Is Anybody Home?
Es beginnt damit, dass ein Gast auf die Bühne tritt, mit schimmernden Schlafanzug bekleidet und sich vorstellt. Im Februar, als ich da war, war es Zarah Kofler. Per Live Stream spricht sie mit einem Performer. Der sitzt noch in der Umkleide und ist nicht fertig, kann nicht auf die Bühne kommen. Sie möge bitte beginnen.
Er entspinnt sich ein Gespräch über Albträume, Ängste, Hoffnungen. Wechselseitig wird Innerlichkeit offenbart. Erst du, dann ich, dann wieder du, dann ich. Und ein Vertrag wird vorgelesen. Der besagt, dass der Gast für den Zeitraum von 1,5 Stunden entspannt im Bett liegen kann, seine Wünsche, Ängste und Träume, Bedenken und andere Stimmungen werden gehört, betrachtet, verarbeitet und das Gob Squad Team gibt sich Mühe, alles zu beheben. Der Gast ist einerseits Gast, aber auch Performer. Von der Bühne führt eine Rampe hoch in den Zuschauerraum und drüber hinweg. Dort steht ein Bett. Wunderbar plüschig, gemütlich, ein bisschen Dampf schwebt vom Boden hervor. Der Gast legt sich hinein und muss sich überraschen lassen. Es ist privat und wie zu Hause, aber doch ist man Teil des Geschehens, nein eigentlich die Hauptperson. Merkwürdigerweise auch die einzige Person, die bis zum Schluss vor Ort ist. Alle anderen sind im Stream.
Es ist ein Reise. Fragen wollen beantwortet werden. Das Gob Squad Team versucht es. Es entsteht ein überraschender Dialog. In vielen Fällen durch sanftmütige Überlegungspausen geprägt. Manchmal wird es tiefsinnig, philosophisch sogar, manchmal ist es Alltäglich. Banal und wie immer. Zwei der Performer gehen durch die Stadt und versuchen den Rätseln des Gastes auf die Spur zu kommen. Und in der Tat, einer findet einen Schlüssel. Wie durch ein Wunder ist es der Wohnungsschlüssel des Gastes.
Erst der eine, dann der andere Performer erkunden das Leben des Gastes im Bett der Volksbühne, als sei es ihr eigenes. Es zumindest sind davon überzeugt, dass es das Ihrige ist. Es ist ein Raten, ein Vorhersehen, ein spontanes daneben Liegen. Es ist aber auch ein Eindringen in die Privatsphäre eines Fremden. Was kann noch mehr Persönlichkeit ausstrahlen als die Wohnung. Daher sind die Performer mit dunklen Augenringen, weisser Haut und sanften rosa Lippenstift geschminkt, haben gelbe oder blaue Fingernägel. Sie erinnern an Clowns, aber auch an Vampire.
Erst am Ende vermengen sich die parallelen Spielorte zu einem. Es ist spannend, manchmal langweilig, manchmal lustig und immer echt.
Gob Squad ist ein deutsch-britisches Performance-Kollektiv, das sich 1994 an der Nottingham-Trent-Universität zusammenfand. Zu den ständigen Mitgliedern gehören Johanna Freiburg, Sean Patten, Berit Stumpf, Sarah Thom, Bastian Trost und Simon Will.
Nächster Termin: 17 Mar 2023 Berlin, Germany, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
Konzept & Regie: Gob Squad, Sounddesign: Catalina Fernandez, Isabel Gonzalez Toro, Videodesign: Miles Chalcraft, Licht: Frank Novak, Bühne: Nina von Mechow, Gob Squad, Prater Studios: Nina von Mechow, Leonard Neumann, Kostüme: Sarah Thom, Ingken Benesch, Frank Salewski, Dramaturgie: Johanna Höhmann, Christina Runge.
Mit jeweils drei der folgenden Performer:innen: Mira Partecke, Sean Patten, Sharon Smith, Berit Stumpf, Sarah Thom, Bastian Trost, Simon Will. Und (einem:r der folgenden Gäste): Vandross Diogo Valéria Alage, Josefin Fischer, Arda Görkem, Rojin Haddad, Janoushka Kamin, Zarah Kofler, Lilith Krause, Fabio Mazzocchi, Yu Sun.
Premiere am 15. Dezember 2022
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
Beitrag von Ursula Drees
Comments are closed.