Chris Appelhans hat sicherlich den charmantesten Namen auf der fmx. Appelhans: geht es noch bildlicher? Wer denkt nicht an wunderbare Äpfel in Baden-Württembergischen Naturobstwiesen? An den Appelhans, der sie verschenkt. Oder wir denken an Storytelling. Chris Appelhans ist ein jugendlicher, nein junger Speaker, etwas selbstironisch, kein lauthalser Marktschreier. Er verbindet Geschichten schreiben und Illustration. Welche dramaturgischen Aspekte führen zu einer Geschichte. Nicht irgendeiner, sondern einer, die ein Publikum erleben will. „What makes the audience care?“. Er schreibt Filmbücher und entwickelt die Charaktere. Es ist ein wechselseitiger Prozess. Die Worte führen zu Bildern, die Bilder werden gezeichnet, führen zu Geschichten, führen zu Phantasie, führen zu Dramaturgie, zu einer Innerlichkeit, zu Gefühl. Die Prozessschritte wirken wechselseitig. Manchmal kommt erst das Wort. Manchmal die Zeichnung.
Aber allem übergeordnet ist die Geschichte. Oder der Charakter der Geschichte. Denn der Charakter, the Character, in Deutsch der Protagonist erlebt Dinge, sie erzeugen Konflikte, die führen zu Verdichtungen, spitzen sich zu bis sie zwangsweise aufgelöst werden müssen, um dann erneut in den Zyklus einzusteigen. Storytelling bedeutet das Wechselspiel von: KONFLIKT, KRISE, ZUSPITZUNG, AUFLÖSUNG und einen daraus resultierenden neuen KONFLIKT. Conflict – Crises – Climax – Resolution – new Conflict.
Der Protagonist mit Konflikten umgehen, wird vor Entscheidungen stehen, sich fragen: Soll ich A oder B machen? Was ist richtig, was falsch? Denken wir an Walter White. Ein biederer, wenngleich hochbegabter Chemiker, der als einfacher Schullehrer seine Gaben an desinteressierte Schüler weiter gibt. Der durch seine Krebserkrankung die Entscheidung treffen muss, ob er seine Familie rettet und erstklassiges Cristal Meth herstellt, damit Unmengen von Geld macht, dabei in die dunkelsten kriminellen Machenschaften gezogen wird, oder will er ein gesetzestreuer Mensch bleiben, seine Familie in den finanziellen Ruin werfen, keine vernünftiges Krebsbehandlung bekommen und verarmt mit schlimmsten Schmerzen dem Tod ins Antlitz schauen?
Ein Protagonist muss viele Entscheidungen treffen. Eine wie die andere ziehen gute als auch schlechte Konsequenzen mit sich. Was tun? Welche Wahl ist besser, Was richtig, was falsch?
Und wenn diese Geschichte geschrieben ist, wie kann ein Protagonist vorstellbar werden? Wie wird ein Character geboren?
„It is hard to come up with a character. Sometimes it takes one drawing in the middle of a long process of drawings to show the solution. I call these drawings iconographic drawings. They bring the story together in one image only“ Chris Appelhans zeigt Studien seiner Character. Es sind situative Zeichnungen. Ein Character mitten in einer bestimmten Umgebung, Handlung. Und genau diese offenbaren die ganze Kraft des zu erlebenden oder erlebten Konflikts. Er zeigt als Beispiel eine Zeichnung von dem Mädchen mit Hund. Beide sind eng aneinander geschmiegt, tief vereint. Im Hintergrund steht die Tür einen Spalt geöffnet, die Schatten der heftig zankenden Eltern zeichnen sich an der Wand ab. Man meint die Schreie und Anschuldigungen zu hören. An der Wand oberhalb des mit Hund kauernden Mädchens ein Familienfoto aus den guten Zeiten. Da strahlen die Gescheiter vereint in die Kamera. Lang ist es vorbei. Jetzt geht es nur noch um Trennung. Vielleicht um Sorgerecht. Und was macht der Hund. Wer bekommt den? Werden beide getrennt, so wie die Familie getrennt ist? Werden sie das gemeinsam durchstehen dürfen? Allein dieses Bild zeigt die Geschichte, die Vielschichtigkeit der Konflikte des Characters. Es ist ein Bild das mitten im Schaffungsprozess entstanden ist erzählt Christ Appelhans und nach der Fertigstellung offenbarte es die Dramaturgie. Ein Character ist geboren.
„In the early stage of a film the character shows in sketches.“ Anfangs sind es Vorstellungsbilder, Zeichnungen, die dynamischer gar nicht sein können. Die durch Einfachheit Kraft ausstrahlen. Die Strichführung ist entschieden, manchmal flüchtig, der Suchstrich ummantelt den Character in vielen Situationen. Davon gibt es viele. „How do they relate to each other?“. Welche Verbindung gehen diese Skizzen miteinander ein. Sie zeigen das Leben, alles was mit dem Character verbunden ist. ES ist nicht die Darstellung von Traurigkeit, Freude, Schwermut, Verspieltheit als Portrait, es sind die gefühlsauslösenden Situationen. Da steckt der Character drin, konkrete Beispiele. Alles was er liebt, worunter er leidet. Beispiele in vielen Erscheinungsformen. Sie führen zur Entscheidung, den Character zu entwickeln: „I like this guy. I like to get into his head. – I actually can create this guy“ so Chris Appelhans.
Diese Zeichnungen verleiten den Künstler die Geschichte in kleinen Details zu sehen. Immer wieder Identifikation herzustellen. Diese Vorstellung zu illustrieren. Eine Vorstellung zu gestalten. Es ist das Zeichnen, die Tätigkeit, die Bilder, die zum Character führen. Nicht das denkend Konstruierende. Sicherlich auch, aber ohne Skizzen?
„Exploring through Design only“. Das ist Chris Appelhansens Credo. „Through sketches one has to explore who the person is. The sketches are fresh, easy it is not jet a fully designed Character. It is an impression. Not Design, design.“
Denn es geht darum zu zeigen was ein Character fühlt, was er sieht, was er liebt und hasst. Es geht darum, zu erkennen, dass ein Character sich ändert, dass eine Transformation statt findet, er wird etwas neues, er überwindet sich und transformiert. Das kann nur die Zeichnung abbilden. „One has to caputre the world what the character sees and feels.“ Was er uns sagt: Er schlüpft mit jeder Zeichnung tiefer in die Welt einer anderen imaginierten Person hinein. Er identifiziert sich, malt sich etwas aus, probiert es durch Zeichnung und prüft, die Richtigkeit. Kann es so oder so sein? Es hört sich so spielend an, wenn Chris Appelhans davon spricht, seine Bescheidenheit lässt ihn uns lieben. Aber natürlich wissen wir, nur ein erfahrener Illustrator und Dramaturg kann die Welt erschaffen und lebendig werden lassen. Dazu braucht es Zeit und Hingabe. Denn im Film will der Zuschauer Wahrheit und Spektakel. Truth and Spectacle. Danke Chris Appelhans.
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