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Prof. Dr. Hahn, Erlebnislandschaften: 13. Szenografie Kolloquium in der DASA, 2013, Dortmund


Prof. Dr. Hahn auf dem Podium beim 13. Szenografie Kolloquiums in der DASA 2013. Fotografie von U. Drees

Prof. Dr. Achim Hahn von der Technischen Universität Dresden, Institut für Baugeschichte, Architekturtheorie und Denkmalpflege spricht über Erlebnisräume. Was bedeutet Erlebnisraum? Ist es ein Ort des Erlebens, wo ERLEBEN gemacht, hergestellt, produziert wird. Gibt es das Produkt Erlebnis? Können wir Erleben gestalten, verkaufen, garantieren und vermarkten? Wenn es geplantes Erleben gibt, dann muss es auch ein Forum dafür geben. Und stellt sich die Frage nach der Erlebnisgesellschaft. Er fragt nach der Beschaffenheit der Erlebnisgesellschaft und nach der Qualität des Erlebens in diesen gestimmten Räumen, Environments, Architekturen, Landschaften. Was bedeutet Erleben? Ist es eine Kompetenz des Körpers, des Leiblichen? Wie kann Erleben gemessen werden? Kann es überhaupt gemessen werden? Gibt es vergleichbare, verlässliche, zeitunabhängige Parameter dafür.  Jeder Mensch erlebt anders. Gemäss seiner Herkunft, Sozialisation, Bildung, Überzeugungen, Vorlieben und Begabungen. Wie soll Erleben gemessen werden?


Screenshots von Prof. Dr. Hahn’s Präsentation beim 13. Szenografie Kolloquiums in der DASA 2013. Man sieht eine Karte zur Orientierung im Freizeitpark Belantis bei Leipzig. Fotografie von U. Drees

Und mit dieser Erkenntnis dass Erleben als Prozess oder Ereignis oder Ergebnis kaum messbar ist, bleibt festzustellen, dass es eine Erlebniskultur zwar gibt, sie in aller Munde ist, aber das Erleben für diese Gesellschaft kaum fassbar ist. Wir kaufen Erlebnisse als Geschenk, wie Fallschirmspringen, Abenteuerurlaube, Detektivabendessen und gehen in Erlebnisparks, Erlebnisferien, Erlebnisausstellungen. Daher stellt sich die Frage, ob äussere Umstande so funktionalisiert werden können, dass ein inneres Beleben also Erleben statt findet?


Screenshots von Prof. Dr. Hahn’s Präsentation beim 13. Szenografie Kolloquiums in der DASA 2013. Ein kleines mittelalterliches Dorf, wobei die Fassaden Attrappen sind und die Rückseite nicht für die Augen der Besucher gestaltet wurden im Freizeitpark Belantis bei Leipzig. F

otografie von U. Drees
Beim Erleben geht es also um das Innere. Das Innen gibt eine Orientierung vor. Dort findet etwas wie Bereitwilligkeit zum Erleben statt. Es ist die Orientierung des Inneren die den Menschen veranlasst, Gefühlsäusserung wie z.B. „Das finde ich toll“, „Das ist so schön weit“ oder „Die Enge war so wie Zu Hause, das erinnert mich an Wärme und Geborgenheit.“ zu äussern. Erleben will nicht nur gewollt werden, Erleben bezieht sich auf Etwas in vielen Fällen bereits Vergangenes.

Ist das gewollte Erleben das zentrale Lebensziel der Erlebnisgesellschaft? Im Gegensatz zu vorgehenden Generationen haben sich die Lebensziele von z.B. Vorstellungen über einen Teil eines starken Staates zu sein, oder Autoritätsliebe oder Selbstdisziplin oder Anreicherung von Besitz dem persönlichen Erlebnis zugewendet. Die Frage nach Glück, nach Selbstverwirklichung rückt als zentrales Thema in das Bewusstsein. Freiheit, Selbstbestimmung und Individualität sind die heutigen Werte und der Motor zum Handeln und zum Konstruieren des Lebens.

Meine Mitschrift zum Vortrag. Theoretische Auseinandersetzungen zu erfassen bedeutet wichtige Stichpunkte mitschreiben. Sonst gewinnt das Vergessen.  Je mehr Information, desto weniger Zeichnung. Meine Mitschriften werden sich ändern. Die letzten Beiträge sind dann bereits Landkarten. 

Wie entsteht Erleben. Erleben hat mit Gefühlen zu tun. Gefühle werden an konkrete Bewegungen und Räume gebunden. Man hört ein Musikstück aus der Jugend und erinnert das Gefühl und die Erfahrung, vielleicht Liebeskummer oder -glück. Der Geruch eines Neuwagens erinnert an das erste eigene Auto und die gewonnene Erfahrung von Freiheit. Erleben ist an Erinnerungen von etwas speziellen gebunden. An Räume und diese sind leiblich zu spüren: Wohlbefinden oder das Gegenteil, Furcht Beklemmung, Freude und Heiterkeit. Kommt ein Mensch in einen Raum, der diese bestimmte Beschaffenheit aufweist, dann wird neben der Erinnerung auch das Gefühl eines Erlebens also einer inneren Beteiligung ausgelöst. Man spricht von Atmosphäre.

Wenn der Mensch auf das Erleben konzentriert ist, wie kommt er dann dazu? Muss Erleben geplant werden? Kommt es in der Erlebnisgesellschaft zu einem Vorgriff der Erlebnistauglichkeit von Leben. Werden Konstruktionen zu Erlebnistauglichkeit entwickelt? Erlebnisparks, Erlebnisgelände, Erlebnisräume? Dr. Hahn dazu: „Werden Erlebnisse, Atmosphären und Stimmungen als Dinge und Objekte begriffen? Erleben besagt zuerst: noch am leben sein, wenn etwas geschieht. Und das Erlebte kann einer nur selbst erleben. Niemand kann uns darin vertreten, Erleben setzt also Anwesenheit voraus. Aber Dabei-Sein ist nur die notwenige Voraussetzung für ein Erlebnis. Es ist nicht hinreichend. Denn nicht jedes Dabei-Sein wird zu einem Erlebnis. Erst die erschließende Leistung eines Erlebnisses hebt dieses von allem sonstigen Erleben ab. Wie dieses Leisten möglich ist und welches Potential dabei sogenannte Erlebnislandschaften bieten sollte kritisch unter die Lupe genommen werden.“

Mit dieser Frage im Gepäck hat das Team von Dr. Hahn zwei Erlebnisparks, den Erlebnispark Belantis bei Leipzig und Kulturinsel Einsiedel ein Abenteuerfreizeitpark in der Nähe von Görlitz genauer betrachtet. Die landschaftliche Architektur wurde nach baulichen und architektonischen Gesichtspunkten, nach ästhetischen, nach aktiver Einbindung, der Ruhe, der Anteilhabe und Aktion untersucht.

Das Tal der Pharaonen in Erlebnispark Belantis in der Nähe von Leipzig. Eine Wildwasserfahrt durch eine 34 Meter hohe Pyramide führt  in einen künstlichen Teich. © Belantis Website
Belantis besteht aus verschiedenen Themenwelten und erinnert im Aufbau und der Präsentation an Disney World. Es gibt das Schloss Belantis, das Tal der Pharaonen, den Strand der Götter, das Land der Grafen, die Insel der Ritter, die Küste der Entdecker, die Prärie der Indianer und das Reich der Sonnentempel. Rutschen mit und ohne Wasser, Achterbahnen, Karusselle, Springburgen und Rennbahnen. Ein grosses Spektrum an Freizeitgestaltungsmöglichkeiten und Erlebnisangeboten wird gemacht. Dieser Park ist gross und gut ausgeschildert, es gibt Cafes, Shoppingmöglichkeiten und Karten zur Orientierung.

Poseidons Flotte aus dem Erlebnisbereich Strand der Götter © Belantis Website

Götterflug, Die neue Generation der Fahrattraktionen macht`s möglich: Du selbst entscheidest, wie rasant Dein Flug wird! © Belantis Website
Die Kulturinsel Einsiedel ist im Besitz von Jürgen Bergmann, der selbst seit ca. 30 Jahren auf einem Waldbauernhof lebt. Am 1. Juli 1990 wurde sie ins Leben gerufen und im Laufe der Jahre um die umliegenden Grundstücke erweitert. In den folgenden Jahren wurde die Kulturinsel ständig erweitert. Hier findet man einen verspielten Abenteuerspielplatz vor. Etwas uneinsichtig, es gibt Baumhäuser und Höhlen zum Erkunden, langsam durch die Jahre gewachsen. Aufführungen, Theater, Musikveranstaltungen finden dort auch statt.


Beide Bilder Kulturinsel Einsiedel in Zentendorf (Deutschland) © Mike Krüger
Zwei unterschiedliche Orte mit den gleichen Ziel: Erlebnisorte zu sein.

Nach der Bestandsaufnahme wurden Besucher nach ihren Erlebnissen befragt. Nicht direkt nach dem Verlassen des Parks sondern nach einigen Tagen und mit ihrer Zustimmung. Es wurden Geschichten von Vergangenheit mit den Eindrücken des Parks verbunden.  Es ging immer um ein Mensch – Welt – Erleben in Kombination mit der eigenen Geschichte und des eigenen Wissens. Daraus konstruierte sich ein Erlebnis. Demnach können Erlebnislandschaften mit biografischen Erleben abgestimmt sein. Die räumlichen Erlebnislandschaften müssen an die früheren Erfahrungen anknüpfen.  Der eine erinnert sich an Spiel in Wäldern und Baumhütten, die anderen an den kleinen Hobbit, wieder andere an Walt Disneyartige Szenerien. Und so weiter…

Assoziationen, Erinnerungen, Stimmungen werden abgerufen und zu einem neuen Erleben und einem neuen Erlebnis werden. Der Raum ist eine Art Marker, ein Grenzstein für das Erleben. Eine automatisierte Erinnerung und Neukonstruktion eines Erlebens ist nicht garantiert. Ursache und Wirkung sind nicht fest umrissen und können nicht wie ein Regelwerk eingesetzt werden. Was aber immer vorhanden sein muss ist ein Mensch, der mit Offenheit und Wachheit durch den Raum geht und der Erlebnismöglichkeit entgegen steuert. Atmosphäre jedoch wird nicht als relativ wahrgenommen.

Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Nach dem Vortrag unterhielt ich mich mit Prof. Oliver Langbein und wir waren uns nicht ganz schlüssig, was wir denken und was wir mit dem Wissen anfangen sollten.  Es entsprach unserer Vermutung. Und wir fühlten uns bestätigt, aber nicht erstaunt.  Wunderten uns und fragten uns, ob das ganze Unternehmen überhaupt Sinn macht, wenn wir doch schon wussten, dass es so ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach wenigstens. Ich habe dann nachgedacht. Und jetzt weiss ich, was mich an diesem Vortrag beeindruckte. Die Tatsache nämlich, dass ein Versuch zur wissenschaftlichen Nachweisbarkeit angegangen wurde einerseits und auch die Lösung, die jetzt vielleicht nicht mehr nur Vermutung oder Menschenkenntnis ist. Das ist ein Sieg der Wissenschaft.

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