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„Fabula Deus – oder der Film der Zukunft“ von der fmx 2018, Prof. Katja Schmid

Foto: FMX 2018©Katja Schmid

Menschen träumen schon immer davon, die Welt nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Nun scheint es so, dass heutige Filmemacher dieser göttlichen Vision näher denn je kommen. Virtual Production, VR, Realtime Technologien, Dronen, LED Displays, fotorealistische Simualtions- und Render Algorithmen, Motion Capture, Facial Capture, Photogrammetrie und Machine Learning gestatten den Kreativen, sich eine glaubhaft, zum Verwechseln echte Welt zu schaffen, in der Charaktere (Menschen oder synthetische Figuren) agieren.

Foto: FMX 2018,Dominique Brewing and Luzie Marquardt

Habib Zargarpour (CCO und Co-Founder von Digital Monarch Media) bringt es nach einem langen Tag zu Virtual Production auf den Punkt: „Es geht um einen Paradigmenshift. Die Filme werden anders werden“.

Er hatte zuvor das Virtual Film Tool Expozure life vorgestellt, mit dem in einer virtuellen Umgebung die Previsualisierung in realtime aufgenommen, also der Film visuell konzipiert werden kann. Mittels eines handheld devices kann der Kameramann oder Regisseur in der virtuellen Welt Einstellungen wie am Set gestalten. Am Ende des „Drehtages“ werden die Shots zu einer Szene zusammengeschnitten. Expozure kam für den Science-Fiction Film Blade Runner 2049 (executive producer Ridley Scott, Regie: Denis Villeneuve) zum Einsatz. „Was wäre, wenn wir in Zukunft unsere Geschichten direkt aus den Welten, die wir gebaut haben, entwickeln würden – also zu einem life perform of storybuilding übergingen?“ Wie würden sich die Filme verändern, wenn statt auf der Basis von Text, die zukünftigen Geschichten in der menschengemachten, visuellen Welt entstünden?

An Blade Runner 2049 hat auch Axel Akesson (MPC) mitgewirkt. Als Asset Supervisor war er für die digitale Replikation von Rachael verantwortlich.

Die größte Herausforderung beim Erstellen von Digital Humans ist die Überbrückung des uncanny valley (es bezeichnet die beim Zuschauer entstehende innere Akzeptanzlücke von künstlich hergestellten Personen. Der Realitätsgehalt eines virtuellen Characters kann entgegen der Erwartung von größtmöglicher Realitätsnähe zu einer minderen Akzeptanz beim Rezipienten führen, wenn dieser Differenzen zum antizipierten Original als störend wahrnimmt.)  „Tote Augen“ sind die größten Illusionsbrecher und eine Herausforderung. Axel Akesson spricht in dem folgenden Interview über die neuen Methoden der Lichtberechnung im Augapfel, aus welchen Komponenten die digitale Rachael besteht, über die Vorteile, die Virtual Production mit sich bringt, was zukünftig noch an Verbesserungen zu erwarten ist und warum echte Filmfotografie für ihn immer noch das non plus ultra ist.

Ian Comley, CG Tech Supervisor, ILM vertritt folgende Perspektive zu Virtual Production: “It is not a substitute for good storytelling. It’s a tool, it’s not a replacement.” Die Tools haben sich konstant in vielen Gebieten weiterentwickelt und sich gegenseitig beeinflusst. Besonders was look development angeht, werden solide Referenzen, mit denen dann Prototypen entwickelt werden, bevorzugt. Sie helfen um schlussendlich zu einer hohen Glaubwürdigkeit zu gelangen. Ian kann sich zwei Zukunfts-Szenarien vorstellen. Einerseits können die Entwicklungen ohne jeden Anteil an realer Filmfotografie zu digitalen Welten und digitalen Charakteren im Film führen. Andererseits sollten perfekte Drehorte weiterhin verwendet werden,, wenn es sie gibt, denn sie verfügen nicht minder über Realitätsanspruch. Was digitale Schauspieler angeht, beantwortet er die Frage: „Can you fully synthesize a human performance through artificial intelligence?“ eindeutig mit „Ja“. Nach Ian Comley sind künstliche Charaktere genauso überzeugend und in der Lage Zuschauer in ihre Geschichte zu involvieren, wie menschliche Schauspieler.

“Creating worlds – that is what we all love to do. It is the escapism that a lot of us love. It’s the endless possibility of making a whole new universe and its own rules.” meint Shannon Justison (Visualization Supervisor, The Third Floor). Im Prozess der Previsualisierung nehmen die ersten Ideen reale Formen an, lang bevor der eigentliche Dreh stattfindet. Über die Zukunft des storytellings denkt sie oft nach: „The truth is: I don’t know. And that is the interesting part. I can imagine all these opportunities for virtual reality storytelling, augmented reality storytelling are bouncing in my head. And honestly, I don’t have a coherent thesis on that. But I am just really excited to see where it goes.”

“Tools for the next generation of storytelling” ist der Titel für Daniel Gregoire’s Vortrag auf der FMX.  Er ist der Gründer der Firma Halon Entertainment, und wirkte an einer Vielzahl von Blockbustern als Previs Supervisor mit (War of the Worlds, Kung Fu Panda, Spider-Man 3, Life of Pi, Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance), Jurassic World, The Hunger Games, Dawn of the Planet of the Apes, Alice Through the Looking Glass, Star Wars: The Force Awakens, Deepwater Horizon, Logan, and Kong: Skull Island). Sein Fokus liegt auf der Durchdringung von neuen Technologien und Storytelling und dafür nennt er ein eindrückliches Beispiel: „Photogrammetry hat es uns ermöglicht, den Ort, den wir beim location scouting besichtigt haben, buchstäblich mit nach Hause zu nehmen.“ Davon profitiert das gesamte Team, wenn es dann mit Hilfe der digitalen Kopie kreative Entscheidungen treffen kann.

Daniel macht in seinem Gespräch mit uns deutlich, wie schnell die Entwicklungen heutzutage vollzogen werden und wie komplex sie sind. „Realtime to me is a small stepping stone on the way to something bigger, faster, more effective. In terms of technology next generation will simply be today. Will be now.”

„Bei allen Überlegungen, wie sich die Welt des Kinos entwickeln wird, gingen mir immer wieder zwei Bildwelten durch den Kopf“, so Prof. Katja Schmid. „Die eine ist der Blick des kleinen Salvatore im Projektorraum in „Cinema Paradiso“ (Regie: Guiseppe Tronatore, 1988). und die andere Vision entstand beim Lesen von „Homo Deus“ (Yuval Harari) und sie dreht sich um die Frage, wie das Leben sein wird, wenn eines Tages hochintelligente Algorithmen die Menschheit  besser kennen, als der Mensch sich selbst. Wird dann die Welt zum Film ? Ist das der Paradigmenshift, der maßgeblich überdenkenswert ist?“

Und neben all diesen Überlegungen geht ein herzlicher Dank an Frau Nicola Steller für die großartige Pressearbeit. Mit überlegter Schnelligkeit und Akkuratesse wurden die Interviewpartner angeschrieben und zu uns in den Presseraum geleitet. Dort trafen wir auf einen für die fmx recht stillen Ort für Dreharbeiten. Und da Nicola Steller nicht alles allein schaffen kann, danken wir herzlich allem Helfern der fmx. 

Interviews wurden von Prof. Katja Schmid auf der fmx 2018 geführt.

Zur Autorin:

Katja Schmid begann als Filmemacherin in den DEFA-Studios für Trickfilme. 1993 erhielt sie ihr Diplom als Kamerafrau von der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Als Kamerafrau, Digital Artist und Editorin hat sie über 50 Film- und Medienproduktionen mitgestaltet. Seit 2004 ist sie als Professorin für Visual Effects and Postproduction an der HdM tätig. Von 2006-2011 kuratierte sie die Digital Cinema Conference, den Tech Track Stereoskopie sowie die Junior Paper Session der FMX. Von 2014 bis heute ist sie verantwortlich für das VEGA CAMP an der Hochschule der Medien. Ihre Forschungsgebiete sind Lichtfeldtechnologie und Wide Gamut.

Zum Ton:

Peter Ruhrmann trägt den Titel des Ingenieurs für Audio visuelle Medien. Er arbeitet mit Studierenden an VFX Medien Produktionen und zeigt sich verantwortlich für kreative technische Lösungen bei Herausforderung innerhalb der Produktionen. Außerdem entwickelt und wartet er seit 2006 die technische Infrastruktur des VFX Departments an der Hochschule der Medien. Peter Ruhrmann ist zertifizierter Nuke Trainer durch Foundry und fxphd. Seit 2008 unterrichtet er das Fach Compositing.

Fotos, Text, Interview: Katja Schmid

Ton: Peter Ruhrmann

Kamera: Patricia Birnfeld, Studentin der Audiovisuellen Medien an der Hochschule der Medien, Stuttgart.

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