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Biennale Venedig 2015: Massinissa Selmani, Algerien: „A-T-on besoin des ombres pour se souvenir?“

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Biennale Venedig 2015: Massinissa Selmani, Algerien: „A-T-on besoin des ombres pour se souvenir?“

Die Räumlichkeiten des Arsenales sind voll. Überall ist Kunst, überall. Schon weiss der Betrachter nicht mehr wohin er schauen kann und will. Es ist wie im Bazar. Und dann plötzlich an der linken Seite der Wand finden sich kleine Zeichnungen mit Bunt,- und Bleistift unter Glas mit schmalen bescheidenen Holzrahmen. Sie sind in Kopfhöhe angebracht, zum Glück, sonst wären sie untergegangen. Aber wie durch ein Wunder macht ihr bescheidener Auftritt Eindruck. EDer Betrachter verlässt das bunte Treiben, tritt einen halben Meter an die kleinen Bilder heran, bewundert das zeichnerische Geschick und dann irgendwann erschüttert Erkenntnis den Geist. Es sind bitterböse Zeichnungen.

Ein Autobus von Mercedes Benz. Menschen versuchen durch die schmalen Fenster heraus oder hinein zu klettern. Sie wollen weg. Sie fliehen. Sie sind allein mit sich. Davor wird ein roter Teppich ein oder ausgerollt. Waren gerade die Politiker da? Oder kommen die Würdenträger bald an. Es sind diese Menschen die über die Flüchtenden entscheiden werden. Sie werden die Grenzen öffnen, werden sie vielleicht mit Stacheldraht verschließen. Sie werden den Flüchtigen, die dem sicheren Tod ins Auge schauen wenn sie in ihrer Heimat bleiben, entweder eine Zukunft geben oder eben nicht. Und die Schicksale über die entschieden wird? Das sind die Verzweifelten, die in einem überfüllten Bus durchs Fenster klettern.

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Eine andere Zeichnung zeigt einen Grenzzaun. Er ist hoch an den aufschlagenden Betonplatten entstehen kleine Ritzen. Ein Mann im Hintergrund beugt sich vor und schaut durch. Ein blauer Hund im Vordergrund ebenso. Und einige Meter zurück versetzt steht ein kleiner Junge, die Finger formen eine Pistole. Sie wird vom knienden Vater in Position gebracht. Der Vater hilft um ordentlich zu zielen. „Hier mein Sohn, so muss man das machen!“ Die Finger zeigen auf den Zaun, aber eigentlich zeigt er auf die Menschen dahinter.

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Die einen schauen neugierig, die anderen zielen spielerisch. Ist es Israel? Vor 25 Jahren hätte es noch Berlin sein können. Jetzt sind es andere Länder. Ist es Ungarn?

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Noch ein weiteres Bild zeigt wie ein Mann mit einer schweren Planke bewaffnet eine Haustür aufschlagen will. Ein anderer mit Rolltrolli in rot transportiert ein Spielzeugflugzeug darin. Er betrachtet neugierig eine Rettungsszene. Zwei junge Männer sind über einen Anderen auf dem Boden liegend gebeugt. Was hat der nur? Kopfschmerzen sicherlich nicht, vielleicht ist er von etwas getroffen, vielleicht hat er einen Kreislaufkollaps, wird er gerade wieder belebt? Und auf dem direkt daneben stehenden Auto macht ein anderer junger Mann auf dem Autodach mit sich und einen anderen Mann in stabiler Seitenlage ein Selfie. In diesem Bild werden so viele Geschichten erzählt, dass eine Zusammenfassung schwer fällt. Der Betrachter fragt, ob hier geholfen wird? Oder ist es das Gegenteil und die Touristen der ersten Welt bestaunen das Elend der dritten Welt, machen Fotos und stehen hilflos rum.

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Ein anderes zeigt ein leeres Schwimmbad. Auf dem Startblock steht eine Frau in Schal und Mantel. Sie schaut als sei sie auf einem Aussichtsturm. Direkt neben ihr der Hals und der Kopf einer Giraffe. Sie muss wohl im Schwimmbad stehen. Ob sie dort lebt. Zwei Ventilatoren sind auf die Frau gerichtet. Ob sie angeschaltet sind, kann der Betrachter nicht sehen. Welch merkwürdige Bildsprache? Da steht sie die Menschheit auf dem Startblock. Unter ihr in der Schwimmbadvertiefung schafft es die Tierwelt gerade mal den Kopf an die Oberfläche zu schieben. Mehr nicht, ihre Lebenswelt gibt es nicht und das was davon übrig geblieben ist, ist nicht zu sehen. Der Wind kommt von Geräten. Ein sarkastisches Bild. Wie alle anderen auch.

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Der Künstler Massinissa Selmani wurde in Algerien geboren und lebt und arbeitet seit Jahren in Frankreich. Er hat an der Kunstakademie in Tours studiert und seinen Abschluss gemacht. Seine Arbeiten sind noch unbekannter als bei anderen Künstlern der Biennale. Er stellt seit 2011 aus, vielleicht 4 oder 5 Mal im Jahr. Und je mehr er macht desto größer und beeindruckender die Aussteller. Immerhin ist er auf der Biennale! Er ist noch jung wurde 1980 geboren.

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