plusinsight

Tag Archives: Idee

„Turned upside down, it’s a forest“ von Takahiro Iwasaki

Turned upside down, it’s a forest“ von Takahiro Iwasaki auf der Biennale, Venedig im japanischen Pavillon.

Dieser Beitrag behandelt die Arbeiten des japanischen Künstlers Takahiro Iwasaki auf der Biennale Venedig 2017. Ausgewählte Kunstwerke werden besprochen und erklärt.

Zum Künstler.

[1]Takahiro Iwasaki (1975) wurde in Hiroshima geboren, lebt und arbeitet dort. Die Stadt ist in das kollektive Gedächtnis der Menschheit mit dem Atombombenabwurf der Amerikaner am 6. August 1945 eingegangen. Ein Desaster ohne Gleichen. 70.000 bis 80.000 Menschen wurden sofort getötet und in den Folgemonaten nach dem Abwurf kamen bis Ende 1945 noch 130.000 vorzugsweise Zivilisten hinzu. Als Folge der Langzeitfolgen der Strahlung wird heute noch eine nachweisbar höhere Menge an Krebserkrankungen der Bewohner festgestellt.

[2]Hiroshima war vor dem August 1945 eine 255.000 Einwohner starke Stadt, davon waren 10% koreanische und chinesische Zwangsarbeiter. Es gab keine Kriegsgefangenenlager, sondern sie beherbergte das Hauptquartier der 2. Hauptarmee, das für die Verteidigung Südjapans zuständig war. Die Stadt war Truppensammelpunkt, diente zur Lagerung kriegswichtiger Güter und beherbergte 40.000 Militärangehörige. Ein gutes Ziel. Da die Bombe über der Stadt explodierte wurde angenommen, dass die Folgen des radioakten Niederschlags gering seien und schon 1958 überschritt die Einwohnerzahl die der Vorkriegsjahre. Heute leben ca 1.250.000 Menschen in Hiroshima.

Wie mag es gewesen sein, in einer dem Erdboden gleichen Stadt einen Wiederaufbau zu starten? Wie mag die Stadt 1975 ausgesehen haben? Wie erzählen die Bewohner von ihrer Stadt, wie wird mit Geschichte, mit Toten, mit Vergangenheit umgegangen? Wie wird gelebt?

Hiroshima – Extend Of Fire & Limits Of Blast Damage, 1. Januar 1946. Urheber: Von User:W.wolny – ibiblio.org a collaboration of the centerforthepublicdomain.org, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=256172

Der Künstler Takahiro Iwasaki baut aus Alltagsmaterial wie Zahnbürsten, Handtüchern, Lesezeichen, oder Paketband winzige Industrielandschaften. Handtücher werden zu Bergen, flauschige Badematten zu unebenen Untergrund, abgerollte Wolle zu geologischen Gesteinsschnitten auf denen ein Telegrafenmast, eine Starkstromtrasse oder Riesenrad steht. Er baut Freizeitparks wie Coney Island auf bunte Handtücher, Achterbahnen, Karussells, Schaukeln. Er konstruiert aus Lesezeichen Baukräne, Hydraulikbagger, Radlader, Schwertransporter mit Tiefbettaufleger und platziert sie auf Bücher. Die stehen für Gebäude und Stadtarchitektur. Er baut Raffinerien mit allem was dazu gehört wie Tanklager, etliche Rohrleitungssysteme, Reaktoren, Umschlagsbetriebe und ganze Häfen.

„Turned upside down, it’s a forest“

Auf der Biennale in Venedig wird „Turned upside down, it’s a forest“ ausgestellt. Es gibt zwei Wege sich der Miniaturkunst zu nähern. Entweder durch ein über einige Bautreppen zu erlangendes Kopfloch oder durch den Gebäudeeingang.

Dort wo das Kopfloch ist, stehen Menschen an, sie wissen nicht, was zu erwarten ist, aber wenn die Besucher wieder heraus kommen, immer einer nach dem anderen, machen sie einen erfreuten Eindruck. Wer endlich hindurch schaut, findet sich auf Augenhöhe mit einer Industrielandschaft. Sie ist schwarz und Tuchberge erheben sich wie Bergmassive im Hintergrund. Besucher, die den Haupteingang gewählt haben, stehen herum und beobachten die Reaktion, der von der Tiefe Kommenden. Manche lachen, andere verziehen keine Miene. Aber alle drehen und wenden sich, sie wollen den Rundumblick und bewundern die Feingliedrigkeit der Bauwerke.

Eine Besucherin schaut auf Augenhöhe in die Landschaft der schwarzen Industrie. image © sabinebvogel

Zeichnung der Industrielandschaft in ein Ringgebundenes Skizzenbuch. Photographie © Ursula Drees

Erst werden Landschaftszeichnungen hergestellt. Sie sind mit schwarzem Edding, oder Filzstift, vielleicht sogar Tusche oder Tinte auf Papier entweder auf Einzelbögen oder Skizzenbuch gezeichnet. Hauchfeine Linien werden zu Verdichtungen, werden Formen und zu urbanen Landschaften. Im Vordergrund das Motiv, es liegt im Tal, im Hintergrund durch einige Striche und Schraffuren, manchmal Muster, die Bergwelt. Die Fabriken sind in die umliegende Landschaft eingebettet. Sie stellt eine Grenze zu anderen, weit dahinter liegenden Landschaften dar. Wer so zeichnet wird das Subjekt viele Male betrachtet haben? Steht die Wirklichkeit Model, zeichnet der Künstler von Fotografie oder aus der Vorstellung? Gibt es diese Bauwerke, die Fabriken? In jedem Fall sind sie Repräsentanten für Zivilisationsstätten. Für Wirtschaft, Konsum, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, Fortschritt und Kapitalismus. Wenn nur eine dieser Fabriken leckt oder irgendein Container explodiert, wenn Kühlwasser austritt oder etwas Feuer fängt, gibt es eine kleine, eine mittelgroße oder umfassende Naturkatastrophe. Das überlebt man nicht ohne weiteres. So wie dereinst Hiroshima.

Wie oft wohl etwas schief geht, ein Klebetropfen macht eine Querstrebe unkenntlich, etwas biegt sich nach unten, die Statik funktioniert nicht, die Gebilde werden unförmig. Es müssen Stunden über Stunden in den Bau geflossen sein. Wie schwierig mag es sein? Der Künstler hat Geduld. Es wird verknotet, verstrebt, befestigt, gehärtet, arrangiert und in Farbe getaucht. Dünne Fäden stellen das Baumaterial dar. Die Installationen sind anfällig. Sie werden mühevoll konstruiert, eine unbedachte Handlung und schon knicken sie weg, werden unkenntlich und unbrauchbar. Das Aufbauen kostet Stunden, Fertigkeit, Geduld, Zerstören ist leicht. So wie Hiroshima.

Blick aus dem Kopfloch in die Industrielandschaft. image © sabinebvogel

 

Ars Electronica 2017: Feminist Climate Change: Drone Sweet Drone von Anne Niemetz

Während des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 – 1865) auch Sezessionskrieg genannt, wurde der Satz „Home Sweet Home“ geprägt. Die Männer im Kriege sehnten sich nach der häuslichen Ruhe und Geborgenheit. Drone Sweet Drone zitiert ihn ironisch. Dronen, die für uns die Kriege übernehmen. Diese Vorstellung ist bequem, leider wird auf jeder Seite mit den gleichen oder ähnlichen Waffen gekämpft. Und das bedeutet, auch wenn keine Männer und Frauen in den Krieg auf das Feld geschickt werden, können Dronen nichtsdestotrotz zielgenau Orte angreifen und damit auch die zivile Bevölkerung.  Die Nachbarn, Mutter, Vater, Kinder, Schwersten, Brüder, die LehrerInnen, die BäckerInnen, die SchaffnerInnen, die HundebesitzerInnen: mit einem Wort alle. Es sind Waffen, auch wenn sie unbemannt sind.

Diese Arbeit kommt lieblich wie Hausfrauenarbeit daher. Auf hölzernen Stickerei Rahmen ist der blaue Stoff mit Dronenabbildungen verziert. Sie leuchten (Aduinos liegen dahinter) und geben bewegte Lichtsignale. Ein Ausschnitt am Himmel und darin die Drohne mit entsprechenden Leuchtzeichen. Poetisch hängen sie dort und jede einzelne Stickerei ist mit einer Weisheit versehen. Wir kennen diese Artefakte. Früher, zwischen 1870 und 1950 wurden Gebete, Reime oder Wünsche gestickt und eingerahmt an die Wand gehängt oder ein Kissen wurde verziert. Manchmal auch Gardinen oder Bettwäsche. Gestickte Moral auf  Spruchtüchern. Sie sprachen von Tradition, Rollenzuschreibungen und Illusionen. Was gibt es da zu lesen? „Was Mütterlein mir einst beschert, Halt‘ ich in diesem Schranke wert, Soll glatt und fein geordnet sein, Wie’s einstens hielt mein Mütterlein.“ Aber auch kriegsbeginnende Trennungssprüche wie z.B. „Abschied des Reservisten“,„Bist du Amboß, sei geduldig, Bist du Hammer, schlage zu.“ Manchmal sind sie subversiv wie: „So sanft wie ein Lämmlein wünsche ich mir mein Männlein“ oder „Ohne Glück und Gunst ist Kunst umsunst!“.

Hier steht „ I watch You“. Aber wen denn? Die Fliege im Wohnzimmer? Die Freunde, die durchs Wohnzimmer zum Kühlschrank gehen? Oder „Train Me“. Das ist schon etwas anderes. Die Stickerei soll für immer auf dem Stoff bleiben, das Dauerblinken nehmen wir in Kauf, aber mehr als das, ist nicht zu verantworten. „ I follow you“. Nun ja, soll sie doch, sie hängt an der Wand. Ihre Geschwister, die freien derweil sind gefährlich. Die Drohung steht.

Bildergalerie:

„ I am Beautiful“. Ja auch das ist eine treffende Bemerkung. Sie sehen tatsächlich unendlich harmlos aus. Wie die Twirlie Propeller Spielzeuge. Bunte Streben auf einem Ring, sie werden mit der Hand an einem Faden aufgezogen, dann losgelassen und siehe da, sie fliegen mehrere Meter. So genau sehen sie aus, nur Dronen sind Wölfe im Schafspelz. Vorsicht ist geboten. Und so geht es weiter: I kill you, I serve you, Trust ME, I am your Plaything“. Alles Lügen und wir können es nicht glauben, weil die Darstellung ein wenig altbacken und harmlos ist. Denn auch diese Kunst ist eine Täuschung. Wer nicht genau hinschaut, sieht Stickbilder. Wer bei Dronen nicht genau hinschaut, sieht kleine Flugkörper, so klein, dass sie nichts auszurichten scheinen. Auch nicht als Überwachungsobjekt, nicht als Kriegsgeschoss oder Späher.

CommAwards: GOLD für Schatten/Shadow

Die Studioproduktion Event Media unter der Leitung von Prof. Ursula Drees von der Hochschule der Medien in Stuttgart hat mit einem 8 köpfigen studentischen Team für ihr Werk „Schatten“ bei den CommAwards GOLD gewonnen. GRATULATION!

Auf der Site des CommAwards wird die Leistung hervorgehoben. „Absoluter Jury-Liebling und Highlight des CommAwards war der beeindruckende Erfolg des Studiengangs Audiovisuelle Medien der Hochschule der Medien Stuttgart. In der Kategorie RAUM erhielt die Studentenarbeit die einzige Gold-Auszeichnung und verwies selbst Koryphäen wie KMS und Atelier Brückner auf die bronzenen und silberne Ränge. Auf 125qm inszenierten drei Studentengruppen der HDM Stuttgart im Rahmen der MediaNight eine räumliche Adaption des szenischen Kurzfilms „Schatten“ und begeisterten die Jury restlos.“

„Die acht Studierenden sind keine Anfänger, einige von ihnen habenden die Studioproduktion als Fach zum zweiten oder gar dritten Mal belegt. Die Erfahrung und ihr Können machen sich bemerkbar, denn diese Studioproduktion ist ausgefeilt und durchdacht. Jedes Element passt zum nächsten, jede Technologie steht mit den Inhalten im Einklang. Ein durchweg stimmiges Werk, dass die Auszeichung GOLD verdient hat. “ Ursula Drees

Wir gratulieren!

Ausführliche Informationen zum Projekt finden sie hier.

 

Fondacion Louis Vuitton: „inside the horizon“, 2014 von Olafur Elisson.

 

 

In der Fondacion Louis Vuitton, Paris, Bois de Boulongne findet sich die Installation „inside the horizon“. Sie wurde angekauft und kann entsprechend stets gesehen werden. 43 dreieckige Säulen reihen sich im Außenbereich des Gebäudes an. Sie befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Brunnen, diesem einzigartigen Gewässer, das für die Gehry Architektur angelegte Wasserspiel, ein Wechselspiel von Licht und Natur entsteht. Zwei Seiten der Säulen sind verspiegelt, eine Seite besteht aus vollsaturierten gelben Glassfliessen, die von innen beleuchtet werden. Und dazu ein Soundtrack von Samuli Kosminen und Olafur Elisason. Es sind Wassertöne und Geräusche des Meeres zu hören. Nicht unangenehm, bedenke man, dass Musik, Geräusch, Ton nach einer Weile die Ohren anstrengt, soweit sogar, dass sie des öfteren einfach ausschaltet wird.

Diese Dreiecksäulen sind an der Kolonnade angereiht und werden vom Besucher durchschritten. Entweder der Mensch wird vervielfältigt oder er befindet sich im Gelb der LED- Säulenseite. Ein langsames Hindurchgehen bietet sich an, das Gelb wickelt den Menschen ein. Es ist eindrucksvoll wie eindeutig Farbe empfunden wird, es ist ein gutes, ein beruhigendes, ein glücksbringendes Gefühl. Hinweg sind die Sorgen. Entweder der Besucher ergeht die Installation in Schlangenläufen, oder er flaniert an einen der Seiten entlang. Sie ist groß genug um, ein Erlebnis zuzulassen, denn es verstreicht Zeit.

Die Installation fügt sich in das Ensemble ein, als sei sie dafür gemacht, und die Vermutung liegt nah. Der Bau wurde 2014 eingeweiht und Olafur Eliasson wird seine Arbeit auf das Umfeld angepasst haben. Innerhalb des Horizonts befindet sich der Mensch, so impliziert der Titel des Bildes. Darüber lässt sich nachdenken, der gebogene Gang entschwindet dem Blick. Spiegel vervielfältigen Farbe, Menschen und Gebäude. Es ist kein Horizont zu entdecken, es ist eine Unendlichkeit, die sich dort auftut. Der Titel passt, denn wer im Horizont ist, der sieht ihn nicht.

Photographien von Ursula Drees

Semiotik von technischen Medien und Botschaften.

© Hochschule der Medien, Studioproduktion EventMedia
Medialer Erlebnisraum „Schatten“, 2017.

Welche Medien unterstützen das Erleben in einem inszenierten Erlebnisraum.

Über Inszenierung.

Inszenierung bedeutet eine Position durch formale Ästhetik mit Unterstützung von technischen Mitteln in Szene zu setzen. Wobei technische Mittel in der Herstellung von Inhalten als auch in der Präsentation der Inhalte selbst eine Rolle spielen. Sie sprechen die menschlichen Sinne an, sie hinterlassen einen Eindruck. Der Eindruck wird emotional, intellektuell und logisch erarbeitet, ein Wahrnehmungsvorgang beginnt.

Szenographische Inszenierungen als Erlebnisraum bedeutet das Eintauchen in ein Ideenbild. Idee als Konzept mit Inhalt und Relevanz in der Aussage, Bild als multimediale Darbietung, als eine Begehbarmachung des Erlebbaren mit Medien. Diese Medien wie Ton, Licht, Video, Film, Spiel, Animation, Computer generated Grafics usw. werden im Raum als ganzheitliches Erlebnis inszeniert. Sie werden über interaktive Schnittstellen, mit Projektionen, durch LED Walls, Panels, Screens, mit Lautsprechern aller Art, interaktiven Objekten, Wänden, Fußböden, oder Decken, mit beweglichen, statischen vielfarbigen und veränderbaren Licht realisiert. Die Inszenierung ist komplex, ist geplant und ganzheitlich. Der Besucher befindet entweder inmitten dieser Inszenierung wie es in den Erlebnisräumen der Fall ist, oder aber er betrachtet sich aus dem Zuschauerraum heraus, wie es im Schauspiel, Konzert, Oper und Bühnendarbietungen oder im öffentlichen Raum statt findet.

Bei Event Medialen Erlebnisräumen, bewegt sich der Besucher durch die Inszenierung und schreibt eigenständig die Geschichte seines Erlebens. Er entscheidet das Tempo, die Blickpunkte, Perspektiven und Vollständigkeit der Betrachtung. In allen Fällen wird eine körperliche Präsenz vorausgesetzt. Diese Vielfalt wird von den Event Medialen Szenographen bei der Planung berücksichtigt. Die Planung und Ausgestaltung der Räumlichkeiten sind detailliert und decken alle Bereiche ab. Es gibt keine Möglichkeit des Versteckens oder Vertuschens. Die Gestaltung drückt alle Bereiche aus und unterwirft sich dem Thema. Der Besucher tritt in die Welt hinein und befindet sich in einer Parallelwelt des sinnlichen Erlebens.

Inszenierung und Kodierungssysteme.

Es gibt keine Inszenierung ohne Medien. Es ist nur eine Frage der Menge und der Beschaffenheit. Sind es analoge oder digitale Medien, lassen sie einen Zugriff zu, reagieren sie auf den Menschen, werden sie von äußeren Einflüssen verändert, bildet sich die Umgestaltung in analogen oder digitalen Formen aus? Wird der Mensch gesteuert, um Anteilhabe mit Geräten gebeten, oder reagieren die Medien ohne Aufforderungen auf Einflüsse?

Der Raum ist hybrid, er ist medial vermischt und bündelt Möglichkeiten der sinnlichen Wahrnehmung. Mehrere Genres setzten sich zu einem Neuen zusammen. Hybride Objekte werden geschaffen, sie bestehen aus halb realen und halb virtuellen Komponenten.

Inszenierungen bedienen sich der menschlichen Kodierungssysteme. Begonnen mit Geräusch, Ton, logischen und alphabethischen Abstraktionen zu formalen Kodierungen, komplexen und einfachen ikonographischen Kodierungssystemen, bis hin zu gestisch mimischen und kinetischen Zeichensystemen. Hinter diesen Kodierungssystemen verstecken sich vielfältige Bedeutungsräume. Sie wollen geplant und erschlossen werden. In der Regel bedient sich der medial inszenierte Erlebnisraum mit komplexen ikonographischen Kodierungssystemen. Sie stellen Hör- oder Sehbilder dar, wobei einfache ikonographische Kodierungssysteme für die Wegleitung und Besuchersteuerung eingesetzt werden. Hör- und Sehbilder werden mit und durch Medien erzeugt. Mal ist es eine großformatige Fotografie, mal sind es Schriftbilder, die als Graphik Aufmerksamkeit schaffen, mal sind es Farbräume von Wärme oder Kühle, mal sind es Bewegtbildeinspieler, Computer Animationen, real time eingespeiste VR Daten, mal groß oder klein formatig, mal Viel und Wenig, mal interaktiv zu bedienen oder kontemplativ auf sich wirken zu lassen.

Die Semiotik der technischen Medien.

Die Medien selbst formen die Art des Verstehens. Da sich die Gesellschaft mehr und mehr den digitalen Räumen zuwendet, outer space, cyber space, web space, augmented spaces, virtual spaces, werden wenig bis keine Gedanken über den Raum an und für sich verschwendet. Dabei ist der Raum ein Synonym für das Distanzierte, dem nicht zusammen gehörigen, dem daneben Stehenden. Der Raum behandelt ein Terrain, den Besitz von etwas, den Zustand des Zweierlei. Es ist immer ein Raum, der das eine vom Anderen trennt.

Wir schaffen Kommunikationsobjekte, sie versprechen eine soziale und technische Aktivität, geschaffen, um Zustände und Identitäten auszutauschen und zu verhandeln. Wir suchen nach Verbindungen. Und all das konstituiert wer wir sind und was wir sind. Diese Medien sind nicht neutral, nicht einfache Handwerkszeuge, sie sind keine passiven Container für einen Inhalt, sie sind in sich die Formgeber für das Verstehen. Wer zwei Städte mit einer Brücke verbindet und von zwei Städten mit einer verbindenden Bücke spricht, versteht nicht, dass die Qualität dieses Raums entschieden zu einem Raum verändert wurde. Selbst wenn geografische Zustände fast gleich erscheinen, so wird die quantitative Änderung der Verbindung dieser unterschiedlichen urbanen Landschaften durch die besonderen, neu geschaffenen sozialen Verbindungen eine neue Einheit formen.

Durch technische Neuerungen versucht die Menschheit den physikalischen Raum und den kognitiven Raum zu kontrollieren. Es geht um die Verbindung von kommunikativen Bedürfnissen, denn uns treibt der Wunsch nach Verstehen und Überbrückung. Dabei wird der Umstand dass Medien selbst Botschaften sind eher achtlos behandelt. Der Gedanke, dass digitale Medien helfen, eine menschliche face to face Verbindung zu verhindern, wird unterdrückt. Medien unterstützen die unpersönliche Kommunikation.

Mit diesem Wissen stellt die Erschaffung eines medialen Erlebnisraums die Frage nach der Beschaffenheit der Medien. Denn elektronische Medien sind soziales Verhalten. Und so trägt jedes Medium eine eigene DNA ins sich, die eigene Kommunikationsarten evoziert.

Welche Medien werden in Inszenierungen eingeplant?

Diese Frage wir gestellt, aber es ist besser zu fragen: welche Medien rufen welche Bewegungen und Reaktionen hervor? Erst nach der Klärung dieser Frage, beantworten wir die Inhalte, die über diese Medien gespielt werden. Die Semiotik hat sich mit der Sprache als Mittel für das Verstehen auseinander gesetzt, wir setzten uns zusätzlich noch mit der medialen „Semiotik“ auseinander. So werden Töne über Kopfhörer anders begriffen, als im Raum verströmte Geräusche. Bilder auf einer großformatigen LED Wand bei mittlerer Rezeptionsdistanz werden anderes aufgenommen als auf einem hand held device.

Wir arbeiten deshalb mit zwei Narrativen. Der Narrative des gewählten Mediums dessen technologische Semiotik entschlüsselt wird, und der Narrative der Formate, wie Standbild, Bewegtbild,Ton, Sprache, Licht, Farbe, also der Kodierungssysteme  und  die inhaltliche Botschaft die über Technik und Format erzählt werden.

Welche Medien wofür? Anwendungsbeispiel.


© Hochschule der Medien, Studioproduktion EventMedia
Vier aneinander gereihte Kopfkinos. Die Besucher stehen auf Podesten, die einen Endless Mirror verbergen.

Im medialen Erlebnisraum werden lineare Erzählungen dekonstruiert. Sie werden in Technik und Kommunikation aufgeteilt, eingeteilt und neu gemischt. Diese Mischung wird dem Besucher in der Hoffnung vorgestellt, dass sie aktivierend und erkenntnisgewinnend den Geist und den Körper des Rezipienten bewegt. Denn er soll aktiv werden, sich auseinander setzen, sich beteiligen und kausale Zusammenhänge zusammen bringen, soll zwischen den Zeilen lesen und ein eigenes Bild erschaffen. Zwischen den Zeilen bedeutet im medialen Erlebnisraum, er soll die Stationen, die Wartepunkte, die Interaktionspunkte miteinander verbinden und ein Ganzes daraus formen.

Dafür wird die einst lineare Narrative dekonstruiert. Es werden Kernszenen extrahiert, denn ein Buch, Gedicht, eine Film oder ein lyrisches Traktat in ganzer Länge nachzuerzählen stellt eine Kopie etwas Bestehenden dar, nicht eine neue Kreation, also ein neuwertiges Werk und damit Erfahren und Interpretieren.

Die Kernszenen werden mit Schlüsselaussagen verbunden und medial inszeniert. Im gezeigten Beispiel wird ein szenischer Kurzfilm, eine Tragödie, in den medialen Erlebnisraum übertragen. Der Protagonist verursacht großes Leid an dem er innerlich fast zerbricht. Der Boden wird mit jeder Erinnerung unter seinen Füssen weg gezogen. Die mediale Inszenierung greift dieses Thema auf.

Der Besucher wird aufgefordert, den Moment des Fehlverhaltens in einem Kopfkino, einen den Kopf umschließenden Kastens, erneut zu erleben. Er tritt über eine Stufe in diesen Kasten. Dieser Raum ist von allem anderen Geschehen abgeschirmt und der Besucher ist mit sich allein.

© Hochschule der Medien, Studioproduktion EventMedia. Der Besucher erlebt im Kopfkino die traumatische Schlüsselszene. Nach Beendigung erleuchtet ein Endless Mirror.

Er setzt einen Kopfhörer auf und auf einem, das Blickfeld umschließenden Curved Display wird in der subjektiven filmischen Einstellung der Moment des Fehlers erzählt. Durch die Subjektive ist der Besucher der Hauptdarsteller. Im Kopfhörer selbst befindet sich ein Infrarot Sensor. Mit der Drehung des Kopfes werden bestimmte Bildbereiche sichtbar, der Rest des Bildes verschwimmt und ist der Wahrnehmung entzogen. Der Betrachter sieht und erlebt den Tunnelblick des Protagonisten. Das Curved Display hilft bei dem bildlichen Umschließen des Menschen.

© Hochschule der Medien, Studioproduktion EventMedia: ein Curved Display umschließt die Sicht des Besuchers im Inneren des Kopfkinos.

Im hinteren Bereich starrt der Hauptdarsteller des Films auf den Hinterkopf des Besuchers. Dafür reicht ein, in unmittelbarer Nähe angebrachter Flat Screen. Es ist eine beengte Situation, so beengt wie die filmische Erzählung. Beim Klimax, wenn dem Hauptdarsteller des Films der Boden unter den Füssen entzogen wird, erleuchtet ein Endless Mirror. Er befindet sich in dem erklommenen Podest. Der Boden bricht weg. Schaut der Rezipient hinunter, wird er in einen unendlichen Raum schauen. Auch ihm wird der Boden unter den Füssen entzogen.

© Hochschule der Medien, Studioproduktion EventMedia. Der Endless Mirror erleuchtet, der Blick des Betrachters führt in die Unendlichkeit.

Direktheit: Übereinstimmung von technischen Medien und Erzählung.

Das Beispiel verdeutlicht die Direktheit der Kommunikation innerhalb des medial inszenierten Erlebens. Im Film werden die Filminhalte an einer konsequent nachvollziehbaren Anreihung aufgebaut . Die Zeit entspricht einem filmischen verkürzten realen Erleben. Der Filmbetrachter wird ohne eigene Bewegung oder Interaktion diese Inhalte erhalten. Er wird durch Montage und Schnitte die zeitlichen und kausalen Lücken im Kopf schließen und die Geschichte vervollständigen. Derweil im Event Medialen Erleben narrative Details und Hinführungen untergeordnet behandelt werden. Denn der Rezipient erlebt die Geschichte handelnd. Nicht sitzend. Die Aufmerksamkeit wird durch vielfältige Eindrücke gelenkt. Es ist ein ganzkörperliches holistisches Erleben. Die Erzählung findet sich nicht nur in der Geschichte statt, sondern die Medien selbst erzwingen eine festgelegt Narrative.

Der Event mediale Raum ist immer ein körperlicher. Nicht nur körperlich in der Erfahrung des Rezipienten, sondern auch körperlich in der Präsentation. Es ist ein gebauter Raum, eine vollständige Einheit aus Objekten, seien sie analog, haptisch, digital oder virtuell. Sie sind im Raum und damit eine inszenierte erweiterte Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit kann nicht verändert werden. Baufehler, Anordnung, Inhalte, Narrationsweisen, Technologien etc. können nicht kurzfristig umgestaltet werden.

Diese räumlichen Inszenierungen erzwingen Konzepttreue, zwingende Fragen nach der Art der Medien, nach dem inne liegenden Narrationsarten des Mediums selbst. Es ist ein Vorgriff auf ein Holodek. Und das ist die Zukunft der Event medialen Erlebnisräume.