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Monthly Archives: April 2019

Simon Griesser über: There is a Rang Tan in my Bedroom.

Screenshot of „There is a Rang Tan my bedroom“©Salon Alpin

Salon Alpin steht für Simon Griesser und Lip Comarella, Gründer des Film- und Animationsstudios, situiert in Lissabon als auch in Wien. Die Gründer sind als Regisseure und als Drehbuchautoren mit dem Kurzfilm „Much Better Now“ bekannt geworden.  

Sie sind nicht nur für Filmdirektion und Animation bekannt, sie stehen auch für künstlerische und illustrative Arbeiten, machen Musik und bleiben auf der Suche nach neuen visuellen und auditiven Stilerlebnissen. Preise haben sie gewonnen, ihre Kunden lesen sich gut. Da steht Greenpeace, Montblanc oder auch die österreichische Zeitung „Falter“.

„There is a Rang Tan in my Bedroom“ wird von Simon Griesser auf der fmx näher beschrieben. Greenpeace als Kunde macht auf täglich ca. 550 Millionen m2 abgeholzten Regenwald aufmerksam. Das entspricht der Größe von Bayern. 

Screenshot o „There is a Ran Tan my bedroom“©Salon Alpin

Lebenswelten der Tiere werden zerstört. Nicht nur die unserer Vorfahren, der Waldmenschen“, jener Menschaffen, die mehr als 95 % des Erbgutes mit dem Menschen teilen, Oran Utans, sondern aller Lebewesen der Regenwälder, klein und groß.  Und was hinterlassen die Menschen nach der Abholzung? Eine Steppe, Sandboden, eine tote Welt. Nur damit Industrienationen mit Palmölen Kosmetikprodukte wie Shampoo produzieren können. Und für Tropenholz, Papier, Rinderweiden oder zur Ausbeutung von Bodenschätzen wie Eisenerz, Gold, Öl oder Gas oder zum Bau von Großstaudämmen. Kostengünstig und so viel wie nur möglich. 

Screenshot o „There is a Rang Tan my bedroom“©Salon Alpin

Die Stabilisation des Weltklimas wird beeinträchtigt, der Wasserkreislauf auch, der Boden ist fast unbrauchbar und nicht mehr nutzbar und die dort lebenden Stämme und Völker müssen auswandern oder werden wie die Tiere vom Erdboden gefegt. 

Screenshot o „There is a Rang Tan my bedroom“©Salon Alpin

Ein wichtiges Thema, und gleichzeitig eines auf dem Abstellgleis. Ein Thema für Idealisten. Wenn an politische Mächte gedacht wird, die systematisch den Klimawandel leugnen, dann steht Greenpeace wie ein David vor Goliath. Ein berührendes Thema und eins das ziemlich gut verdrängt werden kann, die Regenwälder sind groß und ziemlich weit weg. Sich damit auseinanderzusetzen bedeutet: Lebensumstellung, Komsumverhaltensänderung, Kapitaleinbußen: kurz Veränderungen im ökonomischen, wirtschaftlichen im privaten und öffentlichen Leben.  Wie kann ein solches Thema in einem Werbespot vermittelt werden? Wie schafft der Kreative eine Aussage zu setzen, die

  1. Nicht das gesamte Ausmaß bespricht
  2. Kurz und knapp die Wirklichkeit vermittelt
  3. Nicht abstoßend ist, denn sonst lehnt der Verbraucher eine Auseinandersetzung ab
  4. Nicht oberflächlich, trivial oder profan ist
  5. Hoffnung vermittelt inmitten von menschgemachter Zerstörung?
  6. Kurz: wie kann man den Zahn der Zeit treffen?

Welches Format bietet sich an? Welcher Stil? Welche Einzelbotschaft wird fokussiert, die dann für das gesamte steht? Wie wird der Zuschauer angesprochen und hineingezogen?

(Credits: Direction : Lip Comarella, Simon Griesser
Production Management: Janet Smith (Passion Pictures)
Initial Character Dev.:Therese Larsson, Thibault Leclerq, Marceline Tanguay
Lead Character Animator: Borja Montoro
Character Coloring: Daniel Damm, Drazen
Ink and Paint: Laura Barić,Lea Kralj Jager, Martin Nyberg, Petra Balekic
Additional Animation: Sasha Vernik, Marc Valls, Pablo Miro, Daniel Damm
Sound design: Lennert Busch

Ein 129 Sekunden  langer Spot. 3 Teile, Einführung, Erklärung, Verständnis und Handlung. So darf die inhaltliche Aufteilung für diesen Ultrashort beschrieben werden. Eine mit Pastellfarben gezeichneter Umgebung führt das Thema ein. Das Kinderzimmer eines Mädchens. Der Baby Oran Utan hangelt sich durch den Raum, lässt die Palme umfallen, schreit bei der Schampooflasche auf, berührt dies und das und hinterlässt Unordnung. Das Mädchen ist erzürnt und verweist das Tier aus dem Raum. Aber kurz vor Verlassen kommt doch der Gedanke: Warum ist ein Oran Utan in meinem Zimmer. Und der kleine Menschenaffe erzählt im Teil 2 des Kurzfilms, jetzt sind die Bildwelten in Grauschattierungen von der Zerstörung der Lebenswelten. Abholzung, Tiere fallen dem zum Opfer, niemand schert es, denn es sind große Maschinen, Lastwagen, Baufahrzeuge, die für die Verwüstung stehen, Menschen sehen wir hier nicht. Ein schreckliches Bild. Im letzten Drittel sind wir erneut in der pastosen Kinderzimmerwelt. Menschaffe und Mädchen sitzen zusammen, das Mädchen hat die zündende Idee und malt ein Bild. Menschenaffen und Menschen – Hand in Hand. Gemeinsam. Abschliessend wird von Greenpeace auf eine Petition aufmerksam gemacht. Diese 129 Sekunden sind gut verwendet.  Denn die Bildsprache ist emotional und in so kurzer Zeit wird das Thema nicht nur intellektuell, sondern auch mit Gefühl vermittelt. 

Screenshot o „There is a Rang Tan my bedroom“©Salon Alpin

Ein Meisterwerk der narrativen und stilistischen Kunst. Und trotzdem vom Britischen TV als zu politisch aus dem Programm gestrichen.

Ein anderes Werkbeispiel: „Old Man’s Journey“, ein Puzzle Adventure Game wird als Kurzfilm beworben. Der Trailer/Teaser ist ein wenig rätselhaft, denn die Geschichte findet kein Ende.  Sie endet einfach. 

Es wird die Lebensgeschichte eines Mannes beschrieben. Er  findet seine wundervolle Frau, sie segeln, sie leben, haben Kinder und mit einem Mal, an einem regnerischen Tag, verlässt er die Familie und begibt sich auf Weltreise. Allein ohne Familie. Die Frau ist erzürnt, aber nichts hält ihn. Er segelt über die Meere, sieht Wale vor seinem Segelboot in der Luft Kapriolen springen, ist einsam und hält das Bild seiner Tochter vor Augen. Es ist kalt und er ist allein. Ist er einsam? Warum macht er das?

Old Man’s Journey©Studio Alpin

Wer bei diesem Ende nicht ernsthaft überlegt, das Spiel zu erwerben, hat nicht genau hingeschaut. Es sind im Bild sensibel animierte Einzelbilder. Manchmal ist nur der Schatten oder der Rauch der Zigarette das bewegte Element. Die Kamera fährt langsam über die Bilder und legt das Setting frei. Es wird aquarelliert. Viele Bildebenen ergeben zusammeneine ausgefeilte Bilder. Poetisch, sanft, tief und lieblich. Einfach sieht alles aus, aber bei Gott, wie schwer muss die Komposition sein. Und das Szenenbild neben den Charakteren ist nur ein Teil des Spiels. Wie wird es sich entwickeln, welche Geheimnisse verbergen sich in der Geschichte? 2017 wurde das Spiel mit dem 2017 Apple Design Award ausgezeichnet.

Old Man’s Journey©Studio Alpin

‘A Parisian Wintertale’, 2014 ist eine Sequenz aus 4 Teilen. Alle sind kurz und knapp, eine poetische und spannende Einführung, Erzählung begleitet weiße Szenerien aus Papier. Grautöne vermengen sich mit der Wintergeschichte, das Weiß ist natürlich, Farbe scheint nicht zu fehlen. Langsame Fahrten über Standbilder werden gezeigt, nur selten bewegt sich ein kleines Element. Vorder- und Hintergrund verschwimmen bei der Kamerafahrt, werden unscharf und stellen auch dann wenn der Betrachter hindurch geführt wurde einen Rahmen. Mise-en-scene im animierten Film. Der Betrachter genießt die Ruhe, die kontemplative Stille, die durch Klaviermusik (von Markus Loeber) begleitet, verstärkt wird. 

Die Französische Schriftstellerin Tatiana de Rosnay stellt die Handlung in das verschneite Paris. Eine junge Frau, einsam in ihrem winzigen Apartment im Oberstock eines Pariser Wohnhauses schaut auf die in der Weihnachtszeit durch die Straßen flanierenden eleganten Pariser. Sie selbst lebt in bitterer Armut, denkt mit Schrecken an die Rechnungen: Wohnung bis hin zum Frisör. Es gibt kein Geld. 

Eines Tages findet sie ein Portemonnaie im Straßenrand liegen, ein einziges schwarzes Ding, mittig platziert im weissen Raum. Sie nimmt es auf, schaut sich um, öffnet es und findet 1000 Euro, eine ungeheuer hohe Summe! 

Sie nimmt das Portemonnaie an sich, imaginiert was sie mit dem Geld machen kann, geht in ein Café und trinkt eine heiße Schokolade. Sie weiß, nicht was sie tun soll. Die Versuchung zerrt an ihr. Wieder durchsucht sie den Inhalt und einige aus dem Jahr 1960 stammende Notizen auf dünnem Briefpost Papier mit zittriger Hand und Füller geschrieben, fallen in ihre Hände. Es sind poetische Liebesbriefe, so schön, dass sie nicht zu Ende ließt, zu persönlich und herzvoll der Inhalt, eine Adresse findet sich ebenfalls. Sie springt auf, sie weiss was zu tun ist und begibt sich zur Adresse.

Es wird dunkel, ihre Schuhe sind für dieses Wetter nicht gemacht, sie erreicht an dem herrschaftlichen Haus mit Gittertor und Eingangscode, steht und kommt nicht hinein, muss warten, bis jemand anderes hinein oder heraus kommt. Lange wartet sie, dann tritt ein Paar heraus, sie schlüpft hinein, klingelt im zweiten Stock und ein junger Mann in ihrem Alter öffnet die Tür. Mit einem Mal fühlt sie sich fürchterlich deplatziert, übergibt das Portemonnaie und rennt so schnell sie kann heraus, nur schnell weg! Aber an einer Straßenecke tippt der Junge Mann auf ihre Schulter. „Die Großmutter ist überglücklich, die Briefe des verstorbenen Ehemann bedeuten ihr die Welt“. Der junge Mann, Sebastian, begleitet sie zurück zur Großmutter. Und auf dem Weg dorthin erscheint ihr das verschneite Paris so schön wie nie zuvor. Das sanfte Lächeln des jungen Mannes wärmt ihr Herz.

Diese märchenhafte Geschichte wird durch die sensiblen Scherenschnitte zu einer zartfühlenden Komposition. Die Botschaft an Liebe und an das Gute des Menschen wird mit Macht vermittelt. Studio Alpin konzentriert sich auf Projekte außerhalb des klassischen Werbemarkts. Hier entsteht Kunst.

Beitrag von Professorin Ursula Drees.

Trisha Gum auf der fmx.

©fmx

Morgen beginnt die fmx. Und wir sind diesmal mit zwei Teams dabei. Professorin Katja Schmid wird sich um die Special Effects kümmern und mit einem Videoteam verschiedene KünstlerInnen interviewen, Professorin Ursula Drees wird ebenfalls mit einem Team Fragen der Kunst und des Erschaffens stellen. Trisha Gum hat bereits ein Interview zugesagt. 

Trisha Gum arbeitet seit 10 Jahren in der Profiliga für Animation. „Trisha made Animation all the way through her life. And she developed a very distinct style. You need to know what she did, how she did it and what makes her different.“ 

Anfangs arbeitete sie als Art Directorin und Produktionsdesignerin für unterschiedliche TV Shows wie z.B. „Robot Chickens, The WB’s, MAD“ oder „Frankenhole“. Trisha Gum vollzog in 2010 die Transformation zur Regisseurin und Drehbuchautorin. 2011 war sie Teilnehmerin bei dem AFT’s (American Film Institute) Directing Workshop für Frauen. Dabei entstand „Losing Ferguson“.

Sketch 4: Robot Chicken ©Trisha Gum

Trisha Gum sagt über sich, sie sieht sich nicht als „Animator“. Sie eignet sich Stop Motion und Animationskenntnisse autodidaktisch an. Es geht ihr darum, Arbeitsprozesse zu verstehen und zu lernen. Ihr Ziel ist seit jeher als Regisseurin zu arbeiten.

„Robot Chicken“ ist eine Stop Motion Animation TV Show. Sie behandelt Themen der Pop Kultur. Es wird alles von TV Shows bis Comic Books aufs Korn genommen, schnell, scharf und raubeinig kommentiert. Insiderwitze und gute Kenntnisse zu aktuellen Showinhalten werden vom Betrachter gefordert. Hier geht es zur Sache: schwarzer Humor. 

©MAD, 2011
Trisher Gum designed and fabricated both the puppet and background for the segment from Season 1 of MAD magazine tv.
Warner Brothers.

MAD Magazine war  in den Anfängen eine Parodiemagazine auf die Superhero Helden Comix. Diese Inhalte wurden erweitert und es kam das heute bekannte Satire Magazine dabei heraus, wo politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen besprochen und verballhornt werden. Es ist ein Teil der amerikanischen Kultur geworden auch wenn das Print Magazine nur noch vierteljährlich erscheint. Denn Warner Brothers hat das MAD Magazine als Video weiter entwickelt und genau dafür hat Trisher Gum Personen / Charaktere als auch Background Images hergestellt.  

©Trisha Gum
Creating pop-up book for title sequence of Frankenhole

„Frankenhole“ ist ebenso eine Amerikanische Stop Motion Animierte TV Show, die ihre Premiere 2010 feierte und mit 20 Episoden 2012 auslief.  Diese Show zielt auf Erwachsene und handelt von Dr. Victor Frankenstein, der als Unsterblicher mit Hilfe von  Wormholes (Einstein Rosen Brücken) zwischen der Vergangenheit und Zukunft reist. Reisen zwischen den Welten finden statt und Europa scheint eine Region mit einer Vielzahl von Monstern und anderen übernatürlichen Kräften und Gestalten zu sein. Nicht immer gute im Übrigen, sogar eher selten. Die Kräfte von Dr. Frankenstein werden von den verschiedenen Patienten in Form von historischen Persönlichkeiten oder Bekanntheiten in Anspruch genommen. Es erscheinen eine Vielzahl von klassischen Monstern aber dennoch bleibt die Show eng an Dr. Frankenstein und seiner Familie. Es erscheint als seien die Menschen die Monster.

Diese Formate strotzen vor unvermittelter Rauheit, sie sind direkt und machen vor nichts halt. Sie sind kritisch und satirisch. Es sind unangepasste Formaten und deshalb muss der Erzählstil auch revolutionär, sperrig und kunstvoll anders gestaltet sein.

Trisha Gum hat als Gestalterin begonnen. Sie verwendet analoge und digitale Ausdrucksmittel und Tools um ihren Gestalten/Kreaturen und Hintergründen ein Gesicht zu geben. Sie erweitert den klassischen Weg der 3 D Animation und den damit verbundenen, erwarteten Look, der durch die Programme antizipiert wird. Es ist eine Kunst mit Hand genauso kreativ zu arbeiten wie mit dem Rechner. Gerade mit der Hand, mit analogen Elementen, wie Papier, Pappe, Farbe, Stiften, mit gefundenen Dingen wie Holzsticks oder anderen Elementen des täglichen Lebens lassen sich unerwartete Figurinen gestalten. Das ist leicht gesagt und gedacht, aber schwer umgesetzt, denn das Gefühl setzt sich in Kreativität fort und wird durch eine eindeutige künstlerische Position bestimmt. Mit Erfahrung, Geschicklichkeit, Wissen zu dem Handwerkszeug und der Reaktion untereinander und für einander lässt sich dann gestalten. Was vielleicht leichtfüßig und einfach erscheint, ist in vielen Fällen ein langsamer Prozess. Denn die schnelle Skizze kann den glücklichen Moment beinhalten, jener, der etwas besonders ausdrucksstark vermittelt, aber diese Ausdrucksstärke wieder zu beleben und in derselben unvermittelten Eigenwilligkeit zu erschaffen und zu beleben, bedeutet Arbeit. Denn das Besondere lebt im Detail und das genau will erkannt werden und auf Bewegungen und Situationen angewandt werden. Trisha Gum schafft es. Sie erschafft eben diese unvermittelten Bilder und Situationen. Sei es in Charakteren oder in einer Szenerie. 

Trotzdem zog es sie zur Regie und zum Drehbuch. Sie will Geschichten erzählen. Eigene Geschichte, ihre Geschichten. Die Transformation vom der Art Direktorin zur Regisseurin in der Film oder Animationsindustrie stellt sich nicht kinderleicht dar. Es gibt ja eher überschattete Wege, die zu beschreiten sind. Da gibt es kein Formular, mit dem sich auf eine andere Position beworben werden kann. Diese Transformation ist individuell, es ist kein einfacher Weg, den beschritten werden kann. Die richtigen Leute sollten den Lebensweg kreuzen und dann sollten diese Leute auch Aufmerksamkeit für die eigenen Belange aufbringen. Und wie überzeugt man dann diese Menschen vom noch nicht gelebten Talent? Eins das da ist, aber noch nicht im Limelight steht. 

Losing Ferguson©IMDb

2011 entsteht „Losing Ferguson“, Story und Regie von Trisha Gum. Es ist die Geschichte einer Frau, die nach dem Tod ihrer Familie einen Bruch zur Lebenswelt, zur Realität erlebt. Sie verliert den Boden unter den Füssen und geht eine imaginäre Beziehung oder Freundschaft mit einem erdachten Freund „Ferguson“ ein. Der wiederum verlässt die Heldin Rebecca aber eines Tages ohne Vorankündigung, einfach so und nun erst beginnt der lange Weg der Konfrontation mit der Realität, mit dem Eigenen ich und den Erlebnissen und der Vergangenheit.

Das ist der Anfang. 

©Alchetron

2015 werden ihre Bemühungen für Writing and Directing der über amazon produzierten Arbeit „Tumble Leaf“ mit einem Emmy gekrönt. Es geht um einen blauen Fuchs in einem fremden und märchenhaften Land. Dieser blaue Fuchs erlebt Abenteuer, lernt neue Freunde kennen, Liebe und das Leben. Jede Wegbiegung ist ein Blick in eine phantasievolle Begegnung mit der Welt. Eine Serie für Vorschulkinder.

©Animation Magazine
THE LEGO MOVIE 2

Mittlerweile wird sie zu den wichtigen der Branche gezählt. Sie ist einer der großen Animatoren. Sie hat für den erfolgreichen Animationsfilm “The LEGO Batman Movie“ die Verantwortung für die Story gehabt und mit der Fortsetzung des LEGO Films „The LEGO MOVIE 2“ einen weiteren Karriereschritt gemacht und als Co Director neben dem Storytelling auch die Regie übernommen. Und genau an diesem Punkt steht sie jetzt. Wir interviewen sie, denn sie ist eine der auf der fmx eingeladenen Superstars. 

Beitrag von Professor Ursula Drees. In Vorfreude auf die fmx.

Spazio Punch- Out of Controll in Venice” von Egill Saebjörnsen

Auf der Insel Guidecca, ziemlich weit hinten, kurz vor dem Hilton Resort findet sich in den Hinterhöfen eines ehemaligen Fabrikgeländes versteckt der Isländische Pavillon. Der Künstler Egill Saebjörnsen bespielt 2 Hallenwände mit einer 15 minütigen Animation. Zwei Isländische Trolle Ūgh und Bõögâr verspeisen Biennale Besucher und reden klug über die mannigfaltige Menschenkost. 

Zum Künstler.

Egill Saebjörnsson lebt seit einigen Jahren sowohl in Berlin als auch in Reykjavik, Island. Der 45 Jährige wurde 1997 am Isländischen College of Arts und Crafts, heute Akademie der bildenden Künste, Island graduiert. Ein Jahr studierte er an der Universität Paris, St. Denis.

Abb. 01: Der Innenraum des Isländischen Pavillons wird auf zwei gegenüberliegenden Seiten von den Trollen Ūgh und Bõögâr bespielt. Photography@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers

Er schreibt auf [1]seiner Website, es geht in seiner Kunst um die Verbindung mentaler und physikalischer Tatsachen. Mentale Tatsachen lassen sich nicht gut erklären. Was ist das? Was denkt der Mensch? Was geschieht? Wie geht ein Künstler mit diesen Fragen um? 

Egill Saebjörnsen erzählt die Geschichte der Trolle mit vielen Medien wie z.B. mit Animationen, Photografien, Illustrationen, Skulpturen, Zeichnungen, Geschichten, in Ausstellungen, Interviews, Social Media Kampagnen, durch Merchandzingartikel und Musik. Er erschafft eine Wirklichkeit. Das Kennenlernen beschreibt er in einem frohgemut illustrierten Buch. Er entwickelt eine ganze Reihe von Produkten, so wie es in der heutigen Gesellschaft üblich ist, wenn etwas Einzigartiges vermarktet wird.Musik, Kleidung, Eau de Toilette, Kunst. Auf dem Internet wird eine Croud Funding Campagne für den Duft gestartet, Music kann als LP gekauft oder downgeloadet werden, das Buch steht zum Verkauf, eine Social Media Site deckt mit Bildern und ergänzenden Geschichten die Reise der Trolle ab, Werbung im Radio und TV, im Pavillon direkt gibt es Nagellack, Einkaufsbeutel, selbstgetöpferte Kaffeetassen mit Untertassen oder Pappbecker mit den Trollen als Bild. All diese Dinge manifestieren die Exitenz der Trolle. 

Die Trolle werden mit Dingen und Ideen in der Wirklichkeit vertreten und das gipfelt in einem Pavillion auf der Biennale in Venedig. Dort schenkt der Künstler den Trollen ein Haus. Es ist eine Fabrikhalle, die dem Besucher einen Zugang zum Kopf der Trolle gibt. Wir sind uns einig, dass niemand einen Troll je sah, geschweige denn, hörte oder länger beobachtete. Die Trolle finden als Videoprojektionen ein Gesicht. Endlich sieht der Betrachter wie sie aussiehen, Hautfarbe, Gesichtszüge, mimisches Verhalten. Und er hört die Trolle sprechen und schmatzen und kauen. Die mentale Wirklichkeit wird durch Repräsentaten des Kommerzes und der Kunst zu einer physikalischen Tatsache.  

Was bewegt den Künstler Trollen ein Leben zu schenken?

Egill Saebjörnssonwird in einem Bericht mit dem [2]Guardian von Hannah Ellis-Petersen zitiert. „Er betrachte in seinem Leben Trolle als echte Figuren“ und erzählt, dass er und sein Bruder schon vor 30 Jahren in einer Vorstellungswelt Trolle willkommen hießen. Sie würden dies immer noch machen. Es ist eine Form der Realitätsflucht, kann vermutet werden, es ist vielleicht nur ein lange andauernder Tagtraum. Aber vor allem ist es Phantasie. Egill Saebjörnsson empfindet das Leben von Zeit zu Zeit anstrengend und einschränkend genug. Jeder hat seine Rolle zu spielen, muss sich anpassen und das kann mühselig sein. Ein bisschen Realitätsflucht durch Tagträume schadet nicht. Es ist ein Ausbruch, nicht mehr als ein Spiel und manchmal finden sich für Lebensherausforderungen Lösungen. So entwickelt er über Jahre eine Biographie für die Trolle. 

Die Geschichte der TrolleŪgh und Bõögâr, der Beginn.

Abb. 02: Buchcover von Egill Sæbjörnsson(2017): When Egill met the Trolls and took them to Venice, Argobooks.

Es ist ein konzeptgetriebenes Kunstereignis. So ist es verständlich, dass der Betrachter die zeitliche Entwicklung der Trolle nachliest und erforscht.  Es beginnt mit Egill Saebjörnsson´s Erzählung „When Egill met the Trolls and took them to Venice“. Wie ist es mit Trollen in Kontakt zu sein? Wie sind sie eigentlich, was bewegt sie? Sind sie gefährlich oder liebenswert? Wie sehen sie aus? Mit diesem Erfahrungsbericht beschreibt er seine Begegnung mit Ūgh und Bõögâr.

[3]Über Ūgh und Bõögâr, weiß die Öffentlichkeit wenig. Nicht mal ihr Alter oder Herkunft sind geklärt. Manche behaupten die Beiden wären aus Lava. Selbst der Künstler weiß nichts Genaues. Es gibt Gerüchte, sie seien vor langer Zeit ganz normale Menschen gewesen. Doch durch großes Leid, die zu Traumata wurden, zogen sie sich von allem zurück und wurden Trolle. Sie hausen in einer Höhle und benehmen sich außerordentlich schlecht. Wie ungezogene Kinder. Ihr Leben hat sich in den letzten 1000 Jahren nicht geändert. Sie rülpsen, furzen und fressen sich durch die Tage. Und eines Tages treffen sie auf Egill Saebjörnsen. Anfangs wollten sie ihn sofort fressen, aber da sie von ihrem Lebenswandel gelangweilt sind, entscheiden sie, ihn zu fragen, ob er ihr Freund werden wolle (um ihn später zu fressen). Sie hatten noch nie einen Freund. Bei den ersten Begegnungen redet Egill Saebjörnsen in ihren Ohren jede Menge dummes Zeug, aber als sie ihn in seinem Atelier besuchen, mögen sie, was er macht. Die ganze Sache mit Farbe, Kameras, etwas bauen, formen, zeichnen. Das wollen sie auch! Musik aufnehmen, Performances inszenieren, Interaktionen hervor rufen und probieren, was noch möglich ist. Ziemlich bald hat Egill Saebjörnsen keine Zeit mehr. Er geht den Trollen zur Hand, beaufsichtigt sie und hilft. Das Studio wird voller und voller: Video Installationen, Kunstwerke, Skulpturen, Malereien – was auch immer. Wohin nur mit den ganzen Arbeiten, der Platz wird knapp! 

Abb. 03 und 04: Illustrationen aus dem Buch “When Egill met the Trolls and took them to Venice” als Teil des Isländischen Biennale-Beitrages „Out of Controll in Venice“. Courtesy and copyright the artist and i8 Gallery

Mit der Zeit finden die Arbeiten von Ūgh und Bõögâr sein Gefallen. Die Beiden sind recht groß gewachsen, 36 Meter hoch, sie sprechen Trollisch, aber reden mit dem Künstler in einer Sprache, die dem Englischen sehr nahe kommt. Da stimmt weder Grammatik, noch die Rechtschreibung, die Worte und die Betonung. Aber es reicht, um sich verständlich zu machen. Ihr Temperament ist gewaltig. Immer wenn etwas fehlt oder nicht ganz in ihrem Sinne ist, werden sie ungeduldig, launig, manchmal weinen sie sogar. Sie sind außerdem eifersüchtig und folgen Egill auf Schritt und Tritt; beobachten ihn bei allen Handlungen: wenn er in die Stadt geht, schläft, spaziert, trinkt und isst. Und eines Tages finden sie heraus, dass er eine Ausstellung plant. Das wollen sie auch. Eine Ausstellung, ja! Egill erkennt unmittelbar, dass die Trolle nicht zu stoppen sind.

   
Abb. 05 und 06: Illustrationen aus dem Buch “When Egill met the Trolls and took them to Venice” als Teil des Isländischen Biennale-Beitrages „Out of Controll in Venice“. Courtesy and copyright the artist and i8 Gallery

Er zermartert sich den Kopf abends im Bett, nachts, morgens und eigentlich zu jeder Tageszeit wie er mit dem Wunsch der Trolle umgehen kann. Und nach einer Woche kommt ihm die Idee, dass Ūgh und Bõögâr an seiner Statt ausstellen mögen. Was nur würden sie zeigen? Egill sieht seine beiden Trollfreunde so aufgeregt wie nie zuvor. Es ist ihre erste Ausstellung. Man stelle sich das vor! Die Beiden arbeiten Tag und Nacht. Sie unterbrechen nur, um in den Lavabergen Touristen zu fressen. In diesem besagten Sommer kommen besonders viele nach Island, so zumindest berichtet das Touristenbüro. Und gleichzeitig steigt die Anzahl der „Lost and Dead People“. 

   
Abb. 07 und 08: Illustrationen aus dem Buch “When Egill met the Trolls and took them to Venice” als Teil des Isländischen Biennale-Beitrages „Out of Controll in Venice“. Courtesy and copyright the artist and i8 Gallery

Trolle sind alt und können sich in alles verwandeln: Lava Spalten, Vulkane, wuchtige Meereswellen, gefährliche Stürme, undurchdringliche Nebel…. Die Liste ist lang. Touristen verschwinden und kommen nicht wieder. Trolle können sich sogar in einen Hammer oder eine Milchkanne verwandeln. Sie sind TRANSFORMER, FORMWECHSLER. 


Abb. 09: Egill, Ūgh and Bõögâr. Photo: Achilleas Gatsopoulos . Courtesy and copyright the artist and i8 Gallery

Sie lernen in Kaffeehäusern zu sitzen, Espressos oder Mineralwasser zu trinken. Genau wie richtige Künstler. Das Mineralwasser läßt sie laut rülpsen und der Espresso löst Lachkrämpfe aus. Sie wollen MEHR und MEHR! Die meiste Zeit verbringen sie in Berlin und Island. Für Trolle ist Reisen eine einfache Angelegenheit, sie überqueren den Ozean mit nur zwei Schritten. 

Mit der Zeit nimmt die Ausstellung Form an und kurz vor der Eröffnung erfährt Egill, dass er Island auf der Biennale in Venedig 2017 vertreten dürfe. In den Trollen keimt Eifersucht auf und das bringt Egill in große Schwierigkeiten. Die Beiden wollten plötzlich zur Biennale. Es wird täglich schlimmer, sie weinen so viel, dass Egill nur noch mit Regenschirm in sein Studio gehen kann. Ihre Tränenbäche überschwemmen das Atelier. Sie sind außer Kontrolle. OUT OF CONTROLL. Ūgh’s riesige Warzennase wird kleiner und kleiner. Ūgh hat Angst, dass sie eines Tages abfällt. Das jedoch kann nur verhindert werden, wenn er in Venedig ausstellt. Zu guter Letzt überlässt Egill den Trollen die Biennale. Und wie aufgeregt sie sind!  Zu diesem Zeitpunkt bekommen die Isländischen Medien und Zeitungen Wind davon. Egill wird zu Sitcoms, Talkshows und in die Nachrichten eingeladen. Alle wollen wissen, was seine Trolle machen würden. Seine Antworten sind ausweichend, auch er hat keine Ahnung. Würden es Skulpturen, soziale Interaktion, Video, Malereien? Was nur lassen sich Ūgh und Bõögâr einfallen?

Trolle in Venedig.

Abb. 10: Der Isländische Pavillon empfängt Besucher im Cafe Photo@Instagramm-ristorantetheatro

Die Trolle reisen nach Venedig und mit ihnen Egill. Das Isländische Kunstzentrum berichtet, der SWR bringt einen Radiobeitrag, und auch das SWR Fernsehen läd ein. [4]art_das Kunstmagazin veröffentlicht ein Exklusivinterview mit den Trollen. Das kommt einer Sensation gleich! Die Kuratorin [5]Stefanie Böttcher, Direktorin der Kunsthalle Mainz kennt den Künstler seit einigen Jahren und auch die Trolle. Sie berichtet, dass Trolle zur Isländischen Kultur gehören. Sie existieren am Rande der Gesellschaft, finden keinen Platz, keinen Raum in der heutigen Zeit. Es gibt jedoch erstaunlich viele Trolle und es werden mehr. Allein jene, die im Internet ihr Unwesen treiben. Wieviele sind es? 

OUT OF CONTROLL(überall schmuggeln sich TROLLE ein). Die Trolle ganz real.

Eine Sensation: zwei Trolle auf der Biennale. Der Besucher betritt das ehemalige Fabrikgebäude auf der Insel Guidecca und steht er an einer Kaffeehaustheke in angenehmer Dunkelheit und rotem Licht. Für nur 60 Cent wird Kaffee aus Pappbechern mit dem gezeichneten Konterfei von Ūgh oder Bõögâr oder in Trolltassen, aus Ton getöpferten Pötten, jede anders und alle unperfekt, ausgeschenkt. Außerdem gibt es Trollnagellack, [6]Trollparfüm von dem Berliner Parfümier Geza Schön, Trollbadges, ein Trollbuch, Trollmusik, Troll T-Shirts, Trolljutetaschen und noch einiges mehr zukaufen. 

Abb. 11: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

Auf hölzernen Stiegen geht es hinter dem Café hoch: Stockwerk eins, zwei und drei. Manchmal steht ein Plattenspieler in einer Ecke, Sitzmöglichkeiten aus Spanholz laden zum Sitzen ein und immer sind an den Wänden Aussparungen für den Kopf eingelassen. Einige sind unten für Kinder, andere höher für Erwachsene plaziert. Wer hindurch schaut, blickt in eine große Halle. Licht kommt von Projektionen. Meistens ist es ein Trollkopf mit langer, in den Raum greifender, warziger Nase. Dort wo der Besucherkopf ist, kann, wer auf die andere Seite geht, den anderen Troll in Augenschein nehmen, natürlich mit einer ebenso langen, krummen und wulstigen Nase. Sie unterhalten sich über ihre Interessen: schmatzen, rülpsen und fressen immer mal wieder Touristen. So bewegt sich der Besucher auf 3 Stockwerken durch den Kopf des Trolls.

Abb. 12: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

[7]Es geht derb zu. Amerikaner haben einen hohen Zuckergehalt und das wiederum verursacht Blähungen. Ob diese gern gegessen werden oder nicht, geht in der Nuschelei unter. Übrigens hat der Künstler einen Soundtrack namens „Scram“ mit den Trollen aufgenommen. Unter https://soundcloud.com/user-52295592/12-scream-digital-masterkann ein Stück gehört werden, die Langspielplatte gibt es im Kaffee zu kaufen. Es ist ein wahrhaft beängstigendes Geschrei und trollwürdig. Auch sprechen sie über Sauerkraut, Tinder ist definitiv besser als Twitter. Sie verwandeln sich mit Face Warp in die Mona Lisa, Margret Thatcher oder Donald Trump. Mitgefühl zeigen Trolle nicht. Die Dunkelheit ist angenehm, nicht nur für die Trolle, auch für Besucher. Mit einem 15 minütigen Video / Projection Mapping werden die Gedanken der Trolle erzählt. 


Abb.13: Im Isländischen Pavillon verwandelt sich ein Troll Donald Trump. Photographie: David Levene für den Guardian

Die Kucklöcher erscheinen als Brandlöcher oder Warzen, sie sind außen geschwärzt und unregelmäßig auf der Wand verteilt. Große Nasen aus Pappmaschee ragen unförmig in die Halle hinein. Eine dieser Nasenaufbauten wird durch eine Säge geteilt. Ein eigentümliches Accessoire, vergleichbar mit einem Nasenpiercing, nur größer und archaisch, eben trollig. Die Nase des anderen Trolls kommt ohne Requisit aus. Auf den Hallenwänden sind vereinzelt Spiralen oder runde Formen als Halbrelief angebracht. Die flankierenden Seiten, Decke und Boden ohne Projektion weisen keine Bearbeitung auf. Animationen stellen eine Kombination aus photographischen und gezeichneten Stand- und Bewegbildern dar. Es wird die Geschichte der Trolle erzählt: Ankunft, Handeln, Gedanken, tollischer Zeitvertreib.

 
Abb. 14 und 15: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

Wenn die Trolle in Venedig ankommen, so der Video, verdunkelt sich der Himmel, es regnet in langen schwarzen Schlieren, dann wird die Szenerie in ein kräftiges Rot getaucht. In diesem Bildern ragen die Anbauten, die sich später als Trollnasen entpuppen, noch unmotiviert aus der Wand heraus. Sie durchkreuzen die Animationen und so recht weiss der Betrachter noch nichts mit ihnen anzufangen. Gehören sie zu den schwarzen Schlieren? Oder sind es von oben abgehängte Riesen-Spagetti oder Trollsabber? Der Markusplatz, der Canale Grande mit venezianischen Prachtbauten am Ufer ziehen als zwei dimensionale Zeichnungen vorbei, wobei ab und an eine unförmige Hand, begleitet von der bekannten Trollnase und Trollkopf in Schwarz als Silhouette einen oder mehrere Touristen aus dem Leben ziehen und frühstücken. Es ist eine Fingermalästethik, eher unförmig, grob, auf das Wesentliche beschränkt. So malen Trolle. Auf dem Markusplatz werden die Touristen aus Kaffeehausstühlen direkt in den Schlund befördert. Dort lodert ein wildes animiertes Feuer. Die Trolle sind OUT OF CONTROLL.

   
Abb. 16 und 17: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

Die Trolle zeigen sich höchstpersönlich. Einer ist Blau, der andere Grün. Trollaugen liegen unter dicken buschigen, bösartig nach oben gezogenen Augenbrauen, eine monströse Nase schließt sich an. Sie ist so riesig, sie ragt in den Raum hinein. Der menschliche Mund befindet sich schräg versetzt im Gesicht, nah an der Hallentür. Dort kommen vereinzelt Besucher hinein und heraus. Immer eine gute Gelegenheit sie zu schnappen und zu verspeisen. Videos werden in das Standbild montiert. Die Lippen sind schwarz und der geöffnete Mund legt Vampir ähnliche Eckzähne in einer schwarzen Mundhöhle frei. Und dann geht es direkt in das Innere eines Trollmagens. Rote Hackfleischblasen, Shrips, glänzende Leber vereinen sich zu einer Innereien-Masse und ergeben ein wunderbar abstoßendes, rotes Geblubber. Der Magen ist riesig, denn die Projektion wird auf die Bodenfläche erweitert. Beide Trollmägen vereinen sich zu einer großen, roten, glitschigen Masse.

Erneut ändert sich die Animation. Erst auf einem weißen, dann gelben und schlussendlich auf einem ultramarinblauen Hintergrund tanzen grafische Zeichen wie beispielsweise Miniaturtrolle, Hashtags, Buchstaben, kleine Sägen und abgeschnittenen Warzennasen in Stufenform über die Wandfläche. Ob das ein Verdauungsvorgang ist? Möglich ist es, denn die Bildserie endet in einem schwarzen Tunnel. Was das zu bedeuten hat, kann der Besucher auch ohne schriftliche Erklärung erraten. 

 
Abb. 18 und 19: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

Die Handschrift der Animationen ist denen von Trollen würdig. So zumindest stellt sich Egill Saebjörnsson die künstlerischen Fertigkeiten seiner Freunde in den Bereichen Zeichnung, Illustration, Animation, Montage, Schnitt und Audio vor. Es ist ein wenig von allem, die Stile wechseln ohne Rücksicht auf Anmutung, die Farben sind saturiert, Farb an sich Kontraste, Hell und Dunkel Kontraste: alles ist miteinander vermengt. Feingliedrigkeit kann von Trollen nicht erwartet werden, sie sind ursprünglich, arbeiten wie Kinder. Trolle gehen nicht auf Kunstakademien. Trolle haben tiefe Stimmen, nuscheln und sind schwer verständlich. 

 
Abb. 20 und 21: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

Die Bild- und Audiowelten sind phantasievoll, kindlich und vielleicht naiv zu nennen, die Farb- und Formvielfalt wirkt erheiternd und leichtfüßig. 

  
Abb. 22 und 23: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

Die Botschaft.

Egill Saebjörnsen projiziert Gedankengut auf Objekte der Realität und lässt sie zur Einheit werden. Menschen werfen in einem steten Gedankenfluß Ideen auf die Welt, ebenso wie die Welt durch Sinne erfahren wird. Mit Humor und Phantasie erzählt Egill Saebjörnsson über mentale Tatsachen und entwickelt Geschichten. Er zeichnet, malt, projiziert, installiert, arrangiert, inszeniert, performed und benutzt die bekannten verfügbaren medialen Kanäle als Leinwand. 

[8]“Art is an independent species evolving together with humans”, so Egil. Kunst ist etwas Eigenständiges. Sie besitzt die Kraft den Künstler, den Menschen zu formen und umgekehrt. Es ist ein wechselseitiger Vorgang, Ursache ist gleichzeitig Wirkung und umgekehrt. In seinen Worten ist Kunst vergleichbar mit einem Wolfshund, der sich aus seinem Rudel löst, um über das Leben hinaus zu wachsen, wenn er sich den Menschen anschließt. [9]Der Künstler erkennt Strömungen und Neuheiten der Gesellschaft, des Denkens, Handelns, des Daseins und bildet sie zu einem Grad ab, dass sie einerseits das gesellschaftliche Augenmerk erringen und gleichzeitig in einer Weise verschlüsseln, dass die Botschaft nur in Teilen gelesen wird und sich so eine Faszination des Unerklärlichen erhält. Die Kunst ist jener Hund, der sein Wolfsrudel verlässt. Er bleibt Tier, aber eines, das dem Menschen bei Jagd und Leben beisteht. 

Das Bild des Hundes steht für seine Geschichten. Anfangs sind es Hirngespinste aus der Vorstellungswelt, sie werden jedoch über Jahre mit einer Entschlossenheit verfolgt und ausgearbeitet, dass sie durch die Menge der entstandenen Artefakte an Glaubwürdigkeit gewinnen. Es ist eine mentale Glaubwürdigkeit. 

Sie ist in der isländischen Natur verwurzelt. Island hoch im Norden, eine Insel knapp südlich des nördlichen Polarkreises. Es ist eine Vulkaninsel und ungefähr genauso weit von Grönland wie von Schottland oder Norwegen entfernt. Portugal, Jordanien oder Irland im Verbund mit Nordirland sind ähnlich groß. Es leben gut 340.000 Einwohner in Island und davon fast Zweidrittel im Großraum der Hauptstadt Reykjavik. In dieser Abgeschiedenheit und Isolation bedingt durch die geografische Verortung, können Mythen und Legenden gepflegt und erhalten werden. Elfen, Trolle, Zwerge und andere geheimnisvolle Wesen leben nicht nur in Stadt- und Straßennamen weiter, sie befinden sich in einer friedlichen Koexistenz mit Göttergeschichten und Religion. Zwar glauben die meisten Isländer nicht an die Wesen der verborgenen Welt, aber es ist Teil der Kultur. So verwundert es nicht, dass die zwei Isländischen Trolle Ūgh und Bõögâr einen Weg zur Kunst gefunden haben. 

Wer beobachtet wen, wer frisst wen? Wird der Besucher gefressen, fressen die Besucher die Kunst und damit auch die Trolle? Die Trolle leben nicht nur im Pavillon, ihre Schritte und Handlungen werden mit einer Social Media Kampagne begleitet. [10]Sie sind überall in Venedig. Am Markusplatz hinter dem Campanile ragt die Riesennase auf  Höhe des Turms in ein Foto, sie tauchen aus dem Kanalwasser auf, sie sind an allen möglichen Orten. Diese Trolle sind Anarchisten, sie bewegen etwas, bringen zum Lachen, auch wenn zu guter Letzt die Menschen zu Futter werden. 

Sollten sich Menschen nicht ein Beispiel nehmen? Ein Troll hat nichts zu sagen, verdient kein Geld, zahlt keine Steuern, macht keinen Sozialdienst, meldet sich nicht beim Arbeitsamt oder Einwohnermeldeamt, tut nichts für ein Bruttosozialprodukt und hat keine Lebensberechtigung. So was sollte untergehen oder zumindest aus dem öffentlichen Leben entfernt werden. Konsumgesellschaften messen Leistungen mit dem Maßstab des wirtschaftlichen Wachstums. Dort werden unablässig Wünsche und Sehnsüchte geweckt. 

Trolle scheinen ganz wild auf Bedürfnisbefriedigung zu sein, sie passen in die heutige konsumgetriebene Zeit. Diese anarchischen Wesen sind im Internet als gefährliche Trolle bekannt. Wirbeln auf und machen festgefahrene Strukturen unsicher. Was der Troll kann, können Arbeitslose, Obdachlose, Schwache, Alte, Kranke, Kinder und Desillusionierte. Was Trolle können, können die Ausgeschlossenen, die am Rande der Gesellschaft stehenden. Warum nicht etwas aus dem Gleichgewicht bringen, umwerfen, neu denken: „OUT OF CONTROLL“ zu sein. Die Trolle haben das begriffen und den Ort gefunden, wo sie das machen können. In der Kunst. 

Im Namen von Egill Saebjörnsson sind Trolle aus Island nach Berlin und dann nach Venedig gekommen. Trolle sind überall. Sie verstecken sich nicht, sie wandeln beliebig ihre Form, sie können unsichtbar sein, sie überziehen Venedig und das Internet mit ihren Hinterlassenschaften, bleiben sich bei all dem treu, trollig eben. 

Ps. Die Autorin hat im Zuge der Bildrechteklärung den Künstler Egill Saebjörnsson geschrieben und die Trolle grüssen lassen. Die Antwort ist bezeichnend: „Thank you Ursula, I read the text for Ugh & Boogar but they left after 5 mins. They have absolutly NO attention span. It’s really a problem and I have been fighting it for years. They have not really improved. It’s like trying to teach a dog to speak and say “Hello, my name is Rover”. 

Abbildungsverzeichnis: 

Abb. 01: Der Innenraum des Isländischen Pavillons wird auf zwei gegenüber liegenden Seiten von den Trollen Ūgh und Bõögâr .bespielt. Photography@Ursula Drees

Abb. 02: Buchcover von Egill Sæbjörnsson(2017): When Egill met the Trolls and took them to Venice, Argobooks.

Abb. 03 bis Abb.: 08: von Egill Sæbjörnsson(2017): When Egill met the Trolls and took them to Venice, Argobooks. Illustrationen aus dem Buch “When Egill met the Trolls and took them to Venice” als Teil des isländischen Biennale-Beitrages „Out of Controll in Venice“. 

Abb. 09: Egill, Ūgh and Bõögâr. Photo: Achilleas Gatsopoulos . Courtesy and copyright the artist and i8 Gallery; https://icelandicartcenter.is/projects/venice-biennale/egill-saebjornsson/(13.12.2017)

Abb. 10: Der Isländische Pavillon empfängt Besucher im Cafe Photo@Instagramm-ristorantetheatro

Abb. 11 – Abb.: 13: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

Abb. 14: Donald Trump als Troll im Isländischen Pavillon. Photograph: David Levene für den Guardian

Abb. 15 bis Abb. 23: Die Trolle kommen nach Venedig. Die Photographie wurde mit Handykamera im Isländischen Pavillon gemacht und ist Teil der Animation. Photo@Ursula Drees mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers.

Quellen: 

Theodor W. Adorno, Noten zur Literatur, Gesammelte Schriften in 20 Bänden, Band 11, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main: 1984

Universie in Universe, Welten der Kunst von Pat Binder & Dr. Gerhard Haupt GbR, https://universes.art/de/about/

https://www.swrfernsehen.de/die-kunst-ist-los/-/id=100902/did=18826566/nid=100902/19am9t9/index.html(13.10.2017)
https://www.swr.de/swr2/kultur-info/kunst-biennale-venedig-islaendischer-pavillon-stefanie-boettcher/-/id=9597116/did=19527684/nid=9597116/5mpb8h/index.html(13.12.2017)

[1]http://egills.de(21.12.2017)

[2]Dieser Beitrag wurde zur Biennale in Venedig am 12. Mai https://www.theguardian.com/artanddesign/2017/may/12/biennale-trump-trolls-discuss-eating-their-venice-audience-egill-sbjornsson(23.12.2017)

[3]Ein Auszug aus der Geschichte „Wehen Egill met the Trolls and took them to Venice“ online unter http://icelandicartcenter.is/wp-content/uploads/2017/01/UghandBoogar1.pdf

[4]Das Interview mit den Trollen , mit Stefanie Böttcher, der Kuratorin und dem Autor Gunnar Lützow von art_kunstmagazin in voller Länge nachzulesen unter:  http://www.art-magazin.de/kunst/19833-rtkl-exklusiv-interview-mit-island-trollen-primitiv-nicht-immer-gut(20171215)

[5]Stefanie Böttcher kuratiert die Länderpavillons von Deutschland, Aserbeidschan und Island auf der Biennale in Venedig 2017. Sie ist Leiterin der Kunsthalle Mainz. 

[6]Es wurde eine Crowd Funding Aktion gestartet, sie ist erfolgreich beendet und erbrachte 10.727 €. Geza Schön der Berliner Parfümier hat mit den Trollen gemeinsam den Duft entwickelt. Vorsicht es stinkt nicht wie Trolle es sich wünschen, aber es beinhaltet jede Menge Magnetismus. Auf der 57igsten Biennale in Venedig wurde es verkauft. In einem auf vimeo veröffentlichen Video werden die Bestandteile des Parfums namens Noise enthüllt. Hinein kommen: Menschengruppen, Krokodile, die Mona Lisa von Leonardo da Vinci, ein Cello mit Tasche und rotem Kreuz, ein Bild von Jackson Pollock und Schrauben.  https://vimeo.com/209925161(13.12.2017)

[7]SWR2 Reporterin Susanne Kaufmann berichtet in einem Radiobeitrag am 11.05.2017 über den Isländischen Pavillon. https://www.swr.de/swr2/kultur-info/kunst-biennale-venedig-islaendischer-pavillon-stefanie-boettcher/-/id=9597116/did=19527684/nid=9597116/5mpb8h/index.html(13.12.2017)

[8]“Art is like the dog that evolved from wolves when wolves started to walk with humans.” Egill Saebjörnsson in einem Beitrag des Icelandic Art Centers vom April 2017. https://icelandicartcenter.is/projects/venice-biennale/egill-saebjornsson/

[9]„Die Kunst ist der Statthalter der Utopie“ Theodor W. Adorno. Auch Walter Benjamin und Max Frisch. Adorno verwendet das Bild des Künstlers als Statthalters in einem Vortrag über Paul Valéry mit dem Titel: „Der Artist als Statthalter“. Theodor w. Adorno, Noten zur Literatur I, S. 175 (Erdruck 1953), GS 11, S. 114

[10]Stefanie Böttcher in einem 4:53 langen Film, ausgestrahlt um 18:45 Uhr im SWT Fernsehen RP, Stand: 14.1.2017, 19.17 Uhr Quelle: https://www.swrfernsehen.de/die-kunst-ist-los/-/id=100902/did=18826566/nid=100902/19am9t9/index.html(13.10.2017)