Refuge for Resurgence, ist eine Installation, eine Art artenübergreifendes Esserlebnis mit Tieren, Vögeln, Pflanzen und Pilzen. Gezeigt im Rahmen der Biennale Architettura, La Biennale Di Venezia 2021 vom 22. Mai bis 21. November.
Es ist ein Tisch an dem verschiedene Arten zu Tisch geladen werden. Es ist ein symbolische Zuhause für eine Welt, wo Mensch und Tier, Pflanzen und andere Lebensformen gemeinsam zusammen kommen. Es ist eine Installation der Hoffnung.
Präsentiert wird ein vier Meter langer Tisch, der in Didcot aus dem Holz einer wilden Eiche aus Surrey in Zusammenarbeit mit Gareth Huw Lewis von Classic Watercraft handgefertigt wurde. Um den Tisch herum sind vierzehn Holzhocker platziert, von denen jeder auf den jeweiligen Benutzer abgestimmt ist.
Natürlich gewachsenes Eichenholz wurde in Handarbeit zu einem Tisch geformt, wobei Baumstammabschnitte die Hocker bilden. Aus vorgefundenen Materialien zusammengehauenes Besteck wurde speziell entwickelt, um die zeremonielle Übergabe von Speisen von Menschen an Nicht-Menschen zu verstärken. Betrachter*innen betreten den Raum und vernehmen ein im Chor vorgetragenes Gedicht, das die Geschichte des Festmahls und seine mythologische Entstehungsgeschichte zum Leben erweckt.
Die Teilnehmer des Festmahls repräsentieren einen Querschnitt des Lebens auf einer wiedererstandenen Erde, einschließlich der Arten, die einst domestiziert wurden oder unter menschlicher Herrschaft als „Unkraut“, „Schädlinge“ oder „Ungeziefer“ galten, nun aber ihren rechtmäßigen Platz in der ökologischen Ordnung zurückerobern. An diesem Tisch sitzen drei Menschen – Mann, Frau und Kind – zusammen mit Fuchs, Ratte, Wespe, Taube, Kuh, Wildschwein, Schlange, Biber, Wolf, Rabe und Pilz. Jede Kreatur hat einen Platz am Tisch, aber nur die Wespe, der Pilz und der Rabe nehmen physisch an der Installation teil.
Man umkreist den Tisch und schaut auf die verschiedenen Zeichen. Tisch, Teller, Besteck, Stuhl wie z.B. Vogelknochen, Bremslichter, Zweige, eine verrostete Leiterplatte oder ein Telefondraht, geben detaillierte Hinweise und Auskunft über die Identität der fehlenden Tischpartner*innen.
Die Essensangebote sind auf jeden Gast abgestimmt. Die Keramikteller sind von der Illustratorin Nicola Ferrao mit mythisch-poetischen Szenen illustriert. Die Protagonisten der Spezies und ihre erzählerische Reise von der Zerstörung bis zur Wiederauferstehung werden abgebildet. Die Illustrationen sind zart und schwebend und zieren rissige, reparierte Teller.
Neben der Mythologie und dem Geschichtenerzählen spielt die Herkunft der Materialien eine wichtige Rolle in Refuge for Resurgence. Die Messingschaufel der Wespe beispielsweise ist aus einem alten Teelöffel gefertigt – einst ein Symbol für Reichtum und Status. Der dazugehörige Teller spricht von Exzess, kognitiver Dissonanz (Wespen sind die Schädlingsbekämpfer der Natur), von der beiläufigen Zerstörung der natürlichen Welt und ihrer Wiederverwertung in opulenten Kunstwerken. Die Künstler wollen poetische Aspekte anderer Welten erschließen, die rätselhaft, aufregend oder magisch wirken können.
„Wir greifen auf Ideen aus der Folklore, der Mythologie und dem transformativen Potenzial von Ritualen und Zeremonien zurück. Wir wollen poetische Aspekte anderer Welten erschließen, die sich rätselhaft oder sogar magisch anfühlen könnten. Dies ist eine Anrufung und ein Gebet für eine andere Art von Welt.“ So Jon Ardern, Mitbegründer, Superflux.
„Bislang haben wir in vielen unserer Arbeiten einen Ansatz des spekulativen Realismus gewählt. Ein mytho-poetischer Ansatz kann jedoch Sehnsüchten eine Form geben, die oft im kulturellen Äther vorhanden, aber nicht immer offensichtlich sind. Es hat etwas Kraftvolles, sich auf einer direkten physischen und emotionalen Ebene zu engagieren, die man nicht immer durch eine direktere Erklärung erhält. Das bleibt hängen.“ Anab Jain, Mitbegründerin, Superflux
Refuge for Resurgence ist eine Untersuchung der materiellen Kultur wiederauflebender Welten, die vom Ethos des Studios „More than human“ und seinem Interesse an der Erforschung der tiefen Verbundenheit von Mensch und Natur geprägt ist. Von der Mythologie bis hin zur Materialität wurde jedes Tischset auf den jeweiligen Bewohner abgestimmt.
Am Kopfende schaut die Betrachter*in aus dem Fenster. Dort wird gezeigt, wie Natur in den von Menschen verlassenen Regionen zueinander findet. Es ist eine Welt reich an Natur und arm an artifiziellem Luxus. Fast eine natürliche Welt.
Der Blick aus dem Fenster zeigt eine von konsumwütigen Menschen verlassene Region. Dort findet die Natur Raum. Im Hintergrund sieht man die Wolkenkratzer, Symbole der Metropolen und ihrer Zivilisationen. Die Animation, das Bilddesign stammen von Sebastian Tiew.
Sebastian Tiew ist Designer, Bildgestalter und lebt in London, Großbritannien. 2018 schliesst er sein Studium an der Architectural Association ab und arbeitete anschliessend für Forensic Architecture, Pierre d’Avoine Architects und Make Architects als Architekturdesigner, Forscher, Technologe und 3D-Künstler.
Außerdem gibt er einen Kurs für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der AA und hat Workshops, Vorträge und Gespräche über Architektur, zeitbasierte Medien, Game-Engine-Technologien und virtuelle Welten an der RCA, Class School of Architecture und Oxford Brookes organisiert.
Er gründete 2020 zusammen mit Ana Maria Nicolaescu „Cream Projects“, ein Studio für visuelle Produktionen mit Sitz in London.
Credits:
PROJECT LEAD: ANAB JAIN & JON ARDERN
CORE DESIGN & PRODUCTION TEAM: ED LEWIS, LEANNE FISCHLER, NICOLA FERRAO, MATT EDGSON, NICO FIORITTI
WOODWORK AND PRODUCTION:GARETH LEWIS, CLASSIC WATERCRAFT
WINDOW VIEW COMPOSITING: SEBASTIAN TIEW
WILD GRASSES ARRANGEMENT: MIRANDA KING, WILD & KING
FUNDING SUPPORT: CREATURES, EUROPEAN UNION HORIZON 2020
Beitrag von Ursula Drees
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