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Biennale Venedig, Joshua Serafin: VOID

Photography by Brenda Jauregui & Paulo Garcia.

Joshua Serafin ist ein multidisziplinärer Künstler, geboren in Baeolod, Philippinen. Heute lebt er, sie, binär in Brüssel. Joshua Serafin will in der dritten Person Plural angesprochen werden. Das wird hier berücksichtigt.

Bis dato war mir Joshua Seraphin unbekannt. Auf der Biennale in Venedig schlenderte ich erschöpft durch die Räume des Arsenale und landete in einem Black Cube, fast auf der Mitte der dortigen Präsentationen. Ein dunkler Raum, mittig ein grosser Screen, davor gelagert ein rundes, flaches mit reflektierender Flüssigkeit gefülltes Becken, an den Seiten blaue Neonleuchten und in einer Entfernung von ca. 3 Metern einige Sitzsäcke.

Der Screen zeigt einen Menschen. Nackt ist er, sie, binär, so zumindest erscheint es. Er, Sie, binär befindet sich in der Mitte, steht auf einer sandigen, feuchten dunklen Oberfläche. Im Zentrum eine runde Vertiefung, daraus erwächst der tanzende Körper. Irgendwie, denke ich, dieser Körper ist mit schwarzem Öl überzogen.

Photographie von Ursula Drees auf der 60sten Internationalen Art Exhibition der La Biennale di Venezia “Foreigners Everywhere – Stranieri Ovunque “ curated von Aadriano Pedrosa.

Es ist ein Tanz: aufstehen, recken, drehen, ziehen, brechen, zusammen sacken, wieder hinein in die Kuhle, mit dem Kopf zuerst manchmal, dann wieder aufstehen, die langen Haare vor dem Gesicht, alles mit dieser klebrigen schwarzen Flüssigkeit überzogen. Es ist ein Ziehen, ein Zerren, es ist mehr ein Kampf als ein offenes Atmen oder Erblühen.

Photographie von Ursula Drees auf der 60sten Internationalen Art Exhibition der La Biennale di Venezia “Foreigners Everywhere – Stranieri Ovunque “ curated von Aadriano Pedrosa.

Grossartig wird diese Performance filmisch vermittelt. Das Licht, die Schatten, die Reflektoren, die Farben, die Einstellungen halten die Augen gebannt. Das filmische Bild wird auf der liquiden Oberfläche gespiegelt. Eine Symmetrie, eine Vervollständigung so scheint es.

Es ist eine Tanzperformance namens VOID. Sie stammt aus der Serie Gangbang. Das Wort an und für sich ist so brutal wie nur möglich und verschliesst sich den Gedanken. Ist es eine symbolische Massenvergewaltigung? Der Titel ist irritierend. VOID, die Performance als Teil davon ist es auch ein Wenig.

Die beigefügte Erklärung auf der Biennale hilft meinem Verstehen nicht weiter. Eigentlich verstehe ich nichts. Rein gar nichts. Weil die Erläuterungen so fantastisch vor den Bildern stehen, hier die Inhalte der Erklärtafel. Mit einem Verweis an all jene, die solche Texte verfassen, das es manchmal wirklich toll ist, etwas verständlicher zu schreiben.

Photographie von Ursula Drees auf der 60sten Internationalen Art Exhibition der La Biennale di Venezia “Foreigners Everywhere – Stranieri Ovunque “ curated von Aadriano Pedrosa.

„The lull summoned in VOID (2022-ongoing) is not emptiness but an interval premised on the possible, fulfilled through a nonbinary godhead imagining a newfangled world and ushering it into being by ereating themself through gesture, expressivity, and movement. VO/0’s tropical futurist Vision of the brown body in primordial space breaches imperial patriarchy’s notions of not only power and beauty but also of existence and experience itself. Drawn from myths reoounting the creation of the Philippine archipelago through queer + trans performance, VOID envisions a future that conjures embodiments of a nonbinary species of the gender-diverse realm.  This vision is prefigured by a nonbinary god who dances their way into an everchanging space. On the cusp of erasure and eoriture, Serafin presents an allegory of absence to propose resonances of a certain re-presence. The void is that generative moment where being is transfigured as elan vital of the becoming-open, a paradox only willingly embraced by the queerly post-human yet also humanly trans divine. This is the first time the work of Joshua Serafim is presented at Biennale Arte.“ .

Photographie von Ursula Drees auf der 60sten Internationalen Art Exhibition der La Biennale di Venezia “Foreigners Everywhere – Stranieri Ovunque “ curated von Aadriano Pedrosa.

Es geht irgendwie um philippinischen Identität. Diese findet ihren Ursprung in der tropischen Mythen ihrer Herkunft. Das wird in eine queere Bildwelt eingebettet.  Es geht um das Anderssein, um die Verschmelzung und das ineinander Fliessen der geschlechtlichen Identität. Es geht um Mythen, um Götter, um Unterwelt und Oberwelt, um Gut und Böse. Es geht vor allem um das Dazwischen.

Joshua: „Meine Mutter war meine Quelle für diese Geschichten. Sie ist sehr abergläubisch und hat einen Glaubensheiler und einen traditionellen Heiler. Mythologie, Spiritualität und die unsichtbare Welt sind auch in der philippinischen Kultur stark verwurzelt. Nachdem ich viele Jahre in Europa gelebt hatte, wurde mir klar, dass ich dies erforschen und meine Beziehung zu Luft und Erde überdenken wollte.“

Photographie von Ursula Drees auf der 60sten Internationalen Art Exhibition der La Biennale di Venezia “Foreigners Everywhere – Stranieri Ovunque “ curated von Aadriano Pedrosa.

Void ist offen. 

Ich wär niemals auf diese vertiefenden Inhalte gestossen. Aber ich habe während meiner Betrachtung eine innere Erschütterung gefühlt. Der Tanz war mitreissend. Manche Bewegungen schmerzten mich, manche erfreuten mich. Manchmal traf mich der Schlag des Ekels, dann wieder einer Befreiung. Es ist packend in dem dunklen Raum zu sitzen und die auf Video vermittelte Performance zu sehen. 

Beitrag von Ursula Drees

VOID, 2022
9 min 14 sec
-5 edition 2 AP
-Unique Piece 1AP

Mehr dazu: Biennale Venezia

und Haus der Kulturen der Welt

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