plusinsight

Tag Archives: hybrid art

„Art of Deception“ von Isaac Monté und Toby Kiers

Die Designer Isaac Monté und Tobi Kiers, Professor an der Freien Universität in Amsterdam haben eine Sammlung von Designer Herzen entwickelt, das Herz als das organische Herz. Sie verwenden  eine Technik die normalerweise als die ‘decellularization’ benannt wird. Es ist ein biomedizinischer Progress, ein Verfahren, wo das Herz eines Tieres von seinen genetischen Inhalten befreit wird. Es verbleibt ein durchscheinendes 3-dimensionales Proteingerüst, ein weißer, sterilen Rahmen, um andere Stammzellen zu injizieren. Der Prozess fußt auf dem Potenzial der Körpers, dass gesunde Tierherzen und andere tierische Organe vom menschlichen Körper angenommen wird. Ein scheinbar totes Herz wird von einem anderen Organismus wie eine Maske angenommen, wird von eigenen, lebenden Zellen wieder belebt und ersetzt ein krankes, dysfunktionales Organ. Diese Organe werden in der medizinischen Wissenschaft als Ghost Organe betitelt. Es bezieht sich auf tierische Organe vorzugsweise Schweineherzen, die mit menschlichen gesunden Zellen wieder belebt werden.

Das Projekt wird auf der Ars Electronica unter dem Titel „The Art of Deception“ im Bereich der Gallery Spaces vorgestellt.

 

Monti ist ein sogenannter digitaler Aktivist, seine letzten Arbeiten experimentieren mit Fleisch, wie zum Beispiel mit Schinken, mit dem marmorhafte Vasen oder Lichtobjekte hergestellt werden.

Kiers wiederum ist Professor an der Fakultät der evolutionären Biologie, wo es um die Frage nach einer evolutionären Fähigkeit der Täuschung im Leben geht.

Diese entwickelte Technik der ‘decellularization’ wird der Forschung in der Zukunft die Möglichkeit geben, Formen, Körper für medizinische und ästhetische Zwecke neu zu entwickeln. Biologische Interventionen werden Menschen nicht nur gesundheitliche, sondern auch ästhetische Möglichkeiten bereit stellen, um sich neu zu definieren. So können Deformationen geheilt werden aber auch Statussymbole geschaffen werden. Die Designer stellen 21 Versionen der Designer Herzen aus.

Herzen, die zum Beispiel durch fluoreszierende Bestandteile einen Schimmer erhalten oder Herzen, die bei Bewegung ihre Farbe verändern, es gibt tätowierte Herzen, es gibt Herzen mit eingravierten Brandnamen von Modemarken, es gibt Herzen mit Gold Rand, Herzen wie Edelsteine, Herzen wie Porzellan oder auch ein gebrochenes Herz, ein Herz aus Stahl, ein weiches Herz, ein steinernes Herz oder jenes, wo das Innere nach außen gekehrt wird. Sie werden auf der Ars Electronica in einem der vielen Räume in zwei langen Reihen in Gläsernen mit einer durchscheinenden Flüssigkeit, die an Formaldehydeerinnert präsentiert. Sie stehen auf schwarzen Tischen in einer langen Reihe und werden durch hell angestrahlt.

Es ist ein schauerliches Erlebnis, die Herzen liegen still und neutral in der Flüssigkeit, ein Sturm von Assoziationen bewegt den Rezipienten, denn erst ein beigelegtes Plakat erklärt, wie die Herzen benannt werden und geben Auskunft zum Herstellungsvorgang.

Eine innere Empörung breitet sich bei der Autorin aus. Fragen nach Moral und Ethik, nach der Verkommenheit einer Gesellschaft, die das Herz als Designerobjekt betrachten könnte, rühren an den Grundfesten der gesellschaftlichen Akzeptanz von Vorstellungswelten über das Gute oder Verwerfliche.

Das Team wurde durch die holländische Organisation für Gesundheit ,Forschung und Entwicklung finanziert. Die Abteilung steht für den, ein im Jahr vorgestellten, Bio-Kunst und Design Wettbewerb.  Das Team arbeitete in Kooperationen mit Dr. renée van Aamerongen vom Swammerdam Institute for Life Cciences, Dr. Monique Verstegen – Erasmus Medical Center Rotterdam, Mrs Yvonne Steinvoort – Erasmus Medical Center Rotterdam, Dr. ir. Jos Malda – University Medical Center Utrecht, Professor Paul van der Valk – Vrije Universiteit Amsterdam.

Die Photographien stammen von MvT (Dr. Margarete von Trifft) und wurden vor Ort auf der Ars Electronica mit einem Hand Held Device aufgenommen.

Dr. Margarete von Trifft schreibt für den medienkunstblog Berlin plusinsight über Kunst. Sie kommentiert und beschreibt auf der diesjährigen 2018 Ars Electronica beachtenswerte Werke. Sie hat Soziologie und Kunstgeschichte studiert, später freie Kunst an der Universität der Künste in Berlin.  Später promovierte sie in den Bildwissenschaften. Es ging um die Virtualität der bildlichen Ausdrucksformen, des flüchtigen Bildes. Professor Ursula Drees lud sie ein, auf der Ars Electronica in Linz für den MediaArtBlog plusinsight zu schreiben.

 

 

Life Instinct von Bart Hess (NT) in Collaboration mit Maria Dada (UK) + Marco Collucia (IT)

Kreatur Photographie©MvT

Dieses Kunstwerk oder Experiment wird von den Kuratoren der Ars Electronica unter dem Motto Fashion & Technology ausgestellt. 

Der niederländische Künstler kommt aus der Mode oder aus der Modeindustrie. Dort hat er sich durch verschiedene Aktivitäten einen Namen gemacht, so zum Beispiel Lady Gaga für den Video „born this way“ in Slime getaucht. Er experimentiert mit Material, Oberfläche, mit der Geschlechtslosigkeit. Oftmals sind die Ergebnisse ein bisschen abstoßend, weil sie glitschig, komisch glänzend, merkwürdig bewegt sind. Sie sind nicht von dieser Welt, sie scheinen aus anderen Organismen entstiegen zu sein.

Die Installation auf der Ars Electronica überrascht nicht. Wohl jene, die den Künstler nicht kennen. Deshalb steht der ein oder andere vor dem Tisch auf dem leicht bewegte,  gliedmassenartige Figuren zucken und sich winden. Sie sehen aus wie überdimensionierte Insektenglieder oder Schalentiere. Nur die Oberfläche in einem violetten Hautton, blau schimmernde Anteile lassen alles etwas unterkühlt erscheinen. So könnten vielleicht Wasserleichen aussehen.  Dieser Eindruck wird durch die glänzend und modular ineinander verschachtelte elastische Hülle unterstützt. Die Teile sind in der Größe eines Oberschenkels oder Arms. Aus den Objekten treten ausgefranste Stricke aus.

Der erste Eindruck ist ein frankensteinsches Experiment mit zuckenden Gliedmaßen. Wer sich dem Tisch nähert initiiert Bewegung, die Objekte verändern linkisch ihre Position. Das Tischtreiben ruft sowohl Faszination, als auch einen merkwürdigen Eindruck von Schönheit, verbunden mit Abscheu, hervor.

Maria Dada vom Digital Anthropology Lab der University of London arbeite wahrscheinlich am digitalen Innenleben und die Soundspähren stammen von Treale aka Marco Collucia. Mit dem Namen Life Instinkt trägt diese Installation einen würdigen Namen.

Dr. Margarete von Trifft (MvT)

Ars Electronica 2017: IGNIS AER AQUA TERRA von Yuima Nakazato

Feuer, Wind Wasser Erde, die vier Elemente. Sie bilden die Grundlage der Vielfalt aller Stoffe. So zumindest war die Vermutung noch vor einigen Hunderten von Jahren. Die Naturwissenschaften haben diese Vorstellung erweitert. Aber die Idee durch eine Kombination einen unendliche Vielfalt zu schaffen, brachte Yuima Nakazato zu einer Modekollektion. Sie wird mit modernen Technologien hergestellt. Kleidung wird nicht mehr genäht, sie wird assembelt. Sie ist wie in der Autoindustrie. Es werden Bauteile hergestellt, diese wiederum mit einer unendlichen Vielzahl vom Möglichkeiten vermischt und viele verschiedene Mobile aus immer den gleichen Bauteilen werden hergestellt. Farbe, Grösse, Form, Schnittigkeit, Ausstattung, alles ist der Idee eines Menschen angepasst. Dafür sogen die vielfältigen Ausstattungslinien und Konfigurationen. Und dahin wird die Mode gehen. Jeder Mensch sein eigenes Design. Das praktiziert Adidas und andere Sportschuhehersteller. Das ist der Weg der Zukunft. Ob die Mode dadurch egalisiert wird oder nicht, kann noch nicht gesagt werden. Vielmehr geht es um die Zuneigung der Träger zu ihrem ureigensten Entwurf. Wo dieser dann hergestellt wird, ist nicht relevant.Wenn nicht mehr genährt wird, dann wird nicht mehr entworfen, nicht mehr gestaltet. Dann gibt es nur noch Modelkollektionsvorlagen aber keine Kollektionen mehr. Ob es dann auch einen Gebrauchtkleiderhandel gibt. Oder Vorführkleidungsstücke, die nach einem Monat tragen zwar als neu gelten aber etwas kostengünstiger zu haben sind. Es wird dann mit allem was gut und teuer gearbeitet. Die Modemodule können aus Silber, aus Gold sein. Sie können wahre Juwelen werden oder auch nicht. Vielleicht gibt es eine Wiederverwertung von abgelegten Modulkleidern. Die werden neu aufgearbeitet und wieder in die Modulpalette eingearbeitet. Vielleicht gibt es einen Kleiderschrottmarkt an dem sie die Armen bedienen? Und eigentlich gibt es alles das schon.

Bildergalerie:

Wenn ein Blick auf die Art der Mode geworfen wird, dann sehen wir Gustav Klimt vor uns. Fin de Siecle. Üppig, glamourös, farbenfroh. Die Mode sieht aus wie die Schuppen einer Schlange oder eines Chamäleons.

STARTS Prize 2017 Honorary Mention.

Narrative Erzählweisen am Beispiel von „Schatten“


Auf 125 qm macht die eventmedial Raum-Inszenierung Schatten einen szenischen Kurzfilm mit gleichem Titel „Schatten“ erlebbar.

Konzeptionell ging es um die Dekonstruktion des szenischen Kurzfilms. Der Film erzählt linear, zeitbasiert. Event Medien erzählen dekonstruiert und asynchron. Welche Themenbereiche sind packend und lassen sich szenisch durch Event mediale Mittel darstellen? Diese Frage zu lösen kostet Zeit und Gedanken. Nur die filmischen Höhepunkte eigenen sich, längere Ausführungen durch Filmbildsprache sind schleppend, langatmig in einer Event medialen Erzählweise. Der Besucher geht oder steht im Raum oder in Räumen. Ablenkungen und Aufmerksamkeitseinschränkungen werden durch Umgebungsimpulse wie Ton, Licht, Arrangement, Aufbau, Elemente, andere Besucher oder im ungünstigsten Fall durch Kommunikation mit Handy oder sonstigen mobilen Endgeräten erzeugt. Der Fokus kann leicht gebrochen werden, aber umso schwerer ist es, ihn konstant zu halten. Dafür ist die Erzählweise auf das Raumgefüge anzupassen. Prägnanz, emotional, eindrucksstark werden die Medien eingesetzt. Auch weil die Geschichte dekonstruiert und non-linear vermittelt wird. Der Besucher wird mit höhen Anforderungen konfrontiert. Die Bereitschaft zum Erschließen, zum Sich Einlassen und Verarbeiten ist größer als im Kino. Dort werden Umgebungseinflüsse reduziert, Dunkelheit, Surround Tontechnologie, Steuerung der Blickrichtung auf eine überdimensionale Leinwand, Bewegungseinschränkung durch Sitzen: all das führt zu größerer Konzentration auf das Narrative Geschehen. Geschichten werden schneller entschlüsselt, Interferenzen werden stärker verhindert. Im Event Medialen Raum steht der Besucher vor der freien Wahl. Geht er schnell oder langsam, unterhält er sich oder nicht, betrachtet er, berührt er Dinge, probiert er etwas aus? Steuert er durch die Räume wie durch einen Bahnhof, bleibt er stehen und hört, sieht, beobachtet und erschießt er die medialen Informationen? Der Besucher lenkt sich und sein Erlebnis. Alle Raumelemente werden mit den Möglichkeiten des Handelns abgestimmt.

Wie wird der Film gestalterisch in den Raum eingeflochten? Die Bilder sind der Größe des Ausgabemediums angepasst. Rückpro, Aufpro, Durch-Projektionen, Leinwände aus Gaze oder PVC, Bildträger, Bewegung oder Standbild, Bildschirme, LED Wände und deren Auflösung, Lichteinfall durch andere Medien, vorgebaute Installationen wie halbtransparente Spiegelfolien oder Diffudierungen durch Plexiglas oder andere Materialien fordern mehr Helligkeit, Dunkelheit, Saturation, Kontraste oder andere Farbgebung. Der Standpunkt des Betrachters ändert sich und damit der Hot Spot. Die Technik ändert nicht nur die gestalterische Qualität sondern auch die inhaltliche. Jede Technik kommuniziert als Element. Ist es ein warm oder kühl anmutendes Material? Bekannt oder fremd, alt oder neuwertig?

Teile der Installation und der Kurzgeschichte Schatten werden auf überdimensionierten Stelen erzählt. Die Größe der Bilder, die Kadrage und die Platzierung wird genau auf die zu erzielende Wirkung abgestimmt: andere Ausschnitte, andere Zeiten, andere Effekte, andere Kontraste und Farbe, anderes Placement, andere Montage. Teilweise wurden sogar spezielle Filmszenen nur für den Eventmedialen Raum aufgenommen.

Im Film „Schatten“ geht es um Erik, der in einer Notrufleitstelle arbeitet. Eines Nachts verschuldet er versehentlich den Tod eines Kleinkindes. Er lässt sich von einer Handynachricht seiner schwangeren Frau ablenken während er gerade einen Notruf bearbeitet.
Infolgedessen schickt er den Krankenwagen zur falschen Adresse, woraufhin das Kleinkind verstirbt. Die Schuld, die Erik fühlt, beginnt ihn zu verschlingen. Er droht daran zu zerbrechen.

Diese Geschichte zu vermitteln, ist eine Sache, aber das ist nicht alles. Natürlich ist es nicht alles. Wenn ein Erlebnis geschaffen wird, dann muss der Besucher muss eingebunden werden. Er muss aktiv werden, er muss erkennen, dass er es ist, er allein, der die Geschichte wieder zusammen bringt. Das kann im Kopf geschehen, aber es kann mit Hilfe von Interaktion stattfinden. Die Kopfkinos erfüllen diese Anforderung. Nicht nur wird durch die Formsprache der Medien an und für sich Bedeutung vermittelt, sondern auch durch das Besucher Handeln. Er tritt in das Kopfkino hinein, bückt sich und überwendet gleichzeitig eine kleine Stufe. Das ist anstrengend. Er steht allein in dem Inneren des Kubus.

Dort setzt er den Kopfhörer auf und auf einem curved Display wird in der subjektiven filmischen Einstellung das markante Erlebnis erzählt. Durch die Subjektive ist der Besucher der Hauptdarsteller. Im Kopfhörer ist ein Infrarot Sensor eingebaut. Mit der Drehung des Kopfes werden bestimmte Bildbereiche sichtbar, klar erkennbar, der Rest des Bildes verschwimmt. Der Betrachter sieht und erlebt den Tunnelblick des Hauptdarstellers im Film. Und das curved Display hilft bei dem bildlichen Umschließen des Menschen. Im hinteren Bereich starrt der Hauptdarsteller des Films auf den Hinterkopf des Besuchers. Es ist eine beengte Situation, so beengt wie die Erzählte im Film. Wenn der filmische Klimax erreicht ist, wenn dem Hauptdarsteller des Film den Boden unter den Füssen entzogen wird, dann erleuchtet das Podest auf dem der Besucher steht. Es ist ein endless Mirror. Der Boden bricht weg. Die formale Gestaltung der Installation selbst drückt die erzählten Inhalte aus.

Wir könnten jetzt noch unendlich lange über die Installation sprechen, über die Hürden im Bühnenbau, oder überhaupt eine so große professionelle Installation zu finanzieren. Über Beschaffungsschwierigkeiten zu den Technologien, logistische Herausforderungen, Ab- und an Transport der Technologien, über Versicherungen, über Sicherheit, über Lichtstimmung, über Tonstimmung, über die Projektionen, aber das wird in Folgebeiträgen behandelt. Es geht erst einmal um eine Bewusstwerdung der Differenzen über filmische Narrative und Event Medialer Narrative.

Current (2014) von Michael Awad und David Rokeby

Current ist eine temporäre Medieninstallation. Es ist ein Kunstwerk im Bereich der Medienarchitektur. Dieses Werk steht an der Schwelle zwischen Kunst, Wissenschaft, Technik und Architektur. So wie wir es von David Rokeby schon in Vorläuferwerken erlebten.  Wir kennen ihn eher aus projizierten Bildwelten an Architektur. Hier sehen wir eine reaktive mediale Fassade.  Die Fassade reagiert auf die Umgebungseinflüsse. Sensoren erzwingen Veränderungen von an einer Fassade angebrachte Elemente. Das kann alles mögliche sein, Lichter, Scheiben, Lamellen, Roboterarme usw.  alles was sich bewegen kann. Hier an diesem Beispiel werden Windrichtungszeiger, beim Segeln die Verklicker genannt,  an einer Aussenfassade angebracht. Sie reagieren sensibel auf Luftänderungen.  Sie stehen sie von der Fassade ab und reagieren auf jeden Luftimpuls. Fast synchron bewegen sie sich. Ein meditatives Erlebnis das dem Schwung der Wellen gleicht. Und so wird es auch von den Künstlern verstanden. Sie zeigen die unsichtbaren Wellen des Windes auf. Verwandeln die Fassade in ein Messgerät.