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la chute von Boris Labbé

Fotografie von MvT

Dantes Göttliche Komödie wurde im Jahr 1307 begonnen und aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 1321 fertig gestellt. Die Divina Commedia, das bedeutendste Werk der Dichtung in der italienischen Literatur, geschrieben von Dante Aligheri. Es wird als Weltliteratur angesehen und beschreibt jenseitige Reiche von der Hölle, dem Inferno, zum Sündenpfuhl, Fegefeuer bis hin zum irdischen Paradies und dem Garten Eden.

Durch diese verschiedenen Gebiete leitet ein Führer. Zum Beispiel ist der römische Dichter Vergil jener, der durch die Hölle führt. Der Dichter Statius geleitet durch den Bußbereich der Geizigen. Vergil führt zum jüngsten Gericht. Es endet am Baum der Erkenntnis und am Brunnen der Läuterung.

Dante Aligheri´s Werk ist schon seit Menschengedenken ein Werk der bildenden Kunst. Es ist voller Bilder, innerer und äußerer, es ist poetisch und opulent. Und metaphorisch. Diese Poesie ermöglicht bildenden Künstlern Interpretationen.

Fotografie von MvT

So ließ sich auch der junge Grafik- und Animationskünstler Boris Labbé von diesem Werk verzaubern und inspirieren.  Er löst sich von einer sturen Übersetzung  und findet seine eigene Göttliche Komödie.

Dafür legt er unzählige Zeichnungen mit Papier, indischer Tusche und Wasserfarbe an, überträgt sie ins digitale, invertiert und erstellt einen Stop Motion Movie. Ungefähr 3500 originale Zeichnungen mit dem Format 30 × 42 cm entstehen. Der Kurzfilm selbst in 2K-Auflösung, mit 24 f/s und 5.1 surround Sound dauert 14:22 min. Für die Musik ist Daniel Ghisi verantwortlich. Bei einem gemeinsamen Künstleraufenthalt lernten sie sich vor einigen Jahren kennen. Die Freundschaft mündet in diese kreative Zusammenarbeit.

Fotografie von MvT

Der Künstler Boris Labbé setzt sich intensiv mit Farben auseinander. Seine Aquarellzeichnungen werden durch wenige Farbtupfer akzentuiert und der Blick, das Auge reagiert. Die transparente, leichte Wassertechnik des Aquarellierens in eher schwarz-weiß gewinnt durch diese Farbtupfer. Die Bilder mit ihren leicht verlaufenen Farben assoziieren Unschärfe. Die Farbtupfer vermischen sich mit dem Wasser, bluten vielleicht noch ein wenig nach, ziehen an den Fasern des Papiers entlang.  Der Anblick vom Fegefeuer erscheint nicht nur rot, sondern ein wenig blutig. Für alle Szenen wird mit dieser Sensibilität farblich umgegangen und es entsteht eine weitere anspruchsvolle Interpretation von Dante Aligheri’s Göttliche Komödie.

Gesehen im ÖK, anlässlich der Ars Electronica und der Vergabe des Prix Ars Electronica, der goldenen Nica. Diese Animation erhielt eine Auszeichnung.

 

Fotografie von MvT
Beitrag von Margarete von Trifft (MvT)

Gastautorin Dr. Margarete von Trifft  studierte Soziologie und Kunstgeschichte, später freie Kunst an der Universität der Künste in Berlin und promovierte in den Bildwissenschaften. Es ging um die Virtualität der bildlichen Ausdrucksformen, des flüchtigen Bildes. Professor Ursula Drees lud sie ein, auf der Ars Electronica in Linz für den MediaArtBlog plusinsight zu schreiben.

Die Photographien wurden von der Leinwand im OK, Linz anlässlich der Ars Electronica mit einem Handy von Margarete von Trifft aufgenommen. 

Wer ein bisschen mehr erfahren will, der sollte dieses Interview anschauen.

 

„Tropics“ von Mathilde Lavenne (FR)

In Tropics geht es um mexikanische Farmen und ihre Bewohner, die mit verstreuten Stimmen, Erinnerungen, Vergangenes und Erlebtes erzählen. Die Bilder selbst, in schwarz-weiß gehalten, scheinen Traumbilder zu sein. Sie sind tief und mystisch. Es fühlt sich an, als würde die Zeit angehalten.  

Es geht um die im 19. Jahrhundert aus Frankreich kommenden Auswanderer, die mit Booten den Atlantik überquerten und in Mexiko, genauer am Rio Filobobos neu siedeln. Diese Region ist in der Nähe von Veracruz. Die französischen Familien, Bauern, kultivierten trotz des schwierigen tropischen Klimas und der tropischen Vegetation große Flächen für die Landwirtschaft. Während der spanischen Eroberungen wurde Mexiko zu einem Land der Träume. Landarbeiter aus Frankreich, als Europa malten sich eine blühende wenn auch gefährliche Natur aus, die mit Mut und Fleiß zu Unabhängigkeit und Wohlstand führen würde. Diese Eroberer wollten nicht nur Wissen vermitteln, nicht nur das Land kultivieren, sondern auch den katholischen Glauben verkünden. Es waren Bauern und Missionare.

Die Einwanderer oder eher Konquistadoren entdeckten eine fremde Vegetation, sie stellten andere neue pflanzliche Heilmittel her. Das Land war verheißungsvoll und zerstörend gleichermaßen. Es war gefährlich, aber gelobt.  

Die Künstlerin gibt der Vergangenheit den Erinnerungen und Familiengeschichten eine Stimme. Und ein Bild. Erinnerung vom Tod, vom Leben, von Verstorbenen heben die zeitliche Ordnung auf. Es werden Geister eines verlorenen Paradies belebt.

So spricht die Stimme, der Erzähler, von dem Autounfall, indem sein Vater verstarb. Vor 30 Jahren fand dies statt. Die Stimme, selbst ein Junge damals, ist im Wagen. Er beschreibt den Moment des Unfalls, wie er Geister sieht, Geister die aussehen, als kämen sie aus einem Harry Potter Film. Er spricht: „Vater hilf mir“. Der Vater küsst ihn und antwortet: „Jetzt wirst du leben“. Eine alte Frau erscheint in der Erinnerung. Die Stimme sagt, dass niemand wusste, dass sie tot sei. Und so spricht jener Mann, der sich erinnert, von seiner Gabe, Tote zu sehen. „Ich sehe Menschen, weiß nicht, dass sie tot sind, sie tragen Kerzen. Jahre später bin ich wieder an diesem Ort….“ Es ist die Geschichte von Toten.

  

Im Januar 2017 reist die Künstlerin nach Mexico und besucht einige Familien, die seit Generationen schon dort leben und arbeiten, direkte Abstammen der Einwanderer. Es ist die koloniale Vergangenheit, die sie zu entdecken wünscht. Sie will sehen und hören, wie westliche Gedanken und Vorstellungen in den Familien weiterleben. In der Tat erlebt sie erstaunliche Stunden. In den Familien lebt die Vergangenheit durch Objekte weiter.

Während der Regenzeit wird der Rio Filobobos zu einem gefährlichen, reißenden Gewässer,  tritt über seine Ufer und bedroht das Land, die Dörfer, die Arbeit und Bewohner. Gleichzeitig werden Tonwaren, bemalte Skulpturen oder andere Artefakte und Objekte an das Ufer gespült, Zeugen einer vergangen Zeit. Diese Dinge waren Gegenstände der Anbetung. Sie wurden von den damaligen Urbewohnern hergestellt, von den Siedlern gefunden und gesammelt, und sind heute noch in ihren Häusern zu finden. Diese Erinnerungen, eine ursprüngliche Naturweisheit verbindet sich unzertrennbar mit dem Wissen der Ankömmlinge und der Generationen danach. Es geht um die Gesetze der Natur, um Sonnenkalender, um saisonale Anbetungen.

Dieser Film zieht den Betrachter in einen Bann. Die Erinnerungsstimmen vermengen sich mit den Bildern und erschaffen eine mystische, geheimnisvolle Welt.

Die Künstlerin interessiert sich für anthropologische Dimension solcher Gesellschaften. Es geht um die Beziehung zwischen Mythen und dem Kosmos, als Wurzen für Glaubensansätze. Für diesen Film verwendete sie einen FARO Scanner der normalerweise in der Architektur zum Gebäudescann verwendet wird.

Sie platzierte ihn an Orten, die sie auf Karten entdeckte und erwanderte. Diese Scanner stellen mit weißen Punkten auf schwarzen Hintergrund rudimentäre 3 Dimensionale Abbildungen her. Die Bilder werden übereinander montiert und gelagert. Es ist als schauten wir in Erinnerungsbilder. Normalerweise werden solche Abbildungen mit Infrarotmasken oder Nachtaufnahmen assoziiert. Hier derweil fehlt der grüne Ton, die solche Bilder charakterisiert und das gibt dem Betrachter das Gefühl, als schaute er durch Materie in etwas Unsichtbares.

T R O P I C S – Gewinner der Goldenen Nica auf der Ars Electronica.

Beitrag von Margarete von Trifft (MvT)

Gastautorin Dr. Margarete von Trifft  studierte Soziologie und Kunstgeschichte, später freie Kunst an der Universität der Künste in Berlin und promovierte in den Bildwissenschaften. Es ging um die Virtualität der bildlichen Ausdrucksformen, des flüchtigen Bildes. Professor Ursula Drees lud sie ein, auf der Ars Electronica in Linz für den MediaArtBlog plusinsight zu schreiben.

Die Photographien wurden von der Leinwand im OK, Linz anlässlich der Ars Electronica mit einem Handy von Margarete von Trifft aufgenommen. 

Crossing the Rubicon von Jason deCaires -Taylor

DeCiares – Taylor wurde 1974 als Sohn eines Engländers und einer Guyanesischen Mutter geboren. Er studierte am London Institute of Arts und graduierte mit einem BA Honours. Er ist nicht nur bildender Künstler, er ist auch Unterwasser Photograph und überzeugter Naturschützer. Diese Interessen und Fertigkeiten finden in seinen Arbeiten einen Ausdruck. Er entwickelt Unterwasser Museen oder Skulpturen Parks. Das macht er seit 10 Jahren und mittlerweile lassen sich 850 Skulpturen in [1]Cancun Mexico, Nassau in den Bahamas, Moilinere Bay in Granada, Las Colorrads in Lanzarote, an der Themse in London und in Canterbury in Kent im und am Wasser finden und besuchen. Manche dieser Skulpturengruppen sind auf 4-8 m Tiefe angelegt, andere wie die in Grenada lassen sich auch beim Schnorcheln, ruhiger See und klaren Wasser bei 5 Meter Tiefe betrachten. Die Installationen an der Themse in London stehen am Rand des Flusses und werden je nach Tidenhub sichtbar oder verschwinden zu Teilen im Wasser. Seine Arbeiten stellt er an Orten aus, wo ökologische Systeme aus der Balance geratenen sind.

Jason DeCiares – Taylor befindet sich künstlerisch an der Schnittstelle zu Land Art[2]und politischem Einsatz für die Umwelt. Seine Arbeiten adressieren den menschlichen Umgang mit natürlichen Ressourcen dieser Erde, unserem Lebensraum. Die Skulpturen stehen auf dem Meeresgrund. Dort wo sie verankert sind, siedeln sich Unterwasserkulturen an. Er schafft artifizielle Korallenriffe. Die Menschenskulpturen sind aus Beton und stehen in einer Tiefe von 15 Metern auf dem Meeresboden vor Lanzarote. Sie stellen einen Teil des ersten Unterwassermuseums dem „Museo Atlantico“[4]Europas dar.

Die Installation Crossing the Rubincon zeigt wie sich Menschen auf eine Mauer zu bewegen, einige stehen schon nah dran, andere sind noch auf dem Weg. Es ist ein langsamer Strom von Menschen. Ob sie zu stoppen sind? Ist dies eine Metapher zum unaufhaltsamen Klimawandel? Ist die Menschheit im Begriff einen unumkehrbaren Schritt zu machen? Die Mauer selbst weist abstrahierte Baumornamente auf. Sie stehen säulenhaft und groß vor den breiten Trennstäben, die nur durch einen einzigen Durchgang durch schritten wird. Drei Treppenstufen und dann ist der Mensch auf der anderen Seite. Was tun die auf das Tor zustrebenden Menschen? Manche schauen auf ein Buch oder ist es ein Tablet, andere schreiten mit Händen in den Hosen- oder Jackentaschen voran, halten die Hand eines Partners oder eines Kindes. Es ist eine ruhige Prozession. Und alle gehen mit geschlossenen Augen. Sie wollen nichts sehen.

„Den Rubikon überschreiten“ bedeutet einen gefährlichen, entscheidenden und unumkehrbaren Schritt zu machen. Es ist der „Point of no Return“. Diese Redewendung wird auf eine Begebenheit über [1]Julius Caesar 49 v.CH. zurück datiert. Der Rubicon ist ein kleiner Fluss, der die nördlichen keltisch römischen Provinzen unter der Herrschaft des Prokonsuls Julius Cäsars von den südlich italienisch-römischen trennt. Wer diesen Fluss überschreitet, verletzt Landesgrenzen, macht sich unweigerlich zu einem Feind des Staates und des Senats und ruft einen Kriegszustand hervor. Als Caesar den Rubicon überschreitet, ist er sich bewusst, dass dies einer Kriegserklärung gleich kommt. Nach 5 Jahren Bürgerkrieg krönt sich der siegreiche Julius Caesar zum Kaiser des Römischen Reiches und die Ära der Römischen Republik gilt als beendet.

Frauen Männer, Kinder, Jugendliche, sie streben in eine Richtung. Was ist vor der Mauer, was ist dahinter? Wird eine unsichtbare Grenze überschritten? Um welche Grenze dreht es sich? Eine Ländergrenze, eine geistige Grenze, eine historische Grenze oder eine zukünftige Grenze?

[1]Richard A. Billows (2011): Julius Caesar: The Colossus of Rome, ROUTLEDGE, London, UK. S. 1-2.

[1]http://www.underwatersculpture.com/projects/museo-atlantico-lanzarote/am 29.10.2017

[2]Land Art thematisiert die Beziehung Mensch und Umwelt. ES handelt sich um eine Kunst mit und in der Natur. ES werden Veränderungen und Eingriffe in die abgeschiedene Landschaft durchgeführt. Wichtige Vertreter der Land Art sind Robert Smithson, Richard Ling, Charels Ross oder James Turrell.

[4]Das erste Unterwassermuseum „Atlantic Ocean“ wurde durch das Kunst- Kultur und Tourismus Zentrum der Cabildo von Lanzerote und dem Ministerium der kanarischen Inseln (The Art, Culture and Tourism Center of the Cabildo of Lanzarote „CACT“ and the Government of the Canary Islands) finanziert.

„Faust“ von Anne Imhof, auf der Biennale Venedig 2017, der Deutsche Pavillon.

Dieser Beitrag behandelt die Installation, Performance, Kunst von Anne Imhof im Deutschen Pavillon der Biennale in Venedig 2017.

Die Künstlerin

[1]Anne Imhof wurde 1978 in Gießen geboren, studierte in der Hochschule für Gestaltung in Offenbach Fotografie[2]und graduierte 2012 an der Städelschule in Frankfurt am Main. Sie malt, zeichnet, nimmt die Videokamera zur Hand und macht Musik. Installationen, Performances charakterisieren ihr Werk. 2013 erhielt sie ein Atelierstipendium der hessischen Kulturstiftung in Paris, 2015 den Preis der Nationalgalerie, 2016 lehrte sie als Gastprofessorin an der Akademie der Bildenden Künste München. Ihre Arbeiten wie die Oper „Angst“ wurden in Basel, Berlin, Montreal gezeigt. Performances wie „The School of the Seven Bells“, „Aqua Leo“, „Rage“, „Deal“ wurden u.a. in Einzelausstellungen im MOMA PS1, dem Carré d’Art – Musée d’art contemporain de Nîmes (2014) und in New Jersey, Basel und dem Portikus, Frankfurt am Main (2013) aufgeführt.

Abb.: 01 Eliza Douglas and Franziska Aigner in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Faust
aufgeführt anlässlich der Biennale 2017 in Venedig im Deutschen Pavillon

In den Pavillon geht es über den Seiteneingang und dort korrigieren Türsteher des [3]Offenbacher Technoclubs Robert Johnson akribisch die Menge. Wohlbemerkt Seiteneingang, das mutet kurios an, ein wenig verwirrend. Und dann wird der Besucher auch noch von dem Nightclubpersonal energisch herum geordnet. So schnell kann Macht ausgeübt werden. Eine Panzerglasplatte versperrt einen Teil des Portikus des Deutschen Pavillons, den Eingang zur Halle. Und dort wo der Besucher nicht hineinkommt, sind links und rechts mit Glas und Gittern von den Menschen getrennt, Hundezwinger hochgezogen. Einige Dobermänner laufen hin und her, manchmal spielen sie mit einem Bällchen oder sie nähern sich den Stäben, davor stehen Besucher. Es sind bewundernswerte Hunde, schön und elegant in der Form, schlank und schmal, schwarz und braun in der Fellfärbung, natürlich zeigen die Passanten Respekt und schrecken für einen winzigen Moment vor ihnen zurück. Der Dobermann wird als scharfer Wachhund mit Killerinstinkt in Filmen wie „Der Hund von Blackwood Castle“, „Eyes of an Angle“, „Dobermann“ als Gangster, „True Lies“[4]als kaltes Biest gezeigt. In Brandenburg steht die Rasse auf der Liste der gefährlichen Hunderassen (aber nur in diesem einen Bundesland). Es weckt Assoziationen. Wer kontrolliert die Hunde? Wo sind die Halter? Gibt es die sichere Machtverteilung Herr und Hund, Hund und Gefährte, Freund? Besteht die alte Ordnung der Unterwerfung der Natur und ihrer Kreaturen oder sind die Hunde gleichberechtigter Teil des gezeigten Kunstkosmos? Haben sie noch ihre Aufgabe des Schützens und Verteidigens? Sollte dies bejaht werden, wer oder was wird geschützt oder verteidigt? Sind es die Menschen im Innenraum? Ist es das Gebäude des deutschen Pavillons? Ist es die Idee des Gebäudes[5]? Ist es die Kunst? Ist es die Gesellschaft?

Der Deutsche Pavillon

Der Deutsche Pavillon auf der Biennale in Venedig gehört zu den ersten. Schon 1905 wurde er ursprünglich als Bayrischer Pavillon vom venezianischen Architekten Daniele Donghi  im neoklassizistischen Stil erbaut. Erst 1938 erlangte das Gebäude durch den von Hitler begünstigten Architekten Ernst Haider[6]seine nationalsozialistische Form. Der Giebel wurde abgerissen und durch einen Architrav, einen waagrecht auf Säulen aufliegenden Balken ersetzt, aus den runden schmalen Eingangssäulen wurden imposante rechteckige Pfeiler. Der großen Halle fügte man eine halbrunde Apsis im hinteren Bereich an und schaffte den notwendigen Eindruck von Monumentalität. Der zierliche Bau verwandelte sich zu einem streng geometrischen „Führerbau“ mit der Aufschrift „Germania“. Eine Herausforderung für Künstler, er ist nicht neutral, und nicht nur einmal wurden Stimmen laut, diesen Bau abzureißen, steht er nicht mehr für die Deutschen Ideale und durch eine zeitgemäße Architektur zu ersetzen.

Abb. : 02 Der Deutsche Pavillon in Venedig © Frank Kaltenbach

[7]„Ich denke, dass das Gebäude in seiner Brutalität spürbar ist. Und das Gebäude in seiner Härte wollte ich weiterhin offen gelegt und transparent lassen. Das ist zum einen sichtbar in der Materialität des Glases und zum Anderen passiert dadurch natürlich ein Einschluß.“ So Anne Imhof.

Abb.: 03 Der Grundriss des Deutsche Pavillons in Venedig © Frank Kaltenbach

Der Pavillon ist leer. Nur eine gläserne Decke hüfthoch angebracht, ein doppelter Boden teilt die Halle. Einige Wandvorsprünge, Podeste, ebenfalls gläsern, sind auf Kopfhöhe angebracht. Vereinzelt Objektlandschaften auf dem Boden, getrennt durch die Glasdecke. Ein leeres Gebäude, die Wucht dieser Halle wird nicht verkleidet, versteckt, entfremdet, zerstört. Es gibt keine Verstecke oder Kuschelnischen. Ein großer Raum, nackt, kühl, überlegen und transparent. Aber nicht leer. Neben den Besuchern bewegen sich auch die vierzig köpfige Gruppe aus jungen, sogar jugendlichen, vielleicht androgyn zu bezeichnenden Männern und Frauen, Tänzer und vor allem Vertraute und Freunde der Künstlerin scheinen dort zu existieren im Raum. Eine 4- 5 stündige Performance findet statt. Manchmal sind die Künstler eher wie ausgestellte Statuen, dann wieder kommt Bewegung auf, die Gruppe löst sich auf, verteilt sich und der Überblick geht verloren.

Im Gespräch mit [8]Silke Hohmann, Redakteurin des Kunstmagazins Monopol in Berlin spricht Anne Imhof von den langjährigen Beziehungen zu dem Tänzern schon lange vor einer Zusammenarbeit. Sie vergleicht die Arbeit mit den Tänzern mit dem Verhältnis von Musikern in einer Band. Jeder hat eigene Vorstellungen, und durch Vertrauen finden sich Wege, diese Vorstellungen zu verbinden. Die Arbeiten und Performances, Aufführungen entwickeln sich als stetes Aushandeln zwischen Regisseur und Künstler. Die innere Struktur wird von Anne Imhof geschaffen. Sie spricht von einem freien Konstrukt. Es geht ihr bei den Proben um Bilder. Einige Bewegungen sind geplant, aber vorrangig sollen Bilder geschaffen werden. Sie kommt von der bildenden Kunst, nicht vom Tanz.

„Viele der Performer kenne ich schon lange und wir haben erst später angefangen zusammenzuarbeiten. Das Vertrauen war also schon da. Es gibt auf jeden Fall eine geteilte Vorstellung für die Dinge, die passieren. Insofern verbindet uns mehr als ein professioneller Zusammenhang, es geht schon eher in die Richtung einer Band“, so Anne Imhof.[9]

Abb.: 04 Eliza Douglas, Franzsiak Aigner, Stine Omar, Lea Welsch, Theresa Patzschke in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

[10]„Mir ist ganz wichtig, dass jeder in jedem Moment Herrschaft über sein eigenes Tun hat. Dass sie oder er die Entscheidungsgewalt hat über den nächsten Schritt oder die Möglichkeiten, die sich aus der Situation ergeben. Aus dieser Freiheit heraus entstehen Momente, die für meine Arbeit relevant sind. Das heißt nicht, dass ich die Kontrolle abgebe. Es gibt aber eine feste Struktur, in der das alles abläuft – eine Art inneres Gesetz, das ständig gebrochen wird.“ so Anne Imhof.

Die Tänzer tragen Alltagskleidung, Streetwear: T-Shirts von Trigema, weiße Tennissocken, Jogginghose von Adidas, weite Sweater, Hoodies, Bergfällerhemden, zerrissene Jeans, Sportschuhe, Sportshorts. Die Kleidung strahlt Demonstrationsschick aus, Antifa-Mode. Es gibt keine farbenprächtige Palette: schwarz, ausgewaschenes Blau, Weiß, Blau, Grautöne beherrschen das Bild. Keiner ist geschminkt oder auffällig dekoriert. Die Haare werden offen getragen oder als Pferdeschwanz zurück gebunden, die Männer haben manchmal einen drei Tage Bart. Niemand hat nur ein Gramm Fett zu viel, es sind junge, schöne, natürliche, muskulöse und möglicherweise selbstoptimierte Menschen. Diese Körper sind Modelkörper, bereit für die Werbewelt, für Ökonomie, der Körper als Konsumgegenstand des freien Marktes.

Abb.: 05 Emma Daniel, Franziska Aigner, Mickey Mahar, Ian Edmonds, Frances Chiaverini, Stine Omar, Lea Welsch in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Es entstehen lebende Bilder, manchmal mit und manchmal ohne Geräusche, Töne oder Musik. Die Gruppe bewegt sich langsam, manchmal erstarren sie und nach einer Weile kommt erneut Bewegung auf. Das Tableaux vivants, das lebende Bild oder „die Darstellung von Werken der Malerei und Plastik durch lebende Personen“[11]erfreute sich um 1900 in Theater und Varieté einer großen Beliebtheit. Im frühen 19. Jahrhundert entsteht eine sehr populäre visuelle Kultur wo Darsteller für wenige Minuten in Stillstand erstarren, und ein Gemälde oder eine Skulpturengruppe erschaffen.[12]Manche Figurationen in „Faust“ erscheinen historisch, andere wieder modern. Da greifen zwei nach dem Handy und drucken es an den Hals, dabei zischen sie. [13]Hanno Rauterberg von der DIE ZEIT empfindet diese Szenarien „als sögen [sie] Luft aus dem Apparat und würden ohne ihn ersticken“.

Manchmal ergeben sich Spiegelungen auf dem Boden oder an den Glaswänden.  Es finden plötzliche Bewegungen statt. Kurze Versammlungen. Ein Kreis wird gebildet, eine Gasse woanders aufgestellt. Oder jemand erstarrt und schaut entrückt irgendwo hin, als sei er tot oder verrückt. Ein anderer liegt auf dem Boden eng an die Glasmauer gedrückt.

Abb.: 06 Lea Welsch, Emma Daniel, Mickey Mahar, Thilo Garus in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Die Performance findet auf vielen Ebenen im Deutschen Pavillon statt. Die gläserne Decke aus Panzerglas als zweiter Boden, der nicht höher als 120 vom tatsächlichen Raumboden entfernt ist, teilt die Halle in der Horizontalen. Im unteren Bereich ist es ziemlich beengt. Die Performanceartisten liegen, kriechen oder hocken zusammengefaltet. Sie versuchen die Glasdecke zu durchbrechen. Sie schlagen sich und stoßen stumme Schreie aus. Sie masturbieren, aber es scheint als wäre die Hand von der Person getrennt. Es passiert einfach, es ist eine stumme Provokation. Es ist ein stummer Lust Akt oder ist es überhaupt Lust? Ist es Zwang, ist es ein Widerstand, eine Provokation?

Andere sitzen neben Aschenbechern, Gläsern und anderen Gegenständen wie z.B. Steinschleudern, Handtücher, Behälter mit Metallkugeln, Seifenstücke, Vaseline, Wattebausche, Feuerzeuge, schwarze Matratzen, Telllöffel, Emergency drinking Water Flaschen von Seven OceanS oder Hundefutter. Und Feuer.[14]Es geht um Macht, eine unbekannte Quelle mit unbändiger Kraft scheint die Menschen zu erschöpfen, sie in die Knie zu zwingen.

Diese Utensilien des Überlebens einer modernen Gesellschaft liegen nicht zufällig herum, sie werden geplant, ausgelegt, sind Objektkunstwerke. Diese Dinge sind nicht Requisiten, sie geben Anhaltspunkte für das Verhalten der Performancekünstler, sie sind Teil der bewegten Bilder. Sie gehören zwingend zum Kunstwerk. Sie verweisen auf wichtige Momente, stellen Höhepunkte und Verständnismarker dar.

Abb.: 07 Eliza Douglas masturbiert. Eliza Douglasin Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 08 Emma Daniel  an der Wand im unteren Bereich. Sie sitzt auf dem Boden, nur ihre Hand greift auf die gläserne Decke. Emma Daniel in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

 

Auf der gläsernen Decke

Auf der gläsernen Zwischendecke steht das Publikum. Nur dort darf es sich aufhalten. Nicht im Bodenbereich, nicht bei den Hunden oder auf den Wandpodesten. Hier findet eine Vermischung mit den BesucherInnen statt. Manchmal singen die Künstler, oder sie beginnen Ringkämpfe, dann umarmen sich andere und während der Umarmung entwickelt sich ein Kampf. Der löst sich auf und es kommt zu einer Art Annäherung von Mann und Frau. Nicht lange und schon ringen sie erneut auf Bodennähe. Die Bewegungen werden langsam ausgeführt, nie gefährlich, aber unaufhaltsam. Es geht um Unterdrückung, um Ausbruch, Demütigung, Unterjochung, Abwesenheit, Leere, Ödnis, Aufbegehren, Opponieren, Rebellion, Anpassung, Gehorsam und Meuterei.

Andere Künstler schreiten in schnellen raumgreifenden Schritten die Halle ab, dann bleiben sie stehen und starren einander an. Es kommt jemand hinzu, starrt mit. Ausdruckslose Gesichter, eine innere oder äußere Motivation ist nicht zu erkennen. Wieder jemand anderes atmet gegen eine Scheibe. Ganz nah ist das Gesicht an der Oberfläche, so nah dass das Spiegelbild vielleicht nicht gesehen wird, es ist für den Zuschauer da.

Abb.: 09 Emma Daniel in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Eine weitere Ebene besteht aus Glasvorsprüngen, gerade breit und tief genug, um darauf zu stehen. Sie sind an den Wänden auf einer ansehnlichen Höhe angebracht und verteilt. Darauf stehen die Künstler und Künstlerinnen, verrenken sich, gähnen, drehen den Kopf zur Wand und zurück, singen. Sie befinden sich erhoben wie auf unsichtbaren Regalen oder Säulen. Skulptur und Ware in einem.

Manchmal sitzt eine oder mehrere Artisten mit den Hunden im Zwinger. Sie kommen heran, lecken die Hand, zeigen sich in verspielter Laune. Die Performer tun nichts, mit ausdruckslosen Gesichtern befinden sie sich dort, wo die Hunde sind, keine mimische Veränderung, keine Regung. Und dann schwingen sich zwei auf den hohen Zaun, sie sitzen dort, schauen herunter. Der Balanceakt ist ihnen nicht anzumerken. Sie betrachten. Erstarrt sind sie nicht, aber regungslos. Wieder andere nehmen Platz auf den Treppenstufen vor dem Gebäude. Der Ortwechsel ändert nichts an ihrer Haltung. Undurchdringlich, gefasst, verschlossen. Und dann wieder steht einer oben auf dem Dachfirst. Schaut runter. Setzt sich und verweilt, harrt aus, ruht, hält inne. Das Gebäude ist da und es zieht die Artisten hinein und hält sie in einem unsichtbaren Bann.

In einem Vorzimmer befindet sich eine Installation mit Starkstromstecker und Buchse, anderen Dingen und Gitarre. Weiße Bilder an der Wand. Ein  pulsierendes Rauschen wie in einem Maschinenraum oder nah an einer Turbine einer Talsperre erfüllt laut und dröhnend den Raum. Dann gibt es einen Bruch und eine Bassgitarre schlägt einen Ton oder Akkord an und der Hall pulsiert. Manchmal sind es Orgelklänge, Geigen und andere Streichinstrumente, vielleicht eine Laute, so genau kann das nicht gesagt werden, die Musik kommt aus den Lautsprechern, sie kann auch durch Synthesizer erzeugt worden sein oder gleich digital. Klavierklänge läuten Gesang ein. Eine Performanceartistin erhebt ihre glasklare wunderschön seelenwunde Stimme. Diese Klänge sind sehnsüchtig, sie rühren das Herz, Trauer Verlangen klingt mit. Es sind Choralähnliche in Moll vorgetragene Melodien. Melancholisch, tragend, harmonisch erinnern sie an Kirchenmusik. Es beginnt mit einzelnen Stimmen, aber sie werden durch SMS Anweisungen von der Künstlerin Anne Imhof dirigiert und zu einer dichten Harmonie. Sie singen vom Ich. Ein magischer, geradezu betörend schöner Moment.

Abb.: 10 Eliza Douglas in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Anne Imhof taucht auf, schaut das Treiben an, gibt Anweisungen über das Handy und verschwindet. Ganz in schwarz gekleidet mit Basecap vom Edeldesigner Balenciaga bleibt sie unnahbar. Sie agiert als Dirigentin, Choreographin, sieht alles, initiiert alles und leitet an. Sitzt hier die Macht?

Schlüpft die Künstlerin in die Rolle des Mephisto? Der dem Wissensdurstigen, dem Forschenden und Zweifler Faust verspricht, ihm so lange zu dienen und seine Wünsche zu erfüllen, bis er Lebensglück erfährt? Um ihm dann seine Seele zu stehlen? Sind die gelenkten Performancekünstler Repräsentanten für Faust? Ist das Publikum die schweigende Menge, die Gesellschaft? [15]Wird der Faustische Pakt mit dem Warenfetisch offen gelegt?

Abb.: 11 Frances Chiaverini in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Oder bezieht sich der Titel auf die Faust des Protestes? Die Kuratorin Susanne Pfeffer[16]äußert sich in einem Interview mit dem SWR am 11.5. 2017: „Die Faust, ein Element, das sich eigentlich nur aus dem Zusammenschluss der Finger ergibt und dann im Grunde eine Kraft bündeln kann und zum Schlagen bereit ist, zum Wehren, aber auch zum Angriff. Das ist Sinnbild für diese Performance: Wie setzen sich Individuen auseinander oder gegeneinander? Wie formieren sich Gruppen?“ Der Titel bezieht sich daher nebensächlich auf Goethes „Faust“, hauptsächlich auf das Symbol der Faust als Zeichen für Rebellion und Gewalt.

„Es stellt die Frage wie selbstbestimmt wir handeln. Und uns bewegen und unsere Körper eigentlich noch unser Eigentum sind oder vielleicht sind es schon Objekte oder vielleicht sind sie schon selbst zur Ware geworden.“ Susanne Pfeffer im Gespräch mit dem SWR.[17]

Bedeutung

Es wird geschaut, sich gedreht, fotografiert, gefilmt, dokumentiert. Die Situation ist beängstigend nahezu komisch, der Besucher befindet sich in der Mitte des Geschehens, er  schaut zu und hält fest. Der Mensch als Zuschauer, als zufälliger Passant betritt die Welt der Anne Imhof und die vielen metaphorischen Situationen die Politik, Leben, Gesellschaft und Dasein konstituieren- schweigend und gaffend, fast ein wenig gelähmt.

Nur eins kann der Besucher: er versichert sich der Geschenknisse durch unentwegtes Fotografieren und Aufnehmen. Ausdrucksstarke Bilder der Performer, ihrer Handlungen werden das Ergebnis sein, auch wenn die Zielrichtung und der Zweck im Verborgenen bleiben. Die Bilder sind bedeutend, aber eine Realität wird nicht dargestellt, eher die Ware der Zuschauenden. Photographie von etwas, das wie Leben aussieht.

Abb.: 12 Frances Chiaverini, Mickey Mahar, Eliza Douglas, Lea Welsch, Ian Edmonds in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Das Kunstwerk ist unberechenbar. Die Bühne nicht definiert. Zu jeder Zeit kann an jedem Ort etwas passieren: auf den Außenstufen, dem Zaun, im Zwinger, am Seiteneingang, auf dem Dach, im Vorraum, auf dem Boden, auf der Zwischendecke, den Wandpodesten: überall. Der Besucher versucht die Geschehnisse durch alle Schichten der Gesellschaft und des Gebäudes zu sezieren. Überall ist der Blick erlaubt, aber löst er etwas aus? Die Performancekünstler sehen den Besucher, ignorieren sie, schauen durch sie hindurch, sie sind im besten Fall ein Hindernis, dass zur Seite gedrängt wird, sie gehören nicht dazu. Es geht um Macht und Ohnmacht, Willkür und Gewalt, Widerstand und Freiheit.

Das Glas schafft Distanz zu sich selbst und zu den Subjekten, die zu Objekten werden.  Selbst wer die Performance verfolgt, erkennt, dass die Gesamtheit nicht erfassbar ist. Der Ort ist hell und transparent, aber das trügt, es ist eine durch Ohnmacht und Willkür, durch Unterdrückung und Kontrolle geprägte Szenerie. Die weitläufige Verteilung, unvorhersehbaren Aktionen, die Gleichzeitigkeit, Konsequenzlosigkeit verhindert eine Festlegung. Stetig verschiebt sich das Bild und damit das Gesamtkunstwerk. Die Signifikanten: Objekte, Gebärden, Verortungen, Beziehungen, Musik, Geräusche formen ein sich stetig änderndes Bild. Der Pavillon ist eingenommen von den Künstlern, den Bildern, den Objektarrangements, der Musik, der Hunde und den gläsernen Installationen. Das alles ist „FAUST“, ein lebendes Bild. Der Betrachter wandert hindurch und sucht nach der allumfassenden Perspektive.

Abb.: 03 Josh Johnson in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 14 Emma Daniel in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Es ist ein Akt des Kontrollierens, etwas das sich aber gleichzeitig einer Kontrolle entzieht. Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse erinnert an Marshall McLuhans „Allatonceness“[18]. Dort beschreibt er die Auswirkungen der Vernetzung durch moderne Medien. Wie sie eine Erweiterung und eine Veräußerung des menschlichen Körpers darstellen. Hand Held Devices werden zur Erweiterung der Sinnesorgane. Der Computer imitiert Funktionalitäten des Gehirns und damit wird er zu einer Veräußerung des Gehirns. Die Konsequenzen schienen theoretisch zur Zeit der Veröffentlichung Ende der 60iger Jahre noch undeutlich, heute trägt jeder Mann und jede Frau einen Handgroßen Computer mit sich. Die Informationen sind einen Klick entfernt, Gedächtnisleistung ist nicht von Nöten, das Gedächtnis ist externalisiert. Die Netzgesellschaften leben ungebunden und unabhängig von Orten und Zeiten.

“Time” has ceased, “space” has vanished. We now live in a global village…a simultaneous happening.” [19]

Technischer Fortschritt macht den Menschen zu einer Marke, es geht um das Aussehen, um den Anschein um ein Image. Kommunikationskanäle schaffen Gemeinschaften aber grenzen anders Denkende aus, machen sie nicht mal sichtbar (FB Algorithmus). Eine Einseitigkeit der Welterfahrung schränkt den Geist des Menschen ein, die Kultur des Aufbegehrens des Demonstrierens, des Diskutierens, des Denkens und Abwägens, des Verstands und der Kompromisse durch Intelligenz wird zu Gunsten einer Kultur von Überzeugungen und Glaubensbekenntnissen verdrängt. Gleichzeitig verliert der Mensch seine Privatsphäre. Persönliche Daten werden digital abgelegt. Wir sprechen vom „gläsernen Kunden“ als Marketingobjekt, der „Gläserne Bürger“ als Teil des Kampfes gegen Terrorismus, oder der „Gläserne Mensch“ als Soziologisches Phänomen.[20]In den Zeiten der schwindenden Privatheit und steigender Transparenz aller Lebensbelange verhalten und kommunizieren sich Menschen eher als Marke denn als Privatpersonen. 

Die Performance ist verstörend. Kontrolle und Willkür, Einflussnahme von außen und sprachbefreite Kommunikation, Machtausübung ohne Ursachen zu begreifen. Die Menschen sind nahezu nur Körper und der wiederum scheint ihr einziges Kapital zu sein. Eine seelenlose dem Konsum hingegebene Gesellschaft. Er sucht nach Überlebensstrategien, aber bricht er aus? Das tut er nicht, er kann es nicht, diese Freiheit wird ihm nicht geschenkt.

Anne Imhof – Faust
Dauer der Performance 4-5 Stunden
Kuratiert von Susanne Pfeffer
40 Personen in der Performance

 

 Artikel von Ursula Drees

Quellen

Bendrath, Ralf (2007): Der „gläserne Bürger“ und der vorsorgliche Staat. Zum Verhältnis von Überwachung und Sicherheit in der Informationsgesellschaft. In: kommunikation@gesellschaft, Jg. 8, Beitrag 7. Online-Publikation: http://www.soz.uni- frankfurt.de/K.G/B7_2007_Bendrath

Brockhaus‘ Konversations‘ Lexikon (1902), 14. Aufl., Bd. 10. Leipzig, Berlin, Wien: F.A. Brockhaus.

Silke Hohmann (2017): Wie man sich dem anderen zeigt. In: Was wir tun. Heft über das Institut für Auslandsbeziehungen / ifa. – Regensburg: ConBrio,.

Kaltenbach, Frank (2017): Mehrdeutiger Hybrid: Bungalow Germania auf der Biennale in Venedig. In: DETAIL • Zeitschrift für Architektur + Baudetail, Heft 6/2014, „Bauen mit Beton“, München.

McLuhan, Marshall; Fiore, Quentin (1967):  “The Medium is the Massage: An Inventory of Effects”, Penguin Books, London, UK.

Rauterberg, Hanno (2017): Der Stille Aufruhr .In: DIE ZEIT online vom 28. Juni 2017. http://www.zeit.de/2017/27/anne-imhof-biennale-venedig-faust-performance/komplettansicht(23.01.2018)

Wiegand, Daniel (2016): Gebannte Bewegung. Tableaux vivants und früher Film in der Kultur der Modere, Züricher Filmstudien 36, Schüren Verlag GmbH, Zürich.

Pressetext der Kunsthalle Basel anlässlich der Eröffnung der Ausstellung als Oper „Angst“ von Anne Imhof vom 10.6. – 21.8.2016. http://www.kunsthallebasel.ch/wp-content/uploads/Anne_Imhof_Presse_Dossier_DE.pdf

Anmerkungen

Institut für Auslandsbeziehungen.Es fördert im Kulturaustausch ein friedliches Zusammenleben von Völkern, Staaten und Religionen. Das ifa initiiert den interkulturellen Dialog. Es befördert den Kultur- und Kunstaustausch in Ausstellungs-, Begegnungs-, Dialog-  und Konferenzprogrammen. Es trägt zum Friedenserhalt durch zivile Konfliktbearbeitung und zur kulturellen Vielfalt durch die Förderung kultureller Minderheiten bei.  http://www.ifa.de/de/kunst/biennalen/biennale-venedig/anne-imhof-faust.html

Titel Thesen Temperamente widmet dem Deutschen Pavillon eine Sendung. Sie wird am 14.05.2017 ausgestrahlt und auf der Mediathek der ARD zu sehen. http://www.ardmediathek.de/tv/ttt-titel-thesen-temperamente/Anne-Imhof-Deutscher-Pavillon/Das-Erste/Video?bcastId=431902&documentId=42826300

Susanne Pfeffer im Interview mit dem SWR  am 11. Mai 2017 zum Deutschen Pavillon und FAUST. Susanne Pfeffer ist Kunsthistorikern und Kuratorin. Sie ist Direktorin des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main.https://www.swr.de/swr2/kultur-info/der-deutsche-pavillon-bei-der-biennale-in-venedig/-/id=9597116/did=19526214/nid=9597116/17ukihf/index.html

Informationen zum Deutschen Pavillon der Architekten RKW Architektur. Anlässlich der 14. Architektur Biennale stellte der Deutsche Werkbund die Frage „This is modern“ nach einer Neuinterpretation und Umgestaltung des Gebäudes an 22 Architekturbüros. shttp://rkw.plus/de/projekte/deutscher-pavillon-venedig

Anlässlich des 100 Geburtstag des Deutschen Pavillons veröffentlichte Hildegard Lorenz im der Münchner Merkur eine knappe Zusammenfassung der Baugeschichtlichen Historie des Gebäudes. https://www.merkur.de/kultur/mm-dabei-sein-alles-330696.html

 


Abbildungsverzeichnis

Abb.: 01 Eliza Douglas and Franziska Aigner in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb. : 02 Der Deutsche Pavillon in Venedig © Frank Kaltenbach

Abb.: 03 Der Grundriss des Deutsche Pavillons in Venedig © Frank Kaltenbach

Abb.: 04 Eliza Douglas, Franzsiak Aigner, Stine Omar, Lea Welsch, Theresa Patzschke in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 05 Emma Daniel, Franziska Aigner, Mickey Mahar, Ian Edmonds, Frances Chiaverini, Stine Omar, Lea Welsch in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 06 Lea Welsch, Emma Daniel, Mickey Mahar, Thilo Garus in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 07 Eliza Douglasin Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 08 Emma Daniel in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 09 Emma Daniel in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 10 Eliza Douglas in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 11 Frances Chiaverini in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 12 Frances Chiaverini, Mickey Mahar, Eliza Douglas, Lea Welsch, Ian Edmonds in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 13 Josh Johnson in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

Abb.: 14 Emma Daniel in Anne Imhof, Faust, 2017, German Pavilion, 57th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Photography: Nadine Fraczkowski; Courtesy: the artist, German Pavilion 2017

[1]https://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Imhof(19.01.2018)

[2]Hans Ulrich Obrist: Choreographed Layers: Anne Imhof in ESSAYS Mousse 54 im Sommer 2016. http://moussemagazine.it/anne-imhof-hans-ulrich-obrist-2016/(20180123) Hans Ulrich Obrist ist Co-Direktor der Serpentine Galerien in London. Davor hat er Das Museum für moderne Kunst  der Stadt Paris kuratiert. Seit seiner ersten Show 1991 hat er bereits über 300 Ausstellungen kuratiert.

[3]Titel Thesen Temperamente widmet dem Deutschen Pavillon eine Sendung. Sie wird am 14.05.2017 ausgestrahlt und auf der Mediathek der ARD zu sehen. http://www.ardmediathek.de/tv/ttt-titel-thesen-temperamente/Anne-Imhof-Deutscher-Pavillon/Das-Erste/Video?bcastId=431902&documentId=42826300

[4]Arnold Schwarzenegger wird von zwei Dobermännern durch die eisige gartenlandschaft des Bösewichts gehetzt.

[5]1938 als nationaler Repräsentationsbau zur Machtdemonstration von Nazideutschland vom Architekten [5]Ernst Haiger, der bereits einige Führerbauten entworfen hatte, verändert.

[6]Ernst Haiger 81874 – 1952) baute das Kasino im Münchner Führerbau und die Bar im Münchner NS Ausstellungsgelände „haus der deutschen Kunst“.

[7]Titel Thesen Temperamente widmet dem Deutschen Pavillon eine Sendung. Sie wurde am 14.05.2017 ausgestrahlt und auf der Mediathek der ARD zu sehen. http://www.ardmediathek.de/tv/ttt-titel-thesen-temperamente/Anne-Imhof-Deutscher-Pavillon/Das-Erste/Video?bcastId=431902&documentId=42826300

[8]Interview: Wie man sich dem Anderen zeigt. Gespräch mit Silke Hohmann. Sie ist Redakteurin beim Kunstmagazin Monopol in Berlin.  in Was wir tun. Ein Heft über das Institut für Auslandsbeziehungen / ifa. – Regensburg: ConBrio, 2017. – 31 S.

http://www.ifa.de/en/visual-arts/biennials/anne-imhof-faust/wie-man-sich-dem-anderen-zeigt.html

[9]ebd., S. 01-31

[10]vgl. Interview mit Silke Hohmann.

[11]Brockhaus‘ Konversations‘ Lexikon (1902), 14. Aufl., Bd. 10. Leipzig, Berlin, Wien: F.A. Brockhaus, S. 1029

[12]Daniel Wiegand (2016): Gebannte Bewegung. Tableaux vivants und früher Film in der Kultur der Modere, Züricher Filmstudien 36, Schüren Verlag GmbH, Zürich, S. 14.

[13]Hanno Rauterberg (2017): Der Stille Aufruhr in der Zeit online vom 28. Juni 2017 http://www.zeit.de/2017/27/anne-imhof-biennale-venedig-faust-performance/komplettansicht(23.01.2018)

[14]Pressetext der Kunsthalle Basel anlässlich der Eröffnung der Ausstellung als Oper „Angst“ von Anne Imholf vom 10.6. – 21.8.2016. http://www.kunsthallebasel.ch/wp-content/uploads/Anne_Imhof_Presse_Dossier_DE.pdf

[15]Titel Thesen Temperamente widmet dem Deutschen Pavillon eine Sendung. Sie wird am 14.05.2017 ausgestrahlt und auf der Mediathek der ARD zu sehen. http://www.ardmediathek.de/tv/ttt-titel-thesen-temperamente/Anne-Imhof-Deutscher-Pavillon/Das-Erste/Video?bcastId=431902&documentId=42826300

[16]Susanne Pfeffer im Interview mit dem SWR  am 11.Mia 2017 zum deutschen Pavillon und FAUST https://www.swr.de/swr2/kultur-info/der-deutsche-pavillon-bei-der-biennale-in-venedig/-/id=9597116/did=19526214/nid=9597116/17ukihf/index.html

Susanne Pfeffer ist Kunsthistorikern und Kuratorin. Sie ist Direktorin des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main.

[17]Susanne Pfeffer im Interview mit dem SWR  am 11.Mia 2017 zum deutschen Pavillon und FAUST https://www.swr.de/swr2/kultur-info/der-deutsche-pavillon-bei-der-biennale-in-venedig/-/id=9597116/did=19526214/nid=9597116/17ukihf/index.html

Susanne Pfeffer ist Kunsthistorikern und Kuratorin. Sie ist Direktorin des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main.

[18]“Ours is a brand-new world of allatonceness. ‘Time’ has ceased, ‘space’ has vanished. We now live in a global village…a simultaneous happening.

Electric circuitry profoundly involves men with one another. Information pours upon us, instantaneously and continuously. As soon as information is acquired, it is very rapidly replaced by still newer information.

Our electrically configured world has forced us to move from the habit of data classification to the mode of pattern recognition. We can no longer build serially, block-by-block, step-by-step, because instant communication insures that all factors of the environment and of experience co-exist in a state of active interplay.” Marshall McLuhan & Quentin Fiore (1967): “The Medium is the Massage: An Inventory of Effects”, Penguin Books, London, UK, S. 39

[19]Vgl. Marshall McLuhan & Quentin Fiore (1967):  “The Medium is the Massage: An Inventory of Effects”, Penguin Books, London, UK

[20]Bendrath, Ralf (2007): Der „gläserne Bürger“ und der vorsorgliche Staat. Zum Verhältnis von Überwachung und Sicherheit in der Informationsgesellschaft. In: kommunikation@gesellschaft, Jg. 8, Beitrag 7. Online-Publikation: http://www.soz.uni- frankfurt.de/K.G/B7_2007_Bendrath

 

Ars Electronica 2017: Mariendom: LightScale II von Uwe Rieger

Der Mariendom in Linz, Österreichs größter Kirchenbau, in dem gut 20.000 Menschen Platz finden, wird umgebaut. Das Gebäude ist neben den Bauabsperrungen leer. Das allein ist sensationell, denn die Größe und Höhe des Raumes kann sich vollständig entfalten. Hier wird LightScale II von Uwe Rieger gezeigt.

Das Werk braucht Luft. Es misst 20 Meter Länge und ist in Form einer Reuse aufgebaut. Die Karbonkonstruktion ist nicht federleicht, aber leicht. Unerwartet einfach lässt sie sich  im Raum bewegen. Sie ist aus Karbon gefertigt und auf einem Ein-Punkt Träger asymmetrisch aufgestellt. Für die Balance werden seitlich zwei Schwimmer, in diesem Fall Gewichte ausgelegt. Damit lässt sich die Reuse nicht nur in der Horizontalen, sondern auch Vertikalen verschieben. Sie kann auch im 45 Grad Winkel schaukeln. Die Reuse ist mit grüner Gaze umspannt. Im Innenbereich ist die Gaze locker in der Diagonalen ausgelegt. Sie bilden einen durchscheinenden Körper. Ultraschall- Sensoren an der Bodenträgerkonstruktion leiten Daten an ein Motion-Tracking –System. Mit Unity werden Soundfiles als auch Projektionen aktiviert. Es sind Meeresgeräusche und Walgesangähnliche Töne. Auf die Netze werden Unterwasserformen projiziert. Es sind Blasen, Quallen ähnliche Gebilde, Algen manchmal Geometrien. Sie schweben mit der gleichen Bewegung der Reuse im Netzraum. Der Besucher bewegt die Reuse und damit werden neben dem default Sound- und Bildteppich zusätzlich Sounds und Bilder aktiviert. Es ist eine meditative Installation. Sie beeindruckend durch Größe und Leichtigkeit.

Bildergalerie:

Die Semiotik des Materials, Netz, Reuse, Karbon verweisen auf die Schwerelosigkeit des Meeres. Die analoge Bewegung, das langsame Schweben und die leicht zu bewegende Reuse, die dann wiederum mit einer dem Meereswiderstand angemessenen Bewegung ein wenig schwerfällig Positionsveränderungen nachgeht sind der Vorstellung von der Bewegung unter Wasser angemessen. Das Gefühl im Meer zu sein wird erzeugt. Die schwarmhaften Projektionen verbunden mit den Wassergeräuschen und Walgesängen schließen den Eindruck. Es ist poetisch, leicht und meditativ. Hier will sich der Besucher aufhalten. Es wird nicht langweilig, die Geräusche und Bilder werden nicht aufdringlich, ein vollendetes Werk.

Reusen treiben im Meer . Die Fische, von Wind und Wellengang zum Ufer getrieben, schwimmen auf dem Rückweg ins Meer an den Leitnetzen entlang in die Reusen, aus denen sie nicht mehr entweichen können, weil die einzelnen Teile trichterförmig ineinander greifen. Im Frühjahr, nachdem kein Eisgang mehr zu erwarten ist, werden die Reusen eingesetzt und bleiben den ganzen Sommer über im Meer. Sie werden alle 3 Tage geleert.

Uwe Rieger Light Scale Ars Electronica

Uwe Rieger ist Associate Professor am arc/sec Lab for Digital Spatial Operations an der School of Architecture and Planning in Auckland.

LightScale II