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Ars Electronica: Von japanischen Seelendingen, schwindenden Gletschern, und Luftakrobaten

Am Samstagabend lud das Futurelab ins Deep Space 8k zur großen Leistungsschau ein. Den Auftakt bildete ein recht stilles Projekt von Toyota Coniq Alpha in Zusammenarbeit mit der Shiga Universität und dem Ars Electronica Futurelab. Es ging um Memories for Future, genauer gesagt um die Digitalisierung von Objekten, die den EinwohnerInnen des 230 Seelen Dorfes Azusa Kawachi der Präfektur Shiga in der Nähe von Kyoto am Herzen lagen.

In einem Workshop wurden die EinwohnerInnen von Azusa Kawachi mit der Gaussian Splatting Technologie vertraut gemacht. Zahlreiche TeilnehmerInnen sind dann losgezogen, um das Objekt ihrer Wahl zu scannen. Im Deep Space 8k wurde eine Auswahl der Arbeiten als Video vorgeführt, das die Objekte mit der damit verbundenen Geschichte präsentiert. Die Beteiligung und Aktivierung der lokalen Bevölkerung war sicher das beeindruckendste an diesem Projekt. Ihre bewegenden Geschichten und die damit verbundenen Orte in einer der schönsten und traditionellsten ländlichen Gegenden Japans konnten somit für die Zukunft aufgezeichnet werden. Durch die Verschmelzung von kulturellem Erbe und digitaler Kunst ermöglicht das Projekt den BewohnerInnen, ihre Erzählungen und Identität auf innovative Weise zu bewahren und sichtbar zu machen. Es bietet eine neue Perspektive auf das kulturelle Erbe, indem es traditionelle Werte in die digitale Ära überführt und gleichzeitig eine tiefere Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte fördert.

Screenshots während der Vorführung Im Deep Space 8k, mehr zum Informationen Projekt kann man hier finden: https://ars.electronica.art/futurelab/en/projects-data-art-science-project-2024/

Etwas aufgeregter ging es bei der Preisverleihung der Aktivistengruppe Aggro Climate zu. Provokativ haben sie Künsterlnnen in der Kampagne “Schmilz, schmilz Baby” dazu aufgerufen, Zukunftsentwürfe für die Zeit nach der Gletscherschmelze zu entwerfen. Ganz konkret ging es um die Pasterze, Österreichs größten Gletscher, der allein im letzten Jahr um 203,5 m kleiner geworden ist.

Es blieb einem fast das Lachen im Halse stecken und doch war die mit deftigem österreichischem Humor gespickte Preisverleihung erfrischend originell. Der Preis ging an das Projekt „Schönbrunn x Alpenkitsch“, das die Tonalität der Kampagne munter aufnahm und ein Repräsentationsgebäude für die Mächtigen und Reichen im Post-Gletscherland vorschlug. Dafür gab es eine eisige Trophäe, die vor den ZuschauerInnen langsam dahin schmolz.

Leider ist die Zeit nie ausreichend, dem riesigen Angebot des Ars Electronica Festival gerecht zu werden und sich die Vielfalt der Exponate und Events annähernd zu erschließen. Das mussten selbst die Initiatoren des Ars Electronica Festivals auf der Pressekonferenz eingestehen. Insgesamt 112.000 Besuche wurden in den letzten 5 Tagen gezählt, das Ars Electronica Festival 2024 verzeichnete einen Rekord in diesem Jahr. 1.260 KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, EntwicklerInnen,UnternehmerInnen und AktivistInnen aus 67 Ländern waren in Linz zu Gast und haben zur Ars Electronica 2024 beigetragen. Achzehn Locations wurden bespielt und 498 Veranstaltungen angeboten. Kaum vorzustellen ist der Aufwand hinter den Kulissen, so ein Festival auf die Beine zu stellen.

Christl Baur, Head of Festival, Ars Electronica Festival, Exhibitions & Prix Ars Electronica im Gespräch mit Künstler Jan Zuiderveld während einer Expert Tour im Lentos Kunstmuseum

Nach einer Expertenführung im Lentos hat sich Christl Baur, Head of Festival, Ars Electronica Festival, Exhibitions & Prix Ars Electronica trotz prallen Terminkalenders am Samstag die Zeit genommen, uns einen Behind-The-Scenes Einblick zu geben.1

Es gäbe noch zu viel zu erwähnen, das Campus Programm des Ars Electronica Festivals 2024 beispielsweise, welches mehr als 400 Projekte von über 60 Universitäten und Kunsthochschulen aus 40 Ländern präsentiert.

Oder die zahlreichen Konzerte und Performances. Die Art + Science Ausstellung im JKU MED Campus, das Animation Festival, und vieles mehr.

Ganz Linz schien aus dem Häuschen zu sein in dieser Woche. Am Samstag Abend zählen die Veranstalter ca. 100.000 BesucherInnen bei der Linzer Klangwolke, dem großen Musikspektakel an der Donau. Die Inszenierung „Pioneers 52 Hz“ unter der künstlerischen Leitung von Carlus Padrissa und dem Team der katalanischen Gruppe “La Fura dels Baus” erlebten die ZuschauerInnen eine fesselnde multimediale Show. Mit Musik aus Gustav Holsts Suite “The Planets”, kombiniert mit einem speziell entwickelten Sounddesign, riesigen überdimensionalen Figuren, einer (kontrollierten) Explosion und zauberhafter Luftakrobatik, entstand ein spektakuläres Erlebnis, das die Themen Ozean, Pioniere der Wissenschaft und Weltall auf eindrucksvolle Weise vereinte.

Wer nun sehr bedauert, nicht dabei gewesen zu sein, hat zumindest noch die Möglichkeit, die Linzer Klangwolke 2024 als Übertragung vom ORF anzusehen. 

https://on.orf.at/video/14242055/linzer-klangwolke-2024

Ansonsten kann man den Termin für das nächste Ars Electronica Festival schon mal einplanen. Es wird vom 03.-07.09.2025 stattfinden.

Beitrag und Medien von Prof. Katja Schmid

  1. Christl Baur: Experten erklären. Christl Baur ist die Kuratorin und Leiterin des Ars Electronica Festivals. Sie is interdisziplinäre Forscherin aus der Kunstgeschichte, Kulturmanagement und Naturwissenschaften kommend. „Ihr besonderes Interesse liegt in der Verbindung ästhetischer und sozialer Praktiken, die auf Kollaboration und Experimentieren basieren und soziale, politische und wirtschaftliche Protokolle herausfordern. Ihr Forschungsgebiet erstreckt sich über Themen wie Videokunst, Neue Medientechnologien, Computerkunst, Biotechnologie und Interaktive Kunst, wobei sie an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft arbeitet.“ so die Kulturstiftung des Bundes. ↩︎

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