder bemerkt sie. Und manchmal sehr selten schaut er mit offenen Augen auf das Bodenwerk und erkennt im Zufall die richtige Komposition. Ob das mit dem Rechner geschieht ist zu bezweifeln. Denn da werden Versionen als File im Ordner abgelegt und sind sauber verpackt als Monument von Arbeitsaufwand festgehalten. Nicht jedoch als Möglichkeit für Zufalls Kompositionen ersichtlich. Bei der Gestaltung zählt das Sehen und wenn die Arbeiten nicht sichtbar sind dann sind sich nicht präsent. Der Rechner so sauber und potent er sich dem Gestalter zeigt, so verhindernd kann er wirken. Die Beschränkungen sind grösser, aber dafür muss der Gestalter sich nicht mehr schmutzig machen. Er muss nicht mehr körperlich arbeiten, denn die Haltung, die Tätigkeit des Klickens, des Zeichnens auf ein Zeichenboard, des Öffnen und Schließen von Programmen der Tools ist immer mit sehr winzigen Aktionsspielraum verbunden. Die Finger klicken die Maus, die Tastatur vielleicht halten den digitalen Zeichenstift aber eine große weit ausholende Bewegung oder das Gegenteil, ein Stehen und Betrachten, ein nah Herangehen und Beurteilen ist nicht von Nöten. Der Rechner macht den Gestalter zum sitzenden Bediener auf engsten Raum.

Wenn dieses Mood genau betrachtet wird dann sollte auch der Übermittler, nach seiner Funktion betrachtet werden? Ist es ein Regisseur? Dann ist das Mood eine zielgerichtete Vorlage. Es sagt sehr genau aus, was das Bild letztendlich zu sein hat. Eben differenzierter, ausgearbeiteter, detaillierter. Es geht um die feinfühlige Übersetzung einer Bildmelodie in eine ausgereifte musikalische Ode. Ob diese Ode ein hochkulturelles Werk ist oder eine kurze Momentaufnahme eines schnellen Trends sei dahin gestellt.

Was genau tut der Gestalter in Agenturen wenn das Brief kommt? Wird ein kurzer schneller Blick darauf geworfen und dann mit einer Impression der etwas lange Weg der Rekonstruktion bestritten?

Oder setzt er sich hin und analysiert dieses Bild nach mediengestalterischen Grundlagen. Farbe, Form, Bildaufteilung, Bildmittelpunkte, Komposition, Gestaltungsprinzipien, -regeln, Leserichtung?

Diese Art der Herangehensweise setzt übergeordnetes Fachwissen voraus. Eine Fähigkeit der Verbalisierung, einer Analyse. Oder nimmt er sie emotional auf und produziert Masse. Kreist der Abdruck des Moods in seiner Erinnerung und der Gestalter arbeitet so lange bis dieser Abdruck ein Äquivalent bekommt? Beide Herangehensweise sind schon immer der Kunst bzw. dem künstlerischen Handeln eingeschrieben. Der konzeptionelle Ansatz und der experimentierende durch eine Unzahl von Variationen ein und der selben Sache? 

Beide Wege sind immer mit Fleiß zu erarbeiten. Der eine im konzeptionellen Stadium; konzipierenden Entwerfen, Denken und Überdenken, im planvollen Suchen und Finden, im langsamen Handeln und der Prüfung der Schritte. Der andere Ansatz ist etwas spontaner, es ist ein intuitives Handeln, aus dem Bauch heraus.

An den Kunsthochschulen, Akademien wird eine Wahrnehmungslehre, ein Gestaltungslehre unterrichtet, aber der Fokus liegt auf dem intuitiven Lernen. Immer wird gesagt: Gestalten ist Erfahrung, es ist ein stetes Tun. Das ist in der Tat richtig, aber bezieht sich auf alle Disziplinen. Auf die Geisteswissenschaft, Kunst oder Naturwissenschaft. Es reicht nicht das Handeln und Üben.

Der erste Ansatz birgt einen gewissen Abstand zum Tun. Es ist das wissende Handeln. Reflexion ist nicht nur Anschauung, sondern zusätzlich Denken. Derweil der Rechner unterstützt das zweite Herangehen. 2Fang an und mach.“ Variationen gehen schnell. Hier die Farbpalette kurz ändern, rausrendern, betrachten, noch eine Version herstellen. Filter und Effekte sind auf einen Mausklick zu erreichen. Alles erscheint so leichtfüßig. Ist es auch. Sauber machen braucht man nicht. Am Ende wird der Schreibtisch aufgeräumt. Die Files in Ordner geschoben, alles auf eine Speicherplatte geschubst und dann ist wieder Rechnerplatz frei. Und die Erinnerung an das Vergangene ist weg. Alles von Vorne. Nichts bleibt.

Ist der Rechner eine kreative Einschränkung, weil er zu viele Möglichkeiten anbietet? Wird der Schaffende von diesen so einfach gewonnenen Möglichkeiten von Kreativität abgehalten und produziert er immer das gleiche Bild. Produziert eine Industrie immer gleiche Bilder? Wenn wir die Gamesindustrie anschauen, lässt sich für die unterschiedlichen Genres natürlich eine überwältigende Mehrheit der Stilübereinstimmigkeiten feststellen. Auch Motive und Farben ähneln. Findet und fand das nicht schon immer statt, mag gefragt werden? Dann wurden diese Perioden zu Stilepochen erhoben, die Menge der Gestalter ging geschlossen einen Weg.

Kreativität durch Handeln wird nicht eingeschränkt, aber es findet eine eklatante Verlagerung von Können statt. Sie ist mit Tools, Programmen und einem einzigen Instrument für so gut wie alles verbunden. Das Handeln des Gestalters ist so wie das Handeln des Programmierers. Am Rechner. Gehen wir in die Wiederholung hinein?

Die gezeigten Bilder: Handzeichnungen: Variation mit Schwimmreifen_Kurze Stellungen von Ursula Drees

Variationen mit Landschaft aus der Serie: Virtuelle Natur aus dem Jahr 2008 mit Photoshop erstellte Serie zum Untergang Roms. Von Kristin Hensel 

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