Im Zuge der apokalyptischen Landschaften und soziologischen Studien von Hieronymus Bosch, sollte Joos van Creasbeeck als genuine Fortsetzung der selben Idee verstanden werden.
Das Bild Die Versuchung des HL. ANTONIUS von Joos van Creasbeeck, entsteht um 1650 und beschreibt die gravierenden gesellschaftlichen, religiösen, geistigen Veränderungen vom Mittelalter in die Neuzeit. Diese Zeit wird durch ein allgemeines Tohuwabohu markiert. Als die katholische Kirche durch Luthers Ansichten erschüttert wird. Als sich der Mensch in das Zentrum des Lebens, des weltlichen Seins stellt. Nicht mehr eine innere, alles umfassende Demut der Schöpfung und dem Natürlichen entgegenbringt. Als sich menschliche Gedanken, Reflexion, Selbstdefinition, -wert und Überzeugung Teil eines Grösseren zu sein in Richtung zentrierte Selbstdefinition verschiebt. „Ich bin das Zentrum allen Seins“.
Große naturwissenschaftliche Erfindungen machen die Mysterien der Welt erklärbar, heben sie aus dem Zyklus des Glaubens heraus. Es wird erfunden, entdeckt, erforscht, experimentiert und alles um ein anders Weltverständnis zu erarbeiten. Die Herrschaft des Menschen über die Natur beginnt.
Das Bild von Joos van Creasbeeck bildet den Umschwung ab. Tiere, Menschen, Landschaften verschieben sich. Es ist ein höllisches Durcheinander. Niemand mehr weiß wo hinten und vorne ist. Kreaturen aus Käfern und Amphibien, hybride Mensch-Tiergestalten, Objekte können mit einem Mal leben und wimmeln durch das Motiv. Der hl. Antonius inmitten des Geschehens, hilflos dem Treiben ausgesetzt. Die Tiere spielen und necken einander, übergroße Eier gebären Schlangennester, es ist eine Vision einer Hölle auf Erden. Alles ist verkehrt. Ein Reiter sitzt anders herum auf einem Tier, eine Mischung aus Huf- und Federtier. Da soll man sich noch auskennen.
Die Vielfalt der Kreaturen ist ein Ausdruck höchster Phantasie. Der Wunsch das innere Chaos in eine Formsprache zu übertragen ist unbändig. Das Auge klebt an den Formen und Figuren, setzt fieberhaft zusammen, schüttelt den Kopf, wird in den Irrwitz hineingesogen. Ein Bild, ein Delirium.
Der hl. Antonius zieht eine asketische, den weltlichen Freuden entsagende Lebensweise allen anderen Lebensstilen vor. Er entsagt Familie, Frau, Kinder, Reichtum, Haus und Hof, lehnt geistige, körperliche, ökonomische Freuden ab.
Er wird durch Satan mit Trugbildern, Halluzinationen malträtiert. Die Dämonen Satans werden auf ihn losgelassen. Es ist ein Sodom und Gomorra, sie prügeln, quälen, sind absurde Mutanten, Geschöpfe des Teufels.
Der heilige Antonius versinkt darin. Ist es Versuchung oder ist es vielmehr Peinigung? Es ist ein schauriger Moment. Wer hat nicht schon mal geträumt, langsam in einem Moor zu versinken. Wenn in Todesangst ein Schrei den Mund weit aufreißt und das Moor hinein lässt?
Ist es der Letzte Schrei eines Heiligen, wenn er begreift, dass seine Welt untergeht? Wir, die Menschen, die alles dran setzen so viel Konsum, Ablenkung und Zerstörung, wie nur irgend möglich, zu verbraten. Es ist uns egal, ob wir den eigenen Lebensraum dabei zerstören, Hauptsache wir fahren einen großen SUV, trinken Champagner, haben die neuesten Techgadgets an Arm und in der Tasche, lachen und tanzen, verprassen und betäuben. Wir sind die satanischen Dämonen, wir peinigen die Natur, wir peinigen auch uns. Aber sind zu beschäftigt, um das zu verstehen.
Gesehen im Original in der Ausstellung „Critical Zones“, ZKM Karlsruhe.
Beitrag von Ursula Drees
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