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Joyce Thinks In Pictures

Meine künstlerischen Idole waren neben Malern wie Robert Rauschenberg und Jasper Jones, Schriftstellern wie Robert Musil und James Joyce vor allem der Komponist John Cage. Er erhob den Zufall zum Gestaltungsprinzip seiner Musik und erweiterte das Verständnis des Hörbaren und Spielbaren um die nicht planbaren Bereiche. In seinen Konzerten wird das Husten oder Nase schniefen im Zuschauerraum genauso Teil der Komposition wie das Erzeugen von Tönen durch Alltagsgegenstände.

1979 komponierte John Cage die Oper “Roratorio – Ein irischer Zirkus über Finnegans Wake” eine Auftragsarbeit für Klaus Schöning und dem Studio Akustische Kunst des WDR, Köln. Diese Oper war sowohl Lesung, Performance, Musikstück, Theater, Geräuschkulisse, Film und Happening. Und vor allem neu. Ich recherchierte und arbeitete mich von John Cage zu James Joyce und der literarischen Grundlage dieser Oper nämlich „Finnegans Wake“ vor. Dafür bauchte ich gut ein Jahr. Dann nahm ich Kontakt mit dem Übersetzer von „Anna Plurabelle“, einem Teilstück von Joyce’s Werk „Finnegans Wake“ auf und stellte ihm meine Idee für eine Installation aus Found Footage vor, die ähnlich wie Cage’s Oper „Roratorio – Ein irischer Zirkus über Finnegans Wake“ eine akustische Vorstellung bietet, eine bildlich-dinglich-haptische darlegt. Dafür suchte ich mit Hilfe von Herrn Blumental Sätze aus dem Original „Finnegans Wake“, die die gesamte Handlung in einem Satz beinhalten.

Wieder 6 Monate gingen ins Land, denn wir fanden nicht nur einen Satz, sondern eine Vielzahl. Nach drei weiteren Monaten der Unschlüssigkeit fiel uns nichts mehr ein und wir besannen uns auf die Cage’ Zufallsmethode für Auswahlverfahren. Und so wurde der Satz des 1. Buches, 3. Kapitel, Seite 53 herausgewählt: „And there oftafter, jauntyjogging, on an Irish visavis, insteadily with shoulder to shoulder Jehu will tell to Christianier, saint to sage, the humphriad of that fall and rise while daisy winks at her pinker sister among the tussocks and the copoll between the shafts mocks the couple on the car.“ zur Grundlage der Installation. Nach weiteren 2 Monaten waren die möglichen Verständnisebenen kontextual entschlüsselt und ich konnte anfangen. Das dauerte dann weitere vier Monate, da ich parallel beim Komponisten Dieter Schnebel Musikkurse besuchte, die Cage’s Musik interpretierten und aufführten. 1990 war ich dann endlich fertig und die Mauer war in der Zwischenzeit gefallen.

Beim John Cage Music Festival in der „Akademie der Schönen Künste“ in Ost Berlin, im August 1990, wurde die Installation im Foyer ausgestellt und tatsächlich lernte ich John Cage persönlich kennen. Er zeigte sich erfreut und erheitert, was wollte ich mehr. Ich hatte immerhin mit meinem Idol gesprochen. Wenn ich heute auf die Arbeit schaue, die leider miserabel von mir dokumentiert wurde, breitet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus: ästhetisch ein Anfängerwerk, konzeptionell bemerkenswert. Was ich daraus gelernt habe: weniger komplexe Arbeiten machen weniger Arbeit und vermitteln die Idee deutlicher.

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