Eine virtuelle Schnittstelle des Performativen Tanzes mit dem Virtuellen Raum und Publikum
Es ist ein Universitäts- und Hochschulübergreifendes Projekt. Das gamelab.berlin (von der Humboldt Universität Berlin, das Virtual Design Lab der Hochschule Kaiserslautern und der Fulbright Stipendiatin der Stanford University Carly Lave realisierten das Tanzprojekt,
Es geht um Tanz im Virtuellen Raum.
Der Titel Golem zitiert, ein aus der jüdischen Literatur und Mystik stammendes Wesen, das ab dem frühen Mittelalter in Mitteleuropa als, aus Lehm gebildet, verstummt, den Menschen nachgebildet wurde. Ein GOLEM ist eine „formlose Masse, ein ungeschlachter Mensch“ (hebräisch). Aber auch Embryo. Mit schwingt die Bedeutungsebene der Dummheit und der Hilflosigkeit. Was auch sonst, denn dieses menschenähnliche Wesen ist vom Menschen geformt. Ein GOLEM kann zu einer erheblichen Größe heran wachsen und über viel Kraft verfügen.
Ob dieser Hintergrund bei der Performance bedacht wurde, kann nicht gesagt werden. In erster Linie erscheint das Projekt als technologisches Ausreizen der MoCAP Technology, verbunden mit einer Spiel-Engine, die live Daten in das System einspeist. Es geht um die Verbindung der Wirklichkeit und der Virtuellen Realität und um gemeinsamen Tanz. Es geht um Immersion. Nicht nur die innere Einbindung der Tänzer zu dem virtuellen Performer, sondern auch des Publikums, das bei der live Performance, versehen mit VR Brillen Objekte verschieben und manipulieren darf. Ebenso wird eine Schnittstelle zu einer ausschließliche digitalen Inszenierung geschaffen. Dort können mit VR Brillen versehene Zuschauer ebenso im VR Raum die Performance verfolgen, obwohl sie nicht im Aufführungsraum sind, den Uferstudios. Die Performance wurde vom 25.07.2019–27.07.2019 erstaufgeführt.
Es wird mit dem Optitrax Motion Capture System, die Tanzbewegung der Performerin abgenommen, in einen live gerenderten Raum übertragen (Unity Game Engine). Die Tänzerin soll mit ihrem virtuellen Konterfei tanzen, gerne auch interagieren, wie es so schön in der Branche heißt. Aber es geht tatsächlich um den gemeinsamen Tanz mit dem Wirklichkeits-Ich-Tänzer. Bei Motion Capturing stand nur 1 Anzug zu Verfügung, deshalb gibt es auch entsprechend einen individuellen Virtuellen Tanz-Repräsentanten, der vervielfältigt wird.
Die Virtuelle Figur wird durch eine eigentümlich exakte Körperlichkeit, mit entsprechend realistisch anmutender, aber dennoch artifizieller Oberfläche realisiert. Die Übertragung der Gesten und Gebärdensprache ist so genau, wie es die Technik zulässt. Das führt zu Abweichungen der Anatomie. Manchmal sind Beine verwinkelt und vermitteln den Eindruck eines Bruchs. Die personifizierte Beschaffenheit des GOLEMS findet einen inhaltlichen Bezug. Es ist ein grobes Wesen, körperlich überhöht, aber dumm, ungebildet. Nichtsdestotrotz kann es eine erhebliche Kraft entwickeln.
Dennoch darf die formale Beschreibung hinterfragt werden. Wird eine gewinnbringende künstlerische Intervention für das menschliche Abbild im VR Raum dargestellt? Oder darf mit Bedauern eine ausschließlich inhaltliche Schnittmenge fest gestellt werden.
Der Raum wird erweitert, der Mensch findet eine artifizielle Verortung, der Avatar findet Bewegungen und eine aus künstlerischer Sicht kritisch zu betrachtende formale Beschreibung. Die Tänzer in der Wirklichkeit, in den Uferstudios Berlin, werden bei der Live Performance durch die Zuschauer, platziert am Rand der Tanzfläche, in beiden Realitäten betrachtet. Eine vor Kopf angebrachte Leinwand projiziert den virtuellen Raum.
Im virtuellen Raum wird die Welt des GOLEM durch ein experimentelles Soundsystem namens GHUNGHRU begleitet. Es geht nicht darum, Musik zu erschaffen, es geht darum, Geräusche und Geräuschkulissen hörbar zu machen. Diesen Hörbildern liegt die Idee der Hinduistischen klassischen RAGA Tonmodulation zu Grunde. Sie werden durch Stimme und modularen Synthesizern der Performance zugespielt.
Die Virtuelle Umgebung der GOLEM VR Welt wurde durch die Studierenden des Fachbereichs Virtual Design an der Hochschule Kaiserslautern realisiert. Es sind blaue und geometrische Welten, sie sind in einer hierarchischen, aber in sich verschwimmenden Staffelung zu einem perspektivischen Raum geformt. Dieser Raum bleibt hell, Kontraste fehlen, alles verschmilzt in blauen Schattierungen und Geometrien. Die Formen sind einfach, fast schon einfältig. Sie zitieren eine weitere Ebene des GOLEM, so wird gehofft.
Diese Art der Tanzperformance ist nicht die erste in der Reihe von Verschmelzung von Virtueller Raum mit der Wirklichkeit, live Tanz mit direkter Übertragung in die Virtualität, oder der Möglichkeit als Zuschauer eine Veränderung des Exterieurs des projizierten Raums durchzuführen. Aber es ist ein Beispiel, dass die Tanzszene mehr und mehr den Zugang zur Technologie forciert. Dass der architektonische Raum nicht mehr nur als alleiniger Gestaltungsraum erkannt werden kann. Wahrscheinlich werden in wenigen Jahren diese Technologien in den Opernhäusern und anderen Bühnenorten eingeführt werden. Noch ist es Avant Garde.
Idee, Gestalt und Konzept
Choreografie: Carly Lave, Berlin (DE) > www.carlylave.com
Dramaturgie: Florence Freitag
Brand Design: Will Hamilton
Sound Design: Arushi Jain
Mitwirkende
gamelab.berlin, Humbold Universität, Berlin (DE) > www.gamelab.berlin/de
Virtual Design Department, Hochschule Kaiserslautern,
Kaiserslautern (DE) > www.hs-kl/virtual-design
TänzerInnen/PerformantInnen
Melissa Ferrari, Cheng-Jung Tsai, Janan Laubscher, John Snyder
Bühne
UFERSTUDIOS, Berlin (DE) am 25.07.2019–27.07.2019
Fotografien:
gamelab.berlin, Humbold Universität, Berlin (DE) > www.gamelab.berlin/de
Virtual Design Department, Hochschule Kaiserslautern,
Kaiserslautern (DE) > www.hs-kl/virtual-design
Beitrag von Professor Ursula Drees
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